MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck. 1895
(in: MWG I/4, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff)
Bände

[575]Editorischer Bericht

Zur Entstehung

Am 20. Juli 1895 feierte die Freiburger Alemannia das 80jährige Bestehen der deutschen Burschenschaften. Max Weber gehörte seit seinem Studium der Heidelberger Allemannia an. Er nahm an dem Freiburger Festkommers teil und hielt eine kurze Rede, in der er die Burschenschaften positiv von den Studentischen Corps absetzte und – dem Bericht der Breisgauer Zeitung zufolge – behauptete, „einer Burschenschaft wäre es auch niemals vorgekommen, daß sie einen Bismarck zuerst aus ihren Reihen gestoßen, und als er ein berühmter, einflußreicher Mann geworden, ihn demüthig eingeladen hätte, wieder einzutreten.“1[575] Breisgauer Zeitung, Nr. 169 vom 23. Juli 1895, S. 2. Der Bericht über Webers Rede unten, S. 731. Daraufhin meldete sich der Jurastudent Anton Lindeck, Mitglied jenes Corps Hannovera, dem Bismarck 1832 in Göttingen beigetreten war, mit einer am 26. Juli 1895 veröffentlichten Leserzuschrift zu Wort und wies die Behauptung Webers entschieden zurück.2Ebd., Nr. 172 vom 26. Juli 1895, S. 2. Bismarck sei 1832 in das Corps eingetreten und zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Leserbriefs wandte sich Weber am 27. Juli 1895 an die Breisgauer Zeitung mit einer Zuschrift, in der er die Möglichkeit des Irrtums seinerseits einräumte, aber auch die Berichterstattung und korrekte Wiedergabe seiner Rede in der Breisgauer Zeitung in Zweifel zog. Der Zuschrift war folgender Brief Webers hinzugefügt:

„Sehr geehrter Herr Redakteur! Ich bitte Sie sehr ergebenst um geneigte unverkürzte Aufnahme des anliegenden Schreibens in Ihr geschätztes Blatt. Mit ausgezeichneter Hochachtung Prof. Max Weber“.3Brief an Unbekannt, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld. Das Manuskript der Zuschrift: ebd.

Webers Zuschrift wurde am 30. Juli 1895 in der Breisgauer Zeitung veröffentlicht.4Breisgauer Zeitung, Nr. 175 vom 30. Juli 1895, S. 2. Die Redaktion fügte dem Abdruck am Schluß folgende Bemerkung hinzu: „Zu vorstehender Zuschrift haben wir, soweit sie die Redaktion betrifft, zu bemerken, daß eine Berichterstattung über studentische Com[576]merse allerdings nicht allgemein üblich ist, aber dann stets erfolgt, wenn, wie in diesem Falle, die Redaktion ausdrücklich dazu eingeladen wurde. Bezüglich der Fassung des Berichts ergab sich wohl auch für den unkundigen Leser von selbst, daß es sich nur um Inhaltsskizzen der betr. Rede gehandelt hat. Hieraus erklärt sich denn auch die Möglichkeit, daß ein thatsächlich nicht gefallenes Wort darin vorkommt. Doch versichert unser Berichterstatter, daß er den Sinn der Rede getreu wiedergegeben habe.“

Die Stellungnahme Webers veranlaßte Lindeck zu einer weiteren Entgegnung, in der er nochmals betonte, daß Bismarck nicht ausgeschlossen worden sei, es handle sich vielmehr um von einem Presseorgan der Welfen gezielt lancierte Gerüchte.5[576]Ebd., Nr. 178 vom 2. Aug. 1895, S. 2. Weber reagierte hierauf nicht mehr.

Zur Überlieferung und Edition

Von der Zuschrift Max Webers ist ein Manuskript (A) überliefert. Dieses auf den 27. Juli 1895 datierte Manuskript befindet sich als „Brief Max Webers an Unbekannt“ in: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld. Der Text erschien in der Breisgauer Zeitung, Nr. 175 vom 30. Juli 1895, S. 2, (B) wortgetreu und ohne jegliche Kürzung. Geändert war nur die Kopfzeile. Statt „Freiburg 27.VII.95“ heißt es dort: „Wir erhalten folgende Zuschrift, datirt vom 27. d.Μ.:“

Dem Abdruck wird die eindeutig von Webers Hand stammende Manuskriptfassung A zugrundegelegt; die Abweichungen der Druckfassung B werden textkritisch annotiert.