MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck. 1895
(in: MWG I/4, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff)
Bände

[577][Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck]

[A o.P.]Geehrte Redaktion!

Zu der mir gestern zugegangenen Zuschrift des stud. jur. Lindeck in Noa[577]B: Nr. 172 Ihres sehr geschätzten Blattes1[577]Breisgauer Zeitung, Nr. 172 vom 26. Juli 1895, S. 2. Vgl. oben, S. 575. habe ich zu bemerken:

„Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck sind, wie der Einsender ebenso wie jeder Andere wissen wird, als notorisch zahllose MalebB: Mal öffentlich und privatim erwähnt worden,2Die Behauptung, die Hannovera habe Bismarck 1866 nach der Annexion Hannovers ausgeschlossen und etwa 1870 wieder aufgenommen, geht anscheinend auf Mitteilungen der Deutschen Volkszeitung, Hannover – ein Presseorgan der Welfen – zurück. Vgl. die Entgegnung Lindecks (Breisgauer Zeitung, Nr. 178 vom 2. Aug. 1895, S. 2) sowie die Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809–1959, hg. von Franz Stadtmüller. – Göttingen: o.V. 1963, S. 112f. Dieser „Geschichte“ zufolge läßt sich ein vorübergehender Ausschluß Bismarcks zwischen 1866 und 1870 aus den Protokollen der Hannovera nicht erkennen. ohne daß mir oder irgend Jemandem, den ich darnach fragte, ein öffentlicher oder privater Widerspruch dagegen bekannt geworden wäre. Da auch in diesem Sinn ,notorische‘ Thatsachen auf IrrtumcB: Irrthum beruhen können, bezweifle ich die Gutgläubigkeit des hier erhobenen Widerspruchs nicht. Da der Einsender für seine Corporation eintreten zu müssen glaubt, kann ich ihm auch die naiv-jugendliche Deutung der Motive zu meiner übrigens neben manchen anderen nur sehr beiläufigen Äußerung nicht weiter verargen, während ich die ungehörige Schlußbemerkung3Lindecks erster Artikel schließt mit den Worten: „Man hätte von einem akademischen Lehrer erwarten müssen, daß er sich besser informirt hätte, ehe er einen solchen auf unberechtigten Vorwürfen basirenden Angriff gegen die Corporation einer deutschen Hochschule und damit, was seine Absicht war, gegen einen großen Verband aller deutschen Universitäten unternahm.“ Breisgauer Zeitung, Nr. 172 vom 26. Juli 1895, S. 2. in scharfer Form zurückweisen müßte, wenn ich nicht genötigtdB: genöthigt wäre, ihm einen Umstand zu Gute zu halten, der seine Aufregung verzeihlicher erscheinen läßt: die Form des Berichts.

[578]Daß über Couleur-Commerse Preßberichte erscheinen, scheint eine Neuerung der letzten Jahre, über deren Berechtigung ich nicht sprechen will, da es mir an sich gleichgültigeB: gleichgiltig ist, ob Äußerungen von mir in die Öffentlichkeit gelangen. Nur muß ich verlangen, daß ein solcher Bericht, wo er den Anschein der Wörtlichkeit erregt, auch wörtlich ist. Wie schon das mitabgedruckte Bruchstück zeigt, ist dies hier nicht der Fall.4[578] Lindeck zitierte in seiner Zuschrift folgende Passage aus dem Bericht über Webers Rede: „Einer Burschenschaft wäre es auch niemals vorgekommen, daß sie einen Bismarck zuerst aus ihren Reihen gestoßen, und als er ein berühmter, einflußreicher Mann geworden, ihn demüthig eingeladen hätte, wieder einzutreten.“ Vgl. unten, S. 731. Unzulässig ist es insbesondrefB: insbesondere, meinen Bemerkungen eine gradezugB: geradezu injuriöse Form zu geben (wie in den Worten, man habe B[ismarck] ‚demütighB: demüthig eingeladen etc.‘), in welche ich auch die schärfste sachlicheiA: schärfsten sachlichen Kritik nicht zu kleiden pflege und über die, wenn ich mich ihrer bedient hätte, ein TeilkB: Theil der Studentenschaft sich mit Recht beschweren könnte. Die Art der Anbringung dieser Beschwerde ist freilich wenig akademisch. Glaubt eine Kategorie studentischer Corporationen oder ein Mitglied als solches sich von einem akademischen Lehrer mit Recht oder Unrecht gekränkt, so stehen ihnen die eignenlB: eigenen oder befreundete alte Herren zu Gebote, welche zunächst die AuthentizitätmB: Authenticität der Form der Äußerung feststellen und dann eventuell dem Verband in jeder ihnennB: ihm genehmen Form Genugthuung zu verschaffen suchen können. Dieser und nicht der Weg einer kümmerlichen Preßpolemik ist der einzig gangbare; da er nicht beschritten wurde, und ich mich auf Preßfehden und Erörterungen mit Mitgliedern der hiesigen Studentenschaft nicht einlassen kann, so ist mit dieser Bemerkung, welche, für künftige Fälle, zu machen der wesentliche Zweck dieser Zuschrift war, für mich die Angelegenheit erledigt.

Hochachtungsvoll
Professor Max WeberoIn B hervorgehoben.