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MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[564]Editorischer Bericht

Zur Entstehung

Der Text beginnt mit einer systematisch angelegten Beschreibung der möglichen Beziehungen zwischen politischem und magisch-religiösem Charisma, schränkt diese aber vornehmlich auf die Beziehungen der politischen zur priesterlichen bzw. priesteramtlichen Gewalt ein, während cäsaropapistische Herrschaftsformen nur vergleichend behandelt werden. Max Weber beschreibt die Entwicklung der Hierokratie zur Anstaltskirche unter dem Aspekt der Versachlichung des Charisma und kontrastiert diese mit der Entwicklung derjenigen Gemeinschaftsformen, die das ursprüngliche Charisma am längsten zu wahren suchten, d. h. mit der Entwicklung von Mönchtum und Sekten. Der Hauptteil des Textes ist den politischen und geographischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungsbedingungen und den Folgewirkungen des Verhältnisses von politischer und hierokratischer Gewalt gewidmet. Maßgeblich für die Darstellung sind dabei die spezifischen Faktoren der okzidentalen Entwicklung: moderner Kapitalismus und moderne Demokratie.
Der Text setzt unvermittelt mit der Erörterung des Legitimitätsproblems von Machthabern ein und führt somit den Gedankengang der Schlußpartien des Textes „Erhaltung des Charisma“ fort. Der enge inhaltliche Zusammenhang insbesondere zum Text „Umbildung des Charisma“ läßt sich daran ablesen, daß Max Weber grundlegende begriffliche Konstruktionen, wie die „Veralltäglichung“ bzw. „Versachlichung“ des Charisma,
1
[564] Zur „Veralltäglichung“ vgl. unten, S. 594, 597 und 625, sowie zur „Versachlichung“ unten, S. 581.
oder Spezialbegriffe, wie das „Außeralltägliche“
2
Beide Nennungen finden sich im Manuskriptteil, unten, S. 595 f.
sowie „Amts-“ und „Gentilcharisma“,
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Zum „Gentilcharisma“ vgl. unten, S. 650 und zum „Amtscharisma“, unten, S. 591, 593, 595, 601, 603 f., 608, 649 f., 657, 662, 668, 670 f., 674 f.
ganz selbstverständlich verwendet. Bedeutet dies, daß der Text „Staat und Hierokratie“ demselben Entstehungszeitraum, also den Jahren 1912/13, zuzuordnen ist? Die von Max Weber genannte Literatur – Werke von Georg Jellinek, Adalbert Merx, Aloys Schulte und Werner Som[565]bart
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[565] Jellinek, Menschen- und Bürgerrechte, war 1904 erschienen (vgl. unten, S. 678 mit Anm. 42), Merx, Die Bücher Moses und Josua, 1907 (unten, S. 664 mit Anm. 5), und die beiden Bände, Merx, Evangelien, 1897 und 1905 (unten, S. 641 mit Anm. 56), Schulte, Mittelalterlicher Handel, 1900 (unten, S. 630 mit Anm. 25) sowie Sombart, Juden und Wirtschaftsleben, 1911 (unten, S. 664 f. mit Anm. 6).
– weist nicht über das Jahr 1911 hinaus. Sombarts Monographie über die „Juden und das Wirtschaftsleben“ ist das jüngste Werk in dieser Reihe. Max Weber erhielt ein Widmungsexemplar, das Sombart unter dem 22. Februar 1911 datierte.
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Die Widmung lautet: „Max Weber, in freundschaftlicher Gesinnung Werner Sombart. Charlottenburg S. 22/2. 1911. Das Handexemplar befindet sich in der Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe, BAdW München.
Einen guten Monat später schrieb Weber einen entschuldigenden Dankesbrief an den früheren Mitstreiter, der auf die Lektüre des Buches schließen läßt. „Mancherlei Widerspruch regte sich – und dann wieder entschiedenste Zustimmung. So ging es von A–Z. Das Glänzendste ist das Religionskapitel, aber mein Kopf ist (Schlafmittel jede Nacht!) in solcher Verfassung, daß ich einfach nichts Verständiges zu Papier bringe […].“
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Brief Max Webers an Werner Sombart vom 27. März 1911, MWG II/7, S. 154.
Max Weber vertröstete Sombart auf Mai und hoffte, dann eine Besprechung für das „Archiv“ oder eine persönliche Stellungnahme liefern zu können. Die Auseinandersetzung mit den Thesen Werner Sombarts, die sich in einer Petitdruckpassage im Schlußteil des hier vorgelegten Textes niederschlägt,
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Vgl. unten, S. 664 mit Anm. 6 und S. 666 mit Anm. 14.
dürfte somit frühestens im Sommer 1911 geschrieben worden sein.
Von der durch die Kommentierung erschlossenen Literatur weist kein Titel über das Jahr 1912 hinaus, die meisten Werke sind jedoch schon früher, in den Jahren 1908 bis 1910, erschienen.
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So z. B. das Buch von Adolf Deißmann, Licht vom Osten, das im Jahr 1908 erschienen war (vgl. unten, S. 630, Anm. 24), der Aufsatz von Walter Otto über „Religio und Superstitio“, 1909 (unten, S. 616, Anm. 83) oder das für die Darstellung des Islam grundlegende Werk von Ignaz Goldziher, Vorlesungen über den Islam, das seit 1910 vorlag (vgl. unten, S. 583, Anm. 14, S. 609, Anm. 67, S. 612, Anm. 21, S. 622 f., Anm. 4 und S. 669 f., Anm. 22).
An zwei Textstellen knüpft Max Weber mit seinen Bemerkungen über den Arianismus und die „Florentiner Theoretiker“ offensichtlich an neu erschienene wissenschaftliche Literatur zu beiden Themen an. Das Buch des Heidelberger Kirchenhistorikers Hans von Schubert, das seine Thesen zum sogenannten Arianismus-Streit des Jahres 1909 nochmals pointiert zusammenfaßte, war im Frühjahr 1912 erschienen.
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Vgl. unten, S. 582, Anm. 11. Das Vorwort zum Buch „Staat und Kirche in den arianischen Königreichen und im Reiche Chlodwigs“ war von Hans von Schubert zu Ostern 1912 abgezeichnet worden und wurde vermutlich wenig später ausgedruckt und ausgeliefert.
Ebenso die Dissertation von Franz Keller, die [566]sich intensiv mit dem Zinsverbot und den diesbezüglichen Stellungnahmen katholischer Theologen beschäftigt hatte und damit die provokanten Thesen von Max Webers „Protestantischer Ethik“ und Werner Sombarts „Modernem Kapitalismus“ hatte widerlegen wollen.
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[566] Vgl. unten, S. 667, Anm. 85. Die Druckgenehmigung der Dissertation war am 25. April 1912 erteilt worden.
Trotz der auffälligen Nähe zwischen der Textstelle unten (S. 657 f.) und der frühen Fassung der „Protestantischen Ethik“
11
Weber, Protestantische Ethik I, S. 44 f.
weist die stärkere Berücksichtigung des zweiten katholischen Theoretikers, Bernhardin von Siena, auf die Keller-Studie und die erneute Kontroverse mit Sombart hin.
12
Bereits in den frühen Vorlesungen waren beide Theoretiker von Weber erwähnt worden (vgl. Weber, Max, Geschichte der Nationalökonomie, Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446, OM 3, Bl. 174; MWG III/1), in der ersten Fassung der „Protestantischen Ethik“ findet sich jedoch nur der Bezug auf Antonin von Florenz (Weber, Protestantische Ethik I, S. 32, 45), während Bernhardin von Siena explizit in der Überarbeitung von 1920 Erwähnung findet (GARS I, S. 41, Fn. 1, S. 57 f. Fn. 1; MWG I/18) und zwar im Rahmen der Kontroverse um Franz Kellers Kritik an Weber und Sombart, auf die Sombart in seinem 1913 erschienenen Werk „Der Bourgeois“ reagiert hatte (vgl. unten, S. 667, Anm. 85). Insofern lassen sich die Textstelle unten und die Überarbeitungspassage der „Protestantischen Ethik“ parallel zueinander lesen. Vgl. dazu auch den Brief Max Webers an Werner Sombart vom 20. Dezember 1913, in dem er sich verärgert über die entsprechenden Ausführungen Sombarts zu Antonin von Florenz zeigt (MWG II/8, S. 433).
Diese und die entsprechenden Textstellen zum Arianismus dürften somit frühestens auf das Jahr 1912 zu datieren sein.
Ein Hinweis auf die „hier nicht“ zu behandelnde okzidentale Sonderentwicklung der Musik
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Vgl. unten, S. 597 mit Anm. 37.
läßt auf die Konzeptionierung bzw. Niederschrift der „Musiksoziologie“ schließen. Diese ist wohl hauptsächlich im Frühjahr und Sommer 1912 niedergeschrieben worden, wobei die Beschäftigung – nach den biographischen Zeugnissen zu urteilen – in den Monaten Mai und Juni besonders intensiv gewesen ist.
14
Vgl. dazu die in der Bandeinleitung angeführten Aussagen von Marianne Weber an ihre Schwiegermutter, oben, S. 62, sowie Braun, Christoph, Max Webers „Musiksoziologie“. – Laaber: Laaber-Verlag 1992, S. 13, und den Editorischen Bericht, in: MWG I/14, S. 127 f.
Spätestens im Frühjahr 1913 hat Weber die Musik-Studie jedoch „provisorisch fixiert“ zur Seite gelegt,
15
Vgl. ebd., S. 129.
so daß er bereits im Sommer 1913 ein Angebot ablehnte, über „Musiksoziologie“ zu sprechen. Stattdessen schlug er dem jüngeren Kollegen Karl Löwenstein für den geplanten Vortrag in der Sozialwissenschaftlichen Vereinigung München das Thema „Soziologie des Gottesgnadentums“ vor.
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Karte Max Webers an Karl Löwenstein vom 9. Aug. 1913, MWG II/8, S. 302.
Die Zu[567]satzbemerkung: „klingt sehr politisch bedenklich, ist es aber nicht“, legt die Vermutung nahe, daß Weber auf der Basis des hier vorliegenden Textes und der „Charisma“-Texte einen Vortrag über die charismatische Legitimität von Herrschern und deren Stabilisierung durch kirchliche Institutionen gehalten hätte.
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[567] Vgl. die explizite Erwähnung des „Gottesgnadentums“, unten, S. 587.
Aufgrund der brieflichen Mitteilung darf man annehmen, daß der Text „Staat und Hierokratie“ spätestens im Sommer 1913 fertig vorlag. Auffällig ist die Nichtanwendung der Terminologie des Kategorienaufsatzes, dessen Manuskript Max Weber in den Sommermonaten 1913 für die Veröffentlichung im „Logos“ vorbereitete.
18
Vgl. dazu die Einleitung, oben, S. 63–68.
Wesentliche Teile des Textes „Staat und Hierokratie“ dürften nach den hier zusammengestellten Befunden in der ersten Hälfte 1913 fertig vorgelegen haben und bereits 1912 niedergeschrieben worden sein, was jedoch nicht ausschließt, daß manche Passagen früher abgefaßt worden sind. Besonders im Schlußteil knüpft Max Weber an seine Studien zur „Protestantischen Ethik“ und zum amerikanischen Sektenwesen an, was eine präzise Datierung erschwert. Eine konkrete Anspielung gleich zu Beginn des Textes weist jedoch auf einen Abfassungszeitpunkt vor dem Februar 1912 hin. Dort nimmt Max Weber Bezug auf die aktuelle politische Lage in China, „wo die herrschende Dynastie als Trägerin einer Fremdherrschaft empfunden“ werde.
19
Vgl. unten, S. 580 mit Anm. 4.
Der letzte Kaiser der Qing-Dynastie mußte am 12. Februar 1912 abdanken, womit die seit 1644 dauernde Fremdherrschaft der Mandschu in China beendet wurde. Max Webers Äußerung muß sich folglich auf das Aufbegehren der chinesischen Bevölkerung vor diesem Datum beziehen, vermutlich auf die Aufstände in der zweiten Jahreshälfte 1911.
Daß der überlieferte Textbestand nicht nur einer Arbeitsphase zuzuordnen ist, beweist das ihm zugehörige überlieferte Originalmanuskript von sechs Seiten. Es bildet – nach der handschriftlichen Paginierung Max Webers zu urteilen – einen in sich geschlossenen Einschub zur rationalen Entwicklung der Hierokratie, der wiederum nachträglich um die Ausführungen zu den spezifisch asketischen Leistungen des Mönchtums ergänzt worden ist.
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Vgl. die präzisen Angaben, unten, S. 573 f., sowie den Abdruck, unten, S. 683–709.
Am Beispiel der „harmonischen Musik“ illustriert Weber die Besonderheit der okzidentalen Entwicklung und schreibt diese „der Eigenart des benediktinischen und weiterhin auch des franziskanischen und dominikanischen Mönchtums“ zu.
21
Vgl. unten, S. 597.
Der Zusammenhang zwischen der Existenz einer „,harmonische[n]‘ Musik“ im Okzident und den [568]Leistungen des Mönchtums hatte Weber im August 1912 in einem Brief an seine Schwester Lili erwähnt, so daß sich der Brief fast wie eine Kurzfassung der zitierten Manuskriptstelle liest.
22
[568] Vgl. den Brief Max Webers an Lili Schäfer vom 5. Aug. 1912, MWG II/7, S. 638 f.
Neu an dem überlieferten Originalmanuskript, einschließlich der auf einer Rückseite überlieferten Notizen, ist jedoch der Vergleich zu den außereuropäischen Religionen. Es steht damit – wie in der Bandeinleitung ausgeführt – den Studien zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ sehr nahe und könnte somit den spätesten Bearbeitungszeitpunkt des Textes „Staat und Hierokratie“ markieren.
23
Vgl. dazu die Einleitung, oben, S. 60–62.
Aufgrund des Einschubs zum Mönchtum umfaßt das Originalmanuskript selbst mindestens zwei Bearbeitungsstufen. Offensichtliche thematische Wiederholungen, so z. B. zur legitimierenden und domestizierenden Funktion der geistlichen Herrschaft,
24
Vgl. unten, S. 580–584, 586 f., 599 f. und 614–616, wobei die beiden letztgenannten Stellen durch einen Verweis (S. 599 mit Anm. 42) miteinander verbunden und damit wohl beabsichtigte Wiederholungen sind.
zu den Menschenrechten
25
Vgl. unten, S. 613 und 678 f.
oder den besonderen Leistungen des Mönchtums,
26
Vgl. unten, S. 595–597 und 661 f.
weisen auf verschiedene Bearbeitungsphasen im Gesamttext hin. Trotz dieser Unstimmigkeiten scheint Max Weber die Drucklegung des Textes beabsichtigt zu haben, wie die Hervorhebung einer Petitdruckpassage belegt.
27
Vgl. unten, S. 664–666.
Daß der Text auch noch im Frühjahr 1914 als Teil der „Herrschaftssoziologie“ vorgesehen war, beweist die Anführung eines Unterkapitels „Politische und hierokratische Herrschaft“ in der Inhaltsübersicht zum „Grundriß der Sozialökonomik“.
28
Vgl. GdS1, Abt. I, 1914, S. XI (MWG I/22-6).
Der nachfolgend edierte Text wäre, wenn die Planungen zum „Grundriß“ eingehalten worden wären, vermutlich in einer überarbeiteten Fassung unter dieser Überschrift veröffentlicht worden.
Von insgesamt 13 Verweisen im Text „Staat und Hierokratie“ lassen sich die meisten innerhalb des Textes auflösen,
29
Vgl. die eindeutigen Verweise, unten, S. 580 mit Anm. 5, S. 599 mit Anm. 42, S. 634 mit Anm. 33, S. 638, Anm. 48, S. 639 mit Anm. 49, S. 646 mit Anm. 68, S. 650 mit Anm. 78 und S. 658 mit Anm. 88; die mehrfach aufzulösenden Verweise, unten, S. 625 mit Anm. 11, S. 648 mit Anm. 73, S. 650 mit Anm. 77; die Verweise mit unklarem Bezug, unten, S. 598 mit Anm. 40.
während sich nur durch vier Verweise Verbindungen zu anderen Texten herstellen lassen.
30
Vgl. unten, S. 625 mit Anm. 11, S. 634 mit Anm. 34, S. 648 mit Anm. 73 und S. 650 mit Anm. 77.
Die auf [569]den Text bezogene Verweisstruktur ist damit sehr dicht und bindet auch die überlieferten Passagen des Originalmanuskripts mit ein.
31
[569] Vgl. die Verweise aus dem Manuskript auf andere Textteile, unten, S. 598 mit Anm. 40 und S. 599 mit Anm. 42, sowie die Verweise auf das Manuskript, unten, S. 639 mit Anm. 49 und S. 658 mit Anm. 88 – beide betreffen den im Manuskript eingeführten „Kirchen“-Begriff.
Eine Besonderheit des hier vorliegenden Textes ist die häufige Verwendung der sogenannten beschränkenden Phrasen, wie z. B. „kann hier im einzelnen nicht verfolgt werden“.
32
Vgl. unten, S. 639, zur Klassifikation der Verweise bei Orihara I (wie oben, S. 78, Anm. 24), S. 10.
Diese bewußten thematischen Ausklammerungen beziehen sich insbesondere auf die in der „Protestantischen Ethik“ und den Sekten-Aufsätzen behandelten Sachverhalte.
33
Vgl. unten, S. 625, 639, 641 und 677. Weiterhin finden sich beschränkende Phrasen zum Thema „Mission“ (unten, S. 599) und – wie schon oben erwähnt – zur Musik-Studie (unten, S. 597 mit Anm. 37).
Im Rahmen der „Herrschaftssoziologie“ ist der Text „Staat und Hierokratie“ am engsten mit den beiden Texten „Umbildung des Charisma“ und „Erhaltung des Charisma“ verbunden.
34
Vgl. unten, S. 648 mit Anm. 73, sowie die Verweise im Text „Umbildung des Charisma“, oben, S. 521 mit Anm. 1 und S. 532 mit Anm. 25.
Die Verweise zur „Vergöttlichung“ des Herrschers
35
Vgl. den Text „Umbildung des Charisma“, oben, S. 521 mit Anm. 1.
oder dem „inkarnierten ,eingekapselten‘ Monarchen“
36
So die Formulierung, unten, S. 579, und der entsprechende Verweis, unten, S. 648 mit Anm. 73, der sich auf zwei Stellen im Text „Umbildung des Charisma“ beziehen läßt.
untermauern die enge inhaltliche Verknüpfung der drei Texte. Weniger klar ist die verweisbedingte Verbindung zu den Texten „Bürokratismus“,
37
Vgl. den mehrfach aufzulösenden Verweis im hier vorliegenden Text, unten, S. 634 mit Anm. 34, sowie den etwas unspezifizierten Verweis im Text „Bürokratismus“, oben, S. 194 mit Anm. 76, über die soziologischen Grundlagen der älteren Rechtstypen in der Herrschaft.
„Patrimonialismus“
38
Vgl. den mehrfach aufzulösenden Rückverweis im hier vorliegenden Text, unten, S. 650 mit Anm. 77, sowie die beiden Verweise im Text „Patrimonialismus“, oben, S. 278 mit Anm. 75 und S. 345 mit Anm. 67, die sich auch im hier vorliegenden Text „Staat und Hierokratie“ auflösen lassen.
und „Charismatismus“,
39
Vgl. den u. a. im Text „Charismatismus“ aufzulösenden Rückverweis, unten, S. 634 mit Anm. 34.
da die entsprechenden Verweise mehrere Auflösungen zulassen oder der Bezug unklar ist. Zum einleitenden Text „Herrschaft“ sowie zum Text „Feudalismus“ läßt sich kein Zusammenhang durch die Verweisstruktur ermitteln.
Sehr selektiv sind auch die verweisbedingten Verbindungen des Textes „Staat und Hierokratie“ zu den anderen Teilbereichen der älteren Fassung [570]von „Wirtschaft und Gesellschaft“. Diese betreffen nur die „Religions“- und „Rechtssoziologie“, wobei sich insgesamt 14 Verweise aus diesen beiden Bereichen auf den hier vorliegenden Text beziehen lassen, umgekehrt aber nur zwei nicht eindeutig aufzulösende Verweise aus dem Text „Staat und Hierokratie“ in die genannten Textbereiche führen.
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[570] Vgl. unten, S. 625 mit Anm. 11, zum Konflikt der Hierokratie mit dem Kleinbürgertum, der u. a. einen Bezug zum Textbereich „Religiöse Gemeinschaften“ herstellt, und der u. a. auf die „Rechtssoziologie“ zu beziehende Rückverweis, unten, S. 634 mit Anm. 34.
Dieses Zahlenverhältnis sowie die Verweisformulierungen selbst legen den Schluß nahe, daß der Text „Staat und Hierokratie“ der ältere von den drei genannten ist. In den 1913/14 fertiggestellten Textkonvoluten zur „Religions“– und „Rechtssoziologie“ konnte Max Weber daher gezielt auf die bereits behandelten Themen des nachfolgend edierten Textes verweisen,
41
Zu den Verweisen aus den „Religiösen Gemeinschaften“ vgl. unten, S. 571, Anm. 47, und zu denjenigen aus dem Bereich „Recht“, unten, S. 571, Anm. 49–51.
während dies umgekehrt nicht möglich war. Dazu zwei Beispiele aus dem Text „Staat und Hierokratie“: Bei der Behandlung der ökonomisch-sozialen Bedingungen für die Ausgestaltung des Verhältnisses von politischer und hierokratischer Gewalt spricht Weber von der Affinität bestimmter Schichten und Stände zu bestimmten Religions- oder Frömmigkeitstypen.
42
Vgl. unten, S. 617–621.
Hätte der entsprechende Abschnitt 7 der „Religiösen Gemeinschaften“, wo diese Relationen systematisch durchdekliniert werden,
43
Vgl. Weber, Religiöse Gemeinschaften, Abschnitt 7 „Stände, Klassen und Religion“, MWG I/22-2, S. 218–290.
bereits vorgelegen, hätte Max Weber auf diese Ausführungen verweisen und sich an der hier vorliegenden Textstelle mit ein paar Stichworten begnügen können. Dies ist aber nicht der Fall. Vergleichbares gilt für seinen Erklärungsansatz zum Attachement von Bürgertum und Hierokratie.
44
Vgl. unten, S. 621–625.
Die gemeinsamen Motive – systematische Arbeit und Lebensführung, Aufwerfen der Sinn- und Theodizee-Frage, Sündenbewußtsein und Erlösungsbedürfnis – sind nach Weber Teilaspekte des Prozesses der Rationalisierung des Religiösen, der durch beide Gruppen erheblich gefördert und nach vorne getrieben worden ist. Die genannten Schlagworte lesen sich wie eine Kurzfassung der Abschnitte 7 bis 9 der „Religiösen Gemeinschaften“,
45
Vgl. Weber, Religiöse Gemeinschaften, Abschnitt 7 „Stände, Klassen und Religion“, Abschnitt 8 „Das Problem der Theodizee“ und Abschnitt 9 „Erlösung und Wiedergeburt“, MWG I/22-2, S. 218–305.
ohne daß jedoch auf diese verwiesen wird. Diese Gedankengänge scheinen Max Weber bei Abfassung des Textes „Staat und [571]Hierokratie“ zwar konzeptionell, aber nicht ausformuliert zur Verfügung gestanden zu haben. Einen Verweis gibt es an der entsprechenden Textstelle nicht. Bleibt die Frage zu beantworten, ob der Text „Staat und Hierokratie“ eventuell durch die umfangreichere Abhandlung der „Religiösen Gemeinschaften“ im Rahmen von „Wirtschaft und Gesellschaft“ hätte abgelöst werden sollen.
46
[571] Vgl. zu der Frage auch die Einleitung, oben, S. 76–78.
Dagegen sprechen zunächst die insgesamt acht Verweise aus dem Textbestand der „Religiösen Gemeinschaften“ auf den hier edierten Text „Staat und Hierokratie“,
47
Zu den eindeutigen Vorverweisen auf den hier vorliegenden Text vgl. Weber, Religiöse Gemeinschaften, MWG I/22-2, S. 199 mit Anm. 61, S. 200 mit Anm. 63, S. 283 mit Anm. 43 und S. 339 mit Anm. 32; sowie die mehrfach aufzulösenden Verweise, die sich u. a. auf den Text „Staat und Hierokratie“ beziehen lassen, vgl. MWG I/22-2, S. 159 mit Anm. 76, S. 160 mit Anm. 78, S. 213 mit Anm. 1 und S. 369 mit Anm. 87.
was ja auf eine bewußte Einbindung des älteren Textes in den Arbeitsstand von 1913/14 hinweist. Diese Absicht wird zusätzlich in der „Einteilung“ zum „Grundriß der Sozialökonomik“ vom Juni 1914 bekundet, wo beide Texte getrennt aufgeführt werden.
48
Vgl. den Abschnitt 5: „Religiöse Gemeinschaften“ und den Abschnitt 8b: „Politische und hierokratische Herrschaft“ in; GdS1, Abt. I, 1914, S. XI (MWG I/22-6) [[MWG I/24, S. 169]].
Die Verweise aus dem Bereich „Recht“ auf den nachfolgend edierten Text sind auch hinsichtlich der Datierung aufschlußreich. Der früheste Verweis auf die „Machtstellung der Priesterschaft im Verhältnis zur politischen Gewalt“ findet sich in der mittleren maschinenschriftlichen Schicht der „Rechtssoziologie“.
49
Vgl. Weber, Recht § 5, S. 1 (WuG1, S. 468).
Die anderen Verweise stammen hauptsächlich aus der handschriftlichen Überarbeitung zu dieser Maschinenschrift,
50
Vgl. ebd., S. 1 (WuG1, S. 468), ebd., S. 4 (WuG1, S. 471), Weber, Recht § 6, S. 5 (WuG1, S. 487).
während es in der spätesten maschinenschriftlichen Fassung nur einen Verweis gibt.
51
Weber, Recht § 2, S. 53 (WuG1, S. 443). Ein Verweis aus Weber, Recht § 8, WuG1, S. 504 (MWG I/22-3), läßt sich nicht zuordnen, da für den letzten Paragraphen der „Rechtssoziologie“ kein Originalmanuskript überliefert ist.
Dies stützt die durch die bisher zusammengestellten Befunde vorgenommene Datierung des Textes „Staat und Hierokratie“ auf die Jahre 1911 bis 1912/13; eine Anpassung an die 1913/14 überarbeiteten Textbestände „Recht“ und „Religiöse Gemeinschaften“ ist offensichtlich nicht mehr erfolgt.

[572]Zur Überlieferung und Edition

Für einen Teil des nachfolgend edierten Textes ist ein sechsseitiges Originalmanuskript (A) überliefert, das sich in der Bayerischen Staatsbibliothek München, Nl. Max Weber, Ana 446, E.I.1, befindet. Für den anderen, weitaus größeren Textbestand bildet der Abdruck, der erstmals postum in der Ausgabe von Marianne Weber und Melchior Palyi als Kapitel XI. des Dritten Teils unter der Überschrift „Staat und Hierokratie“, in: Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (Grundriß der Sozialökonomik, Abt. III, 4. Lieferung). – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 779–817 (B), erschienen ist, die Editionsgrundlage. Das überlieferte Manuskript bildete offensichtlich die Druckvorlage für die Seiten 782–790 der Erstauflage von „Wirtschaft und Gesellschaft“.
Das Originalmanuskript Max Webers befand sich bis zum Sommer 1996 im Besitz der Familie Solms-Rödelheim, Marburg, wo es im Arbeitszimmer des Soziologen Max Graf zu Solms (1893–1968) in einem Bilderrahmen offenbar jahrzehntelang aufgehoben war.
52
[572] Brief von Johann Georg Graf zu Solms-Rödelheim an die Bayerische Staatsbibliothek vom 15. Juli 1996.
Wann und wie es dorthin gelangt ist, konnte nicht mehr aufgeklärt werden.
53
Laut mündlicher Mitteilung von Johann Georg Graf zu Solms-Rödelheim gibt es im Nachlaß seines Vaters keinerlei Hinweise auf die Herkunft des Manuskripts. Er äußert in dem Schreiben an die Bayerische Staatsbibliothek vom 15. Juli 1996 aber die Vermutung, daß sein Vater das Manuskript von Marianne Weber erhalten haben könnte.
Denkbar ist, daß Marianne Weber das Manuskript dem Soziologen als Dank für die Herausgabe von Max Webers „Schriften zur theoretischen Soziologie“ geschenkt hat, da es sich hierbei um die erste Textausgabe nach dem Zweiten Weltkrieg gehandelt hat.
54
Vgl. die persönliche Danksagung an Marianne Weber im Vorwort des Herausgebers zu: Max Weber, Schriften zur theoretischen Soziologie, zur Soziologie der Politik und Verfassung. Eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Max Graf zu Solms (Civitas Gentium, Quellenschriften zur Soziologie und Kulturphilosophie, hg. von Max Graf zu Solms). – Frankfurt a.M.: Georg Kurt Schauer 1947, S. XI.
Den ersten vertraulichen Hinweis auf die Manuskriptblätter gab der Marburger Professor Heinz Maus im Februar 1961 an Johannes Winckelmann, der damals anläßlich des bevorstehenden 100. Geburtstags von Max Weber persönliche Erinnerungen der Zeitgenossen sowie Originalmaterialien Max Webers zusammentrug. Heinz Maus berichtete von „zwei handgeschriebenen Manuskriptseiten der Religionssoziologie“, die sich im Besitz des Grafen Solms befänden.
55
Brief von Heinz Maus an Johannes Winckelmann vom 20. Febr. 1961, Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe, BAdW München.
Er riet Winckelmann aber dringend von direkten Bemühungen ab, so daß weitere Nach[573]forschungen erst wieder zu Beginn des Jahres 1996 von Hans G. Kippenberg, dem Herausgeber des Bandes „Religiöse Gemeinschaften“, aufgenommen wurden. Seine Recherchen führten dazu, daß sich das Teilmanuskript zu „Wirtschaft und Gesellschaft“ nun im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek München befindet.
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[573] Professor Johann Georg Graf zu Solms-Rödelheim ermöglichte dankenswerter Weise die Übertragung der Manuskripte an die Bayerische Staatsbibliothek München, Ana 446, E.I.1. Die in Kopie vorhandene zweite Allonge zur ersten Manuskriptseite fehlt allerdings. Sie muß – so die mündliche Auskunft von Frau Dr. Sigrid von Moisy, BSB München, am 16. Juni 2000 – als verloren gelten.
Das Fragment umfaßt sechs Manuskriptseiten, wobei die ersten beiden Seiten durch angeklebte Zettel erheblich erweitert worden sind. Das Manuskriptfragment ersetzt in der hier vorgelegten Edition die entsprechenden Passagen des Erstdrucks, unten, S. 587–609. Der Erstdruck findet in diesem Bereich keine weitere Berücksichtigung, da es sich nicht um eine von Weber autorisierte Textvariante handelt. Die Seitenzählung der ersten Auflage von „Wirtschaft und Gesellschaft“ wird jedoch zur Orientierung am Rand unter der Sigle WuG1 mitgeführt. Die Manuskriptseiten wurden von Max Weber am oberen rechten Blattrand selbst paginiert und zwar als Seiten 1, 2, 2X, 2X2 und 3. Seine eigenhändige Paginierung wurde – vermutlich im Zuge der Drucklegung von „Wirtschaft und Gesellschaft“ – mit Bleistift von dritter Hand gestrichen und durch die Seitenzählung 7–12 ersetzt. Maßgeblich für die Edition ist die originale Seitenzählung Max Webers, die unter der Sigle A wiedergegeben wird, während die Zählung der Erstherausgeber in Klammern hinzugefügt wird, also z. B. A 1 (7) oder A 2X (9). Da in der Neuzählung der Erstherausgeber aus Max Webers Seite 1 eine Seite 7 wurde, kann man davon ausgehen, daß es sich bei dem überlieferten Manuskript um einen Nachtrag oder Einschub gehandelt hat, der in den umfassenderen Manuskriptbestand zum Text „Staat und Hierokratie“ eingefügt worden ist. Ob uns der Einschub geschlossen überliefert ist, kann nicht gesagt werden.
Die Manuskriptseiten 1, 2 und 3 sind auf demselben Papier geschrieben. Es handelt sich um einen Doppelbogen (A 1 und 2) und einen halbierten Doppelbogen (A 3), die beide das horizontal laufende Wasserzeichen „Gebrüder Buhl – Ettlingen – Normal 3b“ aufweisen. Bei den Seiten 2X und 2X2 verläuft das Wasserzeichen derselben Firma vertikal. Es handelt sich ebenfalls um Doppelbogenpapier. Die erste Seite dieses Doppelbogens wurde von Max Weber mit 2X paginiert, während die zweite Seite des Bogens nicht eigens paginiert wurde. Offensichtlich lag der Bogen aber bereits in der Herstellungsphase von „Wirtschaft und Gesellschaft“ getrennt vor, so daß die Seiten in der Neuzähiung der Erstheraus[574]geber bereits gesondert als 9 und 10 ausgewiesen worden sind. Die dritte überlieferte halbe Bogenseite ist von Max Weber als 2X2 numeriert worden. Aufgrund der gesonderten Zählung und des abweichenden Papiers sind die drei Manuskriptseiten 2X und 2X2 als ein zusätzlicher Einschub zwischen den einfach gezählten Manuskriptseiten 2 und 3 zu betrachten. Auf einer angeklebten Zusatzseite zu der Manuskriptseite 2 befindet sich am rechten Rand – im Anschluß an einige zusätzlich eingefügte Sätze – der eigenhändige Zusatz Max Webers „2X“,
57
[574] Vgl. unten, S. 595, textkritische Anm. c.
der offensichtlich auf die eingeschobene Blattfolge 2X und 2X2 verweist. Die Erstherausgeber ignorierten jedoch diesen Hinweis Max Webers und druckten zunächst die Manuskriptseite 2 samt ihrer Zusätze zu Ende und ließen erst dann den Text der Seiten 2X und 2X2 folgen. Im Gegensatz zum Erstdruck von „Wirtschaft und Gesellschaft“ ergibt sich daher eine andere Textabfolge von Seite 595, Zeile 15 an. Die neue Montage des Manuskripts wird zusätzlich durch die Textanalyse gestützt. Während es in dem überlieferten Originalmanuskript insgesamt um die Verhältnisbestimmung von politischer und geistlicher Gewalt, speziell um die zunehmende Institutionalisierung der Hierokratien und damit deren Anpassung an die Gesetzlichkeiten der „Welt“ geht, setzt bereits die angeklebte Zusatzseite zum Manuskriptblatt A 2 (8) mit dem Thema „Askese“ ein. Systematisch berührt Weber damit das Spannungsverhältnis zwischen amtscharismatischen Vorstellungen der Kirche und dem Bestreben des Mönchtums, das ursprüngliche, persönliche Charisma zu wahren. Die zusätzlich eingeschobenen Manuskriptseiten A 2X (9 und 10) und A 2X2 (11) vertiefen das Thema, in dem sie die Wechselwirkung des asketischen Mönchtums zur Wirtschaft, aber auch zur politischen und hierokratischen Gewalt untersuchen. Bei der Behandlung der Frage, welche Lösungen die verschiedenen Religionen im Machtkampf zwischen Mönchtum und Priestertum gefunden haben, führen die Darlegungen des Einschubs wieder zurück auf die Zusatzseite zur Manuskriptseite A 2 (8). Bedeutsam ist der überlieferte Manuskripteinschub, weil hier das Mönchtum in universalvergleichender Perspektive behandelt und die Besonderheit der okzidentalen Entwicklung hervorgehoben wird.
58
Vgl. dazu die Einleitung, oben, S. 58–62.
[575]
Seitenkonkordanz zum Manuskript
PapierPaginierung
Max WeberErsthg.WuG1MWG
Doppelbogen 1. Seite 1 7 782–784 587–592
(Wasserzeichen horizontal) 2. Seite 2 8 784–786 592–595
602–606
Doppelbogen 1. Seite 2X 9 786–787 595–597
(Wasserzeichen horizontal) 2. Seite 10 787–788 597–599
Doppelbogen 1. Seite 2X2 11 788–789 599–602
(Wasserzeichen horizontal)
Doppelbogen 1. Seite 3 12 789–790 606–609
(Wasserzeichen horizontal)
Das Manuskript ist vorwiegend mit schwarzer Tinte geschrieben. Es gibt jedoch einige wenige Zusätze von Webers Hand mit Bleistift; dabei handelt es sich um Streichungen, Korrekturen und Einfügungen, die sich nur auf den ersten Manuskriptseiten (A 1, 2, 2X) finden. Sie unterscheiden sich nicht von den in Tinte vorgenommenen Eingriffen, so daß es keinen objektiven Anhaltspunkt dafür gab, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt als die in Tinte vorgenommenen Korrekturen eingefügt worden sind und damit eine eigene Textschicht konstituieren. Aus diesem Grund werden sie im textkritischen Apparat der hier vorlegten Textedition nicht gesondert nachgewiesen.
59
[575] Ein detaillierter Nachweis erfolgt jedoch im Rahmen der vollständigen Manuskriptwiedergabe im Anhang zu diesem Text. Dort werden in Bleistift vorgenommene Zusätze, Einfügungen, Korrekturen und Streichungen Max Webers im textkritischen Apparat einzeln nachgewiesen, vgl. unten, S. 683 (a), 684 (m), 685 (w, x, y), 687 (v, a, b, c, f), 688 (j, u, v, w), 689 (x, b), 690 (o), 694 (o, q, v), 703 (r, s, v, w), 704 (a, f, g, h, i, k) und S. 705 (l, n, r).
Das gesamte Manuskript ist durch sehr viele Einschübe und auch einige angeklebte Textpassagen (Allongen) sowie durch unzählige Streichungen gekennzeichnet. Bei der vollständigen Transkription des Manuskripts
60
Ich danke Frau Diemut Moosmann für die präzise Transkription des Originalmanuskripts, die sie 1998/99 angefertigt hat.
ergab sich, daß in den meisten Fällen Sofortkorrekturen und -überarbeitungen vorliegen. Max Weber korrigierte offensichtlich seine Formulierungen bereits während des Schreibens und durchbrach somit den Zeilenfluß. Das Manuskript wirkt daher sehr unruhig.
61
Vgl. den Faksimile-Abdruck, unten, S. 682 und 693.
Um die Lesbarkeit des edierten Textes zu gewährleisten, wird im folgenden weitgehend darauf verzichtet, diese komplizierte Lage textkritisch abzubil[576]den. In der hier vorgelegten Edition im Rahmen des Textes „Staat und Hie-rokratie“ sind lediglich einige ausgewählte, charakteristische Veränderungen angeführt, die Max Webers Bedürfnis nach begrifflicher Präzisierung illustrieren.
62
[576] So z. B. von „Priesterschaft“ zu „Hierokratie“, unten, S. 590, textkritische Anm. x; von „Religion“ zu „Hierokratie“, unten, S. 591, textkritische Anm. i; von „Kirchen“ zu „hierokratischen Organisation“, unten, S. 594, textkritische Anm. u.
Auffällig daran ist z. B. die Korrektur von „Staat“ bzw. „staatlich“ zu „politischer Gewalt“ bzw. „politisch“.
63
Vgl. unten, S. 588, textkritische Anm. j, I, o, q und r, S. 591, textkritische Anm. I, S. 595, textkritische Anm. b, S. 599, textkritische Anm. a.
Die vollständige und detaillierte Textwiedergabe sowie zwei ausgewählte Faksimiles finden sich im Anhang zu diesem Text.
64
Vgl. unten, S. 681–713, Faksimiles, S. 682 und 693.
Dort werden alle Streichungen und Einfügungen, aber auch die fehlenden Satzzeichen, die sonst von der Edition stillschweigend eingefügt werden, mit diakritischen Zeichen nachgewiesen. Der detaillierten Manuskriptwiedergabe werden auch die von Max Weber angefertigten Notizen, die sich auf den Rückseiten zum ersten Manuskriptblatt und zu einer Allonge fanden, beigefügt.
65
Vgl. unten, S. 710–713.
Die umfangreicheren Notizen haben Exzerptcharakter und basieren auf den Studien von Albert Grünwedel zum Buddhismus und Lamaismus.
66
Vgl. dazu unten, S. 710.
Ein Vergleich zwischen dem Manuskript Max Webers und der Erstausgabe von „Wirtschaft und Gesellschaft“ durch Marianne Weber und Melchior Palyi, der sich hier nur exemplarisch darstellen läßt, ergab folgendes Bild: Zum einen ist das Bemühen der Erstherausgeber erkennbar, den nachgelassenen und in Teilen schwer entzifferbaren Text Max Webers möglichst genau wiederzugeben. Einen Großteil der Entzifferungsarbeit hatte – wie bereits erwähnt
67
Vgl. Zur Edition dieses Bandes, oben, S. 97 mit Anm. 26.
– die Setzerei des Verlages zu leisten. Offenbar hat dann Marianne Weber auf Rückfragen des Setzers nachkorrigiert. Die stärksten Abweichungen zum Manuskript finden sich an jenen Stellen, die schwer lesbar bzw. uneindeutig sind und daher zu falschen Entscheidungen führten, so z. B. bei der Abfolge von Textseiten und Einschüben
68
Zu der Fehlanordnung der Erstausgabe vgl. die Bemerkungen, oben, S. 574.
oder auch bei der Absatzgestaltung.
69
Zum Teil war die Absatzmarkierung von Weber selbst vorgegeben als direkte Setzeranweisung (vgl. unten, S. 588, textkritische Anm. i, S. 589, textkritische Anm. t und S. 591, textkritische Anm. m) und als solche auch umgesetzt. In den meisten Fällen gab es keine eindeutigen Hinweise, so daß sich jetzt aufgrund des Manuskripts – im Vergleich zur Erstausgabe – weitere Absätze an folgenden Stellen finden: unten, S. 592 nach „Autoritäten“ und S. 594 nach „Stifters“, S. 595 nach „Wunder zu thun“, S. 602 nach „entfacht wird“, und S. 607 nach „nichts mehr“ und S. 608 nach „Laien zu verbreiten“.
Gravierend sind die [577]Entzifferungsschwierigkeiten der Erstherausgeber dort, wo die abweichende Lesung die Sachaussage des Textes veränderte, z. B. von „orientalischen“ (WuG1, S. 782) statt „arianischen Staaten“ (unten, S. 588), „Sutra’s“ (WuG1, S. 784) statt „Gudea’s Zeit“ (unten, S. 593), „Herrschaftsstätten“ (WuG1, S. 788) statt „Herrschaftsstruktur“ (unten, S. 600), „al Ghazali’s Errichtung des orthodoxen Dogmas“ (WuG1, S. 786) statt „Erweichung“ des Dogmas (unten, S. 604), „Reformbewegung der Offizialen“ (WuG1, S. 786) statt „Ossifljanen“ (unten, S. 604) oder „methodistischen“ (WuG1, S. 790) statt „mahdistischen“ Bewegungen im Islam (unten, S. 609). Zum anderen ist die Erstausgabe von dem Bestreben getragen, die nachgelassenen Texte als ein in sich geschlossenes Werkganzes zu präsentieren. Daraus lassen sich eine Reihe von redaktionell-vereinheitlichenden Eingriffen in Orthographie
70
[577] Modernisierung der Schreibweise z. B. „K“ statt „C“ – „Kultus“ (WuG1, S. 782) statt „Cultus“ (unten, S. 588) –, „t“ statt „th“ – „tun“ (WuG1, S. 785) statt „thun“ (unten, S. 595) –, „Herden“ (WuG1, S. 786) statt „Heerden“ (unten, S. 595), „Hilfe“ (WuG1, S. 790) statt „Hülfe“ (unten, S. 608); Zusammen- statt Getrenntschreibung, z. B. „irgendeines“ (WuG1 S. 782) statt „irgend eines“ (unten, S. 587) oder „zugunsten“ (WuG1, S. 785) statt „zu Gunsten“ (unten, S. 603); Klein- statt Großschreibung, z. B. „alles in allem“ (WuG1, S. 782) statt „Alles in Allem“ (unten, S. 587). Hochdeutsche Schriftsprache statt dialektbedingter Besonderheiten, z. B. „eigener“ (WuG1, S. 782) statt „eigner“ (unten, S. 588) oder „gerade“ (WuG1, S. 783) statt „grade“ (unten, S. 587). Kasusanpassungen, z. B. „von ihren“ statt „von seinen amtscharismatischen Ansprüchen aus stellt die Kirche“ (WuG1, S. 784; unten, S. 591, textkritische Anm. j). Vereinheitlichung der Bezifferung, z. B. „1.“, „2.“ statt „1)“, „2)“ (WuG1, S. 783 und unten, S. 590). Auflösungen von Abkürzungen, z. B. „sog.“ (WuG1, S. 782; unten, S. 588).
und Zeichensetzung
71
Z. B. Einsetzen von Kommata nach Relativsätzen, Einschüben oder bei der Verbindung zweier Hauptsätze. Dramatischer: Vereinfachung von Webers komplizierter Syntax, z. B. zwei Sätze statt einem „entwickelt. Ganz“ (WuG1, S. 785) statt „entwickelt, – ganz …“ (unten, S. 594); „Kirche. Zunächst“ (WuG1, S. 785) statt „Kirche, zunächst ..:“ (unten, S. 603).
oder auch stilistische Verbesserungen
72
So z. B. zur Vermeidung von Wiederholungen: „Besonderheit“ statt „Eigenart“ (WuG1, S. 786), oder „sie diese“ (WuG1, S. 783) statt „sie sie“ (unten, S. 589). Rein stilistisch: „in voller Bedeutung“ (WuG1, S. 784) statt „in vollem Sinn“ (unten, S. 590), „in mancher Hinsicht“ (WuG1, S. 785) statt „in Manchem“ (unten, S. 594), „Jedermann“ (WuG1, S. 785) statt „Jedem“ (unten, S. 603).
erklären. Hinzu kamen an manchen Stellen von Marianne Weber veranlaßte Eindeutschungen fremdsprachlicher Ausdrücke.
73
So z. B. von „akzeptabel“ (unten, S. 604) zu „annehmbar“ (WuG1, S. 786).
Als generelle Beobachtung läßt sich festhalten: Je klarer und eindeutiger Max Webers Vorlage ist, um so genauer ist auch die Wiedergabe in der Erstauflage.
74
Vgl. z. B. unten, S. 595–609.
[578]Der Titel „Staat und Hierokratie“ der Erstausgabe wurde übernommen. Marianne Weber führte ihn erstmals am 25. März 1921 in der Inhaltsübersicht zur Übersendung der Originalmanuskripte als Kapitel 18 an.
75
[578] Vgl. Weber, Marianne, Auflistung des Manuskriptbestands vom 25. März 1921, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446.
Der Titel blieb auch in der Druckfassung der vierten Lieferung erhalten. Möglicherweise handelt es sich um einen Arbeitstitel Max Webers, der wegen der Verwendung des Staatsbegriffs älter als der im Juni 1914 in der „Einteilung“ zum „Grundriß der Sozialökonomik“ genannte Titel „Politische und hierokratische Herrschaft“
76
Vgl. GdS1, Abt. I, 1914, S. XI (MWG I/22-6) [[MWG I/24, S. 169]].
sein muß, aber auch älter als das zum Text überlieferte Originalmanuskript. Wie schon erwähnt, korrigierte Max Weber bereits im Schreibfluß von „Staat“ zu „politischer Gewalt“ und vergleichbaren Formulierungen. Die bewußte Umgehung des Staatsbegriffs spricht dafür, daß Weber bei einer Veröffentlichung des Textes einen anderen Titel gewählt hätte, vermutlich den 1914 genannten oder einen ähnlichen. Man darf aber auch annehmen, daß die Erstherausgeber im Fall eines fehlenden Titels zu einer anderen Überschrift als der überlieferten „Staat und Hierokratie“ gelangt wären. Dieser Umstand spricht für den von Weber vermutlich zu einem frühen Zeitpunkt selbst inserierten Titel.
Offensichtliche Zusätze der Erstausgabe, wie die Seiten- und Inhaltsübersicht am Textanfang,
77
Vgl. unten, S. 579, textkritische Anm. a.
aber auch die ergänzenden Anmerkungen
78
Vgl. unten, S. 648, textkritische Anm. c (Verweisauflösung), und S. 659, textkritische Anm. i (Hinweis auf die „Protestantische Ethik“). Der Hinweis auf die „Musiksoziologie“ in WuG1, S. 787, findet hier keinen Niederschlag, da er im Originalmanuskript nicht vorhanden ist.
werden nicht als Textbestandteil wiedergegeben, sondern im textkritischen Apparat annotiert. Emendiert wurden außerdem Verschreibungen, wovon ein Großteil auf Lesefehler zurückzuführen sein dürfte, wie z. B. bei „Grundherrschaft“ statt richtig: „Fremdherrschaft“,
79
Vgl. unten, S. 617, textkritische Anm. l.
„Hierarchie“ statt „Hierokratie“,
80
Vgl. unten, S. 626, textkritische Anm. o.
„Acta“ statt „Arte di Calimala“
81
Vgl. unten, S. 642, textkritische Anm. v.
oder „einer“ statt „reiner Ausprägung des Sektentypus“.
82
Vgl. unten, S. 669, textkritische Anm. n.