MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

Anmerk[ung] des Herausgebers [zu Marianne Weber: Fichte’s Sozialismus und sein Verhältnis zur Marx’schen Doktrin]. 1900
(in: MWG I/7, hg. von Gerhard Wagner in Zusammenarbeit mit Claudius Härpfer, Tom Kaden, Kai Müller und Angelika Zahn)
Bände

[33]Editorischer Bericht

I. Zur Entstehung

Marianne Webers Monographie „Fichte’s Sozialismus und sein Verhältnis zur Marx’schen Doktrin“1[33] Weber, Marianne, Fichte’s Sozialismus und sein Verhältnis zur Marx’schen Doktrin (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, Band 4, Heft 3). – Tübingen, Freiburg i. B. und Leipzig: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1900 (hinfort: Weber, Marianne, Fichte’s Sozialismus). erschien im Juli 1900 in der von Carl Johannes Fuchs, Gerhart von Schulze-Gaevernitz und Max Weber herausgegebenen Schriftenreihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen“.2 Zur Entstehungsgeschichte der Schriftenreihe, die vor allem jüngeren Wissenschaftlern und den Hochschullehrern der badischen Hochschulen eine Publikationsmöglichkeit bieten wollte, vgl. den Editorischen Bericht zu „Über die Schriftenreihe ‚Volkswirtschaftliche Abhandlungen‘“, in: MWG I/4, S. 674–676. Marianne Weber hatte in den 1890er Jahren an den Universitäten Freiburg und Heidelberg Lehrveranstaltungen besucht und unter der Betreuung von Heinrich Rickert an einer Dissertation über Johann Gottlieb Fichte gearbeitet, mit der sie promoviert werden wollte, wozu ihr dann allerdings das Abitur als Zulassungsvoraussetzung fehlte.3 Vgl. den Editorischen Bericht zum Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 7. Aug. 1898, MWG II/3, S. 542–544, hier S. 542. Das Resultat ihrer Arbeit publizierte sie nun als Buch.

Im Vorwort4 Vgl. Weber, Marianne, Fichte’s Sozialismus (wie oben, S. 33, Anm. 1), S. V–Vl. dieser „Meinem Mann“ gewidmeten „Erstlingsschrift“ bedankte sie sich für die ihr zuteil gewordene Unterstützung: „Die erste Anregung zu dieser Arbeit verdanke ich einem mir übertragenen Referat in Paul Hensel’s ‚philosophischen Übungen‘; außerdem fühle ich mich meinen verehrten Lehrern Kuno Fischer, Alois Riehl und speziell Heinrich Rickert für die Übermittlung philosophischer Kenntnisse, namentlich für die Erschließung des deutschen Idealismus zu warmem Dank verpflichtet. Den Einfluss der Anschauungen meines Mannes wird man insbesondere in einigen Ausführungen auf S. 16 (Plato’s Staatslehre) S. 66–71, der Anmerk. auf S. 1 und S. 102 3) erkennen.“5 Ebd., S. VI. An diesen Schlußsatz knüpft die unten edierte Anmerkung Max Webers an.

[34]Die von Marianne Weber genannten „Einfluss“-Stellen beziehen sich auf die folgenden Inhalte: Die Ausführungen auf Seite 16 enthalten einen Vergleich von „Fichte’s Wirtschaftspolitik“ mit „Plato’s Politeia“ als einer der „berühmten Staatsdichtungen der Vergangenheit“.6 [34]Ebd., S. 16. Auf den Seiten 66 bis 71 geht es um „Fichte’s Postulate in ihrem Verhältnis zur historischen Wirklichkeit“.7 Ebd., S. 66–71. Die Verweise auf den von Fichte „übernommenen“ Gedanken des „Nahrungsschutzes“ sowie die Bezüge auf „Thomas von Aquino“ und die „Kanonisten“ finden sich bereits in Max Webers Vorlesungen und später auch im Aufsatz „Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis“.8 Ebd., S. 67 f. Vgl. z. B. Weber, Geschichte der Nationalökonomie (Vorlesung Sommersemester 1896), MWG III/1, S. 666–702, hier S. 682 f. (zu Thomas von Aquin und den Kanonisten), sowie Weber, Objektivität, unten, S. 210. In der Anmerkung auf Seite 1 ist von „Marxismus“ und „Sozialismus“ und den von ihnen postulierten „Entwicklungstendenzen des Kapitalismus“ die Rede.9 Weber, Marianne, Fichte’s Sozialismus (wie oben, S. 33, Anm. 1), S. 1. Die Anmerkung 3) auf Seite 102 handelt von der „Fiktion“ der „Eigentumslosigkeit der Urgesellschaft“.10 Ebd., S. 102.

Tatsächlich dürfte es darüber hinausgehende Anregungen Max Webers gegeben haben. In einem Brief aus Konstanz an Marianne Weber vom 7. August 1898 heißt es: „Ich freue mich sehr darauf, wen[n] Deine Arbeit fortschreitet. Aber wenn auch die Dissertation, rein Fichte’sch wird, so bin ich doch entschieden der Meinung, daß sich alsdann daran und darum ein sehr solider ökonomischer Aufbau gliedern sollte. Und auch für die philosophische Seite solltest Du die Physiokraten schon jetzt studieren. Leider bin ich selbst recht schlecht in ihnen bewandert. Lies die betr. Partien in Ingram, bei G. Cohn, ferner Oncken’s Quesnay und – namentlich Hasbach’s Philosoph[ische] Grundlagen, dann Quesnay’s ‚Tableau économique‘ selbst, – endlich, da Oldenberg (ich weiß davon gar nichts) auf Babeuf Vieles zurückführt, mußt Du auch an ihn gehen, es wird gar nicht leicht sein ihn zu beschaffen, sieh Dich nur im Handw[örter]-Buch der Staatswiss[enschaften] nach ihm um. Der Vergleich zwischen Quesnay und Fichte ist glaube ich nicht zu umgehen, beide haben in Vielem ähnliche ökonomische Vorstellungen über den Gang der Wirtschaft bei principiell ganz entgegengesetztem Gesammtuntergrund. Sage aber Rickert – den ich mit Frau herzlich grüßen lasse – nichts von diesen Plänen, sonst wird er zappelig.“11 Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 7. Aug. 1898, MWG II/3, S. 542–544, hier S. 543 f. Am 13. August 1898 spezifizierte Max Weber einige Hinweise: „Oldenberg hat den Babeuf nur mündlich im Gespräch mir gegenüber als eine Quelle Fichte’s erwähnt. Ob F[ichte] aber wirklich den B[abeuf] gelesen und gekannt hat, wird sich wohl schwer feststellen lassen [35]und scheint mir recht fraglich, trotz der Anklänge. Wichtiger ist jedenfalls die Anknüpfung an die Physiokraten, die wenigstens recht wahrscheinlich ist: die Lehre von den Volks-Klassen, vom Gelde, von der Güter-Circulation scheint mir eine solche an Quesnay und Turgot wahrscheinlich zu machen.“12 [35]Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 13. Aug. 1898, MWG II/3, S. 552–555, hier S. 554. Marianne Weber kam besonders im zweiten Teil ihrer Einleitung unter dem Titel „Entstehen des Sozialismus“ auf die meisten der von Max Weber genannten Autoren zu sprechen,13 Vgl. Weber, Marianne, Fichte’s Sozialismus (wie oben, S. 33, Anm. 1), S. 3 ff. während sie die „Methode des Marxismus“ mit ausführlichem Bezug auf Rickerts Philosophie kritisierte.14 Vgl. ebd., S. 111, mit Bezug auf den ersten Teil von Rickert, Grenzen.

II. Zur Überlieferung und Edition

Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der als „Anmerk. des Herausgebers“ in: Weber, Marianne, Fichte’s Sozialismus und sein Verhältnis zur Marx’schen Doktrin (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, hg. von Carl Johannes Fuchs, Gerhar[t] von Schulze-Gävernitz, Max Weber, Band 4, Heft 3). – Tübingen, Freiburg i. B. und Leipzig: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1900, S. VI, Anmerkung 1, erschienen ist (A). Der Text ist unterzeichnet mit: M. W.