[916][Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Georg Jellinek am 16. Februar 1898 im Verein „Frauenbildung“ in Heidelberg]
Am 15. Mai 1897 wurde die „Heidelberger Abteilung“ des Vereins „Frauenbildungsreform“ gegründet, in deren Vorstand Marianne Weber gewählt wurde.
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Wenig später, im Spätsommer oder Herbst 1897, spaltete sich diese Abteilung aus dem Verein „Frauenbildungsreform“ ab und gründete eine eigenständige Vereinigung mit dem Namen „Frauenbildung“, der ca. sechzig Mitglieder angehörten. Der alte Vorstand wurde bestätigt und Marianne Weber zur Vorsitzenden gewählt.[916] Heidelberger Zeitung, Nr. 114 vom 17. Mai 1897, S. 2.
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Im Rahmen einer von dieser Vereinigung durchgeführten Vortragsreihe über Frauenfragen sprach am 9. Februar 1898 der Heidelberger Rechtswissenschaftler Georg Jellinek über die „Öffentlich-rechtliche Stellung der Frau in Deutschland“.Heidelberger Zeitung, Nr. 238 vom 12. Okt. 1897, S. 2.
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Dieses Thema war nach der Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1896 von großem Interesse. Jellinek bemühte sich, in seinem Vortrag deutlich zu machen, daß die Frau rechtlich nicht schlechter gestellt sei als der Mann. Eine Ausnahme bilde das Wahlrecht; dafür müsse aber auch bedacht werden, daß die Frau von der Wehrpflicht befreit sei. Jellinek schloß seinen Vortrag mit dem Hinweis darauf, „daß doch die meisten Frauen ihren Beruf in der Ehe finden“.Berichte über diesen Vortrag sind abgedruckt in der Heidelberger Zeitung, Nr. 34 vom 10. Febr. 1898, S. 2, und dem Heidelberger Tageblatt, Nr. 35 vom 11. Febr. 1898, S. 2f.
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Heidelberger Zeitung, Nr. 34 vom 10. Febr. 1898, S. 2.
Es verwundert kaum, daß dieser Vortrag auf regen Widerspruch stieß. Am 16. Februar wurde daher ein Diskussionsabend anberaumt. Nach den Presseberichten über diese Veranstaltung hat auch Max Weber teilgenommen. Die Heidelberger Zeitung berichtete, daß sich gewisse Mißverständnisse, die vom Vortragsabend zurückgeblieben seien, während der Diskussion aufklärten: „Es stellte sich in der Discussion, an der die Herren Prof. Jellinek, Prof. Weber, Dr. Mittermaier und mehrere Damen, so Frau Berg und Frl. Wallot theilnahmen, heraus, daß die Meinungen in diesen Punkten garnicht so verschieden waren“.
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Im ähnlichen Sinn berichtete das Heidelberger Tageblatt. Am Schluß der Diskussion habe sich die ursprüngliche Ver[917]stimmung in „reines Wohlgefallen“ aufgelöst. Dazu hätten nicht nur die Ausführungen Jellineks beigetragen, sondern auch „die durch Frische, Witz und Humor fesselnden Ausführungen des ihm sekundirenden Herrn Prof. Dr. Weber“.Heidelberger Zeitung, Nr. 41 vom 18. Febr. 1898, S. 2.
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Das genaue Gegenteil berichtet Marianne Weber. Ihren Ausführungen zufolge sekundierte Max Weber Jellinek nur scheinbar, um im Anschluß daran seinen Standpunkt umso klarer darzulegen: [917] Heidelberger Tageblatt, Nr. 41 vom 18. Febr. 1898, S. 2.
„Die ganze Stimmung wurde beherrscht durch eine etwa viertelstündige Rede von Max. Er ging sehr diplomatisch zu Werk, kleidete seine Auseinandersetzung so ein, als wolle er nur die Anschauungen des ,Herrn Kollegen‘, die wir nicht richtig verstanden hätten, näher interpretieren. Dabei setzte er natürlich seinen Standpunkt auseinander, umschrieb in kurzen Zügen die ganze Frauenfrage und sprach den Frauen aus der Seele, was sie vorläufig nur noch undeutlich zu stammeln verstehen, gab auch den altmodischen Frauen, die viel heftigere Gegner der ganzen Bewegung als die Männer seien, mit ihrer Intoleranz für den neuen Typus einige kräftige Ermahnungen. Er verglich sie mit Hühnern, die mit ihren Schnäbeln unbarmherzig auf ein fremdes Huhn, das sich in ihren Hof verirrt, einhacken – kurz es war herrlich, ich glaube, die Frauen hätten ihm am liebsten in Prozession gedankt.“
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Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 242.
Ausführlichere Berichte über den Diskussionsbeitrag Webers und das, was er im einzelnen gesagt hat, sind nicht überliefert.