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MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[535]Editorischer Bericht

Zur Entstehung

Die Akademische Antrittsrede an der Universität Freiburg i. Br. gehört zu den bedeutendsten Dokumenten des frühen politischen und wissenschaftlichen Denkens Max Webers. Sie wurde zu einem Zeitpunkt gehalten, an dem das politische System des Deutschen Reichs mit der mehr oder minder unverhüllten Etablierung des „persönlichen Regiments“ Wilhelms II., für das die Kanzlerschaft des greisen Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst eigentlich nur eine Fassade abgeben sollte, einer schweren strukturellen Krise ausgesetzt war. In seinen Ausführungen nahm Max Weber wiederholt sowohl direkt als auch indirekt auf die aktuellen politischen Vorgänge Bezug. Im Oktober 1894 war der Reichskanzler Leo Graf von Caprivi zum Rücktritt gezwungen worden, nachdem seine innenpolitische Machtstellung durch die erbitterte Agitation der preußischen Aristokratie gegen die Politik der Handelsverträge immer stärker untergraben worden war. Den Ausschlag dafür hatten die Auseinandersetzungen innerhalb der Führungselite des Deutschen Reiches und Preußens über die Frage gegeben, ob an die Stelle des Sozialistengesetzes neue gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Sozialdemokratie treten sollten, gegebenenfalls auch um den Preis einer Beschneidung der in der Verfassung garantierten bürgerlichen Rechte. Auch von seiten der Konservativen und teilweise der Nationalliberalen in Preußen war die Forderung nach einer energischen Bekämpfung der Sozialdemokratie laut geworden; letzteres hat Max Weber, wie dies auch in der Akademischen Antrittsrede anklingt, in besonderem Maße irritiert. In eben jenen Wochen und Monaten stand die „Umsturzvorlage“, die an die Stelle des 1890 nicht mehr erneuerten Sozialistengesetzes treten sollte, zur Debatte.
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[535]Die „Umsturzvorlage“ kam am 8. Mai 1895 in zweiter Lesung in den Reichstag und wurde am 10. und 11. Mai 1895 abgelehnt; Weber hielt die Antrittsrede am 13. Mai 1895.
Max Weber sah in diesem jüngsten, höchst plumpen Versuch, die Arbeiterschaft politisch zu knebeln und an ihrer sozialen Emanzipation zu hindern, ein äußerst bedenkliches Symptom dafür, wie weit es mit der politischen Kultur des Deutschen Reiches gekommen war; einige [536]der politischen Ausführungen der Antrittsrede beziehen sich direkt auf diese Vorgänge. Vor allem aber war er tief beunruhigt darüber, daß die eben anlaufenden politischen Bemühungen zugunsten einer kraftvollen deutschen Weltpolitik, nachdem Bismarck in den späteren 1880er Jahren jegliches Interesse an einer Politik kolonialer Erwerbungen verloren hatte, bei Teilen des deutschen Bürgertums, und namentlich bei einem Teil der bürgerlichen politischen Parteien, auf keine Gegenliebe stießen. Insbesondere die Freisinnige Volkspartei unter Führung Eugen Richters stellte sich allen kolonialpolitischen Bestrebungen entgegen, nicht zuletzt deshalb, weil man dieser Reichsleitung nicht das notwendige Vertrauen entgegenbrachte, die deutschen politischen Interessen angemessen zu vertreten.
Max Weber hatte sich mit der Bearbeitung der Enquete des Vereins für Socialpolitik zur Lage der Landarbeiter in Deutschland
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[536]Weber, Landarbeiter (MWG I/3).
und den sie begleitenden Veröffentlichungen fast über Nacht große wissenschaftliche Reputation erworben. Wesentlich aufgrund dieser Leistungen wurde er, obwohl er in Berlin für Handelsrecht und Römisches Staats- und Privatrecht habilitiert worden war
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Zur Habilitation Max Webers siehe die Einleitung Jürgen Deiningers zu: Weber, Max, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht, 1891 (MWG I/2). – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1986, S. 64–67.
und dieses Fachgebiet dort seit dem Wintersemester 1893/94 als außerordentlicher Professor vertrat,
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Vgl. Hochschul-Nachrichten, Nr. 39 vom 26. Dez. 1893, S. 16. Ausführlich: oben, S. 39, in der Einleitung zu diesem Band.
Anfang April 1894 auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg berufen.
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Weber teilte den Erhalt des Rufes sogleich Friedrich Althoff mit, der zu dieser Zeit im preußischen Kultusministerium Vortragender Rat für die Personalien der Universitäten war. Vgl. Brief an Friedrich Althoff vom 3. April 1894, ZStA Merseburg, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. IV, Nr. 45, Band V.
Weber nahm den Ruf an und wurde wenig später, am 25. April 1894, zum ordentlichen Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft ernannt.
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Mitteilung des badischen Kultusministeriums an den Senat der Universität Freiburg vom 30. April 1894, Universitätsarchiv Freiburg, Personalakten, Phil. Fak., sowie Biesenbach, Friedhelm, Die Entwicklung der Nationalökonomie an der Universität Freiburg i. Br. 1768–1896. – Freiburg im Breisgau: Eberhard Albert 1969, S. 202.
Zum Wintersemester 1894/95 vollzog er dann den Wechsel nach Freiburg;
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Die Übersiedlung erfolgte vermutlich zwischen dem 10. September und dem 6. Oktober 1894, denn am 9. September nahm Weber in Berlin noch am ersten Alldeutschen Verbandstag teil (der Bericht über Webers Beitrag zu dieser Tagung ist unten, S. 717–719, abgedruckt), und der erste nachweisbare Brief aus Freiburg stammt vom 6. Oktober (Brief an Gustav Schmoller vom 6. Okt. 1894, ZStA Merseburg, Rep. 196, Nr. 69, Bl. 201f.). Zu Webers Vorlesungstätigkeit in Freiburg siehe in der Einleitung, oben, S. 40f.
am 13. Mai 1895 hielt er dort nach herkömmlichem Brauch seine Akademische Antrittsrede.
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Hochschul-Nachrichten, Nr. 56 vom Mai 1895, S. 16. Vgl. auch den kurzen Bericht in der Freiburger Zeitung, Nr. 110 vom 15. Mai 1895, S. 2. Die Datierung der Antrittsrede geht ebenfalls aus dem Brief Webers an den Verlag J.C.B. Mohr vom 19. Mai 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446, hervor.
[537]Für Max Weber bedeutete die Übernahme des Freiburger Lehrstuhls einen völligen Wechsel seines eigentlichen Fachgebiets. Es lag demnach nahe, das Thema für seine Antrittsvorlesung aus jenem Bereich zu wählen, der sein wissenschaftliches Ansehen auf dem Felde der Nationalökonomie begründet hatte. Dies waren seine Arbeiten zur Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, oder, genauer gesagt, seine Studien über die Arbeitsverfassung, die Grundbesitzverteilung und die soziale Schichtung der Grundeigentümer einerseits, sowie über die Veränderungen der Nationalitätenverhältnisse in den ostelbischen Gebieten Preußens andererseits. Als Thema für die Antrittsrede wählte er „Die Nationalität in der Volkswirtschaft“,
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[537]Vgl. Webers Brief an den Verlag J.C.B. Mohr vom 19. Mai 1895 (wie Anm. 8), sowie: Freiburger Zeitung, Nr. 111 vom 16. Mai 1895, S. 2, und Breisgauer Zeitung, Nr. 113 vom 15. Mai 1895, S. 2, die Berichte über die Antrittsrede unter dieser Überschrift druckten. Unter diesem Titel war die Antrittsrede zuvor auch angekündigt worden. Siehe: Hochschul-Nachrichten, Nr. 56 vom Mai 1895, S. 16.
ein Titel, der dann in der späteren Druckfassung eine Änderung in „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik“ erfuhr. Max Weber stützte sich bei seinem Vortrag nicht nur auf seine bisherigen Untersuchungen zur ostelbischen Landarbeiterfrage, sondern auch auf unveröffentlichtes Material, das er im Zusammenhang mit der Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Lage der Landarbeiter gesammelt und durch Hilfskräfte hatte berechnen und auswerten lassen.
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Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 213f. Auf S. 214 heißt es: „Das kostbare Zahlenmaterial wurde teils Schülern zur Verfügung gestellt, teils bei späteren agrarpolitischen Aufsätzen verwertet. Einiges ging sogleich als Anschauungsmaterial in die akademische Antrittsvorlesung ein“. Zur späteren Auswertung durch Webers Schüler, siehe unten, S. 688f.
Schon länger beschäftigte ihn die Frage, aus welchen wirtschaftlichen, politischen und psychologischen Gründen es in den östlichen Gebieten Preußens zu einer fortschreitenden Verdrängung der deutschen durch die polnische Bevölkerung gekommen sei. Er kam zu dem Ergebnis, daß sich unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen die Großbetriebsstruktur im Osten ohne billige polnische Arbeitskräfte nicht länger wirtschaftlich aufrechterhalten ließe und daß es daher in fortschreitendem Maße zu einer „ökonomischen Verdrängung“ der deutschen Landarbeiter und der deutschen Bauern durch polnische Saisonarbeiter und Kleinbauern komme, und zwar gerade deshalb, weil diese auf einem niedrigeren Kulturniveau stünden und sich daher an die widrigen ökonomischen und sozialen Verhältnisse besser anpassen könnten. Von diesen Überlegungen leitete Weber die Forderung nach konkreten politischen Maßnahmen ab, zum einen die [538]Schließung der deutsch-polnischen Grenze für polnische Wanderarbeiter, um der polnischen Einwanderung ein für alle Mal den Weg zu verlegen, und zum anderen die Parzellierung großer Teile des Großgrundbesitzes zugunsten der Ansiedlung deutscher Bauern, die vorwiegend nicht für den Markt produzieren und demgemäß weniger krisenanfällig sein würden.
Die Sprengkraft dieser politischen Schlußfolgerungen, die auf die Beseitigung der Großgrundbesitzstruktur in den östlichen Gebieten Preußens hinausliefen, wurde noch verschärft dadurch, daß Max Weber jene Ausführungen, die sich mit der theoretischen Frage beschäftigten, ob die Nationalökonomie aus sich heraus Wertmaßstäbe für die eigene Arbeit zu entwickeln imstande sei oder nicht – eine Argumentation, die Webers spätere Forderung nach Enthaltung von Werturteilen in der Wissenschaft vorwegnahm – in seinen mündlichen Darlegungen teilweise ausließ.
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[538] Siehe die Vorbemerkung zur Antrittsrede, unten, S. 543. Es handelt sich um die Passagen auf S. 561 („War es etwa überflüssig…“) bis 565 („…nicht immer zusammenfallen.“).
Max Weber betonte mit äußerster Schärfe, daß nicht irgendwelche, dem Stoff selbst entnommene ethische oder eudämonistische Ideale, sondern allein die Interessen des nationalen Machtstaates den politischen Wertmaßstab für eine Beurteilung dieser Vorgänge abgeben könnten. Daran schlossen sich dann allgemeine Ausführungen über den Grad der politischen Reife der führenden Schichten der Nation an, der es offenbar verhindere, daß entschlossen das getan werde, was im Interesse der Erhaltung der Machtstellung des deutschen Nationalstaates geboten sei. Es waren vermutlich insbesondere diese Darlegungen, die einem unverhüllt vorgetragenen nationalen Machtstreben ebenso Ausdruck gaben wie einem tiefen Pessimismus hinsichtlich der im Deutschen Reich bestehenden politischen Verhältnisse, die, wie Max Weber wenig später seinem Bruder Alfred schrieb, bei seiner Zuhörerschaft „Entsetzen über die Brutalität“ seiner „Ansichten“ auslösten.
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Brief an Alfred Weber vom 17. Mai 1895, ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 4: „Mit meiner Antrittsvorlesung hier habe ich übrigens Entsetzen über die Brutalität meiner Ansichten erregt, fast am zufriedensten waren die Katholiken, weil ich der ,Ethischen Cultur’ einen festen Tritt versetzt hatte.“ Freiburg war eines der Zentren des politischen Katholizismus. Die Freiburger Universität hatte von den beiden Landesuniversitäten die katholische, Heidelberg die evangelische Fakultät. Zur Gesellschaft für Ethische Kultur, zu deren Zielen die Einführung eines von kirchlichem Einfluß freien Ethikunterrichts gehörte, siehe unten, S. 573, Anm. 58.
Nach seinem eigenen Bekunden entschloß sich Max Weber angesichts des großen Aufsehens, welches seine Akademische Antrittsrede gefunden hatte, diese unverzüglich dem Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in Frei[539]burg zur Veröffentlichung anzubieten.
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[539]Brief an J.C.B. Mohr vom 19. Mai 1895 (wie oben, Anm. 8). Für den Fall der Ablehnung wollte Weber die Antrittsrede den Preußischen Jahrbüchern anbieten.
Im Zuge der Erstellung der Druckvorlage gab er der Antrittsrede nun den Titel „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik“. Außerdem fügte er in die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung jene Partie, „die sich mit der Methode der ,Histor[ischen] Schule‘ befaßte“, wieder ein, welche er im mündlichen Vortrag „mit Rücksicht auf die Zeit“ ausgelassen hatte.
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Vgl. ebd. Weber gibt in diesem Brief auch an, daß die Antrittsrede eine Stunde gedauert habe.
Vermutlich am 25. oder 26. Mai schickte Weber das Manuskript an den Verlag; das Vorwort, die wahrscheinlich bereits neue Formulierung des Titels sowie ein zuvor irrtümlich dem Manuskript nicht beigegebenes Blatt übersandte er am darauffolgenden Tage.
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Brief an J.C.B. Mohr mit dem Vermerk des Empfängers: 27. Mai 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446.
Am 20. und 21. Juni wurde der Verlagsvertrag unterzeichnet. Er lautete auf den Titel „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik“. Die Höhe der ersten Auflage wurde auf 1250 Exemplare bemessen, Weber wurden ein Honorar von 100 Mark sowie 50 Freiexemplare und weitere Exemplare zum Buchhändler-Nettopreis zugesagt.
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Ein Exemplar des Vertrags befindet sich im VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Im Verlagsarchiv sind auch die Absatzzahlen überliefert (1895: 580, 1896–1900: 168, danach nur noch einzelne Exemplare).
Ende Juni lag die Antrittsrede im Druck vor;
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Eingangsvermerk der gedruckten Antrittsrede in: Frankfurter Zeitung, Nr. 179 vom 30. Juni 1895, 4. Mo.Bl., S. 1.
im „Wöchentlichen Verzeichnis“ des deutschen Buchhandels wurde ihr Erscheinen unter dem Datum vom 18. Juli 1895 mitgeteilt.
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Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 29 vom 18. Juli 1895, S. 674.
Max Weber selbst ersuchte den Verlag um die Versendung von Rezensionsexemplaren an eine Reihe namhafter, auch überregionaler Zeitungen.
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Brief an J.C.B. Mohr mit dem Vermerk des Empfängers: 27. Juni 1895, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446.
Desgleichen bat er, Georg Simmel ein Exemplar zusenden zu lassen.
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Karte an J.C.B. Mohr vom 4. Aug. 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446.
Das Echo in der Tagespresse und den politischen Zeitschriften war bemerkenswert.
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Von den von Weber (Brief; wie Anm. 19) dem Verlag genannten Zeitungen und Zeitschriften (Deutsches Wochenblatt, Frankfurter Zeitung, Münchener Allgemeine Zeitung, Die Nation, Die Neue Zeit und Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung)) brachten nur die Frankfurter Zeitung, Nr. 179 vom 30. Juni 1895, 4. Mo.Bl., S. 1, und das Deutsche Wochenblatt, Nr. 28 vom 11. Juli 1895, S. 336, Eingangsvermerke. Besprechungen erschienen u. a. in: Akademische Rundschau, Leipzig, Nr. 7 vom 11. Juli 1896, S. 115f.; Die Zeit, Wien, Band 4, Nr. 41 vom 13. Juli 1895, S. 29; Schwäbischer Merkur, Nr. 186 vom [540]10. Aug. 1895, Ab. Bl., S. 1; General-Anzeiger für Leipzig und Umgebung, Nr. 231 vom 22. Aug. 1895, S. 1; Die christliche Welt, Nr. 42 vom 17. Okt. 1895, Sp. 1014.
Besonders zu nennen sind die Stellungnahmen Friedrich [540]Naumanns und Hans Delbrücks. Friedrich Naumann kommentierte die Antrittsrede zustimmend in seiner in den Kreisen der protestantischen Bildungsschicht vielgelesenen Wochenschrift „Die Hilfe“.
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[540]Vgl. Naumanns Artikel „Wochenschau“, in: Die Hilfe, Nr. 28 vom 14. Juli 1895, S. 1f., sowie Theiner, Peter, Sozialer Liberalismus und deutsche Weltpolitik. Friedrich Naumann im Wilhelminischen Deutschland (1860–1919). – Baden-Baden: Nomos 1983, S. 48f.
Hans Delbrück behandelte sie in den von ihm herausgegebenen äußerst einflußreichen Preußischen Jahrbüchern, die insbesondere auch die hohe Beamtenschaft zu ihren Lesern zählten.
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Preußische Jahrbücher, Band 81, 1895, S. 385–389. Zur Rezeption der Antrittsrede und ihrer Rolle als „Initialzündung für die Entstehung eines liberalen Imperialismus“ in Deutschland vgl. Mommsen, Max Weber2, S. 74–76.
Darüber hinaus hatte offenbar Ernst Hasse, Vorsitzender des Alldeutschen Verbandes, die Absicht, Auszüge in den „Alldeutschen Blättern“ oder einer anderen Publikation des Alldeutschen Verbandes zu veröffentlichen; dazu ist es dann aber aus uns unbekannten Gründen nicht gekommen.
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Brief Max Webers an J.C.B. Mohr vom 7. Aug. 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Das Vorhaben scheiterte offensichtlich an den Bedenken des Verlags, wie aus einem späteren Brief an den Verlag J.C.B. Mohr vom 23. Sept. 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446, hervorgeht.
Weber selbst hat sechzehn Jahre später rückblickend über die Antrittsrede geurteilt: „Ich habe schon in meiner Freiburger Antrittsrede, so unreif sie in vielem gewesen sein mag, die Souveränität nationaler Ideale auf dem Gebiete aller praktischen Politik, auch der sogen. Sozialpolitik, in der rücksichtslosesten Weise vertreten, als die große Mehrzahl meiner Fachgenossen dem Schwindel des sogen. sozialen Königtums nachlief. Aber ich habe auch damals sehr absichtlich hervorgehoben, daß Politik kein moralisch fundamentiertes Gewerbe ist noch jemals sein kann.“
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Brief an die Freiburger Kollegen vom 15. Nov. 1911, Abschrift (masch.), ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30/6.
Eine weitere Selbstinterpretation der Antrittsrede bei gleichzeitiger Distanzierung findet sich in Webers Äußerungen zur Werturteilsdiskussion von 1913. Hier heißt es: „Ausnahmslos jede, wie immer geartete Ordnung der gesellschaftlichen Beziehungen ist letztlich auch daraufhin zu prüfen, welchem menschlichen Typus sie, im Wege äußerer oder innerer (Motiv-)Auslese, die optimalen Chancen gibt, zum herrschenden zu werden. Weder ist sonst die empirische Untersuchung wirklich erschöpfend, noch ist auch die nötige tatsächliche Basis für eine – sei es bewußt ,subjektive‘, sei es eine ,objektive‘ Geltung in Anspruch nehmende – Bewertung überhaupt vorhanden. In sicherlich vielfach unreifer Form wollte dies seinerzeit meine [541]akademische Antrittsrede zum Ausdruck bringen, mit der ich mich sonst in vielen wichtigen Punkten nicht mehr identifizieren kann.“
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[541] Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – O. O. 1913, S. 108 (ΜWG I/12).

Zur Überlieferung und Edition

Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede“ von Dr. Max Weber, o. ö. Professor der Staatswissenschaft in Freiburg i. B. – Freiburg i. B. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1895 (A). Gemäß dem Wöchentlichen Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels
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Nr. 29 vom 18. Juli 1895, S. 674.
lag die Antrittsrede am 18. Juli 1895 gedruckt vor.
Die Anmerkungen Max Webers, die in A auf jeder Seite neu gezählt sind, sind hier durchnumeriert. Der Seitenverweis unten, S. 543, wurde der Seitenzählung in der vorliegenden Edition angepaßt.