MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

Politik als Beruf 1919
(in: MWG I/17, hg. von Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Birgitt Morgenbrod)
Bände

[1. Stichwortmanuskript zu „Politik als Beruf“]N1Überschrift fehlt in MWG-Druckfassung; in MWG digital ergänzt.

[138][AI 1][Faksimile]

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[139][AI 1]

|:Dividenden- u[nd]
Abschreibungs-Politik:|
„Politik“ (Diskontpolitik u.s.w.)
Leitung oder Beeinflussung der Leitung e[ines]
polit[ischen] Verbandes (Staates)
cf. Trotzkij
A[rbeiter]- u[nd] S[oldaten-]Räte
Charakteristisch f[ür] Staat nicht Ziel,
sondern Mittel
Gewaltsamkeit (physische!)
(nicht einziges, aber: spezifisches[)]
Monopol legitimer Gewaltsamkeit.
(dies fehlte ihm früher)
„Politik treiben“
Anteil haben oder erstreben an spezifischen
Machtmitteln
Verwendung
Beeinflussung ihrer Verwendung
Zweck kann sein: ideales Ziel
Macht als solche
materielles Ziel
Das ist „politisch“ an einer Frage,
einem Betrieb, einem Gesetz, e[iner] Leitung,
einer BestrebungaUnsichere Lesung. , einem Beamten
was die Art der Macht-
verteilung betrifft.
|:Gelegenheits-Pol[itiker] (AbstimmungbUnsichere Lesung.
gelegentl[iche] DienstecUnsichere Lesung.)
Gewohnheits-Pol[itiker]:|
2 Arten von |:〈Dauer-〉Gewohnheits- u[nd] Dauer-:|„Politikern“.
a) für die Pol[itik] leben
b) von der Pol[itik] leben
im Nebenberuf: Honoratioren
Abkömmlichkeit Erfordernis
Grundherr – RentnerdUnsichere Lesung.
nicht: Unternehmer – Arbeiter
Redakteur – Beamter |:(Gewerkschaft):| – AdvokateZweifach unterstrichen. – nicht: Arzt.
Welcher Typus?:|
Art der Machtmittel:
1) Einstellung von Menschen zum
Gehorsam (Apparat)
|:Der Apparat durch Interessen
u[nd] Ehre amf〈??〉 > am Gehorsam
interessiert:
a) Lehen – Pfründen –
Ämter
b) 〈Amt〉 Standesehre:|



Vasallen pp.
α) Diener – β) Beamte
2) Sachliche Verwaltungsmittel
u[nd] Kriegsmittel
2 Systeme: a) Selbstequipierung
der VerwaltergArbeiter > Verwalter besitzt die Pr[oduktions-]M[ittel]hUnsichere Lesung.
b) Trennung v[on] Prod[uktions-]Mitteln

[140][AI 2][Faksimile]

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[141][AI 2]

2 Arten fürstl[icher] Herrschaft:
a) ständisch – vornehm besitzende
Schicht (SippeniAlternative Lesung: Sippe, Adel)
|:Aristokratie
lebt für die Politik:|
b) patrimonial-bürokratisch
Sklaven, Hörige
Plebejer als Beamte
|:Demokratisierung notwendigekAlternative Lesung: notwendig
Folge: leben von der
Politik.:|
Streben des Fürsten nach Enteignung der Stände.
Eigenbesitz der sachl[ichen] Verwaltungsmittel
Prozeß der Entstehung des modernen
Staates.
Dies die „innere Politik“.
|:Notwendigkeit geschulten
Fachbeamtentums
zufolgelUnsichere Lesung. Art der
Verwaltungs-
aufgaben:|


cf Indien
Berufspolitiker:
1. Cleriker – in der ganzen Welt!
Buddhisten
Brahmanen
christl[icher] Clerus
meist vornehm
dies
occidental
2. Juristen[-]Stand – dies occidental, nur dort.
Podestat in Italien
Noblesse de Robe in Frankreich
cf. China3. Humanisten in D[eutschland] u[nd] Italien, Frankreich
4. Hofadel
5. Patriziat: []Gentry“ in England

occidental.
Änderung durch Entstehung der Wahl zurmUnsichere Lesung. Macht
Parteien
Partei e[in] unter Führern zusammengeschlossener
Verband zur Erringung der Macht in
e[inem] Verband
Mittel: freie 〈W〉 Werbung.
Dies das Moderne Interessenten-nZweifach unterstrichen.
betrieb.
〈England〉
|:Anfang: als Gefolgschaft
parte Guelfa
Engl[ische] Parteien
Änderung: Revolution
Advokaten.:|

[o.P.][AI [2v]]

Pol[itik] als BerufN2Die hier wiedergegebene Textpassage befindet sich auf der Rückseite von Blatt 2. Sie ist mit Bleistift geschrieben. Weil das Originalmanuskript seit Mitte der 1970er Jahre verschollen war, lag es der Edition in Band MWG I/17 nicht zugrunde. Im Sommer 2008 tauchte das Manuskript im Antiquariatshandel auf. Die Textwiedergabe erfolgt hier nach dem Antiquariatskatalog: Leidenschaft und Augenmaß. Max Webers Stichwortmanuskript zu „Politik als Beruf“. Einführung von Dirk Kaesler (Illuminationen. Studien und Monographien von Heribert Tenschert 13; Katalog LIX). - Ramsen/Schweiz: Antiquariat Bibermühle 2008, o.P. Die hier vorgelegte Transkription weicht von der des Katalogs ab.
= nicht kraft vererbterxUnsichere Lesung. Stellung
[kraft] Amtes

[142][AI 3][Faksimile]

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[143][AI 3]


Auf S. 1
unten!
Moderner Berufspolitiker ist Parteimann,
der für undeventuellomeist > eventuellvon der
Politik lebt.
ideell: macht sein Leben daraus
materiell: " " Existenz "
DieseBerufspol[itiker]“ (Beruf ideell
materiell)
|:Art der Auslese
der Pol[itiker],
insbes[ondere] der Führer
1. Parlamentarier 〈Frank〉
2. Partei- BetriebspUnsichere Lesung. -Leiter
im Lande
(Wahl-
Apparat):|
Entwicklung in 〈Frankreich:〉 England:
bis 1868: Honoratioren = Gefolgschaft im Lande
u[nd] deren GefolgeqUnsichere Lesung.
Parlamentar[ische] leader
whip. (patronage secr[etary])
Vergiebt Ämter (Einfluß der
Deputierten)
Chef des Apparats
Maschine: Lokal-Agent unbezahlt
Wahl-Agent
Avancement
bezahlter Unternehmer
(fancy prior)rUnsichere Lesung.
Finanz: Kandidat zahlt
BestimmungsUnsichere Lesung. der Mitglieder
Alles v[on]tUnsichere Lesung. oben organisiert.
d[urch]N3MWG-Druckfassung: durch Parlamentarier
|:Örtl[iche] Honoratioren
Tories:
Pfarrer
Schulmeister
leading men
Whigs
Pfarrer (DissenteruA: Dissent)
Posthalter
Schreiner
Seiler
Schneider.:|
1868/77: Caucus.
Schnadhorst – Chamberlain
zuerst: Birmingham lokal
Quartierwahl der Komitee's
[??] Zutritt, Cooptation
Massen herangezogen
Folge der Demokratisierung des Wahlrechts
Bürokratisierung
Aber nur scheinbare Demok[ratisierung] der Partei
Faktisch: Plebiszitäre Führerschaft.
Gladstone
Schon 1886 Caucus ohne sachl[iches] Programm.
nur Person.

[144][AI [4]][Faksimile]

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[145][AI [4]]

|:Ministerien
Beamtenpfründen:|
In Deutschland. 1) Machtlose Parlamente. Keine AuslesestätteaAlternative Lesung: Auslesestätten
f[ür] Politiker.
|:2) Gesinnungs-
Parteien
Darunter:
Kathol[ische] Partei
Sozialisten
= geborene Minoritäten-Parteien
3) Berufspolitiker keine
Honoratioren
keine Verantwortung
keine Chancen
4) Finanzen:
mäzenatisch +
Beiträge.
Kosten steigen:|
Vor der Revol[ution]Soz[ial-]Dem[okratie] rein bürokratisierte Partei
Bebel letzter Führer (Märtyrer)
Gewerkschafts- u[nd] Parteibeamte
u[nd] Journalisten
ehrenhaft (cf Amerika)
aber keinerlei Führer.
Hochkommen erschwert.
|:〈Finanzen durch Singer
Mäzenat〉:|
〈Liebknecht Märtyrer〉
bürgerl[iche] Parteien: noch Honoratioren-Parteien

|:Vertrauensmänner-Apparat.
Regelmäßig Ehrenamt.
Daneben bezahlte
Sekretäre.
Lokale Honoratioren
präparieren f[ür] WahlclubbUnsichere Lesung.
|:Also:
Honoratioren
+ Beamte:|
Ausnahmsweise
einmal e[ine] Notabilität:|
Fraktion im Parlament: Zunft
〈Führer perhorresziert.〉
Reden 〈korrigiert〉 zensiert
Fraktions-Turnus dabei
〈in der Partei-Organisation〉
Fraktionszwang.
Führer perhorresziert.

Jetzt: Alles in UmordnungcAlternative Lesung: Unordnung
|:Apparate nundAlternative Lesung: neu (neben Honoratioren
u[nd] Beamten) von 2erlei Art
1. Ideologen (Studenten)
2. Geschäftsleute
bei Wahl: Nr 2:|
Führer: nur auf der Straße (Liebknecht)
Diktatur
Apparat verlangt Pfründen
Nur Vermögens-Verschiebung
nicht W[irtschafts]-Neuordnung
Maßgebend f[ür] Zukunft
1. Bundesrat. Also: im Reich
kein Parlamentarismus
|:2. keine Amtspatronage
f[ür] polit[ische]
Beamte im
Reich:|
3e2 > 3 . Verhältniswahl. Also: Interessenten
4f3 > 4 . in Einzelstaaten: Tendenz zur
Parlaments-Omnipotenz.
|:5. Entscheidend:
Reichspräsident?
LandespräsidentengUnsichere Lesung. ?
KommunalpräsidentenhUnsichere Lesung. ?
Auslese in Parteien Dem[okratie]iUnsichere Lesung.
Aber: anders als in Amerika:|

[146][AII 1][Faksimile]

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[147][AII [1]]

Wer hat Beruf zur Politik (Eisner)
Innere Sachverhalte: Spannungen g[e]g[en] Leben
Ethik – Politik.
1. Ethik funktioniert:
als Legitimierung
Beispiel: Ehemann
(Schicksal)
Kriegsmüdigkeit. (Recht)
Schuldgefühl
Nur starke gelten!
pseudo-ethisch

|:Christl[iche]
Ethik
radikal:|
2. Bergpredigt – 〈radikal

a) Andere Backe.
ich: würdelos (Heiliger)
b) Reicher Jüngling – unbedingt
ich: 〈Politik〉 Expropriation 〈aller〉
geordnet.
c) Kriegsschuld: – unbedingt
(„responsibilitykA: „responsability“ is separate“)
ich: auf Gegenseitigkeit
Würde!: nicht auf den Straßenecken
schweigen können würdig.
Werkheiligkeit!
d) Widerstehe nicht dem Übel mit Gewalt
(absoluter Pazifismus)
Streiks (Gelbe)
Revolution
Krieg?
Status quo
dann: sinnlos!
Widerstehe dem Übel mit Gewalt
sonst: verantwortlich f[ür]
Folgen.

[148][AII 2][Faksimile]

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[149][AII 2]

Also: Verschiedenel2erlei > Verschiedene Ethik?
Ja – aber ganz generell
1. Mittel zum Zweck
2. Nebenerfolge
Für Politik:
Mittel die Gewaltsamkeit
v[on] Menschen g[e]g[en] Menschen
Max Adler (3 Jahre Krieg)
Zweck heiligt die Mittel
Spartakus (nur
Vermögensverschiebung)

[]Christ thut Recht
2 Arten von Ethik:
1) Gesinnung
2) Verantwortung
f[ür] Folgen.
ad 1: Verantwortung f[ür] Folgen abgelehnt
Syndikalist.
Verantwortung für Gesinnung des Protestes
Nur die WeltmZweifach unterstrichen. ist dumm, wenn
Folgen schlecht.
ad 2: rechnet damit, daß die
Welt dumm ist
(Dostojewski's Großinquisitor)
Absolut abzulehnen nur:
Förster: „aus Gutem kann
nur Gutes kommen.“
aus Bösem Böses
Grades Gegenteil richtig

[150][AII 3][Faksimile]

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[151][AII 3]

Weltgeschichte dag[e]g[en]
Erfahrung des Alltags
Entwicklung aller Religionen!
Denken der Jahrtausende:
Theodizee
Indien
Persien
Calvin – Deuterojesaja
altes Christentum:
Dämonen
J[ohn] St[uart] Mill
Wer das nicht sieht, sieht
LebensproblemnAlternative Lesung: Lebensprobleme nicht.
ist Leben nicht gewachsen
ist politisch nicht reif,
sondern Kind


|:Krieger in
Indras Walhall:|
Verfolgen d[urch]N4MWG-Druckfassung: durch Typen:
Hellene Polytheist.
Indien: Bhagavadgita

Macchiavellismus.
Kathol[ische] Kirche:
Evangel[ische] Ratschläge.
Ethik der Bergpredigt:
heiliger Franz.
Ist kein Fiaker!
Macchiavelli: Liebe zum
Vaterland
Wagner: Siegmund1[151] Wie aus Bemerkungen Max Webers an anderer Stelle über „Siegmund“ hervorgeht, bezieht sich dieses Stichwort auf die Szene kurz vor dem Tode Siegmunds in Richard Wagners Oper „Die Walküre“. Für Max Weber sind die Worte Siegmunds zur Walküre: „Grüße mir Wotan, grüße mir Walhall […]. Doch von Walhall's spröden Wonnen sprich du wahrlich mir nicht“, ein Ausdruck für das Freisein von „qualvoller Angst vor dem Tode und dem Nachher“. Weber, Max, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Band 1. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1920, S. 98 (MWG I/18).
bei Marck: statt Vaterland:
Sozialismus – Pazifismus.

[152][AII 4][Faksimile]

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[153][AII 4]

Nach 10 Jahren
Ich wollte gern:
„Damals war Lenz…“
Aber: Polarnacht!
Was geblieben?
Was aus Ihnen geworden?
Verbitterung – Banausen
– Indifferenz
Weltflucht.
weil der Welt nicht gewachsen.
Prakt[ische] Bedeutung?
Machtpolitik?
Selbstzweck Macht?
Nein.
Aber: wer Pol[itik] treibt, verbündet
s[ich] mit diabolischen Mächten
„Der Teufel der ist alt…“
Verantwortung.
Gesinnungs – 〈Macht〉 Verantwortungs-
politik nicht
entscheidbar.







verte!
Politik bedarf:
〈echte〉 Augenmaß = Distanz zu
den Dingen
Gewachsenheit den Realitäten
(nicht aus der Bahn!)
Echte Leidenschaft – nicht
sterile Aufgeregtheit.

[154][AII [4v]][Faksimile]

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[155][AII [4v]]

Reife
Liebe des reifen Mannes anders
als die der Jugend
(gesättigt mit Wissen)
〈Erschü〉 „Gesinnungspolitiker“ in 9 von
10 Fällen Windbeutel
Nur bei voller Übersicht über
Verantwortung
an irgend einem Punkt:
„ich kann nicht anders“
das erschütternd – u[nd]
menschlich echt.