MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen.. Vortrag am 26. September 1896 in Berlin
(in: MWG I/4, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff)
Bände

[803]Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen

[A(1) 1][Bericht der Vossischen Zeitung]

Der Redner ging überall streng kausal zu Werke und suchte unsere heutige Agrarpolitik durch Zurückgehen auf ihre Ursachen, ihre historischen Grundlagen zu erklären. Diese Betrachtung der geschichtlichen Entwickelung führte ihn zu dem Ergebniß, daß trotz gleicher Grundverfassung allmählich aus dem Osten und Westen Deutschlands etwas Grundverschiedenes geworden ist. Die beiden Gebiete desselben Staates stehen sich ökonomisch in jedem Punkt so fremd gegenüber, die Verhältnisse sind im Westen so ganz anders als im Osten, daß man ganz verschiedene Staaten vor sich zu haben glaubt. Diese Thatsache muß man sich immer wieder vor Augen halten, wenn man die heute so oft aufgeworfene, in das Schlagwort zusammengefaßte Frage beantwortet: Sind, sollen und können wir ein Industrie- oder Agrarstaat sein? Zunächst, was denkt man sich bei diesen Schlagworten, welches ist das Merkmal, worin wir die Kriterien der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Gruppe finden? Es kommt nicht auf die Quote der Bevölkerung an, denn dann würde z. B. Koblenz oder Minden, die eine große Zahl Landbevölkerung auf weisen, zur agrarischen Gruppe zu rechnen sein, was doch keinem verständigen Menschen einfallen dürfte. Das Umgekehrte gilt von Stralsund. Hier haben wir es mit einem unzweifelhaft agrarischen Staatstheil zu thun, und doch ist die Bevölkerung zum erheblichen Theil als städtische zu bezeichnen. Das allein entscheidende Kriterium ist: Von welcher Seite kommt das Geld in das Land, was deckt seinen Nahrungsmittelbedarf? Von diesem Standpunkt aus ist der Westen unzweifelhaft im strikten Gegensatz zum Osten nicht agrarisch. So würde beispielsweise aus dem angegebenen Grunde in Stralsund die große Masse der städtischen Bevölkerung ohne die agrarischen Elemente zur völligen Bedeutungslosigkeit heruntersinken. Das Umgekehrte würde im Rheinland der Fall sein etc. Der Redner ging nunmehr dazu über, zu zeigen, wie in jeder Einzelheit des menschlichen Lebens die Verhältnisse andere sind und sein müssen, je nachdem das betreffende Gebiet der einen oder der andern Gruppe angehört. Und überall kam er im wesentlichen zu [804]dem gleichen Resultat, daß die Verhältnisse in den Industriebezirken des Westens erheblich günstiger liegen, als in den agrarischen des Ostens. Dort findet der Handwerker in Folge der größeren Kaufkraft des Publikums viel leichter als hier den Weg zum Kleinunternehmer, wie überhaupt die soziale Schichtung im Osten eine weit weniger gesunde ist, als im Westen. Was die Verschuldung anbelangt, so ist diese allerdings auch im Westen sehr stark, aber eine flüssige. Der leichte, häufige Umsatz von Grund und Boden bringt die Hypothek zum Sterben. Sie hat schon bei ihrer Entstehung den Todeskeim in sich. Ganz anders im Osten. Hier ist die Verschuldung eine chronische. Die Güter des Ostens sind das beste Anlagekapital für den Hypothekengläubiger, der hier meistens ein Kapitalist ist. Daher kommt denn auch die schwere Verkäuflichkeit und die schwere Theilbarkeit der Güter im Osten, welche durch die Hypotheken wie mit goldenen Klammern zusammengehalten werden.1[804] Mehr noch als in den deutschen Ländern französischen Rechts gewährte das preußische Hypothekenrecht dem Gläubiger große Sicherheit; insofern betrachtete der Gläubiger die Hypothek als dauerhafte Vermögensanlage, an deren baldiger Rückzahlung er kein Interesse hatte. Vgl. dazu auch die Ausführungen Max Webers in seinem Artikel „‚Römisches‘ und ‚deutsches‘ Recht“, oben, S. 528–531. Was weiter die Subhastationen betrifft, so lehrt uns die hierüber aufgenommene Statistik das Folgende:2Weber bezieht sich hier auf eine unter Landräten und Amtsrichtern durchgeführte Erhebung über die Ursachen von Zwangsversteigerungen, deren Ergebnisse in der Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus, Berlin, 29. Jg., 1889, S. 139–164, veröffentlicht wurden. Vgl. für die folgenden Angaben zur Subhastationsstatistik auch die Ausführungen Max Webers in seinem Gutachten: Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechts, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung? oben, S. 648–650. Je kleiner der Betrieb, desto mehr kommen für sein Gedeihen die persönlichen Verhältnisse des Besitzers in Betracht, Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit, Nüchternheit u.s.w. Bei den großen Gütern des Ostens dagegen spielt die Individualität des Latifundienbesitzers eine erheblich geringere Rolle. Vom Standpunkt der Subhastationsstatistik aus tritt bei den großen Gütern des Ostens die persönliche Tüchtigkeit des Besitzers weit zurück hinter den typischen, unabänderlichen Verhältnissen des Weltmarktes. Die Statistik zeigt uns ferner im Osten die Tendenz zum außerordentlich frühen Heirathen und eine eminent hohe Zahl unehelicher Geburten. Es ist geradezu erstaunlich, wenn man hiermit die Zahlen aus Osnabrück und Minden vergleicht, wie viel gün[805]stiger hier die Verhältnisse nach beiden Richtungen hin liegen. Die Folge davon ist im Osten Deutschlands starke Vermehrung der Bevölkerung, die sich zusammensetzt aus proletarischen, nach dem Westen abströmenden Elementen, und zwar tritt diese unerfreuliche Erscheinung um so stärker hervor, je größer die Güter sind, auf denen diese Bevölkerungszunahme statt hat. Es ist durchaus falsch, zu glauben, daß die dichteste Bevölkerung sich da ansammelt, wo die größten und besten Güter sind. Die Statistik widerlegt diese Annahme, die auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, sie lehrt uns, daß der schlechtere Boden weit dichter besiedelt ist als der bessere. Der Grund dieser nur bei oberflächlicher Betrachtung auffälligen Erscheinung ist darin zu suchen, daß der gute Boden Arbeitskräfte entbehrlich macht und somit einer Ansässigmachung ländlicher Arbeiter entgegenstrebt. Hier bewahrheitet sich das Gesetz von Marx, daß der Großbetrieb, die Maschine, menschliche Arbeitskräfte immer mehr überflüssig machen wird.3[805] Gemeint ist das „der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliche Populationsgesetz“, das Karl Marx im 23. Kapitel des ersten Bandes des „Kapitals“ entwickelt hat. Diesem Gesetz zufolge kommt es mit fortschreitender Kapitalakkumulation und Technisierung zu einer verringerten Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft und somit zu einer relativen Überbevölkerung. Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1. – Hamburg: Otto Meissner 18904, S. 593ff., das Zitat, S. 596. Max Weber nimmt unter dem Stichwort „Populationsgesetz der capitalistischen Produktionsweise“ in seinen Vorlesungen darauf Bezug. „Die deutsche Arbeiterfrage in Stadt und Land“, Sommersemester 1895. Nachschrift von unbekannter Hand, S. 150, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG, Abtlg. III). Ganz anders und weit günstiger dagegen als im Osten liegt im Westen die Frage der Bevölkerungsstabilität. Das Zentrum der seßhaften Bevölkerung ist die Rheinprovinz. Die Seßhaftigkeit nimmt ab, je mehr wir nach dem Osten fortschreiten, und sie sinkt gewaltig, bis unter 50 v.H. selbst beim Mitzählen kleiner Kinder, auf den großen Gütern des Ostens.4Weber bezieht sich hier auf die Gebürtigkeit in der Heimatgemeinde auf den östlichen Rittergütern. Vgl. seine Ausführungen oben, S. 666. In Berlin ist die Bevölkerungsstabilität eine erheblich größere als hier. Trotz des eminenten Wachsthums von Berlin sind hier doppelt so viel Ortsangehörige vorhanden als auf den Gütern des Ostens. Und auch sonst sind die Städte in größeren Industriebezirken von einer erheblich stabileren Bevölkerung bewohnt, als die Städte in agrarischen Bezirken. Sieht man sich nun die im Osten verbleibende Bevölkerung an, so ist auch in dieser Beziehung das [806]Resultat ein keineswegs erfreuliches. Es findet hier eine fortwährend stärker hervortretende Auslese statt zu Gunsten der Bedürfnißlosesten, es tritt der also denkbar kulturfeindlichste Zustand ein. Der Redner ging nunmehr zur Betrachtung der gesetzgeberischen Versuche über, welche gemacht worden sind, um hier Abhilfe zu schaffen. Was ist zunächst der Grund des Niedergangs des Ostens? Der Osten hängt ab vom landwirthschaftlichen Exportbetrieb. Er hat jedoch sein Absatzgebiet durch die Aufrichtung der russischen Zollgrenzen verloren,5[806] Rußland vollzog 1877 den Übergang zum Schutzzollsystem. und ein lokales Absatzgebiet trat nicht an die Stelle des verloren gegangenen Absatzgebietes. Man versuchte nun zunächst durch die Schutzzollpolitik nach dem Verschwinden des Exportbetriebes im Osten diesen und den Westen an einander zu schmieden.61879 ging das Deutsche Reich zum Schutzzollsystem über. Der Versuch gelang jedoch nicht, diese streng geschiedenen Wirthschaftsgebiete mit einander zu einer Einheit zu verschmelzen. Zwar zwang der Westen den Osten, ihm seine Industrieprodukte abzunehmen, aber der Osten vermochte nicht den Westen zu zwingen, ihm seine landwirthschaftlichen Erzeugnisse in gleicher Weise abzukaufen. Das zweite Palliativ bestand in der Aufrichtung einer Verschuldungsgrenze,7Die Einführung einer Verschuldungshöchstgrenze spielte auf der preußischen Agrarkonferenz, die unter der Leitung des preußischen Landwirtschaftsministers vom 28. Mai bis zum 2. Juni 1894 tagte, und in der Diskussion um die Einführung eines besonderen Heimstättenrechts nach amerikanischem Vorbild eine große Rolle, konnte jedoch aufgrund des damit verbundenen massiven Eingriffs in die persönlichen Eigentumsrechte nicht durchgesetzt werden. der Einführung der Höferolle, des Anerbenrechtes u.s.w.8Auf der preußischen Agrarkonferenz von 1894 war ebenfalls die Wiederbelebung des Anerbenrechts erörtert worden. Der Eigentümer eines Hofes sollte durch Eintragung in eine beim zuständigen Amtsgericht geführte Höferolle seinen Hof dem Anerbenrecht freiwillig unterstellen können, um so die ungeteilte Weitergabe des Besitzes an einen Erben zu sichern. Als Vorbild galt das Höferechtgesetz vom 1. Juni 1874 der preußischen Provinz Hannover. Das Anerbenrecht wurde 1896 in Preußen bei Renten- und Ansiedlungsgütern eingeführt. Die Folge aber war nichts weiter, als starke Bevölkerungswegschiebung. Und heute steht man im Begriffe, noch zu einem dritten, dem stärksten Mittel zur Entlastung des platten Landes zu greifen, und zwar dem gefährlichsten von allen, der Neueinführung von Fideikommissen im großen Maßstab. Es ist dies der neueste Plan des preußischen Finanzministers, der ja zugleich die Rolle des Land[807]wirthschaftsministers sich angeeignet hat.9[807] Siehe oben, S. 801. Gelingt der Plan, so werden alle die geschilderten, bedrohlichen Erscheinungen in verstärktem Maße eintreten. Und nur um auf diese uns seitens der Agrarier drohende, schwerste nationale Gefahr bei Zeiten aufmerksam zu machen, hat Redner den Vortrag gehalten. Die Gefahr ist um so größer, als das preußische Abgeordnetenhaus heute in seiner Mehrheit von stark agrarisch-plutokratischen Tendenzen beherrscht ist. Die Erscheinung, die uns hier entgegentritt, ist keine neue. Wir kennen dies schädliche Überwiegen des fideikommissarisch festgelegten Großgrundbesitzes von England her, und schließlich schlugen auch seinerzeit schon die Fugger denselben Weg ein, als es mit dem Blühen der Industrie zu Ende war.10Bei dem sich abzeichnenden Niedergang der Handelsbeziehungen seines Hauses schloß Anton Fugger – nach dem Vorbild schon bestehender Verfügungen seiner Vorgänger – am 20. November 1548 mit seinen Erben einen sogenannten „Fideikommißvertrag“ ab, der die Unveräußerlichkeit des Grundbesitzes der Familie festlegte, um einer möglichen Zersplitterung des Vermögens entgegenzuwirken. Dieses später durch allgemeine Fideikommißnormen geschützte Hausgesetz blieb bis 1918 in Kraft. Simnacher, Georg, Die Fuggertestamente des 16. Jahrhunderts (Studien zur Fuggergeschichte, Band 16). – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1960, S. 68ff. Und zu wessen Nutzen wird denn die Beseitigung der bisherigen Minimalgrenze sein,11Die Minimalgrenze für die Errichtung eines Fideikommisses lag bei 7500 Mark Reinertrag pro Jahr. welche im Osten die Entwicklung der Güter zu Fideikommissen verhindert hat? Nicht zu Gunsten der bisherigen Besitzer, sondern dera[807]A(1): den dort in diesem Fall eindringenden Großkapitalisten.

In der sich anschließenden, mehrere Stunden dauernden Debatte griffen die Berliner Nationalökonomen Max Sering und Adolph Wagner Max Weber wegen seiner kritischen Haltung zum Großgrundbesitz an. Auch Webers Ideal von Gütern überschaubarer Größe mit seßhafter Bevölkerung habe seine bedenklichen Seiten. Max Weber legte seinen Standpunkt daraufhin nochmals dar:

Er zeigt, daß der Großgrundbesitz im Osten nicht mehr zu halten sei, und man müsse ohne Sentimentalität die Konsequenzen aus dieser Thatsache ziehen. Aus den junkerlichen Elementen seien, wie auch SeringbA(1): Sehring zugiebt, vielfach Spekulanten geworden, zu deren Gun[808]sten die Gesetzgebung in Bewegung zu setzen, gar kein Anlaß vorliegt. Diese Elemente haben mit dem guten, mittleren, auf naturalwirthschaftlicher Grundlage ruhenden Bauernstände nichts gemeinsam und sind für die übrige Bevölkerung keineswegs harmlos.

[A(2) 1][Bericht des Berliner Tageblatts]

Nachdem der Vorsitzende, Landgerichtsrath Dr. F. Meyer (Berlin), des verstorbenen Mitgliedes, des Geheimen Oberregierungsraths und vortragenden Raths im Ministerium für Handel und Gewerbe, Dr. Gustav Königs, in einem warmen Nachruf gedacht hatte, führte Professor Dr. Weber unter Gegenüberstellung der Gegensätze zwischen dem äußersten Westen und dem äußersten Osten Deutschlands aus, daß die größere Bindung des Grundbesitzes, die Erhaltung unda[808]A(2): nach Begünstigung einer sozial-aristokratischen Verfassung des platten Landes keineswegs stabile Bevölkerungsverhältnisse schaffe. Es beruhe insbesondere auf einer optischen Täuschung, wenn die populäre Auffassung das „patriarchalische“ Gebiet des deutschen Ostens als ein solches bezeichne, wo eine physisch kräftige Bevölkerung auf ihrer natürlichen Scholle sitze, während das westliche Industrie- und Kleinbauerngebiet als ein Gebiet mit beweglicher Bevölkerung angesehen werde. Gänzlich zur Lösung des agrarischen Problems ungeeignet sei die, soweit bekannt, insbesondere vom preußischen Finanzminister gewünschte, höchstens im Stempelinteresse erstrebenswerthe Begünstigung der Fideikommißbildung;1[808] Zum Sachverhalt siehe oben, S. 801. denn statt eine zahlreiche und seßhafte Landbevölkerung zu schaffen, wie es die Lösung des agrarischen Problems wolle, bringe die Fideikommißbildung die Bevölkerung vielmehr in Fluß und schiebe sie ab. Nicht die schon jetzt überschuldeten Besitzer würden auf ihrer Scholle erhalten werden, sondern es würde das in Handel und Industrie erworbene Kapital, ähnlich wie vor 200 Jahren in England, diesen Gebieten entzogen und in Grund und Boden festgelegt werden. Bei [809]der Erörterung der Kontroverse, ob Deutschland ein Industrie- oder Agrarstaat sein werde und solle, sei zu erwägen, daß dasselbe keineswegs ein einheitliches Wirthschaftsgebiet bilde. Infolge seiner geschichtlichen Entwickelung zerfalle es in zwei neben einander bestehende Wirthschaftsgebiete: den Westen mit Nahrungsmittelunterbilanz und den Osten mit Nahrungsmittelüberbilanz. Auch dürfe man die Begriffe Industrie- oder Agrarstaat nicht nach der Quote der Bevölkerung erklären, welche nach den berufsstatistischen oder sonstigen Ermittelungen in Industrie oder Landwirthschaft thätig sei; denn dann würden die Regierungsbezirke Minden, Koblenz, Trier ebenso wie der Regierungsbezirk Stralsund unter die agrarische Rubrik fallen. Ferner dürfe man sich bei diesem Punkt nicht auf den Gegensatz zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung stützen, welcher beispielsweise für einen der industriereichsten Regierungsbezirke, wie Arnsberg, und einen von agrarischen Interessen beherrschten, wie Liegnitz, annähernd gleich sei. Als entscheidend müsse nur gelten, wie die tauschwirthschaftliche Erwerbsgelegenheit ins Land gebracht, ob der Nahrungsbedarf eines Bezirkes durch Industrie oder Landwirthschaft gedeckt werde.

Bei Erörterung der Verschuldungsfrage betonte der Redner die grundsätzliche Verschiedenheit zwischen der von vornherein zum Erlöschen bestimmten Hypothek des Westens und der einen dauernden Charakter tragenden Hypothek im Osten, dessen große Landkomplexe [–] „ihre geeignetste Grundlage“ [–] mit goldenen, aber eisenfesten Klammern von ihr umfaßt würden.2[809] Siehe S. 804, Anm. 1.

Endlich ging der Vortragende auf eine Prüfung der Frage ein, wo das Centrum einer stabilen Landbevölkerung in Deutschland sei, und wies nach, daß Städte mit einer großen Exportindustrie eine bei weitem stabilere Bevölkerung aufwiesen als die vom landwirthschaftlichen Großbetriebe mit seinen schwankenden Konjunkturen abhängigen Städte. So habe Berlin trotz seiner gewaltigen Bevölkerungszunahme einen größeren Prozentsatz Ortsgebürtiger als Städte und Rittergüter des Ostens. Das Centrum stabiler Landbevölkerung sei die Rheinprovinz.