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Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern. 1895
(in: MWG I/4, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff)
Bände

[589][A 956]Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern.1)[589] Reichsanzeiger vom 10. Juli. |

Der vorliegende Gesetzentwurf1[589]Siehe die „Allgemeine Begründung“ zur Gesetzesvorlage, in: Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger, Nr. 162 vom 10. Juli 1895, Erste Beilage. verdient trotz des beschränkten Zweckes eine kurze Wiedergabe seines Hauptinhalts an dieser Stelle, weil er einerseits das einzige positive Resultat der mit dem Thema der „Umgestaltung des Agrarrechts“ befaßt gewesenen vorjährigen Agrarkonferenz auf diesem Gebiete darstellt, und weil er andererseits sich selbst als den ersten Schritt auf einem weiter zu verfolgenden Weg ankündigt.

Von den beiden Projekten, welche die Agrarkonferenz zeitigte, scheint das eine, die Verschuldungsgrenze, „unter [A 957]den Tisch gefallen“ zu sein.2Neben einer Reaktivierung des Anerbenrechts war auf der Agrarkonferenz auch die Einführung einer staatlich festgesetzten Höchstverschuldungsgrenze erwogen worden. Siehe: Agrarkonferenz, S. 261–319. Man wird das kaum bedauern dürfen. Der Schäffle’sche Plan der sog. „Inkorporation des Hypothekenkredits“ hatte trotz der unsäglich krausen Form und der doch etwas pedantischen Einzelausführung in seiner Art etwas Geniales.3Albert Schäffle hatte in seiner Schrift: Die Inkorporation des Hypothekarkredits. – Tübingen: H. Laupp 1883, den Gedanken einer korporativen Organisation der Bauernschaft entwickelt. Allein die Genossenschaft sollte zur Vergabe von landwirtschaftlichen Krediten an einzelne Bauern, besonders zum Zwecke von Meliorationen, berechtigt sein. Besitzkredite oder Kredite zur Sicherung der Ansprüche von Miterben sollten nur beschränkt oder gar nicht gewährt werden. Schäffle, Inkorporation, S. 6f. Er war folgerecht gedacht und zog die letzten Konsequenzen aus dem Grundgedanken, – womit gewiß nicht gesagt ist, daß man diesem Grundgedanken selbst zustimmen müßte. Er ist die Mobilmachung des Bauernstandes gegen das bewegliche Kapital und die ökonomische Beherrschung durch das Bürgerthum, ebenso wie gegen die Aufsaugung durch die großen Güter, und es wird dieser „Bauernschutz“4Anspielung auf die friderizianische Landeskulturgesetzgebung, durch die der Bauernschutz gefördert worden war. Der Bauernschutz war das positive Gegenstück zur Erbuntertänigkeit, demzufolge der Gutsherr freiwerdende Höfe erbuntertäniger Bauern nicht einziehen durfte, sondern wiederbelegen mußte. in die Hand des [590]genossenschaftlich organisirten Standes selbst gelegt. Demgemäß bleiben einerseits die Rittergüter draußen und andererseits monopolisirt die Genossenschaft den Kredit. Die faktische Beseitigung des Kreditkaufs und der Erbverschuldung soll dafür sorgen, daß in die Bauernzunft – denn um Schaffung einer solchen handelt es sich – nur der gelangt, welcher die Vermögens-Qualifikation dazu besitzt: die Nothwendigkeit des Baarkaufs entspricht bei der agrarischen dem Eintrittsgeld und Meisterstück der sich abschließenden gewerblichen Zunft. Wer nicht auf seinen eigenen Füßen – seinem eigenen Kapital nämlich – stehen kann, der mag – nach Schäffle5[590]Schäffle, Inkorporation, S. 7f. – sein Gut der Genossenschaft auftragen, damit diese es anderweit vergebe: nicht der Einzelne soll auf seiner Scholle gehalten werden, er ist bei Schäffle ähnlich wie beim friderizianischen Bauernschutz „fungibel“, sondern der Stand soll mit einer Mauer umgeben werden gegen jede Entstehung kapitalistischer Abhängigkeits-Verhältnisse nach außen hin. Die innere Schranke des Gedankens lag – ganz abgesehen hier von der Frage seiner technischen Ausführbarkeit und seiner sozialen Annehmbarkeit – nur darin: daß er von der Coincidenz von Besitz und Betrieb ausging und das Bestehen eines spezifisch gearteten Bauernstandes in rein agrarischen Gebieten mit typischer Besitz-Hierarchie voraussetzte. Ein Fehler – vom Standpunkt des Projekts selbst aus – war es deshalb, daß Schäffle zwar eine soziale Schranke nach oben, nicht aber nach unten schaffen wollte. Acker-Nahrungen unterhalb des Maaßes der selbstständigen Bauernhöfe bedeuten sozial und ökonomisch eben so sehr etwas vom Typus des „Bauernstandes“ Abweichendes nach der einen, wie die Rittergüter nach der anderen Seite. Will man den Bauernstand als solchen zünftig ausgestalten, so muß man eben die Konsequenzen ziehen, welche jede Zunft, nachdem die Periode ihrer expansiven und aufsteigenden Entwickelung vorüber und sie aus der Aggressive in die Defensive gedrängt war, ziehen mußte: die Beschränkung auf die selbstständigen Standesgenossen. Aber abgesehen von dieser Unvollständigkeit ist, wie gesagt, das Projekt insofern konsequent, als es den Bauernstand und nur ihn, diesen aber in seiner Gesammtheit, zusammenfassen will.

Die „Schuldgrenze“ der Agrarkonferenz unterschied sich davon entschieden nicht zu ihrem Vortheil. Sie wollte nicht den Bauern[591]stand als solchen in seiner Gesammtheit organisiren, sondern vielmehr durch successive Desinfektion von Grundbüchern eine Kategorie von Besitzern mit beschränkter Dispositionsfreiheit und Kreditwürdigkeit erstehen lassen, deren Stellung im Kreise ihrer Genossen völlig problematisch erscheinen muß, wenn man berücksichtigt, daß nichts von der bäuerlichen Bevölkerung in dem Maaß gehütet wird, als ihre ökonomische Autonomie. Und sie ging von der Annahme der Interessen-Identität des Groß-Grundbesitzes und des Bauernstandes, ja im Grunde geradezu aller landwirthschaftlichen Besitzer überhaupt aus, trotzdem schon der Gegensatz in der Bodenbewegung, der Art der Verschuldung, den Erbgewohnheiten, wie er zwischen den selbstständigen Bauern-Nahrungen und den übrigen, oberhalb und unterhalb dieser Besitzklasse bestehenden Besitzungen obwaltet, jene Fiktion als solche erkennen läßt. – Indessen: der Gedanke scheint [A 958]aufgegeben. Es geht das aus nichts deutlicher als daraus hervor, daß der Entwurf die Schuldgrenze nicht einmal für die Rentengüter vorschlägt, wo sie (da es sich um abhängige Besitzstände handelt) discutabel wäre: man könnte hier sehr wohl ein Kreditgewährungs-Monopol öffentlicher Instanzen in Aussicht nehmen. –

Der Gedanke des Anerbenrechts, wie ihn die Agrarkonferenz auffaßte und erörterte, krankte an dem gleichen inneren Fehler, – daß nämlich angesichts des Vorwiegens der Groß-Grundbesitzer in der Konferenz6[591]Nur zwei Vertreter des Grundbesitzes, die nach der offiziellen Teilnehmerliste zu der Konferenz geladen worden waren, konnten als Repräsentanten des „Bauernstandes“ gelten: Christoph Winkelmann, der stellvertretende Vorsitzende des Westfälischen Bauernvereins, und der nationalliberale Hof- und Ziegeleibesitzer Johann Friedrich Schoof. Agrarkonferenz, S. XVIlf. die Berührung gerade einiger agrarpolitisch entscheidender Gesichtspunkte wohl oder übel unterlassen werden mußte, wenn man nicht heftige Konflikte in den Kauf nehmen wollte. Dazu gehörte insbesondere die Erörterung der sehr verschiedenen Bedeutung, welche dem Anerbenrecht für die einzelnen Besitzgrößenklassen und Wirthschaftstypen zukommt. Daß das Anerbenrecht etwas anderes bedeutet bei Eigenbetrieb als da, wo Besitz und Betrieb sich getrennt haben – was z. B. durch eine Schuldgrenze stark verallgemeinert werden würde –, ferner da, wo der Boden lediglich Produktionsmittel und Standort ist, wie in der Provinz Sachsen, als in Gegenden, wo die Bodenbesitz-Hierarchie in erster Linie die Unter[592]lage der typischen sozialen Gliederung der ländlichen Gesellschaft ist, liegt auf der Hand. Ebenso diesa[592]A: die: daß ein Anerbenrecht für Besitzungen keinen Sinn hat, welche ihrem Inhaber nicht volle Nahrung geben, wo also der Boden nur theils unkündbare Wohnstätte, theils, in seinem Ertrage, Quelle eines Zuschusses zum Arbeitsverdienst ist. Und ebenso endlich: daß das Anerbenrecht bei Rittergütern, vollends etwa in Verbindung mit einer Schuldgrenze, den Fideikommissen an bodenkonzentrirender Wirkung nahekommen könnte. Seinen natürlichen Standort hat das Anerbenrecht nur da, wo die geschlossene Vererbung zu einem Vorzugsanschlag der bäuerlichen Erbsitte und diese ihrerseits den ökonomischen Bedürfnissen des Betriebes entspricht, und wo diese Erbsitte durch Rechtsvorstellungen bedroht ist, welche nicht auf zwingenden ökonomischen Bedingungen – Gartenkultur, Rübenbau und dergl., starke Parzellirung und Beweglichkeit des Bodens bei durchgeführter Geldwirthschaft – beruhen. Hier ist das Intestat-Anerbenrecht innerhalb der vollbäuerlichen Betriebe eine Stütze der bedrohten Erbsitte und damit der Autonomie der bäuerlichen Bevölkerung gegen eindringende bürgerliche Ideale. Die Zurücksetzung der „weichenden Erben“ ist hier nicht, wie auf der Versammlung des Vereins für Sozialpolitik behauptet wurde, eine Zurückstellung der Interessen der Menschen hinter diejenigen des Guts,7[592]Auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik in Wien 1894 hatte Lujo Brentano die Pläne für eine Reaktivierung des Anerbenrechts scharf angegriffen. Ziel des Vereins für Socialpolitik sei es gewesen, im Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie nicht das Kapital, sondern den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen: „Meine Herren, wenn dies unser Ausgangspunkt war, so wollen wir nicht damit enden, daß wir sagen, Ausgangs- und Endpunkt der Socialpolitik ist nicht der Mensch, sondern der Hof.“ Verhandlungen der am 28. und 29. September 1894 in Wien abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik über die Kartelle und über das ländliche Erbrecht (Schriften des Vereins für Socialpolitik 61). – Leipzig: Duncker & Humblot 1895, S. 285. sondern eine Zurückstellung der Interessen von Individuen hinter die des Standes. Sie ist ein Mittel, eine relativ „aristokratische“ – bäuerlich-aristokratische – Gliederung der ländlichen Gesellschaft da zu schützen, wo die ökonomischen Vorbedingungen ihrer Demokratisirung nicht gegeben sind. Und dies ist da der Fall, wo eine Angliederung an lokale Absatzmärkte, welche die Produkte der Kleinbetriebe voll aufzusaugen vermögen, zufolge [593]des Mangels intensiver städtischer und industrieller Entwicklung fehlen und auch nicht künstlich zu schaffen sind, denn hier ist die „Demokratisirung“ der ländlichen Gesellschaft mit der Schaffung eines kulturfeindlichen grundbesitzenden Proletariats identisch. Allein man muß sich andererseits hüten, diese „aristokratische“ Gliederung und die damit gegebene relativ größere Unbeweglichkeit des Bodens durch die Gesammtschicht der ländlichen Besitzhierarchie durchsetzen zu wollen, wie dies bei einer Erstreckung des Anerbenrechts über die Grenze des Mittel- und Großbauernstandes nach oben oder unten und ebenso über seine natürlichen ökonomischen Standorte hinaus der Fall sein würde. Damit würde man die Stetigkeit der Bevölkerung alteriren. Ich hoffe demnächst zu zeigen,8[593]Wie aus einer Anmerkung zu Webers Artikel „Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen“, in: AfSS, Band 19, 1904, S. 504 (MWG I/8), hervorgeht, trug sich Weber mit dem Gedanken einer „größeren agrarstatistischen Arbeit über den landwirtschaftlichen Kapitalismus“. Diese Arbeit kam jedoch nicht zustande. daß die Stetigkeit der ländlichen Bevölkerung, wie sie in dem Quotienten der Ortsgebürtigen zum Ausdruck kommt, fast [A 959]mathematisch genau umgekehrt parallel geht mit der Durchschnittsgröße der Betriebe: – je kleiner diese, ein desto größerer Bruchtheil der Bevölkerung ist ortsgebürtig, – und dadurch die optische Täuschung zu beseitigen, als ob die Mobilisirung des Bodens mit Mobilisirung der Bevölkerung identisch wäre. Das ist nicht der Fall. Nur allzu oft würde geradezu eine künstliche Einschränkung der Bodenbewegung identisch sein mit künstlicher Steigerung der Bevölkerungsbewegung. In den Industriebezirken Westfalens (Reg[ierungs]-Bez[irk] Arnsberg) und des Rheins (Düsseldorf) mit absolut parzellirtem und mobilisirtem Boden ist auf dem Lande der Prozentsatz der Ortsgebürtigen größer als in den „patriarchalischen“ Gutsbezirken der weltfremdesten Gegenden des Ostens. – Die Schwierigkeit also ist, das richtige Anwendungsgebiet zu finden und innerhalb dieses die geeigneten Besitzgruppen, und es muß vorerst noch zweifelhaft erscheinen, ob diese schwierige Aufgabe gelingen wird, denn mit einem Nebeneinanderstellen von geschlossen unter Vorzugsrecht vererbenden Gütern und anderen Besitzungen in der mechanischen Art, wie in mitteldeutschen Staaten geschlossene Höfe und walzende Grund[594]stücke neben einander stehen,9[594]Ein Nebeneinander von an das Anerbenrecht gebundenen und ungebundenen („walzenden“) Höfen gab es in den Großherzogtümern Baden, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, dem Fürstentum Schaumburg-Lippe, dem Herzogtum Braunschweig, dem Landgebiet der Stadt Bremen sowie in den preußischen Provinzen Hannover, Westfalen, Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein einschließlich dem Kreis Herzogtum Lauenburg. Miaskowski, August von, Anerbenrecht, in: HdStW 11, 1890, S. 272. wird man sich kaum zufrieden geben können. Es ist deshalb erfreulich, aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu ersehen,10Deutscher Reichs-Anzeiger, Erste Beilage. daß die Erhebungen über das zweckmäßige Anwendungsgebiet noch fortgesetzt werden[,] und zu hoffen, daß die bäuerliche Bevölkerung selbst dabei thunlichst zu Worte kommt.

Der vorliegende Entwurf nun greift ein Anwendungsgebiet heraus, welches besonders unbedenklich ist. Der Ansiedelungsfiskus hatte schon bisher auf Grund des ihm nach dem Normal-Rentengutsvertrag zustehenden – allerdings juristisch nicht unbedenklichen – Tax-Rückkaufsrechts im Erbfalle die Möglichkeit, die Erbregulirung, welche auf Grund des Parzellirungsverbots regelmäßig nur in einem geschlossenen Übergang bestehen kann, so zu beeinflussen, daß das Ergebnis ein ökonomisch angemessenes war.11Zum Normalrentengutsvertrag der Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen sowie Webers juristischen Bedenken gegenüber dem Rückkaufsrecht siehe oben, S. 510, Anm 21. Jetzt soll für alle vom Staat oder durch Intervention der Generalkommissionen geschaffenen Rentengüter die Anerbenfolge mit dem Recht des Anerben, das Gut zum kapitalisirten Ertragswerth zu übernehmen, als Intestaterbrecht, also unter Erhaltung der Dispositionsfreiheit innerhalb der durch die Rentenguts-Qualität gegebenen Schranken, eingeführt werden. Es entspricht das ökonomisch und rechtlich dem Erbpacht-Charakter des ganzen Instituts und kann deshalb nur Beifall finden. Auch ist es unbedenklich, daß das Spezial-Erbrecht in dieser Form die Rentenguts-Qualität auch eventuell überdauern soll. Die technischen Einzelheiten der Erbregulirung (Rentenabfindung mit verbundener Übernahme auf die Rentenbank) interessiren hier vorerst noch nicht. Auf sie mag, wenn die legislatorische Behandlung des Entwurfs näher rückt, zurückgekommen werden.12Das Abgeordnetenhaus beriet den Gesetzentwurf am 23. März, sowie abschließend am 11., 12. und 13. Mai 1896. Weber ging später auf die technischen Einzelheiten nicht mehr ein.

[595]Eine Bestimmung mag schon jetzt hervorgehoben werden, welche auf Bedenken stoßen wird. Nach § 6 des Entwurfs soll bei künftig begründeten Kolonien auch nach Erlöschen der Rentenguts-Qualität das „Anerbengut“ nicht nur nach Anerbenrechtb[595]A: Anerberecht vererben, sondern überhaupt geschlossen und nur mit Genehmigung der Generalkommission parzellirbar sein.

Diese Beschränkung der Frei-Theilbarkeit wird, wenn verständig gehandhabt, nicht besonders lästig empfunden werden und ist auch an sich nicht bedenklich. Allein wenn weiter vorgeschrieben wird, daß die Veräußerung auch im Ganzen nur mit Konsens zulässig sein soll, welcher in dem Falle (nur in diesem) zu versagen ist, wenn der Verdacht der KommassationcA: Kommissation13[595]Der Begriff „Kommassation“ bezeichnet im österreichischen Recht die zwangsweise Zusammenlegung von Grundstücken im Rahmen des gesetzlichen Flurumlegungsverfahrens. Hier gebraucht Weber ihn im allgemeinen Sinn von „Zusammenlegung von Grundstücken“. obwaltet,14§ 6, Absatz 2, lautet: „Das Gleiche gilt für die Veräußerung im Ganzen. In diesem Fall darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die wirthschaftliche Selbständigkeit des Anerbenguts durch Vereinigung mit einem größeren Gut aufgehoben wird.“ so wird gerade diese Einschränkung der Verkehrsfreiheit nach Wegfall der Rentenpflicht auf die Dauer sehr ungern ertragen werden. Es wäre erwünschter, wenn man der befürchteten Aufsaugung nicht rechtliche, sondern faktische Hindernisse in den Weg stellen könnte. Und das ist in [A 960]umso höherem Maaße der Fall, je systematischer und umfassender die Parzellirung betrieben wird. Hier liegt die Schwäche des Vorgehens mit der privaten Rentengutsbildung. Wenn man aus den Materialien des Entwurfs sieht, daß auf 40 000 ha Rentenguts-Land 72 500 ha Restguts-Fläche kommen,15Seit Inkrafttreten des Rentengutsgesetzes am 7. Juli 1891 bis Ende 1894 wurden Rentengüter mit einer Gesamtfläche von 40 208 Hektar gebildet; die Größe der nicht kolonisierten, zum größten Teil im Besitz des privaten Rentengutsausgebers verbleibenden oder anderweitig veräußerten Restgüter betrug demgegenüber 72 475 Hektar. Siehe Anlage I, in: Deutscher Reichs-Anzeiger, Dritte Beilage. so erkennt man, daß es sich hier eben doch zum ganz überwiegenden Theil um Abstoßung von Außenschlägen handelt, nicht aber um systematische Überführung ganzer Ritterguts-Komplexe in die soziale Verfassung von Bauerngemeinden. Wäre letzteres der Fall, so wäre die Bestimmung des § 1 [596]entbehrlich,16[596]Offensichtlich ist § 1, letzter Absatz, des Gesetzentwurfs über das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedlungsgütern gemeint: „Bei den durch Zukauf gebildeten Rentengütern wird durch Eintragung der Anerbengutseigenschaft im Grundbuche die ganze Stelle Anerbengut im Sinne dieses Gesetzes.“ und eine Erschwerung des Aufkaufes jener Außenkolonien andererseits bietet relativ wenig Interesse. Vorzuziehen wäre eventuell eine Verlängerung der Periode der Unablösbarkeit eines Rententheils und die Aufrechterhaltung bezw. Statuirung des Rücktrittsrechts für diese längere Periode. Nach dem Ablauf dagegen sollte man die Güter dem freien Verkehr überlassen. –

Der vorliegende Gesetzentwurf erscheint so als in der Hauptsache nützlich und natürlich, wenn schon nicht an sich von weittragender Bedeutung, – gerade wegen des letzteren Umstandes steigert er nur die Spannung, welche Richtung die preußische Agrarpolitik nun weiter nehmen wird. Schlimmer als eine Erstarkung des Anerbenrechtsd[596]A: Anerberechts über seine natürlichen Gebiete hinaus wäre z. B. die weitere Ausbreitung der Fideikommisse und ihre Erleichterung von Staatswegen. Sie würde die Entvölkerung des Ostens zu einer dauernden Erscheinung entwickeln und würde in ihrer Begünstigung der feudal-aristokratischen Gliederung des platten Landes in genau umgekehrter Richtung liegen als die kolonisatorische Arbeit, welcher der jetzt vorliegende Gesetzentwurf dienen will. Hoffentlich bleibt er17Gemeint ist ein möglicher Gesetzentwurf zum Fideikommißwesen, dessen Reform der preußische Finanzminister Johannes von Miquel in Aussicht stellte. Siehe ausführlicher, unten, S. 796, Anm. 1. uns erspart. – |