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Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[91][A [I]]Die römische
Agrargeschichte
in ihrer Bedeutung
für das Staats- und Privatrecht
von
Max Weber.
Mit zwei Tafeln.
Stuttgart.
Verlag von Ferdinand Enke.
1891.
[92][A [III]]In dankbarer Verehrung
dem Herrn Geheimen Regierungsrat
Professor
Dr. A. Meitzen
zugeeignet.
[A [IV]]Ich bitte den bei der Korrektur übersehenen lapsus calami auf S. 256 Z. 14
a
Seiten- und Zellenangabe aus A übernommen. Die Berichtigung ist unten, S. 331, Zeile 13, eingearbeitet.
: „Matthäus-Evangelium“ in „Lukas-Evangelium“ zu verbessern. Die Störung, welche die Korrektur der Schrift durch eine militärische Dienstleistung erlitt,
1
Weber nahm im Sommer 1891 an einer Militärübung in Schrimm (Kreis Schrimm, Provinz Posen) teil; vgl. oben den Edltorischen Bericht, S. 61.
wird sich, wie ich fürchte, noch sonst gelegentlich in Druckfehlern fühlbar machen. Ich kann jetzt nichts anderes mehr thun, als die geneigten Leser bitten, ihre Nachsicht auch auf diesen Punkt auszudehnen.
Charlottenburg, August 1891.
2
Vgl. ebd., S. 64.
Assessor Dr. Max Weber.
[93] [A [V]]

Inhaltsübersicht

  • Einleitung 97
    1. Vorbemerkung S. 97. –
    2. Agrarhistorische Probleme der römischen Geschichte S. 101. –
    3. Quellen S. 105.
  • I. Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats- und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens 107
    1. Genera agrorum nach den Agrimensoren S. 107. –
    2. Technik der Aufmessung S. 108. –
    3. 1. Beim ager scamnatus S. 109. –
    4. 2. Beim ager centuriatus S. 109. –
    5. Anwendung des Loses. Koloniale und viritane Assignation S. 112. –
    6. Unterschied der Assignationen per centurias von denjenigen
      b
      A: derjenigen
      per scamna et strigas S. 116. –
    7. Grund der verschiedenen Aufmessung. Steuerbarkeit des ager scamnatus S. 122. –
    8. Anwendung der Skamnation S. 123. –
    9. Aufmessung steuerbaren Koloniallandes S. 127. –
    10. Aufmessung und rechtliche Natur des ager quaestorius S. 129. –
    11. Der ager per extremitatem mensura comprehensus S. 136. –
    12. Zusammenhang mit der provinzialen Steuerverfassung S. 139.
  • II. Der grundsteuerfreie römische Boden in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung 141
    • 1.
      c
      A, S. 49 (unten, S. 141): I.
      Verwaltungsrechtliche
      d
      S. 49 (unten, S. 141): Verwaltungsgeschichtliche
      Wirkungen der Assignationen
      141
      1. Allgemeiner Charakter der italischen Besiedelung
        e
        S. 49 (unten, S. 141): Besiedlung
        S. 141. –
      2. Charakter der römischen Kolonisation S. 145. –
      3. Verwaltungsrechtliche Bedeutung des Territoriums S. 147. –
      4. Territoriale Wirkung der Assignationen S. 147. –
      5. Bedeutung der forma. Praefecturae S. 149. –
      6. Fundi [A VI]redditi, concessi, excepti S. 151. –
      7. Rechtslage des nicht assignierten Territoriums S. 152. –
      8. Nicht inkommunalisierte Grundstücke S. 153. –
      9. Verfassungszustände innerhalb der Kolonien S. 154.
    • 2.
      f
      S. 65 (unten, S. 157): II.
      Privatrechtliche und wirtschaftliche Natur des steuerfreien Ackers
      157
        1. Privilegien desselben S. 157. –
        2. Censusfähigkeit S. 157. –
        3. Geschäfte per aes et libram S. 158. –
        4. Wirtschaftliche Bedeutung der Manzipation und des Testaments S. 158. –
        5. Dingliche Klagen S. 160. –
        6. Agrimensorische genera controversiarum S. 161. –
        7. Controversia de modo und de loco S. 162. –
        8. Rechtliche Natur der controversia de modo S. 163. –
        9. Verhältnis zur controversia de loco S. 166. –
        10. Ursprüngliche [94]Bedeutung des modus agri. Veräußerungen nach modus agri S. 168. –
        11. Quoten- und Parzellenveräußerung S. 170. –
        12. Die römische Hufenverfassung S. 171. –
        13. Agrarhistorische Bedeutung der Usukapion S. 174. –
        14. Agrarhistorische Bedeutung des Besitzesschutzes S. 177 . –
        15. Definitive Durchbrechung der Hufenverfassung S. 184. –
        1. Der Immobilienhandel in Rom S. 187. –
        2. Der römische Immobiliarkredit S. 188. –
        3. Verhältnis des ager privatus zu Reallasten und Servituten S. 190. –
        4. Wirtschaftliche Grundlagen der Rechtsstellung des ager privatus S. 193 . –
        5. Verkoppelungen und Separationen S. 194 . –
        6. Agrarische Bedeutung des jus coloniae S. 197. –
        7. Die agrarische Umwälzung in Rom und ihr Zeitpunkt S. 201.
  • III. Das öffentliche und steuerbare Land und die Besitzstände minderen Rechts 207
      1. Charakter des ager publicus S. 207. –
      2. Gemeindeweide. Ager compascuus S. 208. –
      3. Ursprung der Occupationen. Mark und Allmende S. 212. –
      4. Agrarischer Kapitalismus S. 216. –
      5. Ende der Occupationen und des ager compascuus S. 218. –
      6. Sonstige Domanialbesitzstände S. 220. –
      7. Censorische Lokation S. 221. –
      8. Wirtschaftliche Folgen der censorischen Lokation S. 224. –
      9. Die Domänen-Großpächter S. 226 . –
      10. Unbefristete Besitzstände auf dem öffentlichen Lande. Landanweisung gegen persönliche Dienstleistungen [A VII]1. viasii vicani S. 228 . –
      11. 2. navicularii und Frumentationsfrohnden S. 231. –
      12. 3. Burg- und Grenzlehen S. 232. [–]
      13. Unbefristete Vergebung gegen vectigal. –
      14. 1. Nominelles vectigal. Trientabula S. 233. –
      15. Gracchische Assignationen S. 235. –
      16. 2. Reelles vectigal. Erbpacht.S. 235
        g
        Fehlt in A. S. 235 – sinngemäß ergänzt.
      17. Die Possessionen nach der lex Thoria S. 235. –
      18. Ager privatus vectigalisque in Afrika S. 236. –
      19. Natur des vectigal beim ager privatus vectigalisque S. 238. –
      20. Langfristige Pachten mit Erbstandsgeld S. 239. –
      21. Aufmessungsform S. 242. –
      22. Spätere Veräußerlichkeit der Erbpachtstellen S. 244. –
      23. Verwandlung des vectigal in eine Grundsteuer S. 246.
      1. Rechtlicher Charakter der domanialen Besitzstände S. 249. –
      2. Administratives Verfahren S. 250. –
      3. Realexekution S. 250. –
      4. Munizipaler ager vectigalis S. 252. –
      5. Gemeindesteuern und Gemeindegut S. 252. –
      6. Rentengeschäfte S. 254. –
      7. Rechtlicher Charakter des ager vectigalis S. 255. –
      8. Die Emphyteuse S. 259.
      1. Nicht domaniales Provinzialland S. 260. –
      2. Zehntland in Sizilien S. 260. –
      3. Rechtliche Eigentümlichkeiten S. 261. –
      4. Das Zehntland in Asien S. 264. –
      5. Die stipendiarii in Afrika S. 265.
      1. Spätere Schicksale der Gemeindeautonomie in Steuersachen S. 270. –
      2. Die Bodenabgabe zu Ulpians Zeit S. 272. –
      3. Diokletianische Grundsteuerordnung S. 274. –
      4. Die juga und capita und die Steuerumlagen in den Provinzen S. 279. –
      5. Beseitigung der steuerlichen Autonomie der Gemeinden S. 282. –
      6. Unifizierung der Grundabga[95]ben S. 286. –
      7. Ἐπιβολή und peraequatio S. 287. –
      8. Sondersteuern neben der jugatio S. 289. –
      9. Naturalabgaben. Adaeratio S. 289. –
      10. Besteuerung des beweglichen Vermögens S. 292. –
      11. Unifizierung des Bodenrechts S. 292.
  • IV. Die römische Landwirtschaft und die Grundherrschaften der Kaiserzeit 297
    1. Entwickelung der Betriebsweise S. 297. –
    2. Schicksale des Cerealienbaus. Öl- und Weinbau S. 302. –
    3. Wiesenkultur,
      h
      A: Wiesenkultur.
      Großweidebetrieb und villaticae pastiones S. 304. –
    4. Groß- und Kleinwirtschaft S. 307. –
    5. Die coloni der republikanischen Zeit S. 308. –
    6. Existenzbedingungen der Parzellenpacht S. 311. –
    7. Die [A VIII]ländlichen Arbeiter S. 312. –
    8. Landwirtschaftliche Krisis im Beginn der Kaiserzeit S. 318. –
    9. Folgen. Entwickelung des Gutsbetriebes mit frohnpflichtigen Bauern S. 320. –
    10. Rechtslage der Gutsherrschaften S. 326. –
    11. Fundi excepti S. 326. –
    12. Stipendiarii. Domänenpächter S. 327. –
    13. Rechtslage der Eingesessenen der Gutsbezirke S. 328. –
    14. Origo und administrative Rückführung S. 330. –
    15. Gutsherrlicher Colonat und freier Colonat S. 334. –
    16. Analoge Verhältnisse. Kastelle. Barbarenansiedelungen S. 334. –
    17. Rechtslage der Possessionen S. 335. –
    18. Innere Organisation der Gutsherrschaften S. 341. –
    19. Schicksale des ländlichen Arbeiterstandes S. 345. –
    20. Schluß S. 352.
  • Anhang. Die Inschrift von Arausio C.I.L., XII, 1244 353
[97] [A 1]

Einleitung

Vorbemerkung. Die nachstehenden Untersuchungen können wohl nicht den Anspruch erheben, vollkommen das zu halten, was der Titel verspricht. Sie behandeln verschiedene Erscheinungen des römischen Staats- und Privatrechts unter einem einseitigen Gesichtspunkt: dem ihrer praktischen Bedeutung für die Entwickelung der agrarischen Verhältnisse.
Die ersten Kapitel versuchen den Zusammenhang der verschiedenen Aufmessungsformen des römischen Ackers mit dessen staats- und privatrechtlichen Qualitäten und die praktische Bedeutung dieser letzteren klar zu legen; sie unternehmen es auch, durch Rückschlüsse aus späteren Erscheinungen eine Anschauung von den Ausgangspunkten der agrarischen Entwickelung Roms zu gewinnen, und ich bin mir bewußt, bezüglich dieser Partien der Darstellung dem Vorwurfe mich auszusetzen, vielfach wesentlich konstruktiv verfahren zu sein. Indessen daß die Konstruktion auf diesem Gebiet entbehrlich sei, wird nach Lage der Quellen niemand behaupten wollen, und gerade auf dem Gebiet der Agrargeschichte gibt es Fälle, wo man mit Schlüssen aus der „Natur der Sache“ weiter kommt und relativ sicherer geht als auf anderen Gebieten. Die Organisation agrarischer Gemeinschaften bietet eben, wenn gewisse Grundlagen feststehen, nur [A 2]eine beschränkte Zahl von Möglichkeiten
1
[97]Zum hier und im folgenden erkennbaren Einfluß der vergleichenden agrarhistorischen Forschungen August Meitzens vgl. oben die Einleitung, S. 14 ff.
. Es war nun hier die Aufgabe, rein experimentell zu untersuchen, ob, wenn man diejenigen Saiten des römischen Agrarwesens, welche unter dem Schutt der Jahrtausende für uns noch erreichbar zu Tage liegen, gemäß den jedem Agrarhistoriker geläufigen Begriffen anschlägt, welche die Grundlage anderer indogermanischer Agrarverfassungen bilden, sie Accorde ergeben, oder ob sie sich stumm oder geradezu disharmonisch dazu verhalten –, und ich möchte glauben, den Eindruck erreicht zu haben, daß ersteres der Fall ist. Es ist zunächst der Nachweis versucht worden, daß die Art der feldmesserischen Behandlung des römischen Bodens überhaupt in festem Zu[98]sammenhang steht einerseits mit den öffentlichrechtlichen Beziehungen der betreffenden Territorien, andrerseits mit den privatrechtlichen Verhältnissen der Grundstücke. Inwieweit es dabei gelungen ist, die Art dieser Beziehungen im einzelnen nachzuweisen, ist mir zweifelhaft, es scheint mir aber schon ein Gewinn, wenn – wie ich glauben möchte – der Nachweis, daß ein Zusammenhang überhaupt besteht und zu ermitteln ist, als gelungen gelten kann. Stimmt man dem bei, so wird man, hoffe ich, auch den bunten Strauß von Hypothesen, welcher an diesem Punkte in die Darstellung hineingeflochten ist, und zahlreiche, vielleicht in der Form nicht immer vorsichtig gefaßte Bemerkungen allgemeinerer Art mit in den Kauf nehmen oder doch milder beurteilen: das Bestehen eines Zusammenhanges zwischen zwei historischen Erscheinungen läßt sich nun einmal nicht in abstracto, sondern nur so zur Anschauung bringen, daß eine in sich geschlossene Ansicht über die Art, wie dieser Zusammenhang sich konkret gestaltet habe, vorgetragen wird.
Wenn ich vorstehend versucht habe, den vielfach konstruktiven Charakter der ersten drei Kapitel dieser Schrift einigermaßen zu rechtfertigen, so habe ich zu einer solchen Entschuldigung bei dem letzten Teil derselben, [A 3]welcher den Versuch einer wirtschaftsgeschichtlichen Betrachtung der römischen Landwirtschaft bietet und auf die seit Savigny nicht wieder entschlafene Streitfrage über die Entwickelung des Kolonats eingeht, wohl weniger Veranlassung. Denn, wie bekannt, hat auf diesem Gebiete die aprioristische nationalökonomische Hypothese seit Rodbertus
3
Rodbertus, Agrarische Entwicklung Roms, 1864 veröffentlicht; vgl. dazu oben, S. 20.
äußerst vielseitige Blüten getrieben, und die Epigonen des großen Denkers, dessen überreiche Phantasie selbst bei grandiosen Fehlhieben instinktiv doch immer wieder den festen Boden eminent praktischer Anschauung gewann
4
Vgl. Webers fast gleichlautendes Urteil über Rodbertus in seinem Brief an Lujo Brentano vom 25. (sic) Febr. 1893 (Weber, Jugendbriefe, S. 363 f.; Bundesarchiv Koblenz, NI. Brentano, Nr. 67); dazu oben die Einleitung, S. 19 ff.
, haben hier fast zu viel des Guten an allgemeinen nationalökonomischen Betrachtungen gethan
5
Es ist nicht klar, an wen Weber hier genau denkt. Vgl. jedoch Mommsen, Decret des Commodus, S. 408, der im gleichen Zusammenhang von „denen“ spricht, „die von den realen römischen Verhältnissen zu wenig und von nationalökonomischen Theoremen zu viel wissen“; ähnlich ders., Italische Bodenteilung,, S. 413, Anm. 1, wo von den „z. T. ganz [99]abenteuerlichen von Rodbertus aufgestellten oder durch ihn bestimmten Ansichten“ die Rede ist, und auch Jung, Agrarische Verhältnisse, S. 45 mit Anm. 1, über die Verbreitung der Rodbertusschen Theorie „bei den nationalökonomischen Gelehrten“ durch die Vermittlung Wilhelm Roschers. – Vielleicht hat Weber neben anderen Heisterbergk, Entstehung des Colonats, im Auge (vgl. auch S. 249, Webers Fußnote 58), der Mommsens Kritik in: Decret des Commodus, S. 408, auf sich selbst beziehen zu müssen meinte (Heisterbergk, Colonatsfrage, S. 581); dagegen wieder Mommsen, Italische Bodenteilung, a. a. O.
. Es sind, wie ich glaube, na[99]mentlich die staats- und verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkte nicht in dem Maße, wie es nach Lage der, wenn auch spärlichen, Quellen geschehen konnte, herangezogen worden. Im übrigen versteht es sich, daß die Hypothese an sich auch hier unentbehrlich ist, denn auch die relativ sichersten Ergebnisse müssen hier in den Augen strenger Forschung Hypothesen bleiben. Was würde man, wenn es sich um eine Frage der mittelalterlichen Rechts- und Wirtschaftsgeschichte handelte, von Ergebnissen halten, welche für eine über den kultivierten Erdball sich verbreitende, ein halbes Jahrtausend umfassende Entwickelung aus einigen Dutzend zum Teil mehrdeutigen Stellen aus Urkunden und Schriftstellern gewonnen werden? Der Begriff der Sicherheit ist eben ein relativer, und die historische Forschung muß sich nach der Decke strecken.
Nun sind übrigens auch allgemeine wirtschaftshistorische Schlüsse aus Einzelthatsachen für die römische Kaiserzeit keine solche Ungeheuerlichkeit, wie dies bei dem Umfange des Wirtschaftsgebietes scheinen könnte; denn dies Wirtschaftsgebiet war immerhin in verhältnismäßig hohem Grade ein einheitliches trotz der enormsten Differenzen zwischen den einzelnen Teilen in deren Entwickelungsstufe. Verhält sich beispielsweise Italien zu [A 4]den Grenzprovinzen in Bezug auf die Bevölkerungsbewegung ähnlich wie die City einer Großstadt zu den Vororten, so daß also zum Teil direkt entgegengesetzte Erscheinungen zu Tage treten, so ist es doch m. E. wissenschaftlich korrekt zu sagen: daß eine in der City bereits herrschende Entwickelungstendenz für die Vorstädte noch nicht zur Wirksamkeit gelangt sei, weil sie eben vorerst durch entgegenstehende Tendenzen überwogen wird. Man kann das Entwickelungsgesetz als allgemeines feststellen in dem Sinne, daß derartige „Gesetze“ eben Tendenzen darstellen, die durch lokal stärker wirkende gekreuzt werden können. So schien es mir methodisch richtig, eine in der agrarischen Entwickelung der höchstentwickelten Provinzen des Reichs sich zeigende Erscheinung hier zunächst ohne weitergehende Detailunter[100]suchung zu verfolgen, und es ist deshalb für jetzt
6
[100]Falls Weber selbst an eine spätere Auswertung dieser Quellen gedacht haben sollte, hat er diese Absicht nicht ausgeführt. Vgl. auch oben die Einleitung, S. 44.
von einer Ausbeutung des z. B. von Jung mehrfach benutzten Materials, welches die patristische und ähnliche Litteratur für die ländlichen sozialen Zustände bietet, abgesehen worden.
„Tralaticische“ Quellencitate habe ich thunlichst beschränkt verwendet und die Litteratur, außer wo dies unumgänglich war, im Interesse des äußern Umfanges des Buches nicht citiert – man wird unschwer erkennen, wo und wie die Ergebnisse der früheren Arbeiten benutzt sind, und ich habe vorgezogen, für denjenigen, welcher sich über den Stand der Fragen informieren will, am Schluß
8
Unten, S. 357–359.
ein keinerlei Vollständigkeit prätendierendes Verzeichnis von Monographien beizufügen.
Dem Sachkundigen braucht auch nicht besonders gesagt zu werden, daß in der Methode der Untersuchung die nachfolgenden Abhandlungen lediglich auf dem festen Fundamente stehen oder doch zu stehen versuchen, welches vor allen andern Mommsen für die Erforschung des römischen Staats- und Verwaltungsrechtes für alle Zeit gelegt hat. Wohl aber glaube ich die angenehme Verpflichtung zu [A 5]haben, zu bekennen, welche Fülle von praktischen Gesichtspunkten für die agrarhistorische Forschung mir seiner Zeit die Unterweisung von Seiten meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimen Reg.-Rats Professor Dr. Meitzen
10
Über Webers Beziehung zu August Meitzen vgl. oben die Einleitung, S. 14 ff.
, und seitdem die häufige persönliche Berührung mit ihm, deren ich mich erfreuen durfte, zum Verständnis gebracht hat. Es ist nach Lage unseres Materials sicher, daß niemals für das Altertum eine Agrar- und Besiedelungsgeschichte derart wird geschrieben werden können, wie sie uns demnächst sein großes Werk für Deutschland bieten wird, – aber allerdings habe ich den Versuch gemacht, bei Betrachtung der Erschei[101]nungen, welche uns das römische Agrarrecht zeigt, von der Ermittelung ihrer praktischen Bedeutung für die daran Interessierten auszugehen, eine Methode, deren Werth ich nirgends so wie bei ihm kennen und schätzen zu lernen Gelegenheit hatte.
Nicht möglich war es, den Stoff der nachfolgenden Abhandlung in historischer Aufeinanderfolge zur Darstellung zu bringen. Schon deshalb nicht, weil fast durchweg die Methode des Rückschließens angewendet werden und deshalb die historisch vorangehenden Zustände vielfach als Schlußfolgerungen aus den uns überlieferten späteren vorgetragen werden mußten
12
[101]Vgl. dazu oben die Einleitung, S. 63 f.
. Ebenso war es mehrfach nötig, einheitlichen Erscheinungen von verschiedenen besonderen Seiten aus sich zu nähern, und es konnte deshalb der Eindruck mannigfacher Wiederholungen nicht vermieden werden.
Wir versuchen zunächst diejenigen Probleme der römischen Geschichte, zu deren Beantwortung die Agrargeschichte an ihrem bescheidenen Teil beizutragen sich berufen halten kann, kurz zu skizzieren.
[A 6]Agrarhistorische Probleme der römischen Geschichte. Während die ältesten sicheren Nachrichten
13
Näheres unten, S. 202 f.
, welche wir über die Geschichte Roms haben, uns die Stadt in überseeischen Beziehungen und anscheinend in einer maritimen Politik großen Stiles begriffen zeigen, beginnt später vor unseren Augen das gewaltige Schauspiel der römischen kontinentalen Eroberungspolitik, welche nicht nur eine Erweiterung der politischen Machtstellung der Stadt, sondern zugleich eine fortwährende Vergrößerung des der römischen Besiedelung und kapitalistischen Ausbeutung unterliegenden Areals bedeutete, während die maritime Machtstellung Roms mit dieser Entwickelung zum mindesten nicht gleichen Schritt hielt. Es entsteht die Frage: wer führte diese Eroberungskriege? – d. h. nicht: woher kamen die militärischen Kräfte? obwohl auch diese Frage der Erörterung wert ist, denn wenn das römische Weltreich gegen den Ansturm der germanischen Völkerwanderung ein ähnliches Aufgebot zur Verfügung gehabt hätte, wie 600 Jahre früher Italien gegen die keltische, so wäre der Ausgang wohl derselbe gewesen, – sondern: welche sozialen Schichten und wirtschaftlichen Interessengruppen bildeten politisch [102]die treibende Kraft, und also auch: welchen Tendenzen ist die erwähnte augenscheinliche Verschiebung des Schwerpunktes der römischen Politik zuzuschreiben, ist sie namentlich das bewußte Produkt von Bestrebungen bestimmter Interessentengruppen?
Wir sehen ferner, daß in der Zeit der Parteikämpfe das eigentliche Kampfobjekt, den Preis des Siegers, das öffentliche Land, der ager publicus bildete. Wohl niemals ist in einem großen Staatswesen die politische Herrschaft so unmittelbar geldeswert gewesen. Daß dem schon in älterer Zeit so war, lag unbestritten in der höchst eigenartigen Stellung, welche der ager publicus in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht einnahm, und es entsteht die weitere Frage, welchen Grundgedanken diese Stellung entsprungen ist. Der schroffe Gegensatz [A 7]einer der öffentlichen Gewalt gegenüber de jure rein prekären Besiedelung des öffentlichen Landes, welche Rechtsschutz nur gegen Angriffe genoß, die nach unsern Begriffen krimineller Ahndung unterliegen würden, und eines Privateigentums an Grund und Boden, welches die individualistischen Motive der freien Verfügung des Eigentümers und der thunlichsten Beweglichkeit in die äußersten Konsequenzen durchführte, trägt den Stempel des Bewußten und Modernen an der Stirne, – und wir gelangen zu der Frage: welchen wirtschaftlichen Gedanken entsprach auf dem Gebiete des Agrarwesens dieser Eigentumsbegriff, welcher noch heute unser juristisches Denken beherrscht, von den einen
14
[102]Für eine knappe zeitgenössische Illustration der gegensätzlichen (liberalen bzw. sozialistischen) Positionen vgl. etwa Wagner, Adolph, Grundbesitz: Die volkswirtschaftliche Prinzipienfrage der Rechtsordnung, in: HdStW1 4,1892, S. 112–139.
wegen seiner logischen Konsequenz bewundert, von den andern als Wurzel alles Übels auf dem Gebiet unsers Grundbesitzrechtes befehdet?
Wenn nun, wie bemerkt, die Ausdehnung der römischen Herrschaft ständig begleitet ist von einer Ausdehnung des römischen Wirtschaftsgebietes, man kann geradezu sagen: des römischen Flurbezirks, so daß dieser schließlich einen großen Bruchteil Italiens umfaßte, so muß gefragt werden: wie wurde über dies gewaltige Areal disponiert? Bekannt ist, daß es wenigstens zum Teil zur Kolonisation benutzt wurde und daß diese Kolonisation zugleich das unvergleichlich wirksame Mittel der Befestigung der römischen Herrschaft und, neben vielen negativen – wie Frumentationen, Schuldenerlasse – die einzige positive sozialpolitische Maßregel [103]großen Stiles war, mit welcher der römische Staat den konvulsivischen Krankheitsäußerungen seines sozialen Körpers entgegentrat. Von jeher ein gefährliches Zugmittel in der Hand demagogischer Agitatoren, wurde die Besiedelung des ager publicus in den Dimensionen, welche die Gracchen ihr gaben, zu einer Umwälzung aller, wenngleich rechtlich prekären, so doch thatsächlich festgewurzelten Besitzstände, eine agrarische Umsturzmaßregel, so daß die lex agraria von 643 u. c.
15
[103]Das Jahr 643 u[rbis] c[onditae] entspricht dem Jahr 111 v. Chr.; die Umrechnung dieses häufig genannten Datums der lex agraria wird im folgenden weggelassen.
den Krater wenigstens in Italien [A 8]und auf der Provinzialdomäne in Afrika und Korinth zu schließen suchte, indem sie die prekären und neugeschaffenen Besitzstände in Privateigentum umwandelte und durch Fixierung der Rechtsverhältnisse auch bei den Besitzständen minderen Rechtes, sowie endlich durch Abschaffung der alten Formen der Entstehung prekären Besitzes auf dem öffentlichen Lande, in summa also durch Erlaß einer Art von Realstatut für Italien, Ruhe zu schaffen suchte. Allein die beginnende Monarchie und die Bürgerkriege führten besonders unter Sulla und den Triumvirn durch gewaltige Konfiskationen, Aufkäufe und Neuverteilungen an die siegreichen Heere zu einer neuen Umwälzung aller Besitzverhältnisse an Grund und Boden, und es ergibt sich, alles in allem, innerhalb des letzten Jahrhunderts der Republik eine Bevölkerungsverschiebung, deren Dimensionen in quantitativer Beziehung nur von der Völkerwanderung erreicht worden sind. Es entsteht die Frage, in welchen Formen, wirtschaftlich und rechtlich betrachtet, diese Kolonisation sich vollzogen hat.
Nachdem dann infolge der Absorption des öffentlichen Landes in Italien – teils durch Assignation, teils durch Überweisungen an die Einzelgemeinden – die daraus geflossenen Einkünfte zu Anfang der Kaiserzeit versiegt waren, lag der Schwerpunkt der Finanzkraft des Reiches in den Steuern der Provinzialen, unter welchen, wie im ganzen Altertum, die in mannigfachster Form erhobenen Abgaben von Grund und Boden die wichtigsten waren. Wenn nun auch die Formen, unter denen die Römer die Provinzen besteuerten, zweifellos vielfach lediglich aus der früheren Steuerverfassung der betreffenden Länder von ihnen übernommen, jedenfalls aber die allermannigfaltigsten waren, so entsteht doch die Frage, ob sich nicht da, wo die Umgestaltung der Verhältnisse bei der Einverleibung eine [104]tiefer greifende war, gewisse gleichmäßige Tendenzen in der Verwaltungspraxis nachweisen lassen, und ob nicht in der Behandlung des Provinzial[A 9]bodens Anknüpfungen an Formen, welche man schon in Italien benutzt hatte, zu konstatieren sind.
Vor allem aber verlohnt es sich schließlich, zu untersuchen, wie sich denn der Wirtschaftsbetrieb des römischen Landwirts unter den eigentümlichen rechtlichen und sozialen Verhältnissen des Grund und Bodens gestaltet und welche Wandelungen er im Lauf der Jahrhunderte erfahren hat. Wir haben es da namentlich mit dem Wachsen und der Organisation des Großbetriebes, in der Kaiserzeit aber ferner mit einer Erscheinung zu thun, die unzweifelhaft vor allem in ihren wirtschaftlichen Gründen verstanden werden will: dem Auftreten höriger, an die Scholle gefesselter Bauern im Kolonat. Dies viel besprochene Rechtsverhältnis hat Befremden und eine umfassende Erörterung namentlich deshalb hervorgerufen, weil man
16
[104]So besonders Puchta, Georg Friedrich, System und Geschichte des römischen Privatrechts (Cursus der Institutionen, Band 2), 9. Aufl., besorgt von Paul Kruger. – Leipzig: Breitkopf und Härtel 1881, S. 98, der den Status der Kolonen durch eine besondere Art der Freilassung von Sklaven zu erklären versuchte; vgl. auch Savigny, Über den Römischen Colonat (1828), S. 314 ff., sowie dass. (1850), S. 46 ff. und 58 ff., wo – S. 58 – außerdem Charles Giraud für eine privatrechtliche Erklärung genannt wird.
meist vergebens versuchte, es mit den Formen des römischen Privatrechts in Beziehung zu setzen. Es muß aber – neben der Untersuchung der wirtschaftlichen Gründe seiner Entstehung – vielmehr gefragt werden, welche Stellung ihm im Verwaltungsrecht des Reiches, überhaupt öffentlichrechtlich, zukam, denn darüber kann ein Zweifel nicht obwalten, daß auf dem Boden des Privatrechts und der Vertragsfreiheit ein solches Institut nicht hätte entstehen können. Damit hängt dann die Frage der Bedeutung der Grundherrschaften im römischen Kaiserreich, welche in ihren letzten Ausläufern in das frühe Mittelalter hinüberleitet, untrennbar zusammen.
Die Agrargeschichte wird sich nicht vermessen wollen, die vorstehend präzisierten Probleme ihrerseits lösen zu können – soweit nach dem Stande der Forschung ein Bedürfnis nach weiterer Lösung überhaupt besteht –[,] sie hat nur festzustellen, welche Stellung sie ihrerseits auf Grund der ihr zu Gebote stehenden Begriffe und praktischen Gesichtspunkte dazu einnimmt.
Die nachstehende Erörterung insbesondere kann sich gewiß nicht der Illusion hingeben, über diese Fragen [A 10]irgend welches unvermute[105]te Licht zu verbreiten oder dem Kundigen wesentlich Neues sagen zu können, – derartige Ergebnisse wären nur auf Grund einer Vermehrung des Quellenmaterials zu gewärtigen, denn soweit auf Grund des vorhandenen Materials Antworten auf die obigen Fragen zu geben sind, stehen dieselben in ihren wesentlichen Zügen bereits fest. Wohl aber läßt sich über die Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit mancher Momente für die Entwickelung zur Zeit noch streiten, und hier können durch eine Kombination an sichbekannter
a
A: bekannte
Erscheinungen und deren Betrachtung nach der Seite ihrer praktischen agrarpolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung, wie ich glaube, einige weitere Gesichtspunkte gewonnen werden, welche m. E. der Erörterung wert sind.
Quellen.Für eine Untersuchung von diesem Ausgangspunkte aus stehen uns an Quellen, abgesehen von nicht sehr erheblichen Bemerkungen der Historiker und einigen allerdings besonders wertvollen Aufschlüssen, welche die Inschriften geben, namentlich zu Gebote die zuletzt von Lachmann unter dem Namen „Schriften der römischen Feldmesser“ edierten Materialien
17
[105]In zwei Bänden 1848–1852 erschienen, vgl. oben, S. 81 f., sowie das Verzeichnis der von Weber zitierten Literatur unten, S. 380.
, enthaltend teils Handbücher der Feldmeßkunst aus der Feder agrimensorischer Praktiker, teils Excerpte aus geometrischen Schriften, Gesetzesfragmente und die unter dem Namen libri coloniarum bekannten Verzeichnisse der vorhandenen formae des aufgeteilten italischen Landes, und ferner, für die wirtschaftliche Seite der Untersuchung, namentlich die scriptores rei rusticae
18
Zu der von Weber verwendeten sog. Zweibrücker Ausgabe (Bipontina)vgl. oben den Editorischen Bericht, S. 82.
, Kompendien der Landwirtschaft für angehende Landwirte, deren Verfasser, von Cato abgesehen, freilich, wie an manchen Punkten zu Tage tritt, es möglicherweise nicht über ein gewisses Dilettantentum auf diesem Gebiet hinausgebracht haben. Bei beiden letztgenannten Quellenkomplexen macht sich der offenbar sehr starke Bestandteil tralaticischen und deshalb zeitlosen Materials bei der Benutzung störend geltend, insofern man häufig genötigt ist, zunächst die Angaben des Schrift[A 11]stellers undatiert zu analysieren und dann die ungefähre Zeit, für welche sie praktisch sind, zu ermitteln, was oft nur bis zu einem [106]problematischen „früher“ oder „später“ gelingen kann. Was die Agrimensoren anlangt, so ist nur das sicher, daß alle technischen Angaben auf uralten praktischen Handgriffen beruhen müssen, da die gänzliche Sterilität in Beziehung auf Geometrie bei ihnen wie bei den Römern überhaupt unmittelbar ersichtlich ist.
Wir versuchen in der Darstellung zunächst den Zusammenhang der Aufteilungsformen mit den rechtlichen Ackerqualitäten darzuthun, um dann auf die letzteren im einzelnen einzugehen.
[107] [A 12]

I. Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats– und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens
1
[107]Vgl. die zusammenfassende Wiedergabe von Teilen des Inhalts des I. Kapitels durch Weber in: Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 12–13; dass.2, S. 78–80; dass.3, S. 156–158. Die folgenden erläuternden Anmerkungen nehmen darauf nur ausnahmsweise Bezug.

Genera agrorum nach den Agrimensoren. Die Agrimensoren teilen bekanntlich von ihrem Standpunkte aus den Grund und Boden in drei Hauptkategorien:
  1. ager divisus et assignatus, seinerseits wieder zerfallend in
    1. ager limitatus, per centurias div[isus] et assignatus,
    2. ager per scamna et strigas divisus et assignatus,
  2. ager per extremitatem mensura comprehensus,
  3. ager arcifinius, qui nulla mensura continetur.
Man wird es als ohne weiteres wahrscheinlich ansehen dürfen, daß die Verwendung dieser verschiedenen Aufteilungsarten auch in irgend welcher Weise den rechtlichen Verhältnissen des betreffenden Territoriums entsprach. In welcher aber? – das ist mit Sicherheit nur zum geringen Teil zu sagen, zum überwiegenden dagegen nur durch Rückschlüsse hypothetisch zu ermitteln. Es muß indes in Betracht gezogen werden, daß auch die zweifellosesten Rechtsprinzipien sich in der Praxis zu Regeln mit Ausnahmen gestalten, unter Umständen mit so viel Ausnahmen, daß das Prinzip nur subsidiär zur Anwendung gelangt. Gleichwohl würde es ein Verzicht auf juristisches Erfassen [A 13]der historischen Erscheinungen sein, wenn man aus diesem Grunde ganz von Aufsuchung des Prinzips absehen wollte, und soll daher der Versuch, dasselbe festzustellen, gemacht werden.
Am einfachsten gestaltet sich die Unterbringung der Extreme. Einerseits ist zweifellos, daß der Grund und Boden des Auslandes, d. h. aller der Gemeinden des Reiches, welche laut eines foedus von unmittelbarer Einwirkung der Reichsgewalt wenigstens theoretisch [108]eximiert waren, nur ager arcifinius sein konnte. Die foedera mit souveränen Gemeinden, z. B. mit Astypalaea
2)
[A 13][108]Corp. Inscr. Graec. II, 1485
4
Die zitierte Stelle findet sich in CIG II 2485 (Dass. auch in: IG XII 3: Inscriptiones Graecae insularum Symes …, hg. von Friedrich Hiller von Gaertringen . – Berlin: Georg Reimer 1898, Nr. 173). Vgl. dazu auch den Editorischen Bericht, oben, S. 70.
(Boeckh).
, enthalten denn auch keinerlei Bestimmungen über den Acker derselben, auch nicht die, daß das bisherige Gebiet ihnen verbleiben solle; schon das wäre als eine Art politischer capitis deminutio empfunden worden. Andrerseits ist ebenso unzweifelhaft, daß der Acker aller wirklich deduzierten coloniae civium Romanorum und der sonstigen Ackeraufteilungen auf römischem Boden zum ager divisus et assignatus gehörte. Die Unterbringung der zahlreichen Zwischenglieder aber und die Feststellung der Verwendung der einzelnen Formen erfordert einen Blick auf die technische Seite der römischen Aufteilung und Assignation.
Technik der Aufmessung.Regelmäßig sind die römischen Ackerparzellen, resp. deren Grenzen nach den Himmelsgegenden orientiert und wurde dies bewerkstelligt durch ein primitives Diopterkreuz, vermittelst dessen man zuerst – offenbar weil man nachts nicht visieren und deshalb die Mittagslinie nicht feststellen konnte – durch Visieren nach dem Sonnenaufgang approximativ
3)
Entsprechend der wechselnden Himmelsgegend des Sonnenaufgangs wechselten auch die Richtungen der limites. So schon bei den Pfahldörfern der Poebene (Helbig, Die Italiker in der Poebene). Erst später lernte man die Linie OW richtig festzustellen (Hygin, De lim. const. p. 170, 187).
die Linie OW, den decimanus (= „Teiler“
3
Diese – auf Varro zurückgehende – Erklärung nach Rudorff, in: Römische Feldmesser 2, S. 343.
), dann die Senkrechte darauf, den cardo [A 14](= Axe, Himmelsaxe), feststellte und absteckte. Dies war die Regel, doch kam es auch vor, daß man je nach den Verhältnissen des Terrains den decimanus in dessen größte Längenausdehnung oder, an der Küste, in der Richtung nach dem Meer, oder auch in die Mittagslinie legte. Bei dem weiteren Verfahren haben wir die Aufteilung per strigas et scamna von der per centurias zu unterscheiden. Beiden gemeinsam ist die geradlinige Aufteilung, der Unterschied [109]beider wird mehrfach von den Agrimensoren
7
[109]Ausdrücklich nur bei Nipsus, S. 293,8–13 Lachmann.
und nach ihnen von den Neueren
8
Die Bemerkung scheint sich vor allem gegen Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 252 f., zu richten. Nur der Unterschied in der äußeren Form wird genannt in Webers Nachschrift der Vorlesung Bekkers aus seinem 1. Semester (vgl. oben die Einleitung, S. 5 f.), ebenso bei Meitzen, Siedelung und Agrarwesen 1, S. 294 f.; 297. – Dagegen weist freilich schon Rudorff, in: Römische Feldmesser 2, S. 290, auf den Unterschied zwischen rigores bei der Skamnation und limites bei der Centuriation hin und geht auch von einer Differenz im Rechtsstatus aus (ebd., S. 296 f.).
in dem Gegensatz der quadratischen zu der oblongen Parzellenform gefunden. Wir werden sehen, daß diese Differenz weder die einzige noch die wesentliche ist.
1. Beim ager scamnatus.Was zunächst den ager per scamna et strigas assignatus anlangt, so ist uns das Aufteilungsverfahren im einzelnen nur bei einem später
10
Unten, S. 117–119.
zu erörternden Spezialfall bekannt, das Resultat der Aufmessung aber ist stets die Zerlegung der Flur in rechteckige Stücke, welche, wenn sie ihre größte Längenausdehnung in der Richtung NS haben, strigae, wenn in der Richtung OW, scamna heißen. Es konnten nur eine oder auch beide Kategorien auf einer und derselben Flur vorkommen. Die Aufteilung nur nach scamna scheint häufiger gewesen zu sein
4)
. Daß für die Parzellen bei dieser Teilungsart eine bestimmte Größe üblich gewesen sein sollte, ist nicht überliefert, auch nicht, daß alle Parzellen derselben Flur untereinander gleich gewesen seien, die Figur bei Frontin
5)
Fig. 3 Lachmann.
(deren Alter natürlich dahinsteht) nimmt das Gegenteil an. Schon der Gegensatz, in dem diese Form zum ager limitatus genannt wird, ergibt, daß ein Wegesystem von typischer Form, wie wir es beim ager limitatus in den limites finden werden
11
Unten, S. 110; 116 f.
, nicht zum Wesen des ager [A 15]scamnatus gehört. Die einzelnen strigae und scamna wurden dann, soviel zu schließen ist, den einzelnen Perzipienten, wir wissen nicht in welchem Verfahren, zugewiesen und auf der zu entwerfenden Flurkarte eingezeichnet.
2. Beim ager centuriatus. Umfänglicher geben uns die Agrimensoren über das Verfahren bei der Aufmessung und Verteilung des ager per centurias divisus et assignatus, ager limitatus, Auskunft, [110]da diese Form in ihren Augen sowohl die normale als die vollkommenste und im übrigen zufolge ihrer, wie es scheint, fast ausschließlichen Verwendung durch Cäsar und die Triumvirn bei deren umfassenden Assignationen die praktisch wichtigste war. Dabei wird derart verfahren, daß parallel den zuerst festgelegten beiden Hauptlinien – decumanus und cardo maximus – ein System von decumani und cardines angelegt wird, regelmäßig – nicht notwendig – so, daß dazwischen quadratische Parzellen von je 20 actus à 120 Fuß
12
[110]20 actus = ca. 710,40 m (zu den römischen Längen- und Flächenmaßen und ihrer Umrechnung siehe S. 382 f.).
im Geviert, also 400 Quadratactus = 200 jugera
13
Ca. 50,47 ha.
, centuriae genannt, entstehen. Dazwischen bleiben die decumani und cardines frei in einer Ausdehnung, welche gewechselt hat, in der Kaiserzeit aber in Italien 8 Fuß
14
Ca. 2,37 m.
betrug.
Je
15
Die Schreibung „je der“ ist hier offenbar auf die Benutzung von Voigt, Römisches System der Wege, S. 41, zurückzuführen.
der fünfte cardo und decumanus, der quintarius, bleibt als actuarius in größerer Breite – in der Kaiserzeit meist 12 Fuß
16
Ca. 3,55 m.
– offen; das von diesen actuarii eingeschlossene Land, 25 centuriae
17
Ca. 1261,67 ha.
, heißt technisch in der Kaiserzeit saltus
6)
[A 15][110] In Varros
19
Vgl. Varro, res rust. 1,10,2.
Zeit bildeten vier Centurien
20
Ca. 201,87 ha.
einen saltus. Damals war die größere Breite der quintarii demnach wohl noch nicht üblich.
; noch größer ist die Breite des cardo und decumanus maximus. Die letzteren beiden und die quintarii sind öffentliche Wege und dürfen nicht occupiert werden, die übrigen limites sind entweder bloße linearii, also Linien ohne jede Breitenausdehnung, oder sie sind doch nur subruncivi, Vicinalwege, für deren Aufrechterhaltung die öffentliche Gewalt nicht sorgte. Mit [A 16]dieser Aufmessung wird fortgefahren, soweit Areal zur Verfügung steht und Bedürfnis nach Landlosen vorliegt. An den äußeren Grenzen der Flur bleiben zwischen der Flurgrenze und den rektangulären Grenzen der zuäußerst liegenden Quadrate Schnitzel, subsiciva, und, wenn das verfügbare Land den Bedarf stark übersteigt, umfangreichere Ackerpartien – ager extra clusus – übrig. Die entstandenen [111]centuriae werden sodann an den Ecken versteint und demnächst die Flur kartiert. Auf der Flurkarte – forma – werden die gezogenen limites und die äußere Grenze der Flur eingezeichnet, so daß auch der ager extra clusus und die an den Rändern entstehenden subsiciva zur kartographischen Darstellung gelangen
7)
[A 16][111]Hygin, De condic. agr. p. 121, 16 f.
. Werden gewisse Grundbesitzungen von der Assignation ausdrücklich ausgenommen – loca excepta und relicta –, so werden auch deren Grenzen eingezeichnet
8)
Dies zeigen die Figuren 21, 22. 184 b[ei] Lachmann.
, desgleichen bei sorgfältiger Kartierung auch dasjenige Land, welches innerhalb der Centurien überschüssig bleibt und ebenfalls subsiciva genannt wird
9)
Hygin l. c. Z. 20.
.
Alsdann beginnt die Verteilung unter die an der Assignation Beteiligten, deren Verlauf in späterer Zeit Hygin (De condic. agr. p. 117)
21
[111]Die Schilderung findet sich bei Hygin, S. 113,1–18 Lachmann.
schildert. Es werden auf dem Acker sortes für je zehn Ansiedler und aus den Ansiedlern durch das Los decuriae gebildet, zunächst dann jeder decuria eine sors und sodann innerhalb derselben jedem Ansiedler sein Landlos – accepta – zugelost. Oder es werden – dies Verfahren kommt bei Veteranenansiedelungen vor, wo in der Kaiserzeit anscheinend regelmäßig pro Veteran ein Drittel einer Centurie als Los gegeben wurde – je drei Ansiedler in jede Centurie eingelost und diesen die Absteckung ihrer Lose überlassen
10)
Hygin p. 200.
.
[A 17]Zur rechtlichen Perfektion gelangt das Geschäft alsdann durch die Notierung der Ansiedler auf der Flurkarte. Ihre Namen werden in diejenigen Centurien, in welchen sie Land erhalten haben, hineingeschrieben und bei dem Namen der modus – in jugera – vermerkt, sowie auch anscheinend in der Regel, von welcher Kulturart – species – (Acker, Wald, Wiese) der betreffende Boden ist. Diese Notierung heißt technisch adsignatio. Die Centurien werden dabei, ebenso wie die termini an ihren Ecken, in der Art bezeichnet, daß der Beschauer auf dem Schnittpunkt des cardo und decumanus maximus gegen Osten gerichtet steht und nun die cardines und decumani nach rechts und links bezw. vor- und rückwärts gezählt werden. Die Centurie wird dann danach bezeichnet, rechts bezw. links vom wie[112]vielsten decumanus und jenseits (nach vorwärts zu) oder diesseits (nach rückwärts zu) vom wievielsten cardo sie gelegen ist
11)
[A 17][112] Vgl. die in Anlage 1 wiedergegebenen Fragmente einer römischen Flurkarte
24
Im Anschluß an Schulten, Adolf, Vom antiken Cataster, in: Hermes, Band 41, 1906, S. 37 f., hat Weber später korrigierend festgestellt, daß es sich bei der Inschrift von Arausio (Orange) nicht um eine ‚forma‘ bzw.‚Flurkarte‘, sondern, wegen der Angabe der Grundsteuer, um eine (offenbar auf der Grundlage einer forma erstellte) ‚Katasterkarte‘ handelt: Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 156. Vgl. auch unten, S. 353.
von Arausio und dazu die Interpretation im Anhang
25
Unten, S. 353 ff.
.
.
Anders mußte naturgemäß die Verteilung vor sich gehen, wenn unter den Perzipienten sich bisherige Bewohner des Besiedelungsareals befanden und nicht – wie es anscheinend bei Antium, dem ältesten bekannten derartigen Fall, geschah
22
[112]Vgl. Livius 8,14,8 (siehe unten, S. 114, Webers Fußnote 18, dazu unten, S. 154).
– einfach zu gleichem Recht unter die Neusiedler eingestellt, sondern nach Verhältnis ihres Besitzes beteiligt werden sollten. Alsdann mußte eine Feststellung dieses Besitzes auf Grund ihrer professio vorausgehen. Derselben gemäß konnten sie dann entweder im Besitz ihrer Grundstücke einfach belassen, dieselben also nicht in die Teilungsmasse eingeworfen werden: in diesem Fall wurde auf der forma zu der Jugerazahl ihres Besitztums vermerkt: redditum suum, – oder sie erhielten statt dessen nach Bonitierung ein dem Taxwert nach gleiches Los: commutatum pro suo, – oder teils [A 18]das eine teils das andre: redditum et commutatum pro suo
12)
[A 18]Sicul. Flacc. p. 155.
. In allen diesen Fällen war natürlich die oben
23
Oben, S. 111.
gedachte Verlosungsart nicht ohne Modifikation anwendbar. Es ist aber ferner auch zweifelhaft, inwieweit die Einweisung nach dem Lose überhaupt Anwendung fand.
Anwendung des Loses. Koloniale und viritane Assignation. Zweifellos fanden unter Umständen Assignationen ohne Verlosung statt, so diejenige des ager Campanus und campus Stellatis durch Cäsar nach Suetons Notiz
13)
Sueton, Div. Jul. c. 20: Campum Stellatem … agrumque Campanum … divisit extra sortem ad viginti milibus civium …
. Die lex agraria von 643 behandelt von den gracchischen Assignationen denjenigen Acker speziell, welcher „sortito ceivi Romano“ angewiesen war
14)
C.I.L., I, 200 Z. 3, 4. Bruns, Fontes p. 72
27
[113]Gemeint ist: Bruns, Fontes5, S. 72 (bzw. für Z. 15 f.: S. 74 f.). Nur nach diesem (in wenigen Einzelheiten modifizierten) Text, nicht nach CIL I1, zitiert Weber in der Regel die lex agraria von 111 v. Chr. Vgl. oben den Editorischen Bericht, S. 85; dazu S. 236, Anm. 22.
.
. Die erstgedachte Assignation ist zweifel[113]los eine Viritanassignation
14a)
[113]Über den Begriff s. u.
30
Unten, S. 115, dazu 145.
, von der letzteren Stelle nimmt Mommsen
15)
C.I.L., I, 200 zu Z. 3, 4.
an, daß sie von kolonialen Assignationen spreche und gerade durch das Merkmal der stattgefundenen Verlosung dies klarstellen wolle.
Nun ist offenbar, daß die Anwendung des Loses auf die Absicht schließen läßt, die einzelnen Landlose und deren Empfänger als untereinander streng gleichwertig und gleichstehend zu markieren. Ein Bedürfnis hierzu mußte politisch gerade bei neuen Gemeindebildungen oder -Umbildungen, wie die Kolonien es waren, bestehen. Hiernach muß die Verteilung durch das Los für die Kolonien als Regel angesehen werden, und es ergibt sich noch eine fernere Eigentümlichkeit derselben als wahrscheinlich, welche die Größe der Landlose betrifft.
Daß die ersten coloniae der Zeit einer gemeinwirtschaftlichen
28
Vgl. dazu unten, S. 145 f.
Agrarverfassung noch angehören oder naheliegen, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit schon aus der Bezeichnung von Mommsen
16)
geschlossen worden. Beim [A 19]Übergang zur Individualwirtschaft mußte bezüglich der Teilung das gleiche Problem auftreten, welches bei allen nicht autokratisch organisierten Agrargemeinschaften
17)
[A 19]In solchen, wie bei den Kelten, existierte das Problem in dieser Form für die Landteilung nicht, da der Häuptling die Landlose nach Gutbefinden zuteilen kann. Daher die unregelmäßige Aufteilung in willkürliche Blöcke in Irland.
in diesem Fall entsteht
29
Hier und im folgenden (Vergleich mit keltischer und deutscher Flurteilung) tritt der Einfluß August Meitzens wieder unmittelbar hervor; vgl. S. 97, Anm. 1, und S. 141, Anm. 3, sowie oben die Einleitung, S. 17 f.; für Irland vgl. auch Meitzen, Ansiedelung, S. 302; ders., Agrarpolitik3, S. 135; ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 177 f., 182 f., 197; 2, S. 651 und öfter.
: daß gleiche Fläche nicht gleichen Wertes ist und also durch einfache Zuteilung des gleichen Areals nicht jeder das Gleiche erhält. Daß die deutsche Besiedelung das Problem löste, indem sie die Flur in „Gewanne“ zerschlug und jedem in jedem [114]Gewann eine Parzelle gab, ist bekannt. Nun finden sich, wie später
32
[114] Unten, S. 195.
nachgewiesen werden soll, Anhaltspunkte dafür, daß ähnlich auch in Italien zu einer den Anfängen unsrer Überlieferung naheliegenden Zeit verfahren worden ist – wie denn der Gedanke an sich bei genossenschaftlichem Zusammenhalt, solange man nicht bonitiert, kaum zu umgehen ist –, und es kann sein, daß die mehrfach vorkommende, ihrer Art nach nicht näher bekannte Aufteilung in laciniae (= „Schnitzel“) diese Form darstellt
18)
[114]In einer der ältesten Bürgerkolonien, Antium – deduziert 416 a. u. c.
34
Das Jahr 416 a. u. c. entspricht 338 v. Chr.
–, welche zugleich deshalb für die Frage von Bedeutung ist, weil ihre Auslegung nicht, wie in den andern coloniae maritimae der ältesten Zeit, nur den Charakter einer Garnisonzuteilung hat, sondern offenbar den einer wirklichen Organisation des gesamten Flurbezirks unter Beteiligung aller Bewohner – Liv. VIII, 14 – hat sich diese Aufteilung, wie der liber coloniarum p. 229, 18
35
Das folgende Zitat nach S. 229,19–20 Lachmann.
ergibt („Antium. populus deduxit … ager ejus in lacineis est adsignatus“) bis in die Kaiserzeit erhalten. Übrigens ist auch Ostia teilweise in lacineis ausgelegt. Wir kommen auf diese Frage unten
36
noch zurück.
. Aber die Aufteilung, wie sie dem Immobiliarrecht schon der XII-Tafel-Zeit
32a
Das Zwölftafelgesetz stammt aus den Jahren 451–450 v. Chr.
entspricht, ist dies nicht, und es ist – was in seiner Bedeutung noch näher zu erörtern sein wird
33
Unten, S. 193 f.
– überliefert, daß auf dem ager assignatus stets geschlossenes Areal zugewiesen wurde. Dann aber konnten [A 20]die Landlose, sollten sie gleichwertig sein, nicht gleich groß gebildet werden, sondern die Größe mußte sich nach einer vorherigen Bonitierung richten und je nach der Güte des betreffenden Teils der Flur verschieden sein. Eine solche Bonitierung, die überdies ziemlich roh gewesen sein mag, war, da nur schon kultiviertes Land assigniert wurde, nicht allzu schwierig. In der That überliefern uns die Agrimensoren, daß sich der Umfang der acceptae nach der Bonität
a
A: Bonitität
gerichtet habe (Lachmann p. 156, 15, cf. 222, 13; 224, 12)
19)
[A 20]Als eine Bestätigung für die verschiedene Größe der Landlose sehe ich auch die Stelle der lex agraria von 643 u. c. (Z.
b
A: c.
60) an, wo verfügt wird: neive unius hominis (nomine quoi … colonoeive
c
A: sive
quei in colonei nu)mero scriptus est, agrum quei in Africa est, dare oportuit licuitve, amplius jugera CC in (singulos homines data adsignata esse fuisseve judicato . . .)[.] Mommsen sieht als wahrscheinlich an (C.I.L. ad h.l.), daß es [115]mehrere Besitzerkategorien gegeben habe, solche von 200 jugera
40
Ca. 50,47 ha.
pro Mann und solche von weniger. In der That kamen, wie Pompeji zeigt (cf. Nissen, Pompejan. Studien)[,] solche Abstufungen der Lose innerhalb der Stadt vor. Aber das Gesetz verfügt in der gedachten Bestimmung doch nur eine Maximalgröße des Areals und sagt keineswegs, daß die Größe von 200 jugera als regelmäßiges Maß der Hufe einer bestimmten Kategorie von Kolonen angesehen werden solle. Ich glaube vielmehr, daß die Landlose nach der Bonität verschieden waren und nur niemand mehr als eine volle Centurie erhalten sollte – der Besitz von mehr als einer solchen galt bekanntlich technisch als „latus fundus“ (Lachmann 157, 5).
. Wenn hiernach für die [115]kolonialen Assignationen die Verlosung der acceptae als Regel anzusehen ist, so ist sie bei den Viritanassignationen der älteren Zeit wahrscheinlich die Ausnahme gewesen, und zweifellos ist an Stelle der sorgfältigen Bonitierung und Bemessung des Areals der acceptae nach dem Wert des Bodens bei ihnen die mechanische Verteilung in gleichen Parzellen durchaus die Regel, denn wir erfahren von Viritanassignationen bekanntlich regelmäßig mit dem Zusatz, daß pro Person ein bestimmtes Areal zur Verfügung gestellt worden sei. Auch [A 21]ist dies der Sachlage angemessen. Die Kolonen werden, falls nicht genügende Freiwilligenmeldung stattfindet, ausgehoben und formell zwangsweise zum Gliede eines neuen Gemeindeorganismus gemacht; in älterer Zeit dem Domizilzwang unterworfen, blieben sie später in der Freizügigkeit nur soweit unbeschränkt, als diese zwischen den verschiedenen Gemeinden überhaupt stattfand. Wer dagegen ein viritim ihm zugewiesenes Landlos nahm, handelte aus freier Entschließung, er konnte die gebotene Parzelle nehmen oder nicht, und nahm er sie, so hatte dies für ihn nur die Bedeutung, daß er Grundbesitzer, adsiduus, wurde, ohne daß er im übrigen irgendwelche neuen Verpflichtungen übernahm.
Die Veteranenansiedelungen, welche für die Agrimensoren praktisch im Mittelpunkt des Interesses stehen, sind nun ihrem Wesen nach Viritanassignationen
20)
[A 21]So schon die alten Veteranenassignationen, so die an die Veteranen des hannibalischen Krieges (Liv. 31, 4). Übrigens sind auch die früheren Viritanassignationen eine Form der Kriegsbeuteaufteilung.
. Dementsprechend sind denn auch die acceptae, wie sie Hygin (De lim. const. p. 200) bei dem oben
38
[115] Oben, S. 111.
erwähnten Conternationsverfahren annimmt, gleich groß und zwar = centuria, also je nach deren Größe = 66, 70, 80 jugera
39
Ca. 16,82 ha, 17,66 ha bzw. 20,19 ha.
– oder [116]vielmehr umgekehrt: die centuria wurde auf drei Virillose berechnet und war je nach deren beabsichtigter Größe zu 200, 210, 240 jugera
42
[116]Ca. 50,47 ha, 52,99 ha bzw. 60,56 ha.
angelegt. Dagegen scheint aus der Stelle, welche das andre oben
43
Oben, S. 111.
erwähnte Verfahren, mittels Verlosung per decurias, behandelt – Hygin, De lim. et cond. agr.p. 113 –, hervorzugehen, daß dabei der modus agri (cf. Z. 16, 17) der Einzelaccepta ein verschiedener war, und ferner steht fest
21)
[116] Frontin p. 14. Hygin, De lim. const. p. 203
45
Das Zitat findet sich auf S. 204, Z. 7–20 Lachmann.
.
, daß keineswegs die Virillose mit ihrem ganzen Areal regelmäßig in einer und derselben centuria lagen, so daß also die limites durchaus nicht regelmäßig mit [A 22]Besitzesgrenzen zusammenfallen. Ich möchte nun annehmen, daß bei diesen Veteranenassignationen – denn um solche handelt es sich auch hierbei – der modus procedendi der alten Viritanassignationen verquickt ist mit demjenigen der früheren kolonialen Assignationen, wie dies auch darin hervortritt, daß die den letzteren ursprünglich eigentümliche Verlosung der acceptae bei ihnen als Regel auftritt. Letzteres lag übrigens in der Natur der Sache, da bei diesen gewaltigen Masseneinweisungen die Veteranen ohnehin über Übervorteilung und schlechte Behandlung zu klagen pflegten und ihre Unzufriedenheit gefährlich werden konnte, und weil man deshalb den Schein von Ungerechtigkeit vermeiden mußte. Das Landlos sollte hier überdies einer bestimmten Geldsumme als Invalidenpension alternativ entsprechen, es mußten also die einzelnen Landlose untereinander gleichwertig sein, wenigstens annähernd, und es mußte deshalb auch das den eigentlichen Viritanassignationen fremde Los und die Aufmessung nach der Bonität zur Anwendung kommen. Jedenfalls aber scheint mir wahrscheinlich, daß die Form der Einweisung per conternationem sich mehr an die alte Viritan-, diejenige per decurias mehr an die frühere Kolonialassignation anlehnt. –
Unterschied der Assignationen per centurias von denjenigen
d
A: derjenigen
per scamna
e
A: scamne
et strigas
.
Als Unterschied zwischen den bisher behandelten beiden Assignationsformen, derjenigen per centurias und derjenigen per strigas et scamna, haben wir bisher
44
Oben, S. 109 f.
nur das Vorhandensein der limites bei [117]der ersteren kennen gelernt: nur wo limites zur Verwendung kommen, heißt das aufgemessene Teilstück centuria. Nun finden wir aber bei den Gromatikern eine Verbindung beider Systeme, einen limitierten ager scamnatus, welcher in centuriae aufgemessen ist. Es ist an sich klar, daß dies eine späte Zwitterbildung ist, zur Erkenntnis der Motive für Aufstellung dieser Form müssen wir aber in die Technik derselben näher eindringen. Eine Notiz bei Μ. Jun[ius] Nipsus (p. 293) besagt, daß die centuria beim ager scam[A 23]natus 240 jugera
46
[117] Ca. 60,56 ha.
betrage. Da es sich bei der näheren Schilderung, welche Hygin (De lim. const.) in einer der Interpretation nach recht schwierigen Stelle (p. 206) von dem Verfahren bei dieser Aufteilungsart entwirft, um Herstellung von Parzellen unter sich gleichen Areals handelt, werden wir davon auszugehen haben, daß diese 240 jugera drei Lose à 80 jugera
47
Ca. 20,18 ha.
darstellen.
Hygin bemerkt nun in der gedachten Stelle vorweg, daß es sich um Aufmessung von ager arcifinius provincialis handle, und fährt, nachdem er daraus mit einer Begründung, auf welche wir noch zu sprechen kommen
49
Unten, S. 121 ff.
, die Notwendigkeit, anders als bei der gewöhnlichen Aufmessung per centurias zu verfahren, hergeleitet hat, fort:
„Mensuram per strigas et scamna agemus. Sicut antiqui latitudines dabimus decimano maximo et k[ardini] pedes viginti
50
20 Fuß: ca. 5,92 m.
, eis limitibus transversis inter quos bina scamna et singulae strigae interveniunt pedes duodenos
51
12 Fuß: ca. 3,55 m.
itemque prorsis limitibus inter quos scamna quattuor et quattuor strigae cluduntur pedes duodenos, reliquis rigoribus lineariis ped[es] octonos
52
8 Fuß: ca. 2,32 m.
. Omnem mensurae hujus quadraturam dimidio longiorem sive latiorem facere debebimus: et quod in latitudinem longius fuerit, scamnum est, quod in longitudinem, striga.[]
Die Centurien – denn dies bezeichnet quadratura – sollen also einhalbmal länger als breit resp. umgekehrt sein, also betragen ihre Seiten 20 und 30 actus
54
Ca. 710,4 bzw. 1065,6 m.
, ihr Inhalt also 300 jugera
55
Ca. 75,70 ha.
, jedes Landlos [118]100
56
[118]Ca. 25,23 ha.
. Vielleicht aber steckt auch ein Irrtum darin und hat Hygin die Centurien des Nipsus von 20 × 24 actus
57
Ca. 710,40 × 852,48 m.
im Auge. Es handelt sich nun darum, daß in diesen centuriae die drei Landlose durch Kombination von strigae und scamna dargestellt und dann aus diesen Centurien von je 1 striga und 2 scamna (oder umgekehrt) größere Komplexe zusammengelegt werden, welche die Stelle des saltus im gewöhnlichen ager centuriatus vertreten und an deren einer Seite, den decumanus entlang, nach Hygin 4 strigae [A 24]und 4 scamna, an der andern, den cardo entlang, 2 scamna und 1 striga an den limes grenzen. Unter dieser Voraussetzung und wenn man eine Corruption der Stelle dahin annimmt, daß p. 206 Z. 10 bezw. 12 die Worte „prorsis“ und „transversis“ miteinander vertauscht sind, ergibt sich als das Hygin vorschwebende Flurbild eine der in der Anlage 2
58
Unten, S. 361.
beigegebenen Figuren, von denen die eine
59
Es handelt sich um die untere der beiden Zeichnungen auf S. 361.
unter der Voraussetzung, daß Hygins Angabe – 20 × 30 actus, stimmt, die andre
60
Die obere der beiden Zeichnungen auf S. 361.
für die Centurie des Nipsus von 24 × 20 actus konstruiert ist.
Diese Figuren stimmen mit dem, was sich aus den allerdings sehr korrumpierten Zeichnungen (Fig. 198, 200, 201, 204, 205), wie sie Lachmann wiedergibt, entnehmen läßt, immerhin leidlich überein. Man hat die oblonge Centurie, statt sie in drei parallele Streifen – strigae oder scamna – zu zerschneiden, so zerlegt, daß man ein Drittel der Länge noch als striga abteilte und sodann den Rest, statt ebenfalls der Länge nach, quer teilte und so 2 scamna gewann
22)
[A 24][118]Den Anlaß gaben wahrscheinlich die auf Provinzialboden (auch in Italien, aber dort wohl seltener) üblichen oblongen Centurien. Wie die als Anlage 1
62
Unten, S. 360.
beigegebene Inschrift nahelegt, pflegte man dabei die Längsrichtung
63
Tatsächlich waren die hier gemeinten Centurien in Arausio quadratisch, vgl. Piganiol, S. 75 (wie unten, S. 353, Anm. 2).
in den einzelnen regiones verschieden zu legen, in Arausio, wie es scheint, in der regio citrata sinistra OW, in der regio citrata dextra NS. Entsprechend war dann auch bei Einteilung der Centurien in scamna und strigae deren Lage verschieden. Der Gedanke einer Kombination lag technisch nahe. Die Orientierung und die Identifikation der Grundstücke war auf einer so geteilten Flur leichter als bei lauter parallelen Streifen.
. [119]Jedenfalls ist das Charakteristische, mag nun die Zeichnung der Wahrheit nahe kommen oder nicht, die Verwendung von scamna und strigae im limitierten und mit Centurien aufgemessenen Acker und in der Art, daß sie Teile der Centurien bilden. – Und diese Eigentümlichkeit läßt die Frage entstehen: aus welchem Grunde man zu einer so künstlichen Kombination gegriffen habe, welche ihrerseits wieder zu der [A 25]ferneren, nunmehr zu erörternden Frage führt: in welchen Fällen überhaupt die Aufteilung per scamna et strigas zur Verwendung kam. Um dies zu ermitteln, stellen wir zunächst fest, worin der wesentliche Unterschied der Adsignation per centurias von derjenigen per scamna et strigas bestand. Augenscheinlich nicht resp. nicht in erster Linie in dem Vorkommen bezw. Fehlen der limites, denn diese können in der für uns in Betracht kommenden Zeit, wie die eben
64
[119] Oben, S. 117.
erörterte Stelle ergibt, auch beim ager scamnatus verwendet werden, ohne daß er seine Eigenschaft als solcher einbüßt. Auch nicht in der oblongen Form, denn auch die Centurien können, wie gezeigt wurde
65
Oben, S. 117 f.
, andre als quadratische Form haben. Die Differenz liegt vielmehr offenbar in etwas anderm.
Wir sahen
66
Oben, S. 111.
, daß beim ager limitatus auf der forma nichts weiter enthalten ist als die äußere Grenze der Feldflur, die cardines und decumani, und die Notiz, wieviel jugera jedem Empfänger in jeder Centurie zugewiesen worden sind, der modus agri. Da die Grenzen der Centurien keineswegs mit den Besitzgrenzen zusammenfallen, so ist eine kartographische Darstellung der dem einzelnen gehörigen Besitzungen auf der forma regelmäßig nicht enthalten, wie dies auch deutlich aus folgender Stelle hervorgeht (p. 121):
Nuper ecce quidam evocatus Augusti, vir militaris disciplinae, professionis quoque nostrae capacissimus, cum in Pannonia agros veteranis ex voluntate et liberalitate imperatoris Trajani Augusti Germanici adsignaret, in aere, id est in formis, non tantum modum quem adsignabat adscripsit aut notavit, sed et extrema linea unius cujusque modum comprehendit: Uti acta est mensura adsignationis, ita inscripsit longitudinis et latitudinis modum. Quo facto nullae inter veteranos lites contentionesque ex his terris nasci poterunt. Namque antiqui plurimum videbantur praestitisse, quod extremis in finibus [120]divisionis non plenis centuriis modum formis adscripserunt. Paret [A 26]autem quantum hoc plus sit, quod, ut supra dixi, singularum adsignationum longitudinem inscripserit, subsicivorumque quae in ceteris regionibus loca ab assignatione discerni non possunt, posse effecerit diligentia et labore suo. Unde nulla quaestio est, quia, ut supradixi
f
A: dii
, adsignationem extrema quoque linea demonstravit.
Also: Daß auf der Flurkarte eines ager centuriatus die Besitzgrenzen zum Vorschein kamen, betrachtete man als Neuerung, die kartographische Veranschaulichung des Einzelbesitzes war gar nicht Zweck der forma, wie denn auch erst Augustus angeordnet
23)
[A 26][120]Hygin, De lim. p. 172, 6.
hat, daß auch die einzelnen acceptae künftig durch termini roboris
67
[120]Der Ausdruck lautet: termini roborei (S. 172,6 Lachmann).
abgegrenzt werden sollten, während vorher nur die centuriae versteint worden waren und man den Empfängern von Land überlassen hatte, sich über die Setzung von termini „comportionales“
68
termini comportionales, ‚Teilungsgrenzzeichen‘, erscheint bei den Agrimensoren als Ausdruck für private Grenzmarkierungen nach Erbteilungen innerhalb der accepta eines Veteranen, vgl. Frontin, S. 40,1–12; 40,16–18; Agennius Urbicus, S. 10,21–27; 11,9–12; 70,25–71,9; 71,13–16 (jeweils in der Ausgabe von Lachmann).
oder anderer Grenzzeichen zu verständigen. Gegenstand der Assignation und der öffentlichen Garantie war nur der assignierte modus agri
24)
Daher es dann vorkommen konnte, daß im Eifer des Gefechtes mehr jugera in einer Centurie verteilt wurden, als sich überhaupt darin befanden resp. schon veräußertes Land assigniert wurde, wie dies bei der Assignation des C. Gracchus in Karthago bei dem tumultuarischen Charakter derselben in recht erheblichem Maße unterlaufen zu sein scheint. Dies ergibt die lex agraria von 643 u. c., welche Bestimmungen für den Fall dieser mehrfachen Vergebung des gleichen Objektes trifft (Z. 65 f.).
. Anders beim ager scamnatus. Wir sehen darüber klar, wenn wir hören, daß der ager scamnatus „per proximos possessorum
69
Bei Frontin (S. 3 Lachmann) heißt es: possessionum. Weber hat den Ausdruck zwar genau übersetzt, das Versehen im lateinischen Text aber auch später nie ausgemerzt; vgl. ders., Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 13; danach dass.2, S. 79; dass.3, S. 158.
rigores“ assigniert ist, d. h. nach „den nächstliegenden Besitzesgrenzen“. Hier enthielt also die Flurkarte die Grenzen der Einzelbesitzungen, es waren die einzelnen zugewiesenen Grundstücke darauf eingezeichnet und notiert, wem dieselben überwiesen waren.
Welcher Sinn kann diesem Unterschiede zu Grunde liegen? Darüber belehrt uns Hygin im Eingang der [A 27]bereits früher (p. 117) [121]teilweise interpretierten Stelle p. 204. Es heißt dort: Agrum arcifinium vectigalem ad mensuram sic redigere debemus ut et recturis et quadam terminatione in perpetuum servetur. Multi huius modi agrum more colonico decimanis et cardinibus diviserunt, hoc est per centurias, sicut in Pannonia: mihi (autem)
70
[121]Mit runden Klammern bezeichnet Weber hier die in der Lachmannschen Edition in eckigen Klammern vorgenommenen Ergänzungen des überlieferten Textes der Gromatiker.
videtur huius soli mensura alia ratione agenda. Debet (enim aliquid) interesse inter (agrum) immunem et vectigalem. Nam quem admodum illis condicio diversa est, mensurarum quoque actus dissimilis esse debet. Nec tam anguste professio nostra concluditur, ut non etiam per singulas provincias privatas limitum observationes dirigere possit. Agri (autem) vectigales multas habent constitutiones. In quibusdam provinciis fructus partem praestant certam alii quintas alii septimas, alii pecuniam, et hoc per soli aestimationem. Certa (enim) pretia agris constituta sunt, ut in Pannonia arvi primi, arvi secundi, prati,silvae
g
A: silvae,
glandiferae
, silvaevulgaris
h
A: vulgares
, pascuae. His omnibus agris vectigal est ad modum ubertatis per singula jugera constitutum. Horum aestimio nequa usurpatio per falsas professiones fiat, adhibenda est mensuris diligentia. Nam et in Phrygia et tota Asia ex huius modi causis tam frequenter disconvenit quam in Pannonia. Propter quod huius agri vectigalis mensuram a certis rigoribus comprehendere oportet, ac singula terminis fundari.
Also: Die Steuerbarkeit des Bodens ist nach Hygin der Grund, weshalb die Aufteilung per scamna et strigas Platz zu greifen hat und weshalb er, damit nicht Konfusion entstehe, „a certis rigoribus“ limitiert werden muß. Dies läßt sich nur so erreichen, daß man die rigores, die Besitzesgrenzen, auf der Karte zur Anschauung bringt
26)
[A 27][121]So ist auch bei den ägyptischen Tempelgütern in der von Lepsius (Abhandl. der Berl. Ak. der Wissensch. 1855) interpretierten Hieroglypheninschrift von Edfu wenigstens die Länge [A 28]und Breite der Seiten der einzelnen Parzellen genau angegeben, und zwar aus dem gleichen Grunde: Möglichkeit der genauen Identifikation des einzelnen Grundstücks.
. Vermutlich ist derselbe Grund [A 28]für jene Neuerung, welche Hygin bei der pannonischen Limitation als „nuper“ durch einen [122]evocatus Augusti eingeführt hervorhebt, ausschlaggebend gewesen. Man wollte die Besitzgrenzen auf der Flurkarte haben und verwendete deshalb innerhalb der Centurien diejenige Aufteilungsart, deren Wesen in der Feststellung und Kartierung der Besitzgrenzen bestand: die scamna und strigae.
Grund der verschiedenen Aufmessung. Steuerbarkeit des ager scamnatus.Der Grund ist klar: Wo eine eigentliche Grundsteuer bestand, d. h. eine bestimmte Leistung in Geld, Naturalien oder Ertragsquoten einem bestimmt begrenzten Grundstück auferlegt war, hatte die Staatsverwaltung an der öffentlichen Feststellung der Lage dieses Grundstücks behufs Identifikation des steuerpflichtigen Objekts ein Interesse. Ein solches Interesse bestand da nicht, wo der Grund und Boden nicht als solcher in Form einer Grundsteuer belastet war, sondern nur, wie andere Vermögensobjekte des steuerpflichtigen Subjektes, zur allgemeinen Vermögenssteuer herangezogen wurde, mochte auch bei dieser Vermögenssteuer der Grundbesitz des Besteuerten das weitaus wesentlichste Steuerobjekt bilden. Bekanntlich war letzteres der Fall beim römischen Bürgertribut. Auf demjenigen Boden, welcher nur zu dieser Steuer herangezogen wurde – resp. theoretisch dazu herangezogen werden konnte –, die Abgrenzung der einzelnen Grundstücke auf der forma erkennen zu können, hatte für die Verwaltung keinen Wert. Beim Census wurde die Zahl der jugera – der modus
26a)
[122]Cicero pro Flacco 32, 80 vv. „majorem
74
Bei Cicero heißt es: magnum.
agri modum“ etc.
– angegeben, die gleiche Angabe enthielt die forma für die ersten Assignatare, und es konnte mithin durch Vorlegung der Mancipationsurkunden eine für die Zwecke des Census genügende Kontrolle geübt werden. Nach alledem und da Frontin (p. 4) speziell bemerkt, daß die Aufteilung [A 29]per scamna et strigas die Form sei, in der „arva publica in provinciis
73
[122] Bei Frontin steht „arva publica“ hinter „in provinciis“.
coluntur“, werden wir nicht zweifeln, daß diese Aufteilung nach gromatischer Theorie angewendet werden sollte, wenn öffentliches Land vergeben wurde, ohne ager optimo jure privatus zu werden, und zwar speziell in den Fällen, wo Land gegen Zins vergeben wurde oder eine Grundsteuer oder andere Leistung auferlegt war, während, wenn die Auslegung zu vollem Eigentum geschah, die Limitation und Assignation per [123]centurias eintreten sollte. Per centurias zu assignieren waren also jedenfalls: die coloniae civium Romanorum juris Italici, ferner diejenigen viritim vergebenen Lose, an welchen volles römisches Bodeneigentum verliehen wurde. Per strigas et scamna wären nach dieser Anwendung der Skamnation.Theorie zu assignieren gewesen: alle agri vectigales, welche von den römischen Beamten als solche ausgethan waren und deren vectigal dem Staat zustand, ferner solches Provinzialland, welches den bisherigen oder neuen Besitzern gegen einen von dem einzelnen Grundstück zu leistenden Geldzins oder eine Naturallieferung, überhaupt unter Vorbehalt einer demselben reallastartig aufgelegten Leistung, überlassen wurde. Wenn wir noch weiter gehen wollen, so werden wir geneigt sein, aus Frontins Angabe, daß die scamna und strigae für arva publica verwendet wurden, zu schließen, daß diese Aufteilungsform ursprünglich diejenige war, in welcher öffentliches Land, welches zu Zeitpacht vergeben wurde, aufgemessen zu werden pflegte, so daß die gromatisch hybride Form der Verbindung von Limitation und Skamnation der juristisch ebenso hybriden des „ager privatus vectigalisque“ entspricht.
Daß der von Staats wegen verpachtete Acker ordnungsmäßigerweise in formae gebracht werden sollte, geht aus einer Stelle des Granius Licinianus (p. 15) hervor, wo es von einem mit Revision des teilweise von Privaten unbefugt occupierten ager Campanus vom Senat [A 30]beauftragten Kommissar, dem Prätor P. Lentulus – nach Mommsens Ergänzung im C. I. L., X p. 386
75
[123]Das Zitat stammt aus CIL X, S. 366.
– heißt:
Agrum (e)u(m) in (fundos) minu(t)os divisum (mox ad pr)et(i)um indictu(m locavit et mu)lto plures (quam speraverat
76
Die Ergänzung Mommsens lautet hier: sperarant.
agros ei rei) praepositus reciperavit formamque agrorum in ae(s) incisam ad Libertatis fixam reliquit, quam postea Sulla corrupit.
Höchst wahrscheinlich waren hier dem Zweck der Kartierung entsprechend die Grenzen der einzelnen fundi auf der forma angegeben, da andernfalls der Zweck der Kartierung leicht schnell wieder hätte vereitelt werden können. Der ager Campanus war denn auch noch zu Cäsars Zeit ager vectigalis (Suet., Div. Jul. c. 20). Es ist jedenfalls wahrscheinlicher, daß man zu jener Aufmessung strigae und scamna, als daß man die Limitation verwendete. Eine Limita[124]tion im eigentlichen Sinne war überhaupt, da es sich nur um einen Verwaltungsakt auf Grund eines Senatuskonsults handelte, nicht möglich.
Wenn wir hiernach annehmen, daß die Skamnation schon ziemlich früh, namentlich aber in späterer Zeit, hauptsächlich für die Aufmessung von öffentlichem und halböffentlichem Land benutzt wurde, so ist damit nicht gesagt: 1. daß sie nur hierzu verwendet wurde, noch auch 2. daß solcher Boden nur in dieser Form aufgeteilt wurde. In beiden Beziehungen ist vielmehr das Gegenteil nachweisbar.
Von Frontin wird die Skamnation als die Form der Assignation „more antiquo“ überhaupt bezeichnet. Wir finden nun die scamna und strigae, abgesehen von einer Anzahl Municipien, über welche noch zu reden sein wird
78
Unten, S. 126 f.
, auch in zwei Bürgerkolonien verwendet: Ostia
27)
[A 30] [124] l. Col. 236,7:
i
A: l. Col. 236,7,
Ostensis ager ab imp[eratoribus] Vespasiano, Trajano, et Hadriano, in praecisuris, in lacineis et per strigas, colonis eorum est adsignatus. Offenbar rührten die nebeneinander bestehenden Assignationsformen von den früheren Assignationen her und sind von den gedachten drei Kaisern nur übernommen.
und [A 31] Suessa Aurunca
28)
[A 31] Frontin p. 3.
. Erstere ist die älteste bekannte Bürgerkolonie Roms oder, wenn man ihr für die ältere Zeit die Kolonialqualität bestreitet
80
Vgl. Dessau, Hermann, in: CIL XIV, S. 3 (mit Anm. 7).
, jedenfalls der Ort, von welchem uns zuerst berichtet wird, daß Deduktionen dorthin stattgefunden haben, und außerdem ist sie Kolonie des Augustus, – letztere war latinische Kolonie, seit dem Bundesgenossenkrieg municipium, dann Kolonie der Triumvirn. Was nun zunächst Suessa anlangt, so scheint für die Anwendung der Skamnation ein spezieller Grund vorgelegen zu haben Frontin berichtet (p. 48,16):
„et sunt plerumque agri, ut in Campania in Suessano, culti, qui habent in monte Massico plagas silvarum determinatas.“
Mithin scheint aus irgend einem Grunde hier die Notwendigkeit vorgelegen zu haben, die Waldnutzung so zu regulieren, wie Frontin angibt, also einzelne bestimmte Schläge bestimmten Grundstücken zuzuweisen, und um dies zu können, mußte man allerdings die Grenzen sowohl des berechtigten Landes wie der Waldparzelle auf [125]der forma feststellen, also zu scamna et strigae greifen. Übrigens wissen wir nicht, wann und von wem diese Aufteilung vorgenommen worden ist, da bei dem tumultuarischen Verfahren der Triumvirn die einfache Übernahme vorgefundener Aufteilungen durchaus möglich ist
28a)
[125]Daraus, daß Suessa latinische Kolonie war, darauf zu schließen, daß die Aufteilung dann durchweg in scamna erfolgt sei, wäre selbstverständlich vorschnell.
.
Was Ostia anlangt, so könnte man versucht sein – wenn man sich auf Hypothesen einlassen will, – und wie wären solche hier zu umgehen? – die Aufteilung in scamna und strigae hier mit der tribus urbana, welche wenigstens anscheinend ein Teil der Einwohner von Ostia und außerdem nur der zweite große italische Getreidehafen, die 560 u. c.
81
[125]Das Jahr 560 a. u. c. entspricht 194 v. Chr.
deduzierte Bürgerkolonie Puteoli, und ein fernerer Hafenplatz, Turris Libisonis in Korsika
82
Turris Libisonis, das moderne Porto Torres, liegt an der Nordküste von Sardinien. – Vgl. Mommsen, CIL X, S. 826; auch die städtische Tribus von Puteoli nach Mommsen, ebd., S. 183 (anders ders., Römisches Staatsrecht 3,1, S. 443, Anm. 3).
, [A 32]führten, in Verbindung zu bringen und anzunehmen, daß eben eine in der Skamnation zum Ausdruck gelangende besondere rechtliche Qualität des Ackers es gewesen sei, welche die Aufnahme der betreffenden Besitzer in die Landtribus verhinderte und daß diese Ackerqualität ihrerseits wieder im Zusammenhang gestanden habe mit Leistungen, welche den betreffenden Besitzern bei der Getreideversorgung der Hauptstadt nach Art der viasii vicani und der navicularii auferlegt waren und daß die Landlose dieses Vorbehaltes wegen nicht in den Formen des ager privatus assigniert worden seien
29)
[A 32]Ostia hat nach Mommsens Feststellung die Tribus Voturia. Andrerseits finden sich zweifellos Inschriften, welche ostiensischen Einwohnern die Palatina gaben. Dem entspricht die auffallende Verschiedenheit der Aufteilung: laciniae, praecisurae und strigae. Die laciniae haben wir oben in Antium als wahrscheinliches Produkt einer gewannartigen Aufteilung und ursprünglicher Flurgemeinschaft bezeichnet. Ist dies richtig, so würden sie in Ostia den Acker der alten Kolonie darstellen. Die strigae wären dann der Acker derjenigen Besitzer, welche gegen Übernahme gewisser Leistungen bei der Getreideversorgung Roms angesetzt worden waren, sei es von Augustus, sei es früher. Es ist doch gewiß auffallend, daß gerade für drei Hafenplätze, deren Bedeutung für die Getreidezufuhr feststeht, städtische Tribus vorkommt. Navicularii hat es allerdings, soviel wir wissen, in Ostia nicht gegeben, die dort inschriftlich erwähnten sind auswärtige. Die navicularii – cf. Cod. Th. XIII, 5–7 – kommen vielmehr anscheinend nur in den überseeischen Getrei[126]dehäfen vor. Dagegen ist die große Zahl der mit der annona zusammenhängenden collegia in Ostia inschriftlich bezeugt. – In Puteoli bestand bekanntlich das alte municipium neben der 560 a. u. c.
86
[126]Wie Anm. 81.
deduzierten Kolonie bis in die Kaiserzeit. Die Deduktion der Kolonie hatte daher – was zu der Zeit ihrer Gründung leidlich passen würde – vielleicht nur oder doch auch den Zweck, die Getreideversorgung zu sichern. Die Inschrift C.I.L., X, 1881, betreffend Geldverteilungen an die Bürger, führt dort als ersten Stand die decuriones, als zweiten die Augustales, sodann die ingenui et veterani corporati und zuletzt die municipes auf und als deren Perzipiendenrelation 12 : 8 : 6 : 4. Da die veterani keinesfalls einer Handwerkerinnung angehört haben werden, ist wohl anzunehmen, daß es sich um Korporationen für [A 33]die Frumentation handelt und das Landlos den Veteranen gegen Übernahme gewisser damit zusammenhängender Lasten gegeben wurde, welche von den „ingenui“ – da sie im Gegensatz zu den municipes stehen, wohl den alten Kolonisten – als solchen zu tragen waren. Analogien bieten die viasii vicani und die navicularii. In Ostia würde mit der Annahme derartiger Vergebungen auch der successive Nachschub unter Vespasian, Trajan und Hadrian (lib. Col. 236, 7) stimmen, da der Bedarf nach Arbeitskräften für die Frumentation steigen mußte, auch Landlose ledig geworden sein konnten.
. [A 33]Die übrigen italischen Orte, bei [126]welchen der liber coloniarum die teilweise Assignation in scamna vermerkt, sind folgende: Aletrium (centuriae und strigae)
30)
l. col. 230, 8: Alatrium, muro ducta colonia. populus deduxit. iter populo non debetur. ager eius per centurias et strigas est adsignatus.
, Anagnia (strigae)
31)
, Aequicoli (strigae et scamna in centuriis)
32)
, Aufidena (centuriae und scamna)
33)
, Terventum (praecisurae und strigae)
34)
238, 10
87
Das Zitat findet sich S. 238,14 f. Lachmann.
.
, Histonium (centuriae und scamna)
35)
, Bovianum – vetus wahrscheinlich – (centuriae und scamna)
36)
, Atina (teilweise lacineis et per strigas)
37)
, Reate und Nursia (strigae et scamna in centuriis). Alle diese Orte sind später municipia; eine Anzahl von ihnen hat das Zwischenstadium der praefecturae nachweislich durchgemacht, nämlich Anagnia, Reate, Nursia, Atina, auch bei den Aequicoli scheint dies der Fall gewesen zu sein, während wir über Bovianum vetus überhaupt nicht informiert sind. Wir wissen nicht, ob erst bei der Veteraneneinweisung die strigae und scamna ausgelegt wurden oder die Aufteilung vorgefunden und übernommen worden ist, und ebensowenig, ob auch hier [A 34]spezielle Gründe für diese Art der Auslegung vorhanden waren. Dies würde z. B. dann der Fall sein, wenn es sich um Vergebung zu unveräußerlichem Besitz gehandelt hätte – und daß solche Assignationen von Augustus nicht vorgenom[127]men worden wären, ist keineswegs zu unterstellen. Denn bekanntlich wurde diese Unveräußerlichkeit durch ein aufgelegtes Rekognitionsvektigal rechtlich ausgedrückt. Der Acker der Aequicoli ferner war nach ihrer Niederwerfung jedenfalls publiziert, aber, soviel bekannt, nicht viritim assigniert, also wahrscheinlich verpachtet und deshalb skamniert. Wenigstens teilweise ähnlich wird die Sache in den Präfekturen liegen, welche meist ebenfalls kriegerischen Ereignissen ihr Dasein verdanken und in welchen daher ein Stand von Besitzern zu widerruflichem Bodenrecht wahrscheinlich bestanden hat. Bovianum vetus konnte bei der Deduktion von Bovianum Undecimanorum sehr wohl als vicus der alten Besitzer zu Vektigalrecht ausgelegt sein. Von Reate erwähnt Siculus Flaccus – p. 136, 20 – das Vorhandensein zahlreicher agri vectigales, ebenso für Picenum, wohin vielleicht die scamna von Histonium gehören. Eine endliche Möglichkeit ist, daß in einem Teil der Orte, nämlich da, wo von dem liber coloniarum die Aufteilung durch centuriae und durch strigae und scamna erwähnt wird, einfach die oben (p. 111)
a
[127] A: (p. 4) statt richtig (p. 16)
behandelte Konternation der Veteranen stattgefunden hat und in der Weise ausgeführt wurde, daß man die Centurie in drei parallele Streifen zerlegte, welche man dann je nach der Längsrichtung strigae oder scamna nannte, dies wieder vielleicht deshalb, weil damals die von Hygin als neu erwähnte
39)
[127]p. 121[,] cf. oben
89
Oben, S. 119 f.
. [A 34]
Methode, die Besitzgrenzen auch beim ager centuriatus auf der forma zu verzeichnen, schon allgemein angewendet wurde.
Jedenfalls zeigen diese Beispiele, wie namentlich dasjenige von Suessa Aurunca, daß wohl sicher auch ager [A 35]privatus in strigae und scamna assigniert werden konnte, lassen aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, daß dies dann meist auf besondere Gründe zurückzuführen war.
Aufmessung steuerbaren Koloniallandes. Daß andrerseits nicht jeder zu geringerem Recht vergebene Acker in scamna und strigae assigniert wurde, ist ebenfalls sicher. Von den späteren Assignationen steuerbaren Provinziallandes bezeugt Hygin in der früher
88
[127] Oben, S. 121.
citierten Stelle ausdrücklich, wenn auch mißbilligend, daß sie [128]häufig in der gewöhnlichen Form per centurias mit limites geschehen sei. Anscheinend gibt uns ein Beispiel dafür die im Anhang
90
[128]Unten, S. 353 ff.
besprochene Inschrift, welche, wie dort
91
Vgl. unten, S. 355.
bemerkt, offenbar einen Teil der Kopie einer Flurkarte
91a
Vgl. oben, Anm. 24.
darstellt.
Daß die Aufteilung per centurias stattgefunden hat, ist aus den Bezeichnungen der Abschnitte
92
Vgl. ebenfalls den Anhang, S. 354, Anm. 7.
ersichtlich. Die Maaße der Seiten der Centurien entsprechen der Relation, wie sie bei den von Nipsus für skamnierten Acker erwähnten Centurien von 240 jugera angewendet sein muß (6 : 5)
94
Wie sich herausgestellt hat, handelt es sich um quadratische Centurien zu 200 iugera. Vgl. S. 353, Anm. 2.
. Nipsus identifiziert hier offenbar skamnierten mit steuerbarem Acker, denn in scamna ist Arausio, wie die Karte
95
Unten, S. 360.
zeigt, nicht assigniert, sondern es ist offenbar dem einzelnen Besitzer ein je nach der Bonität verschiedener modus in den verschiedenen Centurien zugewiesen, ganz wie bei der Aufteilung bei steuerfreier Kolonialassignation. Nach Mommsens
96
Mommsen, in: CIL XII, S. 157, zu Nr. 1244. Der zweite Teil der Ergänzung, der sich nur auf Fragment 2 der Anlage I – S. 360 unten – bezieht, ist unzutreffend, vgl. S. 356, Anm. 25.
zweifelsfreier Ergänzung kehrt ferner in jeder Centurie die Wendung wieder: „ex trib(utario) – worauf eine Zahl folgt – red(actus) in col(onicum)“ – worauf wieder eine Zahl folgt. Es handelt sich also gerade um den Fall, von welchem die p. 121 wiedergegebene Stelle Hygins spricht: Bisher unvermessenes (arcifinisches) steuerbares Provinzialland wird aufgemessen und in limitierten Acker der (nicht immunen) Kolonie Arausio umgelegt
97
Zu den tatsächlichen Verhältnissen vgl. S. 356, Anm. 25.
. Arausio ist Kolonie Cäsars
98
; ob die Umlegung des gesamten Ackers damals erfolgt ist, steht dahin, der Inschriftstein [A 36]braucht nicht notwendig so alt zu sein wie die forma
99
Zur ‚forma‘ siehe S. 112, Anm. 24; zur Datierung der Inschrift vgl. S. 353, Anm. 2.
, deren Kopie er ist.
Aus der Wendung „redactus in colonicum“
100
ließe sich schließen, daß etwa ein Teil des Gebiets erst nachträglich in Kolonialland umgewandelt wurde. Immerhin wird die Aufteilung des arausini[129]schen Ackers auf Grund der mehrgedachten
101
[129]Dies ist die erste Erwähnung bei Weber.
cäsarischen Instruktion in der lex Mamilia
102
Text der drei erhaltenen Kapitel der lex Mamilia z. B. bei Lachmann, S. 263–266, und bei Bruns, Fontes5, S. 94 f. Das Zustandekommen der lex Mamilia als Ausführung eines Auftrages Caesars (59 v. Chr.) nach Mommsen, in: Römische Feldmesser 2, S. 224.
erfolgt sein. Cäsar hat bekanntlich zuerst überseeische Kolonien in größerem Maßstab gegründet, und wahrscheinlich ist dann gerade die Anwendung dieser seiner Instruktion auch auf den Provinzialboden ein Grund dafür gewesen, daß die Assignation per centurias auch auf steuerbarem Land zur Anwendung kam. Sie war auch für die Aufmessung von Kolonialfluren deshalb kaum entbehrlich, weil man dabei regelmäßig je nach der Bonität untereinander verschieden große Landlose zuteilen mußte und dies bei Anwendung der Skamnation sehr große Arbeit erfordert hätte, während man bei der Centuriation einfach x jugera in der einen Centuria = y jugera in der andern setzen konnte.
Aufmessung und rechtliche Natur des ager quaestorius. Indes auch abgesehen von diesen eventuell als Durchbrechung des Prinzips anzusehenden Erscheinungen gab es Acker minderen Rechtes, welcher der Skamnation nicht unterlag, vielmehr prinzipiell in anderer Weise aufgemessen wurde. Es ist dies der ager quaestorius, d. h. dasjenige Land, welches vom Staat nicht gegen laufende Rente, sondern gegen Kapital vergeben wurde.
Wir wissen über seine Aufteilung, daß mittelst limites quadratische Parzellen (laterculi, plinthides), von 10 actus im Geviert = 50 jugera
1
Ca. 12,62 ha.
Fläche, gebildet wurden, daß diese Parzellen – regelmäßig im Auktionswege – an Kauflustige veräußert, sodann eine forma aufgenommen und darauf die Empfänger nebst dem ihnen verkauften modus notiert wurden
40)
[129]p. 115. 110, 8. 125 unten
3
Weber zitiert S. 125,19 Lachmann.
. 136, 15. 152. 153, 3
4
Die zitierte Stelle findet sich S. 152,22–153,4 Lachmann.
. 154. [A 36]
. Die wesentliche Diffe[A 37]renz von ager centuriatus besteht nicht in der Größe der laterculi, sondern darin, daß die limites hier solche nur dem Namen nach sind, thatsächlich aber nur decumani, „Teiler“ – wie sie denn auch hier ohne Unterschied der Richtung diesen Namen führen. Sie stellen kein öffentliches Wegesystem dar, sondern lediglich Raine, welche die einzelnen Par[130]zellen, in welchen das Land vergeben ist, begrenzen, haben also die gleiche Bedeutung, wie die rigores bei der Skamnation, und Siculus Flaccus braucht denn auch für sie die Wendung (p. 153,3): limites, id est rigores. Da die limites hier nur den Zweck der erstmaligen Abgrenzung hatten, im übrigen aber für ihren Fortbestand weder Garantien noch Motive vorlagen, verschwanden sie infolge der Besitzveränderungen, so daß „emendo vendendoque aliquas particulas ita confuderunt possessores, ut ad occupatoriam
5
[130]Im zitierten Text heißt es: occupatoriorum.
condicionem reciderint“ (Frontin
6
Das Zitat stammt von Siculus Flaccus.
p. 154, 5).
Obwohl die Erörterungen über die juristische Natur der verschiedenen genera agri erst weiter unten
7
Gemeint: in Kapitel II und III.
folgen sollen, scheint es in diesem Fall doch notwendig, dieselben bezüglich des a[ger] quaestorius zu anticipieren, da dies für die Einsicht, daß thatsächlich ein bewußter Zusammenhang der Aufteilungsart mit der rechtlichen Qualität des Bodens besteht, von Wesentlichkeit ist.
Wir sind über die rechtliche Natur des ager quaestorius unvollkommen orientiert. Nach den Gromatikern
8
Vgl. besonders Hygin, S. 115,15 ff.; Siculus Flaccus, S. 136,14 ff.; S. 152,23ff. (jeweils in der Ausgabe von Lachmann).
ist es derjenige durch Eroberung erworbene Acker, welcher zufolge Mandats des populus Romanus an die Quästoren von diesem verkauft worden ist. Entsprechend Mommsens Vermutung (C. I. L., I zuZ.
b
[130]A: c.
57. 66 der lex agraria
) möchte ich annehmen, daß nicht ein Volksschluß, sondern ein Senatuskonsult zur Ermächtigung der Quästoren genügte. Damit stimmt auch, abgesehen von dem gleichliegenden Fall der trientabula (s. u.)
10
Unten, S. 131 f.
, daß, wie aus der lex agraria
11
Gemeint ist offenbar Z. 49 f. der lex agraria (habere possidere frui beim ager privatus vectigalisque, den Mommsen, Lex agraria, S. 99, mit dem ager quaestorius gleichsetzte; vgl. auch Rudorff, in: Römische Feldmesser 2, S. 287, über das „habere licere“ beim ager quaestorius).
hervorgeht, nicht das Eigentum übertragen, sondern nur das uti frui licere zugesagt wurde. Es [A 38]handelt sich hiernach nicht um einen Veräußerungsakt, sondern um einen Akt der Vermögensverwaltung, entsprechend der censorischen Lokation, wie denn überhaupt die quästorische Form der [131]Verwertung des Staatsguts der Verkauf, d. h. die Überlassung der Nutzung gegen Kapital, die censorische dagegen die Verpachtung, d. h. die Überlassung der Nutzung gegen Zins, ist. Schon deshalb und außerdem aus dem von Mommsen angeführten Grunde nehme ich auch als sicher an, daß der ager quaestorius nicht vektigalpflichtig war, abgesehen etwa von einem nominellen Rekognitionszinse. Worin äußerte sich also die Wirkung des dem populus verbliebenen Eigentums? In rein privatrechtlicher Beziehung jedenfalls in dem Ausschluß der Vindikation und Manzipation, – hierauf wird an anderem Ort zurückzukommen sein. Für das Verhältnis zur öffentlichen Gewalt scheint mir, entsprechend der auch von Mommsen (C. I. L., l. c.) geäußerten Vermutung, folgendes große Wahrscheinlichkeit für sich zu haben: Die rechtliche Verwandtschaft des ager quaestorius zu den trientabula hat Mommsen a. a. O. hervorgehoben. Über die Entstehung der letzteren im Jahre 552
14
Der Bericht des Livius bezieht sich auf das Jahr 554 a. u. c. = 200 v. Chr.
a. u. c. berichtet nun Livius l. 31, c. 13
14a
Liv. 31,13,5–8.
:
„Cum et privati aequum postularent nec tamen solvendo aeri alieno res publica esset, quod medium inter aequum et utile erat, decreverunt, ut, quoniam magna pars eorum agros vulgo venales esse diceret et sibimet emptis opus esse, agri publici, qui intra quinquagesimum lapidem esset, copia iis fieret. Consules agrum aestimaturos, et in jugera asses vectigales testandi causa publicum agrum esse imposituros, ut si quis, cum solvere posset populus, pecuniam habere quam agrum mallet, restitueret agrum populo.[]
Juristisch analysiert ist das Geschäft hier also folgendes: die bezeichneten Äcker werden den Gläubigern auf Wiederkauf verkauft
15
Zu dem Vergleich mit dem für den öffentlichen Kredit in den mittelalterlichen Städten wichtigen Rechtsinstitut des Kaufs (durch den Gläubiger) auf Wiederkauf (durch den Schuldner) vgl. unten, S. 133, Anm. 23.
. Als Kaufpreis gilt das rück[A 39]ständige Drittel des Anleihekapitals, daher der Name trientabula
16
Vgl. Livius 31,13,9: trientabulumque is ager, quia pro tertia parte pecuniae datus erat, appellatus.
. Wiederkaufsberechtigt sind nur die Käufer und zwar auch nur, wenn der populus zahlen kann, nicht dagegen der Verkäufer, der populus. Dies ganze Schuldenkonsolidationsgeschäft, denn so kann man es nennen, kleidet sich also in die [132]Form des Verkaufes vom Staat an Private, und ist offenbar seinem juristischen Wesen nach nur durch den großen Umfang der Verkäufe und durch einige besondere Verabredungen, die dem speziellen Fall angepaßt waren, von dem Vorgang bei Verkauf von agri quaestorii unterschieden. Da sich nun die schuldnerische Staatskasse zur Zeit dieser Operation in starker Bedrängnis befand, so ist anzunehmen, daß die Besonderheiten dieses Verkaufs in Verabredungen bestanden, welche die Käufer günstiger stellten als dies sonst der Fall war. Es scheint nicht zweifelhaft, daß diese besondere Begünstigung der Käufer hier darin zu finden ist, daß sie und nicht der Staat befugt sind, den Wiederkauf zu verlangen, und ich glaube, daß dies sonst umgekehrt war. Hiernach ist anzunehmen, daß die juristische Eigentümlichkeit des ager quaestorius das dem Staat zustehende Wiederkaufsrecht war
41)
[A 39][132]Rudorff nimmt (in den Gromat[ischen] Institut[ionen]) an, daß der Staat je nach Lage der Verhältnisse verschiedene Verabredungen mit den Käufern getroffen habe. Allein der Kaufacker tritt uns als einheitliches Institut entgegen.
. Mit dieser Befugnis der Rücknahme stimmt auch die Formel habere uti frui licere
17
[132]Vgl. S. 130, Anm. 11.
, welche mit dem den staatsrechtlich prekären Territorialbesitz bezeichnenden „ἔχειν ἐξεῖναι“ des S. C. de Thisbaeis
18
Siehe S. 138.
juristisch identisch ist. Es stimmt damit ferner, daß ein Senatuskonsult und (offenbar) nicht ein Volksschluß die Grundlage der Vergebung bildete. Es kam zwar vielleicht auch vor, daß der Staat Eigentum kaufsweise überträgt, so bei Dedikationen und Aufführung öffentlicher Gebäude, wo das überschüssige Land von den Censoren „in privatum“ verkauft wurde (Liv. [A 40]40. 51, 5. cf. 41. 27. 10). Allein da es zur Dedikation eines Volksschlusses bedurfte, wird dieser auch im voraus zu derartigen Verkäufen ermächtigt haben
42)
[A 40]In dem Fall Liv. 40, 51, 5: Μ.
20
So Livius (irrtümlich); es handelt sich um Q. Fulvius Flaccus, Censor 174 v. Chr.
Fulvius … locavit … basilicam … circumdatis tabernis, quas vendidit in privatum könnte die Zulässigkeit der Veräußerung zu Eigentum ohne Volksschluß auch darin gefunden werden, daß der Bauplatz vielleicht erst gekauft war und bis zur Fertigstellung des Werkes und dessen probatio die Verfügung über das Terrain dem verkaufenden Magistrat zugestanden haben dürfte. Liv. 41, 27, 10 ist nicht bemerkt, daß „in privatum“ veräußert wurde, und vielleicht war dies auch nicht der Fall.
. Jedenfalls konnte ein Senatuskonsult regelmäßig nicht zu völliger Entfremdung von Staatseigentumführen,
c
[132]A: führen;
ein Volksschluß vielmehr [133]unbedingt die Zurücknahme des verkauften Landes bestimmen, naturgemäß aber hatte dann der Käufer Rückgabe des Kaufgeldes zu beanspruchen. Damit ist schon das wesentliche des vermuteten Wiederkaufsrechts gegeben. Dienten nun, wie Mommsen
21
[133]Mommsen, Lex agraria, S. 99.
annimmt, die Veräußerungen von ager quaestorius dem momentanen Geldbedürfnisse des Aerars, so werden wir mit dieser rohen Form der Kreditaufnahme – denn das ist sie – unmittelbar an die Satzung
22
Satzung: Im deutschen Recht des Mittelalters die Verpfändung eines Grundstücks, wobei dieses vom (Pfand-)„Setzenden“ (Schuldner) dem Pfandnehmer zur Nutzung übergeben wird. (Sogenannte „ältere“ im Gegensatz zur „jüngeren“ Satzung, einem besitzlosen Pfandrecht.) Vgl. Heusler, Andreas, Institutionen des Deutschen Privatrechts, Band 2. – Leipzig: Duncker & Humblot 1886, bes. S. 134.
und den Kauf auf Wiederkauf
23
Kauf auf Wiederkauf: vgl. bereits oben, S. 131. – Die wiederholten Vergleiche zwischen römischer und mittelalterlicher städtischer Finanzwirtschaft (oben S. 131; unten S. 253; 257) hängen offenkundig mit Webers gleichzeitiger Lektüre von v. Kostanecki, Öffentlicher Kredit im Mittelalter, für die 1890 erschienene Besprechung zusammen, vgl. Editorischer Bericht, S. 59. Zur Entwicklung von der ‚Satzung‘ zum ‚Rentenanlehen‘ vgl. z. B. v. Kostanecki, a. O., S. 15; dazu Weber, Besprechung Kostanecki (wie oben, S. 59, Anm. 21), S. 592.
mittelalterlicher Finanzwirtschaft erinnert. Wie in den mittelalterlichen Städten, solange sie die verfeinerte Form des Rentenanlehens noch nicht kannten, beschränkten sich also im alten Rom die Formen der Geldbeschaffung für außerordentliche Fälle auf die beiden: Zwangsanleihe (= tributum)
24
Das tributum als Zwangsanleihe: Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 228; vgl. ders., Römische Geschichte 18, S. 71 ; 295.
und Naturalpfand in Form des wiederkäuflichen Verkaufs von Land
25
Mit der Auffassung des mittelalterlichen Naturalpfandes bzw. der (älteren) Satzung als eines bedingten Verkaufs (Kauf auf Wiederkauf) scheint Weber unmittelbar Heusler (wie Anm. 22), S. 137–141, zu folgen.
. Im übrigen war die Veräußerung zu ager quaestorius, wie die Gromatiker angeben, auch die Form, in welcher erobertes Land schnell zu Geld gemacht wurde. – Bestand in der That, wie vorstehend
27
Oben, S. 132.
wahrscheinlich zu machen versucht wurde, ein solches Wiederkaufsrecht des Staates, so war dasselbe eine Art Expropriationsrecht, wie es für ager privatus dem römischen Recht sonst unbekannt ist
28
Vgl. Voigt, Römisches System der Wege, S. 47, Anm. 33.
– so[A 41]weit es auf kolonialem Acker, z. B. zwecks Anlegung von Aquädukten, bestehen soll, wird es in dem Gründungsstatut besonders vorbehalten, so in der lex colon[iae] Genetivae c. 99 (Eph. epigr. II, p. [134]221 f.)
29
[134]Weber zitiert Mommsen, Lex coloniae Genetivae denuo recognita, S. 221 f. (Text der lex auch in Bruns, Fontes5, S. 119–136, sowie CIL II, Suppl. 5439).
–, und es kann sein, daß die gegen Entgelt erfolgten Expropriationen der Triumvirn einerseits an diese beim ager quaestorius bestehende Befugnis, wie andrerseits an die prekäre Natur der alten occupatorischen Possessionen anknüpften und dieselbe in diesem Fall nur kraft der besonderen Machtvollkommenheit des Regenten auf den ager privatus per nefas übertragen wurde
43)
[A 41][134]Der Rechtsgrund der triumviralen Expropriationen, soweit sie nicht identisch waren mit Konfiskation der Güter der Gegner, ist nicht deutlich, zum Teil auch wohl überhaupt nicht vorhanden. Wie rücksichtslos verfahren wurde, zeigt am besten eine Bemerkung des Siculus Flaccus (p. 160, 25): Eine Anzahl Besitzer sind zur professio ihres Besitzes aufgefordert worden, scheinbar behufs Assignation und Registrierung im Census. Nachdem sie aber deklariert haben, wird ihnen auf Grund der Deklaration die Taxe ausgezahlt und das Land eingezogen. Die juristische Perfidie ist, daß auch im Prozeßwege, da dieser nur zur Geldkondemnation führte, sie niemals mehr als das erhalten hätten, was ihrer eignen Deklaration an Geldeswert entsprach, und das hatten sie schon. Es handelt sich hier immerhin um einen Zwangskauf und wird sich auch in den andern Fällen, wo Entschädigung der Besitzer erwähnt wird, darum gehandelt haben. An die Possessionen erinnert der bei den Gromatikern wiederkehrende „vetus possessor“ des Gracchus
32
Gemeint ist Tiberius Gracchus (Volkstribun 133 v. Chr.).
(s. C. III)
33
Wie Anm. 31.
.
.
Vergleichen wir nun mit diesen hypothetischen Ergebnissen die Aufteilungsform des ager quaestorius – welche vermutlich auch die der trientabula war, wenn diese aufgemessen wurden, was der Bericht des Livius
30
Vgl. S. 131.
wahrscheinlich macht –[,] so stimmt sie damit aufs beste. Da den einzelnen Grundstücken keine Abgabe auferlegt war – resp. nur eine nominelle –[,] hatte die Festhaltung der limites, welche als Besitzgrenzen die Identifikation der pflichtigen Grundstücke ermöglicht hätte, wenig Interesse für die Verwaltung. Zwar wäre ein solches für die leichtere Feststellung der Entschädigung im Fall der [A 42]Ausübung des Rückkaufsrechts vorhanden gewesen, allein an eine solche Ausübung dachte man normalerweise kaum, und trat sie etwa doch ein, so ward sie ohnehin als halbrevolutionär empfunden, und es mochte der Expropriat sehen, wie er nachweisen konnte, wieviel seine Rechtsvorgänger einst gezahlt hatten, wenn die Besitzgrenzen sich verschoben hatten. Auf der forma wurde jedenfalls der Umfang des gesamten verkauften Areals kartographisch wiedergegeben und notiert, wieviel, wem und zu welchem Preise verkauft worden war; [135]ob die limites überhaupt eingezeichnet wurden, ist zweifelhaft
43a)
[A 42][135] Allerdings läßt die Notierung des modus auf der forma es vermuten.
. Hiernach möchte ich annehmen, daß für die ältere Zeit die Aufteilung per scamna et strigas ebenso typisch für die censorische, unter den Begriff der locatio fallende, wie diejenige in quadratische laterculi mit limites für die quästorische[,] als venditio bezeichnete Landvergebung zu minderem Recht war, während die Assignation per centurias der Vergebung zu vollem Eigentum vorbehalten blieb.
Später aber sind, wie schon bemerkt, die verschiedenen Formen miteinander konfundiert worden, und zwar kann es wohl sein, daß die gracchischen Assignationen damit den Anfang machten. Trotzdem der von ihm
34
[135]Gemeint ist Tiberius Gracchus.
vergebene Acker nicht ager privatus wurde, hat er offenbar die Limitation per centurias ihrer bequemen Handhabung wegen angewendet. Teilweise hat dies, wie die lex agraria zeigt, zu einer mehrfachen Einweisung in die gleiche Centuria und einer doppelten Verteilung desselben Areals, überhaupt zu einer starken Konfusion geführt, und es ist vielleicht dieser rein technische Mangel nicht einer der geringsten Gründe gewesen, welche sein Werk scheitern ließen und die Umwandlung in Privateigentum erforderlich machten.
[A 43]Das Ergebnis der bisherigen Ausführungen ist: daß ein Zusammenhang zwischen den beiden Aufmessungsformen, der Centuriation und der Skamnation, mit den rechtlichen Qualitäten des Landes in der dargelegten Weise besteht. Damit soll nicht gesagt sein, daß nicht, wie Voigt
36
Vgl. besonders Voigt, Römisches System der Wege, S. 64–68.
annimmt, beide Formen ethnisch verschiedenen Ursprung haben können. Sind in der That die Pfahldörfer der Italiker in der Poebene als Oblonga terminiert und orientiert, so ist damit sehr wahrscheinlich gemacht, daß die oblonge Aufmessungsform die altitalische, von den Umbro-Sabellern festgehaltene ist. Die quadratische Aufmessung leiten die Gromatiker
39
Vgl. Frontin, S. 27,13; Hyginus Grom., S. 166,10 Lachmann.
selbst von den Etruskern her, ob mit Recht
40
Ablehnend z. B. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 22.
, steht dahin, auch hellenistische Ein[136]flüsse
41
[136]So Hankel, Zur Geschichte der Mathematik, S. 299 f. (Weber nennt dieses Werk in seinem Literaturverzeichnis zu Kapitel I).
mögen dabei im Spiel sein. Das ändert aber nichts an der Thatsache, daß diese beiden Formen alsdann von der römischen Verwaltung unter dem Gesichtspunkt verwendet worden sind, welcher vorstehend darzulegen versucht wurde.
Der ager per extremitatem mensura comprehensus.Wir wenden uns zu dem dritten gromatischen genus agri, dem ager per extremitatem mensura comprehensus. Es ist dies, wie der Name ergibt, Land, bei welchem die Flurkarte nur die äußeren Flurgrenzen enthält, dagegen eine Einzelassignation nicht stattgefunden hat
44)
[A 43][136] Frontin p. 4.
. Besteht hier überhaupt ein Zusammenhang mit einer bestimmten rechtlichen Qualität der Territorien, welche in dieser Form vermessen sind, so ist an sich wahrscheinlich, daß es sich dabei zunächst um Fälle handelte
45)
Von den per extremitatem vermessenen fundi excepti und saltus, den Gutsbezirken und ihrem Verhältnis im römischen Verwaltungsorganismus wird unten in Kap. IV
42
Unten, S. 326 ff.
im Zusammenhang die Rede sein.
, in denen aus dem römischen oder durch Dedition römisch gewordenen Gebiet Teile ausgeschieden wurden, ohne einerseits ager privatus zu werden und andrerseits ohne durch die Ausscheidung jedem Eingriff der römischen Verwal[A 44]tung entzogen zu werden, endlich aber auch, ohne daß eine Steuerpflicht des einzelnen Grundstücksbesitzers als solchen gegenüber dem römischen Staat entstand. Damit stimmt überein, daß diese Vermessungsform zunächst bei geistlichen Gütern angewendet wurde (Hyg., de cond.
d
[136]A: cred.
agr. p. 117, 5
; Sic. Flacc. 162, 28; Hyg., de lim. 198): sie waren steuerfrei, blieben aber ager publicus, und der Staat hatte zweifellos ein Interesse an der Möglichkeit ihrer Identifikation und der Feststellung ihres Umfangs. Ferner aber liegt dieser Fall vor für das Gebiet solcher abhängigen Gemeinden, welchen dasselbe als Gesamtheit überwiesen oder belassen worden war, gegen Leistungen, welche die Gemeinde als solche übernahm und ihrerseits zu repartieren hatte Frontin (p. 4) spricht denn auch ausdrücklich davon, daß der ager per extr[emitatem] comprehensus Anwendung finde, wo der modus universus agri der civitas oder dem abhängigen populus adsigniert sei. Er erwähnt seinerseits die Salma[137]ticenses in Lusitanien und die Palatini in Hispania citerior als Beispiele. Die Inschriften lassen uns sowohl hinsichtlich Salamancas als Pallanzas
43
[137]Gemeint: Palencia (antik: Palantia, Pallantia).
fast gänzlich im Stich, Aggenius Urbicus nennt erstere Gemeinde einen vicus, beide sind wohl stipendiäre Munizipien gewesen. Weiter aber bemerkt Frontin – und dies ist wichtiger –, daß „compluribus provinciis solum per universitatem populi est definitum.“
44
Bei Frontin (S. 4 f. Lachmann) heißt die zitierte Stelle: conpluribus provinciis tributarium solum per universitatem populis est definitum.
Man könnte versucht sein, dies nur auf gentes zu beziehen, welche noch nicht in städtische Verfassungsform gebracht waren. In der That haben wir für derartige Fälle ein urkundliches Beispiel an den sardinischen Völkerschaften der Patulcenser und Galilenser
45
Die in der Inschrift nur einmal (Z. 20) vorkommende Form ‚Galilenses‘ ist offenkundig Verschreibung für: Galillenses. – Die Inschrift auch bei Bruns, Fontes5, S. 216 f.
(C. J. L. X, 7852), deren Acker bei der teilweisen Neukonstituierung der Provinz von Μ. Marcellus in der Zeit zwischen 640–643 a. u. c.
47
Es handelt sich um die Jahre 114–111 v. Chr.
kartiert worden war. Der Grenzstreit beider – eine controversia de territorio im Sinne der Agrimensoren
46)
[A 44][137]Mommsen bezeichnet (C.J.L. l. c.)
49
Mommsen spricht nicht zu CIL X 7852, sondern in: Decret des Proconsuls von Sardinien, S. 112–114, von dem Dekret als „Spruch“ des als „Schiedsrichter“ wirkenden Proconsuls.
die Entscheidung als „Schiedsspruch“. Dies möchte ich, da ein Kompromiß nicht [A 45] erwähnt wird, sondern offenbar einseitige Klage vorliegt, auch Kontumazialverfahren
50
Contumacia („Ungehorsam“ – gegen die Entscheidung eines römischen Procurators) und die Folgen werden ausdrücklich erwähnt in Z. 13 f. und 22 f. der Inschrift.
und Exekution nachfolgt, nicht annehmen. Wenigstens scheint mir, da es sich um stipendiäre Gemeinwesen handelt, der Annahme, daß es sich um einen gewöhnlichen Rechtsstreit, natürlich in den Formen des jud[icium] extraordinarium (daher auch die Realexekution) handelt, nichts im Wege zu stehen.
[A 45]wird auf Grund der forma, welche hinsichtlich der Ausfertigung in doppeltem Exemplar und der Aufbewahrung des Hauptexemplars in Rom vollkommen den agrimensorischen formae entspricht, vom Prokonsul entschieden. Da an eine Limitation und Einzelassignation nicht zu denken ist, vielmehr charakteristischerweise die Gemeinden als Gesamtheiten den Prozeß führen, kann es sich nur um ager per extr[emitatem] [138]compr[ehensus] handeln. Allein es muß diese Vermessungsform auch auf städtische Gemeinden Anwendung gefunden haben. Das S. C. de Thisbaeis (Ephem. epigr. I p. 278 f.)
52
[138]Weber zitiert Mommsen, SC de Thisbaeis, S. 278 f.
gibt dem Prätor den Auftrag, eine Kommission von fünf Männern einzusetzen, um die Verhältnisse von Thisbai zu ordnen (οἷς τὰ καϑ’ αὑτοὺς πράγματα ἐξηγήσονται)[,]
53
SC de Thisbensibus, Z. 9: (. . .) [ο]ἷς τὰ καθ’ αὑτοὺς πράγματα ἐξηγήσωνται. Weber zitiert dabei nicht nach Mommsen, SC de Thisbaeis, sondern nach dessen verbesserter Lesung in: Bruns, Fontes5, S. 153. Vgl. auch den Editorischen Bericht, oben, S. 85.
und enthält alsdann eine Instruktion, nach welchen Grundsätzen der Prätor bezw. die Kommission dabei verfahren sollen. Die Thisbäer waren, wie die Inschrift ergibt, stipendiär und sollten es bleiben. Von ihrem Acker, der durch Dedition römischer ager publicus geworden war, heißt es, es soll ihnen ,,ἡμῶν ἕνεκα ἔχειν ἐξεῖναι
54
SC de Thisbensibus, in: Bruns, Fontes5, S. 154, Z. 19: (. . .) ἡμῶν μὲν ἕνεκεν ἔχειν ἐξεῖναι (vgl. die vorhergehende Anm.).
. Damit ist eine Einzelassignation ausgeschlossen, dagegen mußte eine Abgrenzung und damit auch eine Kartierung des Bodens entschieden erfolgen, schon deshalb, weil die Rückgabe des Gebietes nur durch Verwaltungsakt, also staatsrechtlich precario, erfolgte, die Feststellung seines Umfangs also für den Fall künftiger anderweiter Verfügung (zur ev[entuellen] Kolonieanlage etc.) für den Staat wesentliches Interesse hatte
47)
[138]So verfügt denn auch die lex agraria v. 643 über den afrikanischen Acker, welcher an stipendiarii überlassen war, er solle in formam publicam gebracht werden
57
Lex agraria (Bruns, Fontes5, S. 84 f.), Z. 78: in formas publicas.
, was bei der Kon[A 46]stituierung als Provinz und in der Konfusion der gracchischen Assignationen unterlassen worden war. Wir kommen auf die Frage, wem hier assigniert wurde, noch in Kap. III
58
Unten, S. 267.
zurück.
. [A 46]U.a. zu diesem Behuf ist offenbar jene Kommission berufen, welche mit ihrer Instruktion der Fünfmännerkommission Cäsars
55
Die Annahme einer solchen Kommission zur Erklärung des Namens der lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia nach Mommsen, in: Römische Feldmesser 2, S. 224 f.
und der der letzteren von ihm erteilten[,] durch Gesetz festgestellten allgemeinen Instruktion entspricht, welche in der mehrgedachten
56
Vgl. S. 129 (mit Anm. 101).
lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia enthalten ist. Es ist nicht abzusehen, wie die Kartierung anders als per extremitatem agri hätte erfolgen sollen.
[139]Zusammenhang mit der provinzialen Steuerverfassung. Ich nehme aber überhaupt an, daß mit allen im eigentlichen Sinn stipendiären Gemeinden, d. h. solchen, deren Besitzstand nicht auf freiem Übereinkommen
e
[139]Fehlt in A; Übereinkommen sinngemäß ergänzt.
, sondern auf einem widerruflichen Akt des herrschenden Staates beruhte, und bei welchen – dies ist das wichtigste – die Leistungen an den herrschenden Staat nicht den einzelnen, sondern der Gesamtgemeinde auferlegt waren, so verfahren wurde resp. dem Prinzip nach hätte verfahren werden sollen, wie dies auch den oben
59
[139]Oben, S. 136 f.
citierten Worten Frontins am besten entspricht.
Es ist bekannt, daß die Weiterbildung der Steuerverfassung in der Kaiserzeit in den Provinzen unter anderm auch in der Ausdehnung der Immediatunterthanenschaft bestand, eine Entwickelung, welche wohl schon Augustus inauguriert hatte und deren Beginn wohl der eigentliche Sinn des vielbesprochenen
60
Vgl. dazu z. B. Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 145–171, 241–249, sowie den Überblick bei Matthiaß, Grundsteuer und Vectigalrecht, S. 2–5 und 7–9; auch Marquardt, Römische Staatsverwaltung 22, S. 211 f., Anm. 4.
Reichscensus zur Zeit von Christi Geburt war – welcher sicher nicht eine allgemeine Aufnahme des gesamten Reichssteuergebietes war, sondern wahrscheinlich ein in allen oder vielen kaiserlichen Provinzen gleichzeitig einsetzendes Steuerumlegungsverfahren mit der Tendenz, das tributum soli und überhaupt die direkte Besteuerung an die Stelle der jährlichen Kontribution der Gemeinden zu setzen. Daß dies Werk sehr allmählich fortgeschritten, oft gänz[A 47]lich unterbrochen sein wird, ist klar, doch aber drängt die kaiserliche Steuerpolitik – wir werden auch darauf noch zu sprechen kommen
61
Unten, S. 270–272.
– bewußt nach dem Resultat, welches wir im konstantinischen Zeitalter in der Hauptsache durchgeführt finden: Steuerumlegung durch das Reich oder doch unter Aufsicht der Reichsbeamten, dabei aber doch Haftung auch der Gemeinde als solcher für das Steuersoll, wie solche ursprünglich nur bei stipendiären Gemeinden stattfand, – also eine Kombination beider Systeme. Daß das Prinzip der direkten Steuerumlage in den kaiserlichen Provinzen schneller und in größerem Umfang erreicht wurde, als in den Senatsprovinzen, hat den ersteren den Namen provinciae tributariae gegenüber den letzteren, welche provinciae stipendiariae genannt [140]werden, eingetragen
62
[140]Vgl. Gaius, inst. 2,21, der jedoch die ‚provincialia praedia‘ als stipendiaria bzw. tributaria bezeichnet.
, entsprechend dem alten, aber allerdings auch von der technischen Sprache nicht immer festgehaltenen Gegensatz von tributum = Abgabe und stipendium = Kontribution. Es erklärt dies die Unerheblichkeit der Bemerkungen, welche die Agrimensoren über den ager per extr[emitatem] mens[ura] compr[ehensus] machen: er stand auf dem Aussterbeetat.
Ich glaube wahrscheinlich gemacht zu haben, daß diesem Gegensatz die Aufmessung durch Skamnation einerseits und per extremitatem agri andrerseits entsprach. Wie aber die Kaiserzeit und ihre Vorläufer, die demokratisch-cäsaristischen Tendenzen, alle Unterschiede nivellierten und schließlich auch den zwischen Römern und Peregrinen in den einen Begriff der Reichsunterthanen auflösten, so haben die gleichen Tendenzen, von den Gracchen angefangen, in einer formell mit Justinians Abschaffung des jus Italicum abschließenden Entwickelung, auch die gromatischen und rechtlichen Unterschiede der genera agri früh zu verwischen begonnen, so daß dieselben nur durch Rückschlüsse und zum Teil durch Hypothesen zu ermitteln sind.
Wurde bisher nur der Beweis zu erbringen gesucht, [A 48]daß ein Zusammenhang zwischen der Aufmessungsart und zwischen staatsrechtlichen Differenzen in den Qualitäten des römischen Ackers besteht, so wenden wir uns jetzt der juristischen Natur dieser Differenzen im einzelnen und der Betrachtung der Bedeutung des römischen Ackerteilungsverfahrens für die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Zustände zu.

[141][A 49]II. Der grundsteuerfreie römische Boden in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung
1
Eine zusammenfassende Wiedergabe von Teilen des Inhalts von Kapitel II auch bei Weber, Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 9–11; dass.2, S. 75–77.

I.
a
[141]Inhaltsverzeichnis, oben, S. 93: 1.
Verwaltungsgeschichtliche
b
Inhaltsverzeichnis: Verwaltungsrechtliche
2
Wie im Inhaltsverzeichnis ist offenbar auch hier „verwaltungsrechtliche“ gemeint.
Wirkungen der Assignationen.
Wir wenden uns zunächst den Wirkungen der Ackervergebungen besten Rechtes auf die staats- und verwaltungsrechtlichen Beziehungen der betroffenen Territorien zu, nicht mit der Absicht, davon eine vollständige Darstellung zu geben, sondern nur, um uns diejenigen Verhältnisse zu vergegenwärtigen, welche von den Assignationen berührt werden. Nach einstimmigem und unverdächtigem Zeugnis der Agrimensoren ist die Wirkung einer Assignation zunächst, daß das betroffene Areal aus dem bisherigen Flur- und Gemeindeverband ausscheidet. Welche praktische Bedeutung dies Ausscheiden hatte und was die positive Kehrseite desselben war, das läßt sich nicht einheitlich für die gesamte römische Geschichte beantworten, sondern es müssen hier namentlich die Zeiten nach dem Bundesgenossenkrieg und dessen verwaltungsrechtlichen Konsequenzen, wozu u. a. Cäsars lex municipalis
2a
Vgl. Bruns, Fontes5, S. 101 ff. Ob diese Inschrift eine bzw. ‚die‘ lex lulia municipalis enthält, ist allerdings sehr umstritten.
gehört, von den früheren geschieden, zunächst aber auch der Charakter der durch Assignation herbeigeführten Besiedelung in ihren wesentlichen Zügen festgestellt werden.
Allgemeiner Charakter der italischen Besiedlung.Der italischen Besiedelung ist, soviel wir schließen können, mit derjenigen der Germanen, im Unterschiede zur keltischen, das wichtige Moment gemeinsam, daß sie genossenschaftlich und nicht clanschaftlich
3
Zu der von Meitzen übernommenen Anschauung von ‚clanschaftlichen‘ keltischen (d. h. in erster Linie irischen) und ‚genossenschaftlichen‘ germanischen Agrarstrukturen vgl. besonders ders., Ansiedelung, S. 298 f., 301 f.; ders., Agrarpolitik3, S. 130 f., 135 f.; ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 60 ff. und 182 ff., sowie dass., 2, S. 653 f. und 682 ff.; vgl. dazu oben die Einleitung, S. 17.
erfolgte, d. h. [A 50]soweit wir über die ältesten Flurverhältnisse durch Rück[142]schlüsse uns informieren können, hatte diejenige Wirtschaftsgemeinschaft, welche die Flur occupierte, nicht den Charakter einer von einem Häuptling patrimonial-autokratisch regierten erweiterten Familie, sondern den einer, wenn auch noch so straff magistratisch organisierten Genossenschaft unter sich gleichstehender Einzelfamilien. Bei den Germanen hatte dies die Ansiedelung in Dörfern, verbunden mit der Hufenverfassung und der daraus folgenden Art der Fluraufteilung zur Folge
4
[142]Vgl. etwa Meitzen, Ansiedelung, S. 298 f.; ders., Agrarpolitik3, S. 132 f., 138–140; ders., Siedelung und Agrarwesen 3, S. 683.
. Sind die Terremare
5
Terremare: So werden die bronzezeitlichen (d. h. etwa in die 2. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. zu datierenden) „Pfahldörfer“ vor allem in der südlichen Poebene mit regelmäßiger Anlage, Wall und Graben bezeichnet, in denen Helbig (mit anderen) Siedlungen der älteren Italiker (also u.a. der Vorfahren der späteren Römer) sehen wollte und in denen man lange auch Vorläufer des späteren römischen Lagergrundrisses zu erkennen glaubte.
der Poebene thatsächlich, wie Helbig
6
als sicher annimmt, Reste von Ansiedelungen der Italiker, welche vor Abschluß ihrer Einwanderung in die Halbinsel fallen, so steht fest, daß ihre Festsetzung gleichfalls in geschlossenen dorfartigen Zusammensiedelungen mit einem nicht mehr nomadenartigen Ackerbau geschah. Daraus aber folgt mit zwingender Notwendigkeit das Bestehen irgend welcher Art von Flurgemeinschaft
7
Mit der für die Gesamtkonzeption der Römischen Argargeschichte bedeutsamen Annahme einer ursprünglichen „Flurgemeinschaft“ in Rom, d. h. einer durch Gemeinbesitz und Gemeinwirtschaft (wohl der gentes) bestimmten Agrarverfassung, knüpft Weber vor allem an Mommsen an; vgl. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 35 f., 66, 149, 182—184; ders., Römisches Staatsrecht 3,1, S. 23 ff. Er benützt jedoch offenbar bewußt nicht den üblichen Ausdruck „Feldgemeinschaft“, der auch bei Mommsen nur in der Römischen Geschichte (vgl. dass. 18, S. 36, 149, 182), nicht mehr dagegen im späteren Römischen Staatsrecht erscheint. Für Meitzen (vgl. ders., Siedelung und Agrarwesen 2, S. 685; 3, S. 574) implizierte dieser Terminus jedenfalls im allgemeinen die regelmäßige Neuverteilung des Ackerlandes, wofür in Rom jeder konkrete Anhaltspunkt fehlt. Meitzen selbst hat im Blick auf Rom beide Begriffe, „Flur“– und „Feldgemeinschaft“, sichtlich vermieden, auch in Kenntnis der Römischen Agrargeschichte Webers; vgl. etwa ders., Artikel Feldgemeinschaft in: HdStW1 3, S. 378 f.; ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 258 f., 272. Vgl. noch die Einleitung, S. 18 f.
, auf deren anfängliches Bestehen auch auf den römischen Fluren, wie sich noch bei verschiedenen Gelegenheiten zeigen wird, zahlreiche Einzelerscheinungen mit solcher Bestimmtheit zurückdeuten, daß diese Thatsache wohl als eine sichere in dem Sinn gelten kann, in welchem man hier von „Sicherheit“ überhaupt [143]wird sprechen wollen. Damit ist freilich nichts gewonnen für die Frage, wie diese Flurgemeinschaft näher ausgesehen haben kann. Daß nicht der gesamte ager Romanus Wirtschaftsgebiet einer Gemeinschaft gewesen sein kann in der Art wie eine deutsche Dorfmark, ist an sich klar. Sind die ältesten wirtschaftlichen Gemeinschaften in Rom die gentesgewesen
x
[143]A: gewesen,
und die späteren Landtribus aus einer Aufteilung der Gentilmarken unter die Gentilgenossen entstanden, so müssen, was auch mit allen uns bekannten Thatsachen und namentlich dem Bericht
10
Vgl. Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 26 mit Anm. 1. Die dort wiedergegebenen Quellenberichte erwähnen die Zuweisung eines geschlossenen Ackergebietes an die in Rom zugewanderte gens.
über die Feldmark der gens Claudia stimmt, die gentes als mit lokalen Mittelpunkten über das gesamte Territorium verteilt gedacht werden. Über die Organi[A 51]sation der gentes sind wir bekanntlich völlig im Dunkeln. Daß ihre traditionelle Auffassung als auf Verwandtschaft beruhender Sippenverbände nicht dazu verführen darf, sie als clanschaftlich gegliedert zu denken
11
Wahrscheinlich Anspielung auf Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 36 mit Anm.
, zeigt die Analogie der vielberufenen „genealogiae“ in deutschen, nach dem genossenschaftlichen Hufenprinzip organisierten Dorfmarken
12
Gemeint: Die gentes bildeten nicht eine ,von einem Häuptling autokratisch regierte erweiterte Familie‘, sondern eine ‚Genossenschaft von Einzelfamilien‘ (vgl. S. 142), entsprechend den – u. a. in der lex Alamannorum und der lex Baiuvariorum (1. Hälfte des 8. Jahrhunderts) begegnenden – ‚genealogiae‘ (Sippen), die eine genossenschaftlich organisierte Flur in Besitz hatten; so jedenfalls z. B. Brunner (wie unten, S. 213, Anm. 25), S. 84 und Meitzen, Siedelung und Agrarwesen 1, S. 156 f., 430, 454. Vgl. auch später Weber, Altgermanische Sozialverfassung, S. 451, sowie (etwas zurückhaltender hinsichtlich des genossenschaftlichen Charakters der genealogiae) WuG1, S. 204.
. Ob es irgendwie bevorrechtete Familien in den einzelnen Gentilmarken gegeben hat, namentlich ob einzelne Familien in der als Vorläufer des ager publicus zu denkenden Allmende der einzelnen Flurgemeinschaft eine besondere bevorrechtigte Stellung eingenommen haben und wie die gens organisiert war, sind Fragen, zu deren auch nur hypothetischer Beantwortung der Agrargeschichte das Material fehlt. Für sie gibt es in dieser Beziehung der Möglichkeiten mehrere. Ebenso kann der Versuch nicht unternommen werden, die Stellung der alten pagi innerhalb der flurgemeinschaftlichen Organisation zu ermitteln. Daß sie zu den Markenver[144]hältnissen dieser Gemeinschaften in Beziehung standen
13
[144]Vgl. Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 116 f.; 169.
, dafür sprechen außer der lustratio pagi noch manche andere Reste in späterer Zeit und auch die Anwendung der Bezeichnung auf germanische Markgenossenschaften
1)
[A 51][144] Stammt pagus von pango
19
Pango: „setze durch Vertrag fest“; vgl. Marquardt, Römische Staatsverwaltung 12, S. 4; Rudorff, in: Römische Feldmesser 2, S. 239.
, so liegt die Beziehung auf die durch Vertrag mit der Gesamtheit ausgeschiedene festbegrenzte Mark nahe.
.
Einige Rückschlüsse auf die ältesten Flurverhältnisse sollen im Eingang des folgenden Kapitels
15
Unten, S. 207 ff.
noch bei Besprechung des ager publicus versucht werden. Hier kommt es zunächst auf andere, sicherer zu erkennende Eigentümlichkeiten der italischen Besiedelung an. Eine wesentliche Differenz gegen die germanischen Ansiedelungsverhältnisse scheint nämlich bei ihr vorzuliegen: die politischen Zustände des italischen Besiedelungsgebietes zur Zeit der Einwanderung und die höhere Technik der Einwanderer brachten es mit sich, daß im Gegensatz zu den deutschen [A 52] Dörfern die italischen, schon die Pfahldörfer, mindestens zum Teil befestigte Orte waren
16
Vgl. Helbig, Italiker in der Poebene, S. 11 f., 27, 43 f., 45 f. und öfter (zu den Pfahldörfern vgl. oben, S. 142 mit Anm. 5).
. Damit aber ist der Besiedelung von Anfang an ein unauslöschlicher halbstädtischer Charakter aufgeprägt
1a)
[A 52]Schon daß die Häuser auch der Dörfer mit den Mauern aneinander stoßen, soweit das spätere römische Besiedelungsgebiet reicht – z. B. in Lothringen –, ist Folge der Anlage von Dorfstraßen, welche die eigentlich deutschen Dörfer nicht kennen. Das unbedingte Fehlen dieser äußerlich auffallenden Erscheinung ist es, was Tacitus mit seinem Bericht über die vereinzelte Lage der deutschen Gehöfte (Germania 16) meint, nicht allein die Einzelhöfe im Gegensatz zur Dorfbesiedelung.
, derartige Dörfer haben die Tendenz, Ackerbürgerstädte zu werden
17
Siehe auch die Vergleiche zwischen „Pfahldörflern“ und Germanen und die Bemerkungen zum italischen Städtewesen bei Helbig, Italiker in der Poebene, S. 43 f.
, und hiermit wieder ist dem gesamten Agrarwesen die Tendenz eingepflanzt, frühzeitig modernen
18
Unter den modernen wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind hier insbesondere die individualwirtschaftlichen zu verstehen.
wirtschaftlichen Gesichtspunkten zugänglich zu werden, und dies Moment bestimmte später den Charakter der römischen Kolonisation.
[145]Charakter der römischen Kolonisation. Während die große Kolonisation des deutschen Ostens ganz überwiegend sich einer Besiedelungsschablone
20
[145]Gemeint ist die schablonenmäßige spätmittelalterliche Dorfsiedlung mit Hufenverfassung und Gewannteilung. Vgl. etwa Meitzen, Ansiedelung, S. 307 f., und ders., Agrarpolitik3, S. 147 f.
bedient hat, welche von der Art der Besiedelung und Fluraufteilung der Völkerwanderungszeit sich nicht prinzipiell unterscheidet
21
Vgl. Meitzen, Ansiedelung, S. 306, und ders., Agrarpolitik3, S. 133 f. – Dasselbe noch später in: Weber, Wirtschaftsgeschichte1, S. 26.
, steht die römische Kolonisation in ihren Formen der modernen amerikanischen näher
22
Als Quelle Webers kommt hier in Frage: Sering, Max, Die landwirthschaftliche Konkurrenz Nordamerikas in Gegenwart und Zukunft. – Leipzig: Duncker & Humblot 1887, bes. S. 106–111. Dort wird nicht nur das amerikanische Vermessungssystem dargestellt und mit dem römischen verglichen (S. 107), sondern auch die Besiedlung Nordamerikas im Einzelhofsystem und das Fehlen dorfweiser Ansiedlungen hervorgehoben (S. 108, vgl. S. 135).
. Wie diese kennt sie nur zwei Möglichkeiten: Besiedelung in den Formen der Städtegründung bezw. -Umgründung (Koloniededuktion) und unorganisierte Besiedelung in Einzelhöfen (viritane Assignation). Mag die colonia, die „Bauernschaft“ – nach Mommsens
23
Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 26; vgl. ebd., S. 793.
Ansicht – die verjüngte Projektion der gentilen Flurverfassung sein, so ist sie außerdem doch auch eine Organisation zur Abwehr dritter in einem befestigten Ort, also einer Stadt. Die Viritanassignation aber schafft überhaupt keine „colonia“ in jenem Sinn.
Während demgemäß die viritane Assignation offenbar die Zuweisung der vergebenen Parzelle regelmäßig zu vollem römischen Individualeigentum und immer losgelöst [A 53]von jeder Art Flurgemeinschaft in sich schließt, scheint die Gründung von Bürgerkolonien in einer Zeit, als das Individualeigentum am Grund und Boden das römische Rechtsleben schon beherrschte, noch einen anderen Charakter gehabt zu haben. Stets enthält sie die Konstituierung und Organisation einer Gemeinde, deshalb ist die Zahl der Besiedler eine geschlossene, in älterer Zeit bei den coloniae civium Romanorum, von denen hier allein die Rede ist
2)
[A 53][145]Über die Flurverhältnisse der latinischen Kolonien sind wir nicht unterrichtet.
, regelmäßig 300, und wenn wir nun ferner hören
25
Vgl. Mommsen, ebd., S. 24, Anm. 1.
, daß dabei der einzelne Kolonist 2 jugera
26
Ca. 0,50 ha.
[146]Land erhalten habe, so ist die Annahme ausgeschlossen, daß dies sein ganzes Landlos gewesen sein sollte.
27
[146]Ebenso Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 183 f. mit Anm.**, S. 183 f. und S. 185, Anm.*; vgl. ders., Römisches Staatsrecht 3,1, S. 23 f.; 775.
Da vielmehr die coloni unbedingt als Bauern zu denken sind, so entsprechen diese 2 jugera den romulischen heredia und also ebenso wie diese den Wurten der germanischen Fluren, dem Hof- und Gartenland, welches der Einzelne zu privativem, der Flurgemeinschaft entzogenem Besitz erhielt und welches nicht weniger, gelegentlich aber erheblich mehr als 2 Morgen betrug
28
Der Vergleich mit den germanischen Wurten später auch bei Meitzen, Siedelung und Agrarwesen 1, S. 263; vgl. ebd., S. 269.
. Das übrige Land muß also in Flurgemeinschaft gelegen haben
29
Ebenso Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 23; vgl. ebd., S. 775 f. („Sammtbesitz“ neben den privaten heredia in den frühen coloniae maritimae). Offenbar nach Weber auch Meitzen, allerdings unter Vermeidung des Begriffs „Flurgemeinschaft“ (vgl. Anm. 7): Siedelung und Agrarwesen 1, S. 255 und 268 („Anrechte am Gemeinland“). Ausführliche spätere Distanzierung Webers von der hier gezogenen Schlußfolgerung und Ablehnung der Annahme von „irgendwelchen Flurgemeinschaften” in: Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 145. Vgl. auch oben die Einleitung, S. 19; 29, Anm. 7.
. Dies war später naturgemäß anders – so hatte Gracchus
30
Gemeint: Gaius Gracchus (Volkstribun 123/22 v. Chr.).
in seiner Kolonie auf dem Boden von Karthago teilweise 200 jugera
31
Ca. 50,47 ha.
und teilweise anscheinend mehr – also sicherlich zu vollem Individualeigentum – assigniert, und die Agrimensoren kennen nur Vergebung in Individuallosen. Allein der Charakter der kolonialen Besiedelung als Gemeindeorganisation blieb bestehen, und die Kehrseite der vollständigen oder teilweisen Zerstörung des bisherigen Flurverbandes der kolonisierten Gemeinde war also der Eintritt in den Gemeindeverband der Kolonie. Die Viritanassignationen dagegen führten zu einer Gemeindeorganisation nicht, sie bedeuteten lediglich eine Erweiterung des Weichbildes der römischen Gemeinde in den tribus rusticae. Nach dem Bundes[A 54]genossenkriege hörte das auf: jedes römische Grundstück hatte von da an grundsätzlich einer römischen Vollbürgergemeinde anzugehören. Soweit es sich jetzt nicht um Koloniegründung handelte, also bei der viritanen Assignation, mußten die vergebenen Landlose einer bestehenden Gemeinde zugewiesen oder es mußten eigene Organisationen dafür geschaffen werden.
[147]Fragen wir nun, für welche Verhältnisse unter dieser späteren Verwaltungsorganisation die Zugehörigkeit des Grundes und Bodens zu einer Gemeinde Bedeutung hatte, so sind dies
Verwaltungsrechtliche Bedeutung des Territoriums. 1. Die Jurisdiktion und Polizeigewalt. Die Formel bei der Konstituierung der Kolonie lautete in dieser Beziehung (Hygin, De cond. agr. p. 118, 21)
33
[147] Weber zitiert Hygin, S. 118,11(–14) Lachmann.
: „Quos agros etc. dedero assignavero, in eis agris juris dictio cohercitioque esto coloniae illius.“ Sowohl für die Ziviljurisdiktion betreffend Grundstücke des Territoriums innerhalb der nur zum Teil sicher bekannten Kompetenzschranken, als für die kriminelle Verfolgung der auf dem Territorium begangenen Verbrechen sind die Municipalmagistrate zuständig. Ebenso steht ihnen als Ausfluß der Polizeigewalt u. a. die Marktpolizei auf dem betreffenden Territorium zu.
2. Der Census wurde nach dem Bundesgenossenkrieg von den Gemeinden besorgt und unterlag jedes Grundstück dem Census der betreffenden Gemeinde. Wir finden deshalb, daß die Gemeinden untereinander über die Frage prozessieren, bei welcher von ihnen ein Grundstück censuspflichtig sei. In der Kaiserzeit, wo Italien steuer- und bald auch aushebungsfrei war, hatte die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinde allerdings in Italien in dieser Hinsicht weniger Bedeutung als in den Provinzen, wo bekanntlich die Gemeinde sowohl für ihr Steuer– als für ihr Rekrutenkontingent haftbar gemacht wurde und [A 55]deshalb an der Festhaltung der zugehörigen Grundstücke ein Interesse hatte.
3. Der Grundbesitz begründete die Heranziehung zu gewissen munera patrimonii in der betreffenden Gemeinde
4)
[A 55]Auch aus diesem Grunde finden Rechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden de jure territorii statt[,] p. 52,21
34
Das Zitat findet sich S. 52,17(–20) Lachmann.
.
.
Wonach bemißt sich nun der territoriale Umfang der Veränderungen, welche durch Assignationen herbeigeführt werden?
Territoriale Wirkung der Assignationen. Entscheidend ist zunächst das Zusammentreffen der beiden den Be- oder Umsiedelungsvorgang zur Perfektion bringenden Momente: Division und Assignation. Wo nur [148]eins von beiden
5)
[148]P. 154, 9: Divisi et assignati agri non unius sunt conditionis. Nam et dividuntur sine assignatione et redduntur sine divisione. Dividuntur ergo agri limitibus institutis per centurias, assignantur viritim nominibus.
vorliegt, bedarf es einer besondern Bestimmung, um die Amtsgewalt – um damit die oben aufgeführten Befugnisse zusammenzufassen – der neuen Gemeinde auf den betreffenden Acker zu erstrecken. Die divisio fehlt da, wo außerhalb des durch die forma veranschaulichten Koordinatensystems der limites Äcker in der Begrenzung, welche sie vorher gehabt hatten, also in arcifinischer Verfassung, an Kolonen assigniert wurden, was vorkam, wenn die Zahl der Kolonen das zufolge Aufteilung verfügbare Areal überstieg und infolgedessen benachbarte Besitzungen zu Hilfe genommen wurden
6)
P. 160, 14: Aliquando … in limitationibus, si ager etiam ex vicinis territoriis sumptus non suffecisset, et auctor divisionisassignationisque
d
[148]Fehlt in A; assignationisque aus Siculus Flaccus, S. 160,16 Lachmann, ergänzt.
quosdam cives coloniis dare velit et agros eis assignare, voluntatem suam edicit commentariis aut in formis extra limitationem: „monte illo, pago illo, illi jugera tot“, aut „illi agrum illum, qui fuit illius“. Hoc ergo genus fuit assignationis sine divisione … Sunt vero divisi nec assignati, ut etiam in aliquibus regionibus comperimus, quibus, ut supra diximus, redditi sunt agri: jussi professi sunt quantum quoque loco possiderent.
. [A 56]An sich blieben dieselben dann im bisherigen Gemeindeverbande, sofern nicht das Areal mit auf die forma gesetzt und unter Notierung des modus der Assignationen auf derselben die Zugehörigkeit zur neuen Gemeinde bestimmt wurde
7)
[A 56]Das ergibt per analogiam Hygins polemische Auseinandersetzung p. 118, 9 ff., bz. 119, 8f.: … quidam putaverunt, quod … repetendum arbitror, ut eis agris qui redditi sunt veteribus possessoribus, juris dictio esset coloniae ejus cujus cives agros adsignatos accipiebant, non autem videtur … alioquin, cum ceteros possessores expelleret …, quosdominos
e
A: dominus
in possessionibus suis remanerepassus
f
A: panus
est, eorum condicionem mutasse non videtur …
. Die divisio sowohl als die assignatio fehlte bei dem ager extra clusus und denjenigen subseciva, welche zwischen den rektangulären Grenzen der pertica und der Grenze der kolonisierten Flur, wie sie die forma enthielt, übrigblieben. Die assignatio fehlte zunächst bei den subseciva, welche innerhalb der Centurien liegen blieben, und ferner bei den loca relicta, d. h. demjenigen Areal, welches als ungeeignet zur Aufteilung durch Einzeichnung seiner Grenzen in die forma aus dem Centuriensystem ausgeschlossen wurde. Die sämtlichen gedachten Grundflächen, ager extra clusus, subseciva und loca relicta, unterstehen nicht ipso jure der Amtsgewalt der neuen Gemeinde, sondern [149]verbleiben de jure in der „potestas“ des assignierenden Magistrats, in der Kaiserzeit des princeps. Es konnte über diese Ländereien in verschiedener Weise Verfügung getroffen werden. Sie konnten – wie es mit den loca relicta häufig geschah – der Gemeinde als Gemeinweide, pascua publica, oder unveräußerlicher Holzbestand assigniert werden[,] oder das Weiderecht auf ihnen konnte bestimmten – meist den angrenzenden – fundi zugewiesen werden – ager compascuus. Oder sie konnten, wie oft mit [A 57]dem ager extra clusus geschah, der Gemeinde zur Verpachtung für Rechnung der Gemeindekasse übereignet oder auch nur precario oder gegen Zins überlassen werden
11)
[A 57]Cf. die Stellen in Note 9.
. War gar nichts bestimmt, so blieben sie ager publicus populi Romani, und soweit die Gemeinde oder auch Private, wie es bei den subseciva oft geschah, sie in Kultur nahmen, entstand der gleiche Rechtszustand wie in republikanischer Zeit bei Okkupation des ager publicus. Die Nutzziehung war rein prekär, jederzeit konnte die Einziehung behufs neuer Assignation oder Verpachtung von Staats wegen erfolgen
12)
Cf. die Stellen in Note 8.
. Vespasian machte hiervon reichlich Gebrauch zu großer Mißzufriedenheit der Possessoren, bis Domitian der ewigen Beunruhigung der Gemeinden ein Ende machte, indem er diesen letzten Rest des ager publicus im alten Sinn in Italien den Okkupanten in einer von den Agrimensoren erwähnten allgemeinen Verfügung
13)
, von welcher ein Exemplar inschriftlich erhalten ist (C. I. L. IX, 5420), übereignete.
Bedeutung der forma[.] Praefecturae. Aus dem Vorstehenden geht schon die große Bedeutung hervor, welche die forma für diese Verhältnisse hatte. Derjenige Teil einer kolonisierten Flur, welcher auf die forma, die Flurkarte, nicht übernommen war, blieb von dem ganzen Assignationsgeschäft unberührt, gehörte in keine der vorstehend gedachten Kategorien. Soweit dagegen eine einheitliche forma hergestellt war, soweit reichte in dubio auch der einheitliche Flurbe[150]zirk
14)
[150]Das war wenigstens, wie aus Hygins Polemik p. 118 hervorgeht, die herrschende Meinung und geht auch aus der Identifikation von forma und pertica hervor[,] p. 154, 18
36
[150]Das Folgende: S. 154,16–19 Lachmann.
: … quamvis una res sit forma, alii dicunt perticam
37
In dem zitierten Text folgt nach perticam: alii centuriationem, alii metationem, alii limitationem (Siculus Flaccus, S. 154,16–17 Lachmann).
, alii cancellationem, alii typon, quod … una res est: forma.
, eventuell umfaßte er mehrere bisherige Gemeinde[A 58]fluren
14a)
[A 58]P. 164, 5 f.: … multis … erepta sunt territoria et divisi sunt complurium municipiorum agri et una limitatione comprehensa sunt: facta est pertica omnis, id est omnium territoriorum, coloniae ejus in qua coloni deducti sunt. Ergo fit ut plura territoria
38
Im zitierten Text heißt es: territoria confusa.
unam faciem limitationis accipiant.
oder Teile von solchen. Wurde, weil ein auf die forma gebrachter Flurbezirk nicht ausreichte, ein Teil einer benachbarten Flur durch ein selbständiges Koordinatensystem aufgeteilt und – was damit im Zweifel identisch war
15)
Cf. die Stelle des Siculus Flaccus in der nächsten Note.
– auch eine besondere forma dieses Bezirks hergestellt[,] und wurde nun dieser Bezirk, welcher also nur Acker, keinen eigenen städtischen Mittelpunkt enthielt, der Hauptkolonie unterstellt, so unterlag er zwar ihrer Amtsgewalt, aber nur als relativ selbständige Pertinenz, praefectura genannt, weil für einen solchen Bezirk besondere praefecti zur Handhabung der Jurisdiktion von den Magistraten der Kolonie zu delegieren waren
16)
P. 26, 10
39
Das Zitat findet sich S. 26,8–10 Lachmann.
: (Frontin l. II) quidquid huic universitati (der Kolonie) adplicitum est ex alterius civitatis fine, praefectura appellatur, – p. 49, 9
40
Das Zitat findet sich S. 49,7–9 Lachmann.
: …coloniae quoque loca quaedam habent adsignata in alienis finibus, quae loca solemus praefecturas appellare. Besonders aber Sicul. Flacc. p. 159, 26. 160
41
Das Zitat findet sich S. 159,26–160,7 Lachmann.
: Illud praeterea comperimus, deficiente numero militum veteranorum agro qui territorio ejus loci continetur in quo veterani milites deducebantur, sumptos agros ex vicinis territoriis divisisse et assignasse; horum etiam agrorum, qui ex vicinis populis sumpti sunt, proprias factas esse formas. Id est suis limitibus quaeque regio divisa est et non ab uno puncto omnes limites acti sunt, sed, ut supra dictum est, suam quaeque regio formam habet. Quae singulaepraefecturae
g
[150]A: perfecturae
appellantur ideo, quoniam singularum regionum divisiones aliis praefecerunt, vel ex eo quod in diversis regionibus magistratus coloniarum juris dictionem mittere soliti sunt (teilweise verderbter Text). Man kann es befremdlich finden, daß im Text nicht das Causalverhältnis umgekehrt angegeben und gesagt ist: für detachierte Jurisdiktionsbezirke stellte man eigne formae auf. Nun soll gewiß nicht behauptet werden, die Notwendigkeit, eine besondere forma aufzustellen, sei der juristische Grund für die Schaffung eigner Sprengel mit delegierter Jurisdiktion gewesen. Trotzdem ist die obige Fassung nicht absichtslos ge[A 59]wählt. Es ist [151]durchaus charakteristisch, daß ein einheitliches Fluraufteilungssystem in dubio auch – Ausnahmen kommen vor[,] p. 162, 3 – einem für sich bestehenden administrativen Sprengel entspricht. Rückschließend werden wir annehmen, daß dies seinen Grund darin hat, daß die einzelnen Flurgemeinschaften des alten römischen Territoriums, wie an sich wahrscheinlich, ursprünglich in irgend einer Weise administrativ gesondert nebeneinander standen, daß die Aufteilung der Gemeinschaft für jede besonders vollzogen wurde und daß diese aufgeteilten Fluren – wenn schon die Limitation angewendet wurde, jede ein besondres Koordinatensystem von Limites darstellend, – dann auch später jedenfalls einige Zeit die frühere Sonderung in der Verwaltung beibehielten. Den Versuch, sie zu den Tribus und pagi in Beziehung zu setzen, möchte ich, da die Agrargeschichte hier nicht entscheidend mitsprechen kann, nicht unternehmen. Sind aber vorstehende Ausführungen auch nur annähernd richtig, so ist in der That die gesonderte Aufteilung das historische prius gegenüber der jurisdiktionellen Sonderstellung der praefecturae. Daß dieser Ausdruck übrigens hier nur in dem im Text angegebenen Sinn der Agrimensoren gebraucht wird, versteht sich.
.
[151][A 59]Fundi redditi, concessi, excepti. Indessen auch innerhalb des von der Limitation betroffenen Areals können Grundstücke vorkommen, die von der Wirkung der Assignation ausgeschlossen bleiben. Zunächst wird uns, allerdings als Meinung nur eines Teils
42
[151]VgI. als Vertreter einer anderen Meinung die ‚quidam‘ bei Hygin, S. 118,15 Lachmann.
der Agrimensoren, berichtet, daß, wenn an der Aufteilung auch bisher auf der Flur Angesessene beteiligt waren und diesen oder einem Teil von ihnen ihr bisheriger Besitz in der gleichen Begrenzung zurückgegeben worden war – was auf der Flurkarte mit „redditum suum“ bezeichnet wurde –, die betreffenden Grundstücke dann nicht ohne besondere Bestimmung der Amtsgewalt der Kolonie unterstanden. Der Grund liegt nicht in der Persönlichkeit dieser Besitzer, etwa darin, daß sie nicht neu in die Kolonie deduziert worden waren, denn wenn alten Besitzern für ihren bisherigen Besitz neuer eingetauscht, oder nur ein Teil ihres bisherigen Besitzes zurückgegeben, für den Rest aber andrer eingetauscht ist [A 60]– „commutatum pro suo“ bezw. „redditum et commutatum pro suo“ auf den Flurkarten bezeichnet –, so tritt das betreffende Areal in den Flurverband der Kolonie ein. Sondern der Grund liegt offenbar darin, daß der bisherige Status des Grundstücks aufrecht erhalten ist. Die Assignation erfolgt, wie wir in Kap. I
43
Oben, S. 111.
sahen, nach modus agri und, wenn auch thatsächlich die Kolonisten schließlich konkrete Ackerflächen zugeteilt erhalten, so gilt doch, da die forma nur den modus des einzelnen in den einzelnen Centurien enthält, im Rechtssinne [152]nur dieser als durch das Assignationsverfahren zugewiesen. Angesichts dessen war die Ansicht möglich, daß[,] wo ein Grundstück ausdrücklich als „redditum“, also mit seinen bisherigen Grenzen und innerhalb diesen zugewiesen auf der forma notiert ist, nicht eigentlich in erster Linie modus, sondern eine konkrete Fläche zugewiesen sei und deshalb keine eigentliche Assignation vorliege. Denn wo die Rückgabe des Landes in der Weise erfolgte, daß nur die Grenzen festgestellt und auf der Flurkarte verzeichnet wurden (Fig. 185 Lachmann), war es unzweifelhaft, daß ipso jure eine Einbeziehung in die Kolonialflur nicht erfolgt war. Wurde solches Land durch besondere Bestimmung der Amtsgewalt der Kolonie unterstellt, so hieß das betreffende Areal fundus concessus, wurde es dagegen davon eximiert, fundus exceptus
18)
[A 60][152]p. 197.
.
Welcher Rechtszustand trat nun für diejenigen Teile des besiedelten Territoriums ein, die nicht in die pertica aufgenommen und auch nicht durch besondere Verfügung der Jurisdiktion einer Gemeinde unterstellt worden waren?
Rechtslage des nicht assignierten Territoriums. Wo die pertica einer Kolonie Teile eines fremden Territoriums mit ergriff, blieb die Verfassung des Restbestandes zweifellos im alten Zustande. Unter Umständen war dieser Rest ein geringfügiger, gelegentlich – so in [A 61]Caudium
19)
[A 61]C.J.L. IX, 2165. lib. col. p. 232. Auch die Tribus war dann verschieden, cf. C.J.L. IX, 2167 (Stellatina der Colonen von Benevent) mit 2168 (Faleria der Caudiner).
– war das ganze Gebiet von der pertica der angrenzenden Kolonie ergriffen, dann war die Amtsgewalt des Munizipiums auf den Bezirk innerhalb der Mauern, in praxi also wohl namentlich auf die Marktpolizei und -Jurisdiktion, beschränkt.
Wo dagegen die pertica einer Kolonie nur einen Teil des Gebietes der Gemeinde, in welche sie deduziert war, ergriff, ergab sich der Zustand, daß zwei Gemeinden nebeneinander in Form einer Doppelstadt, Alt- und Neustadt, existierten
20)
So wahrscheinlich in Interamnia Praetuttianorum (nach Frontin p. 18, womit die Inschrift C.J.L. IX, 5074 stimmt)[,] ferner Puteoli (Tac. Ann. 14, 27), Valentia (C.J.L. II, 3745), Apulum (C.J.L. III p. 183) und Thignica
44
.
. Welches die Verfassung solcher Doppelstädte und ihr Verhältnis zu einander, namentlich in [153]Abgrenzung der Amtsgewalten, gewesen sein mag, ist für uns im einzelnen nicht zu ermitteln
21)
[153]Von den Jurisdiktionsverhältnissen solcher Doppelstädte scheint das Fragment Ulpians in Dig. 27 § 1 ad municip[alem et de incolis] (50, 1) zu handeln: Wer sich stets im Municipium, nicht in der Kolonie, aufhält, in jenem alle Feste etc. mitmacht, dort einkauft etc.[,] „omnibus denique municipii commodis, nullis coloniarum, fruitur“, der hat sein domicilium in municipium, und nicht da, wo er „colendi (ruris Flor.)
47
Flor. bezeichnet die [littera] Flor[entina], d. h. die älteste und wichtigste Digestenhandschrift, aus dem 6./7. Jahrhundert n. Chr., die sich seit Anfang des 15. Jahrhunderts in Florenz befindet. – Ruris ist späterer, sprachlich nicht notwendiger Zusatz zu colere in der Florentina.
causa deversatur“. Charakteristisch ist, daß das „rus colere“ als Wesenheit der Kolonisten erscheint.
, daß sie bestanden, ist unzweifelhaft.
Nicht inkommunalisierte Grundstücke. Es ist schließlich die Frage zu berühren, was aus denjenigen oben
45
[153]Oben, S. 152.
erwähnten fundi wurde, welche keiner Gemeinde zugewiesen, sondern ausdrücklich eximiert – fundi excepti – waren. In der Zeit vor dem Bundesgenossenkrieg wären sie einfach in die tribus rusticae eingeschrieben worden. In der Zeit nachher aber war dies so nicht mehr möglich. Nach den Darstellungen der Agrimensoren wurden sie vielmehr selbständig als terri[A 62]toria konstituiert. Sie führen mit den Gemeinden Prozesse de territorio, stehen offenbar im Census selbständig und überhaupt nur unter der Zentralinstanz in Rom
22)
[A 62]P. 53. 197, 10. Näheres in Kap. IV
48
Unten, S. 326 f.
.
. Ebenso ist ihnen gelegentlich als Teil der Polizeigewalt die Marktgerechtigkeit verliehen. Sicherlich hatte das Verhältnis in den Provinzen, wo der Census für Steuern und Aushebung praktisch blieb, größere Bedeutung als in Italien – wo es auch überhaupt seltener war. In feldmesserischer Hinsicht haben wir es offenbar mit derjenigen Species des ager per extremitatem mensura comprehensus zu thun, welche Frontin (p. 5) erwähnt: auch die als fundi excepti auf der forma verzeichneten derartigen Bezirke sind ja nach ihren Besitzgrenzen auf der Flurkarte verzeichnet, also per extremitatem vermessen. Es ist bereits darauf hingewiesen
46
Ein früherer Hinweis bei Weber findet sich nicht.
worden, daß schon die Karte bei Frontin (Fig. 4) ergibt, daß ungeteilter Besitz nicht notwendig zum rechtlichen Bestand eines einheitlichen derartigen Bezirks zu gehören scheint. Auf die sonstigen staats- und [154]verwaltungsrechtlichen Verhältnisse dieser Bezirke, welche sich in der Überlieferung der klassischen Zeit sehr unscheinbar ausnehmen, aber bestimmt waren, eine höchst bedeutsame Rolle in der Entwickelung auch der römischen Agrarwirtschaft zu spielen, soll später besonders eingegangen werden (cf. Kap. IV)
50
[154]Unten, S. 326 ff.
. –
Verfassungszustände innerhalb der Kolonien.Am kümmerlichsten steht es um unsre Kenntnisse, sobald wir der Frage näher treten, welche Wirkungen die Verwandlung in eine römische Bürgerkolonie auf die Verfassungszuständc innerhalb der betreffenden Gemeinde geübt hat. Daß das Verhältnis der alten Einwohner zu den Kolonisten nach einer einheitlichen Schablone geregelt sein sollte, ist wohl ausgeschlossen. Für Nola nimmt Mommsen
51
an, daß die alten Besitzer zur plebs urbana
52
Mommsen, ebd., nimmt einen minderen Status, vor allem Entzug des Rechts der Ämterbekleidung, an.
[A 63]degradiert wurden, und in der That muß dies überall da eingetreten sein, wo das ganze Gebiet konfisziert wurde. Das entgegengesetzte Extrem bildet für die älteste Zeit Antium, wo die alten Einwohner unter die Kolonisten eingeschrieben wurden. Für
h
[154]Zu erwarten ist: In
Pompeji, wo keine von beiden Eventualitäten, sondern ein irgendwelches, aber vermutlich rechtsungleiches Verhältnis beider Kategorien geschaffen wurde, scheint der verschiedenen Qualität der Bürger auch eine verschiedene Art der Aufteilung des Ackers entsprochen zu haben
24)
[A 63][154]Nissen, Pompejan. Studien und Mommsen im Corp. Inscr. Lat. XIV
54
Das Zitat bezieht sich auf: Mommsen, CIL X (sic), S. 90.
. Freilich ist alles Nähere dunkel. Nicht einmal das ist sicher festzustellen, ob das nördliche Drittel der Stadt im Gegensatz zu den übrigen Teilen strigiert war, weil dort die Kolonen Sullas zu unveräußerlichem Besitz saßen oder weil dort die alten Einwohner als Vectigalpflichtige saßen; Mommsen
55
Mommsen, ebd.
nimmt überhaupt Verweisung der alten Einwohner vor die Thore an. Eine „Doppelstadt“ läßt sich das Verhältnis nach unsern Nachrichten nicht wohl nennen
56
Mit Mommsen, ebd., S. 89, gegen Firmani, Communi doppii, S. 210 und 215–220 (Weber nennt Firmanis Arbeit in seinem Literaturverzeichnis zu Kapitel II).
, diese Bezeichnung wird man nur da anwenden, wo, wie in Valentia, zwei ordines und deshalb auch zweierlei Amtsgewalten mit sich ausschließender Kompetenz nachzuweisen sind; sonst wären die meisten Kolonien „Doppelstädte“.
.
[155]Nach Lage der Quellen können wir jedenfalls nicht hoffen, die Verhältnisse zwischen den neu angesetzten Kolonisten und den alten Bewohnern, wo diese letzteren in einem besonderen Rechtszustand verblieben oder in einen solchen versetzt wurden, auf ein Prinzip zurückzuführen, und nur um die Ermittelung solcher Prinzipien handelt es sich hier. Die Kolonien scheinen darin untereinander sehr stark differiert zu haben. Dagegen haben wir Anhaltspunkte dafür, daß diejenigen Gemeinden, welche Bürgerkolonien waren, auch in der Kaiserzeit, trotz staatsrechtlicher Gleichstellung mit den Munizipien, in ihren internen Verhältnissen von diesen und den anderen Reichsgemeinden nach einer bestimmten Richtung differirten. Mommsen hat darauf hingewiesen, daß im [A 64]Gegensatz zu den übrigen Gemeinden, welche, soweit bei ihnen römische Untereinteilungen überhaupt vorkommen, in curiae geteilt sind, bei den Kolonien sich die Einteilung in tribus findet. Nun steht in Rom die Einteilung in tribus mit der Ackeraufteilung zweifellos in Zusammenhang, und es liegt der Schluß nahe, daß dies auch bei den Bürgerkolonien der Fall gewesen sei und daß also die Art ihrer Agrarverfassung noch in der Kaiserzeit ein ihnen wesentliches Unterscheidungsmerkmal gebildet habe. Der Möglichkeit, daß dies sich so verhalten hat, wird dadurch nicht präjudiziert, daß bei den Kolonien in Afrika
27)
Ob Hippo Regius und Lambaesis zur Zeit, wo die curiae dort erwähnt werden, Kolonien waren, ist nicht sicher. Dagegen ist dies jedenfalls bei der Kolonie Julia Neapolis der Fall (C.J.L. VIII, 974) und ebenso wohl in der trajanischen KolonieThamugadi
i
[155]A: Thamugaddi
(C.J.L. VIII, 5146)
59
Einen Beleg für curiae in Thamugadi bietet die Inschrift CIL VIII 2405; CIL VIII 5146 nennt curiae in Thagaste, das jedoch keine Kolonie war.
.
sich die Einteilung in Kurien findet. Abgesehen davon, daß wir in Rom selbst beide nebeneinander finden, stammt die Verleihung des Kolonialrechtes an die betreffenden Gemeinden aus einer Zeit, in welcher die Bürgerschaft innerhalb der Gemeinden zu Gunsten des Decurionats ebenso politisch depossediert war wie in Rom zu Gunsten des Senats, wo also, auch wenn die vermutete Differenz der Agrarverfassung bestand, es keinen Zweck mehr hat[156]te, die daraus an sich folgende Neueinteilung der Bürger vorzunehmen
28)
[156] Die einzige Ausnahme wäre Neapolis, wenn sie cäsarianische Kolonie sein sollte, was wohl kaum wahrscheinlich ist (Plinius
63
Plinius, nat. hist. 5,4,24, erwähnt Neapolis lediglich als oppidum liberum.
kennt diese Kolonie nicht).
. Auch mag eine rein titulare Verleihung der Kolonialqualität in der Kaiserzeit mehrfach stattgefunden haben
28a)
; indessen muß allerdings gerade die Auffassung
60
[156]Vgl. Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 794 f. (mit S. 794, Anm. 2).
hier bekämpft werden, als ob, wenn eine Gemeinde in eine Kolonie umgewandelt wurde, ohne daß [A 65]eine Deduktion von Neuansiedlern dorthin stattfand, es sich notwendig um eine reine Titelfrage ohne praktische Bedeutung für ihre inneren Verhältnisse oder doch nur um leere Äußerlichkeiten – IIviri statt der IVviri u. dgl. – gehandelt hätte. Dem steht entgegen, daß die Agrimensoren ausdrücklich den Fall, daß ein Munizipium „in coloniae jus transfertur
29)
[A 65]So ist p. 203, 8 zu lesen.
“, als eine sie berührende Angelegenheit behandeln; ferner ergibt sich das Vorhandensein einer praktischen Bedeutung für die Zeit Hadrians aus Gellius (16,13)
30)
Von Italica und Utica.
, und endlich wissen wir, daß Praeneste unter Tiberius um Rücküberführung aus der Kolonialqualität in die munizipale bat, was gleichfalls einen praktischen Grund gehabt haben muß. Man wird alsbald vermuten, daß dieser in der Anwendung der römischen Aufmessungsformen auf den Boden der Kolonie liegt, – worin aber das praktische Motiv dabei zu sehen ist, darüber läßt sich eine Ansicht erst aufstellen
61
, nachdem wir Klarheit darüber gewonnen haben, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentümlichkeiten die Anwendung dieser Aufteilungsformen mit sich brachte und worin also ihre praktische Bedeutung lag. Dabei haben wir zunächst von der in Italien durchweg in den Bürgerkolonien verwendeten Aufteilung per centurias, also von dem grundsteuerfreien römischen Acker, auszugehen.
[157]II.
k
[157] Inhaltsverzeichnis: 2.
Privatrechtliche und wirtschaftliche Natur des steuerfreien Ackers.
Der Grundsatz: daß des vollen Bodenrechtes nur derjenige Acker teilhaftig wurde, welcher im Wege der Assignation frei von Bodenzins und sonstigen Reallasten begeben oder dem durch besonderes Gesetz die rechtliche Qualität solches Ackers speziell beigelegt war, kann als zweifelsfrei gelten. Die Privilegien dieses Ackers, wie sie [A 66]sich insbesondere auch aus der lex agraria von 643 u. c. ergeben, sind folgende:
Privilegien desselben.1. Er war censui censendo, fähig in die Censusliste, welche für Heeres- und Steuerpflicht und politische Rechte maßgebend war, eingetragen zu werden, und demgemäß konnte auch nur er als Sicherstellung bei Pachtung öffentlicher Abgaben etc. dienen, wobei der ererbte Familienbesitz (ager patritus)
65
[157]Vgl. Z. 28 der lex agraria (Bruns, Fontes5.
gewisse, uns nicht näher bekannte Vorzüge genoß.
2. Er, und nur er, war den nationalen römischen Geschäftsformen, insbesondere der Manzipation und deshalb auch den römischen dinglichen Klagen zugänglich und unterworfen.
Censusfähigkeit. Zu 1: Die gracchischen Viritanassignationen wurden mit dem Moment censusfähig, wo ihnen die Eigenschaft als ager vectigalis genommen war. Der Acker, auf welchem die Verpflichtungen der viasii vicani hafteten, blieb censusunfähig
32)
[A 66][157] Lex agrar. 13 nach Mommsens
67
Mommsen, Lex agraria, S. 80 (dass. in: Bruns, Fontes5, S. 74, dort die Ergänzung in Z. 12 und danach wörtlich zitiert unten, S. 228, Webers Fußnote 35; vgl. auch oben, S. 113, Anm. 27).
sicherlich zutreffender Ergänzung.
. Da den gracchischen Assignationen zum vollen Eigentum nur die Veräußerlichkeit gefehlt hatte, so ist damit gegeben, daß alles zu schlechterem Recht als quiritarischem Eigentum besessene Land nicht censusfähig war. Die Frage, wie sich der Census zum bonitarischen Eigentum verhalten habe, scheint mir gleichfalls mit Sicherheit dahin zu entscheiden, daß dasselbe die Censusfähigkeit nicht besaß, dieselbe vielmehr die praktische Seite des Eigentums ex jure Quiritium war. Die weitere Darstellung ad 2
66
Unten, S. 175 f.
wird dafür, wie ich glaube, noch erhebliche Wahrscheinlichkeitsgründe beibringen.
Es ist ferner charakteristisch für die ganze Stellung des Grundeigentums in Rom, daß die lex agraria die Verwertbarkeit gewisser [158]Kategorien des von ihr zu ager privatus erklärten Landes als Pfandobjekt bei den großen Spekulationsgeschäften, zu welchen die römische Ver[A 67]waltung Gelegenheit bot, besonders regelt
33)
[A 67][158]Z. 28.
. Das Grundstück besten römischen Bodenrechts ist eben vor allen Dingen auch praedium, Kautionsobjekt zur Ermöglichung von Geldgeschäften.
Geschäfte per aes et libram.Zu 2. Ebenso charakteristisch ist die Beschränkung der dinglichen Geschäfte per aes et libram und – ursprünglich – der römischen dinglichen Klagen auf den grundsteuerfreien römischen Acker. Hierauf ist zunächst näher einzugehen.
Wirtschaftliche Bedeutung der Manzipation und des Testaments. Die Manzipation als Übertragungsform von Immobilien und Rechten an solchen entspricht einem von allen patrimonialen Lasten und jeder gemeinwirtschaftlichen Gebundenheit freien Boden ebenso wie das unbeschränkte Schalten des pater familias im Testament. Daß insbesondere das letztere von wesentlich agrarpolitischer Bedeutung war, leuchtet ein, wenn man die ursprüngliche Beschränkung der actio familiae herciscundae auf körperliche Sachen
68
[158]Mit der actio familiae erciscundae konnte beim Vorhandensein mehrerer Erben ein jeder davon jederzeit die Teilung speziell des Grundbesitzes und der Sklaven erzwingen; daher war die Möglichkeit der Einsetzung eines Alleinerben durch den paterfamilias agrarpolitisch besonders wichtig.
, d. h. in praxi die Immobilien und deren Zubehör
34)
In noch älterer Zeit allerdings beschränkte sie sich, wie ihr Name ergibt, auf das Inventar, offenbar weil damals ein privatives Bodeneigentum noch nicht bestand.
, vermöge des Satzes: „nomina sunt ipso jure divisa“ (eine Beschränkung, der auch die sprachliche Zusammengehörigkeit von heres und heredium entspricht)
69
Gemeint: Dem heres sind sprachlich nur die Immobilien (heredium; vgl. oben, S. 146) zugeordnet, nicht z. B. die mit der Erbschaft verbundenen Forderungen und Schulden (nomina).
, die geradezu geflissentliche Erschwerung der Kommunionwirtschaft seitens desRechtes
l
[158]A: Rechtes,
70
Gemeint: Durch die Erschwerung des gemeinschaftlichen Wirtschaftens wurde die Tendenz zur Grundbesitzteilung (z. B. mittels der actio familiae erciscundae) begünstigt.
und die Gefahren, welche das Prinzip der gleichen Teilung für die Erhaltung des Grundbesitzes in der Familie stets ergeben hat, zusammenhält mit der Thatsache, daß auf diese Erhal[159]tung der größte Wert gelegt wurde
35)
[159]Cf. die Entmündigungsformel für Verschwender
72
Die Entmündigungsformel bezieht sich speziell auf die Vergeudung des „Erbguts“ (bona paterna avitaque). Vgl. auch die Erwähnung der Formel in der von Weber verwendeten Arbeit von Mommsen, Pompejanische Quittungstafeln, S. 124, Anm. 3.
und die oben
73
gedachten Vorrechte des praedium patritum.
und bei der politischen Bedeutung des Grundbesitzes gelegt werden mußte. Die Zwölftafelgesetzgebung gab dem römischen Bauer in der nur an formale Schranken ge[A 68]bundenen Testierfreiheit ein Mittel in die Hand, welches, verbunden mit der lebenslänglichen patria potestas und der Möglichkeit, jederzeit durch ein neues Testament die getroffene Wahl des Erben zu ändern, in denkbar schärfster Weise den gleichen Zweck, welchen man in moderner Zeit durch Anerbenrecht und Gutsübertragungsverträge zu erzielen strebt, verfolgte und zugleich doch die Autorität des Familienhauptes intakt erhielt. In welchem Grade selbst noch in späterer Zeit von diesem Mittel Gebrauch gemacht wurde, zeigt der Umfang der mit bloßer Verbalinterpretation von Testamenten und namentlich von Exheredationen und Substitutionen sich beschäftigenden Partien der Rechtsquellen. Zu Gunsten des heres verstieß der römische Familienvater seine übrigen Söhne vom ererbten Gut
36)
[A 68]Dies könnte im Widerspruch mit dem hier angenommenen Zweck der Maßregel zu stehen scheinen, es ist aber zu bedenken, daß die politische Seite des Verhältnisses die rein wirtschaftliche sicher überwog. Nicht die Erhaltung des konkreten Grundstücks, um davon zu leben, war es, worauf es ankam, sondern daß der erbende Sohn und dessen Nachkommen, in deren Hand die sacra der Familie blieben, als Hüfner in der Tribus und der gleichen Censusklasse verblieben.
; sie gehörten im Gegensatz zu denen, welche „im Erbe saßen“ – den adsidui[,] zum Stande der proletarii, was schwerlich „Kindererzeuger“
71
[159]Kinderzeuger (sic): so (im Anschluß an die antiken Erklärungen) Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 89, und ders., Römisches Staatsrecht 3,1, S. 238, Anm. 2. Der genaue ursprüngliche Wortsinn bleibt umstritten. – Weber hat sich auch später stets gegen Mommsens Erklärung gewandt: vgl. Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 11; dass.2, S. 77; dass.3, S. 152; Weber, Wirtschaftsgeschichte1, S. 281.
heißt – das wäre ein Scherz gewesen, wie ihn die offizielle Sprache der Gesetze
71a
sich schwerlich erlaubt hat, – sondern „Nachkommen“
37)
Cf. hidalgo = fijodalgo, filius alicuius
74
Hidalgo: Spanische Bezeichnung für einen Adeligen, besonders den Angehörigen des niederen, z. T. verarmten Geburtsadels. Der Wortform nach allerdings nicht „Sohn jemandes“ (filius alicuius – so wiederholt in: Weber, Altgermanische Sozialverfassung, S. 452, Anm. 2), sondern „von etwas“ (algo, aus aliquod), d. h. wohl – genetivus qualitatis – „von Vermögen“.
.
– eines angesessenen Bürgers nämlich – bezeich[160]net, also die Leute, welche ihrerseits cives nur deshalb waren, weil ihr Ahn einst kraft seines Grundbesitzes es war. Diese Proletarier sind mithin zum guten Teil die „Enterbten“ im wörtlichen Sinn, und ein sicherlich sehr im Vordergrunde stehender Bruchteil derjenigen Volksklasse, deren Landhunger durch Viritanassignationen und durch Eroberungskriege gestillt [A 69]werden mußte, nach welchen weder fest auf ihrer Scholle sitzende Bauern noch ein städtischer Kleinbürgerstand zu rufen pflegen. Die strenge Durchführung der Verfügungsfreiheit für den Grundbesitz und dessen völlige Mobilisierung war hier ein mächtiger Hebel der Expansionskraft
38)
[A 69][160]Wäre nicht durch die Eroberungskriege die Versorgung der übrigen Söhne auf dem gewonnenen Land möglich gewesen, so wäre die Erhaltung des Familienbesitzes durch deren Exheredation unmöglich gewesen. Die gleiche Situation führt den „Landhunger“ der Germanen herbei. Daß die sog. Geschlossenheit der Bauernhufen in Deutschland sich länger hielt, war nur dem Umstande zu danken, daß der Bauernbesitz nur zu einem Minimum von grundherrlicher Abhängigkeit frei war. Nur auf abhängigem Lande, in Rom auf dem ager vectigalis, in Deutschland im hörigen Bauernbesitz, kann dauernd Unteilbarkeit des Besitzes sich erhalten. – Es ist im übrigen charakteristisch für das Bestehen des im Text behaupteten Zusammenhangs,daß
m
[160] In A folgt: sobald
mit Vollendung der Expansion des römischen Flurbezirkes und nachdem das zur Besiedelung bereitstehende Land im wesentlichen vergeben war, die Testierfreiheit durch die Praxis des Centumviralgerichtshofes vermittelst der Inofficiositätsfiktion beseitigt wurde
75
[160]Den Zusammenhang zwischen unversorgtem Nachwuchs, Testierfreiheit und römischer Expansion hat Weber auch später wiederholt hervorgehoben; vgl. Weber, Untergang der antiken Kultur, S. 62; ders., Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 10 f.; dass.2, S. 77, sowie ders., WuG1, S. 428 f.
. – Die teilweise bevölkerungspolitische Bedeutung des uralten ver sacrum, soweit es den Auszug des in der Heimatsgemeinde überschüssigen und unversorgten und aus diesem Grunde den Göttern anheimgestellten Nachwuchses bedeutet, ist naheliegend, und die sacrale Konstruktion dieser Maßnahmen als Opfer bringt richtig zum Ausdruck, daß dieselbe dem gleichen Zweck dient, wie die älteste bevölkerungspolitische Maßregel, das Menschenopfer, dessen sich Völker, welchen die Expansion nach außen bei beschränktem Nahrungsraum versagt ist (wie die Dravidas
76
Dravida: Bevölkerung Südindiens, Angehörige der dravidischen Sprachengruppe. Menschenopfer kamen – wenn auch nicht aus dem von Weber angegebenen Grund – dort (und anderswo in Indien) noch im 19. Jahrhundert vor. Die Quelle Webers ließ sich nicht ermitteln.
in Indien), noch jetzt bedienen. Im übrigen ist die Organisation derartiger, bei den Germanen, wie bekannt, wiederkehrender Auszüge durch die Heimatsgemeinde ebenso charakteristisch für die alte genossenschaftliche, wie die spätere unorganisierte Verweisung des Bevölkerungsüberschusses auf das öffentliche, teils vorhandene, teils durch Eroberungskriege der Gemeinschaft zu erwerbende Land für die spätere Struktur des Agrarwesens. Den stetigen Zusammenhang zwischen Eroberung und Landanweisung zeigt Frontin, strat. 4, 3, 12.
.
Dingliche Klagen. Nicht minder charakteristisch ist die ursprüngliche [161]Beschränkung des römischen ordentlichen Vindikationsverfahrens auf den steuerfreien ager privatus. Der Mangel [A 70]der Realexekution und die Interesseliquidation nach vorhergehendem Präjudizialbescheid, eine Prozedur, welche dem klagenden Eigentümer statt des Grundstückes, welches er verlangte, nur dessen in Geld ausgedrückten Verkehrswert gab
77
[161]Eine spätere rechtssoziologische Interpretation dieses von Weber öfter betonten Tatbestands (vgl. etwa S. 134, 166, 250 f.) in WuG1, S. 390 f.
, haben eine offenbare Ähnlichkeit mit den Differenzenliquidationen im Zwangsverfahren heutiger Börsenordnungen
78
D.h.: Wenn ein Börsengeschäft von dem dazu Verpflichteten nicht erfüllt wurde, konnte sein Kontrahent bei der dann fälligen Zwangsregulierung von ihm gegebenenfalls nicht die Ware bzw. die Effekten, sondern lediglich Schadenersatz wegen Nichterfüllung, und zwar die Differenz zwischen dem vertraglich festgesetzten und dem Tagespreis erhalten. Vgl. z. B. Bedingungen für die Geschäfte an der Berliner Fondsbörse, giltig vom 1. Januar 1890 ab, in: Zeitschr. für das Gesammte Handelsrecht, N. F. 22. Band, 1890, hier S. 496.
. Daß diese Ähnlichkeit keine zufällige ist, zeigt eine Betrachtung der Stellung, welche die Vindikation innerhalb der auf agrarische Verhältnisse bezüglichen Streitigkeiten überhaupt einnimmt.
Agrimensorische genera controversiarum. Hierzu bedarf es eines etwas näheren Eingehens auf die agrimensorischen genera controversiarum, d. h. diejenigen Rechtshändel, in welchen die Agrimensoren, sei es als technische Beiräte des Richters, sei es als maßgebende sachverständige Instanz fungierten, soweit dieselben sich um Eigentumsstreitigkeiten drehen. Die Agrimensoren scheiden die auf Besitzverhältnisse bezüglichen Streitsachen in solche „de fine“ und „de loco“. Ersteres
39)
[A 70][161]P. 12. 37. 41. 126.
sind die Grenzregulierungsstreitigkeiten, welche uns hier zunächst nicht interessieren, letztere die über den Umfang der ersteren hinausgehenden Rechtshändel über Grundeigentum und Besitz. Es fällt darunter jeder Streit über Grundflächen, welche über das Maß von 5 bezw. 6 Fuß
79
Ca. 1,48 bzw. 1,77 m.
Breite hinausgehen, da ein Streifen von dieser Breite als nach den Grundsätzen der Grenzregulierungen zu behandelndes, dem Eigentumsprozeß ebenso wie der Usukapion entzogenes Areal galt. Unter die Streitigkeiten „de loco“ (im weiteren Sinne), d. h. alle diejenigen, welche nicht im judicium finium regendorum zu erledigen sind, gehören vor allem die controversiae de loco (im engeren Sinne) und de modo. Auf den Unter[162]schied beider hat u. a. Voigt hingewiesen, m. E. aber zu Unrecht den[A 71]selben als einen bloßen Unterschied der zu verwendenden Beweismittel – bei der controversia de modo Urkunden, bei der controversia de loco, welche identisch mit der Vindikation sei, beliebige andere – charakterisiert. Allerdings ist die Berufung auf gewisse Urkunden wesentlich für die controversia de modo und das Gegenteil für die controversia de loco, aber dies hängt mit der bei beiden verschiedenen rechtlichen Natur des Klaggrundes und des Petitum zusammen.
Controversia de modo und de loco. Die controversia de modo
41)
[A 71]Cf. p. 13. 45. 76. 131.
entsteht durch die Behauptung einer Partei, daß sie nicht im Besitz des auf Grund der Flurkarte, forma, und der nachweislichen rechtsförmlichen Eigentumsübertragungsakte – insbesondere Manzipationen – innerhalb der Flur ihr zustehenden modus sei. Die Partei behauptet hier nicht, daß ihr diese oder jene bestimmte Parzelle des Bodens von Rechts wegen gehöre und herausgegeben werden müsse, sondern, wie bemerkt, nur: daß der thatsächlich von ihr besessene modus nicht in Übereinstimmung mit dem laut forma ihr zukommenden stehe; sie beansprucht eine Revision der thatsächlichen Flurverhältnisse und Zuweisung ihres vollen modus
42)
Als daher die lex agraria v. 643 u.c. die teilweise übergroßen Landlose, die C. Gracchus in Karthago vergeben hatte, beschränken wollte, verfügte sie: neive (IIvir)
81
„(Ilvir)" von Weber erläuternd aus Ζ. 59 (Bruns, Fontes5, S. 82) des Gesetzes hinzugesetzt.
unius hominis (nomine)
n
[162]A: nomine
… amplius jug.
81a
D.h.: jug(era).
CC in (singulos homines data assignata esse fuisseve judicato). Die controversia de modo wurde also einfach auf einen hohem Betrag von jugera nicht zugelassen resp. hatte keinen Erfolg, die Regulierung der Flur erfolgte auf Grund der Annahme, daß den Berechtigten nur der geringere modus zustehe. Nur der modus ist Objekt der Assignation, nicht aber eine konkrete Grundfläche.
. Dagegen behauptet die Partei bei der controversia de loco
43)
Cf. p. 13. 43. 80. 129 (Lachmann).
umgekehrt, daß ihr eine bestimmte Parzelle gehöre, und beansprucht deren Herausgabe, ohne sich darauf zu berufen, daß sie nicht im Besitz des ihr [A 72]laut forma zukommenden modus sei, vielmehr lediglich gestützt auf den Titel, [163]aus welchem sie die konkrete Grundfläche erworben haben will. Der wesentliche Unterschied beider ist also zunächst, daß auf ager arcifinius die controversia de loco hauptsächlich vorkommt, diese aber auch auf assigniertem Acker vorkommen kann, die controversia de modo dagegen überhaupt nur auf Acker, welcher in eine forma gebracht ist, möglich ist
44)
[A 72][163]Frontin p. 13, 3 über die controversia de loco: haec autem controversia frequenter in arcifiniis
o
[163]A: acrifiniis
agris … exercetur, dagegen eod. Z. 7: De modo controversia est in agro adsignato. Ebenso in den Stellen, welche in den vorhergehenden Noten citiert sind.
.
Rechtliche Natur der controversia de modo. Betrachten wir zunächst die controversia de modo. Ihren praktischen Erfolg schildert D. 7 finium regundorum (10,1.) dahin: De modo agrorum arbitri dantur, et is, qui maiorem locum in territorio habere dicitur, ceteris, qui minorem locum possident, integrum locum assignare compellitur.
Ganz dasselbe ergeben die Äußerungen der Agrimensoren (p. 39, 45), folglich vollzieht sich innerhalb des betreffenden Flurabschnitts eine reale Neuaufteilung derart, daß nunmehr unter Neuziehung der Grenzen jedem Besitzer das ihm zukommende Quantum Land zugewiesen wird. Der Agrimensor benutzt dabei das Kartennetz, welches die forma bietet, er stellt die linearii her und sucht mit Hilfe der Angaben, welche die forma über den modus der einzelnen acceptae enthält
47)
Cf. namentlich Frontin p. 55, 13:
p
A: p. 55, 13;
si r[es] p[ublica] formas habet, cum controversia mota est, ad modum mensor locum restituit. Allerdings handelt es sich hier um loca publica, allein entscheidend ist, daß Entscheidung auf Grund der forma identisch ist mit Zuweisung des modus.
, soweit möglich die früheren Grenzen wiederherzustellen, wobei die Kultur[A 73]art Anhaltspunkte bietet
48)
[A 73]Frontin l. c. Agg. Urb. p. 11, 8f.
83
[163]Weber zitiert offenbar Frontin, S. 39,1 ff. und S. 45,11 ff. Lachmann. Zu Frontin, S. 39,1 ff. Lachmann vgl. unten Webers Fußnote 49; der Text ebd., S. 45,11 ff., im folgenden (unten, S. 164) von Weber ausgeschrieben. Die zitierte Stelle aus Agennius Urbicus findet sich S. 76,3–11 Lachmann.
, oder er zieht neue in der Art, daß jeder den ihm zukommenden modus erhält. Eine Grenzregulierung gewöhnlicher Art ist das Verfahren schon deshalb nicht, weil die Herstellung der alten Grenzen nur eins von [164]mehreren möglichen Mitteln zum Zweck ist. Dieser letztere besteht in der Zuweisung des staatlich verbrieften Landes an den Berechtigten. Diesem ist aber laut forma nicht ein konkretes Grundstück mit bestimmten Grenzen adsigniert, sondern nur ein bestimmter modus agri. Die Zuweisung dieses modus ist also das eigentliche Ziel des Verfahrens. Nach mehreren Richtungen erleidet es jedoch zur Zeit der Agrimensoren in der Durchführung wesentliche Modifikationen. Zunächst bemerkt Frontin (p. 45. 11 ff.) über die controversia de modo: Quom autem in adsignato agro secundum formam modus spectetur, solet tempus inspici et agri cultura. Si iam excessit memoria abalienationis, solet iuris formula (non silenter) intervenire et inhibere mensores, ne tales controversias concipiant, neque quietem tam longae possessionis inrepere sinit. Si et memoria sit recens, et iam modus secundum centuriam conveniat et loci natura indicetur et cultura, nihil impediet secundum formas aestimatum petere: lex enim modum petiti definite prescribit, cum ante quam mensura agri agatur modus ex forma pronuntiatus cum loco conveniat. Hoc in agris adsignatis evenit. Nam si aliqua lege venditionis exceptus sit modus, neque adhuc in mensuram redactus, non ideo fide carere debebit, si nostra demonstratio eius in agro non ante finiri potuerit quam de sententia locus sit designatus.
Hiernach steht also der Durchführung der Neuaufteilung der unvordenkliche Besitzstand entgegen. Die Folge ist dann, wie aus Frontins Worten hervorgeht, daß ein Anspruch auf forma nicht mehr gegründet [A 74]und also die eigentliche modus-Klage nicht durchgeführt werden kann
49)
[A 74][164]Die Erwähnung der „agri cultura“ in der obigen Stelle hat jedenfalls nur den Sinn, daß der Agrimensor nicht, um einer Partei ihren modus realiter zu restituieren, bei der Neuaufmessung Land verschiedener Kulturart zusammenwerfen darf, wie auch Frontin p. 39, 11 f.
84
[164]Die zitierte Stelle findet sich S. 39,1 ff. Lachmann.
wohl besagen will. Die Differenz muß event[uell] in Geld beglichen werden (aestimatum petere). Ein rechtlicher Hinderungsgrund der Erhebung der controversia de modo ist die Kulturart nicht, wie Sic. Flacc. p. 161, 3 f. ergibt.
. Allein auch wo keine unvordenklichen Besitzstände vorliegen, dringt das Verlangen auf Zuweisung des laut forma und formgerechter Urkunden dem Petenten zustehenden modus da nicht durch, wo bestimmte Parzellen durch die gewöhnliche Usukapion und also nach den Grundsätzen derPubliciana
q
[164]A: Publicina
auch [165]durch Erwerb auf Grund von bona fide emtio und traditio Eigentum eines Beteiligten geworden sind. Hier stellt sich dann das Recht an dem konkreten locus dem Anspruch auf den modus wie eine Exception entgegen, eine Rechtslage, welche an das überall unter gleichen Umständen wiederkehrende Verhältnis zwischen Bucheigentum und materiellem Eigentum erinnert, wie noch im weiteren
85
[165]Unten, S. 177.
ausgeführt werden wird. Hieraus ergibt sich schon, daß die Klage auf den modus bei alten Feldfluren nur noch selten und auch bei jungen Assignationen, wo starker Besitzwechsel und Parzellierung stattfand, oft nicht mehr praktisch sein mußte
50)
[165]Cf. Hygin (p. 131, 16) über die controversia de modo: hoc comperi in Samnio, uti quos agros veteranis divus Vespasianus adsignaverat, eos jam ab ipsis quibus adsignati erant aliter possideri, quidam enim emerunt aliqua loca adjeceruntque suis finibus et ipsum, vel via finiente vel flumine vel aliquolibet genere: sed nec vendentes ex acceptis suis aut ementes adicientesque ad accepta sua certum modum taxaverunt, sed ut quisque modus aliqua, ut dixi, aut via aut flumine aut aliquo genere finiri potuit, ita vendiderunt emeruntque. Ergo ad aes quomodo perveniri potest …?
, wie das auch die Agrimensoren [A 75]bestätigen
51)
[A 75]Das ganze Verhältnis zwischen den controversiae de modo und de loco muß jeden Agrarhistoriker an die Stellung erinnern, welche das sogenannte Stufland beim dänisch-schleswig-holsteinischen Reebningsverfahren
86
Reebning: Eigentlich (Neu-)‚Vermessung‘; reeb, eine ältere Schreibung von dänisch reb, (Meß-)‚Seil‘. Hier wird erneut der unmittelbare Einfluß Meitzens greifbar, bei dem – nach dem Vorgang Hanssens und Olufsens – die dänischen Rechtsbücher des 13. Jahrhunderts und das dort überlieferte, freilich nicht auch in Holstein eingeführte Reebningsverfahren eine große Rolle für die Erkenntnis früher agrarischer Zustände spielten. Vgl. etwa Meitzen, Agrarpolitik3, S. 143 f.; ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 25, 63, 78 f., 112 und 311 (hier auch Verweis auf die vorliegenden Ausführungen Webers), sowie dass., Band 3, S. 532 f. und 546 f. Vgl. auch oben die Einleitung, S. 17.
einnimmt. Das Reebningsverfahren besteht bekanntlich (Hanssen, Agrarhist. Abh. I p. 54 ff.) darin, daß eine nach dem Hufensystem, also in Gewannen mit Gemengelage, ausgelegte Flur resp. ein einzelnes Gewann, weil Verwirrung des Besitzstandes eingetreten ist und Beteiligte behaupten, daß sie in dem betreffenden Gewann oder mehreren derselben nicht mehr im Besitz des ihnen nach ihrem Hufenrecht zukommenden Areals sich befinden, neu aufgemessen und, soweit nötig, neu verteilt wird, unter Zugrundelegung der Hufenrechte (Jüt[sches] L[ow]
88
Jütsches Low (dies die von Hanssen verwendete Form): das „Jütische Recht“; auf dem Volksrecht Jütlands beruhendes, 1241 von König Waldemar II. von Dänemark veröffentlichtes Rechtsbuch, im Bereich des Herzogtums Schleswig noch bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) in Geltung.
, I, 49, [166]55[;] Erich-Seel[ändisches] Ges[etz]
91
Erich-Seeländisches Gesetz (so Hanssen): „Erichs seeländisches Gesetz“ – Rechtsaufzeichnung von der dänischen Hauptinsel Seeland aus der Zeit kurz vor dem Jütischen Recht, von Hanssen und Meitzen noch auf die Zeit um 1290 datiert. Über den Autor (dänisch: Erik) ist nichts Näheres bekannt. – Webers Zitate aus beiden Rechtsaufzeichnungen beruhen offenkundig ausschließlich auf den Ausführungen Hanssens.
II, 54). Ursprünglich waren nun unzweifelhaft nur Quotenabveräußerungen (½, , Hufe etc.) zulässig, und auch wohl nur im Erbteilungswege. Später – schon sehr früh – ist es aber zulässig, auch konkrete Parzellen abzuveräußern, und in der Zeit, aus welcher wir das Reebningsverfahren kennen, war die Konsequenz gezogen, daß solche titulo singulari erworbenen Parzellen, das Stufland, von der Reebningsprozedur insofern unberührt blieben, als sie nicht in die Teilungsmasse eingeworfen werden mußten, sondern ihrem Besitzer, den Nachweis des Erwerbes vorausgesetzt, in ihren bisherigen Grenzen verblieben
93
Vgl. Hanssen, ebd., S. 51.
(s. noch die bei Hanssen, l. c. p. 56
94
Das Zitat stammt aus Hanssen, ebd.,, S. 58.
citierte Schlesw[igsche] Einkoppelungsverordnung vom 26. Januar 1770), ganz ebenso wie der titulo singulari erworbene – und, wie für die ursprüngliche Rechtslage nach dem, was die nachfolgende
95
Vgl. besonders unten, S. 174 f. und 183.
Darstellung ergeben wird, hinzugefügt werden muß: ersessenelocus agri von der Neuaufteilung infolge der controversia de modo. Die Analogie wird sich noch weiter zeigen. – Es liegt auf der Hand, daß auf Fluren, wo Parzellenabveräußerungen häufig vorkamen, die Reebningsprozedur bald unpraktisch werden mußte.
. Überdies aber führte nach dem Prozeßverfahren, wie wir es kennen, die Erhebung der controversia de modo, wenn der Rechtsstreit bis zu Ende ausgetragen wurde, in historischer Zeit gar [166]nicht zu einer realen Neuregulierung des Besitzstandes, sondern zur Geldkondemnation, der Anspruch auf den modus verwandelte sich, wie die früher
89
[166]Oben, S. 164.
citierte Stelle Frontins zeigt, in ein aestimatum petere ex forma
90
Der Ausdruck lautet bei Frontin, S. 45,18 Lachmann: secundum formas aestimatum petere (vgl. auch die Wiedergabe des Textes bei Weber, S. 164).
und war damals also allerdings nur noch ein Spezialfall der gewöhnlichen Vin[A 76]dikation, nur mit eigenartiger Klagebegründung. Die reale Neuvermessung fand danach nur statt, wenn die Partei sich dem arbitrium de restituendo fügte, welches unter Mitwirkung der Agrimensoren zu stande kam, und damit näherte sich die controversia de modo freilich im Effekt der grundsätzlich von ihr scharf geschiedenen controversia de loco. Verhältnis zur controversia de loco.Diese letztere ist die gewöhnliche auf einen Erwerbstitel bezüglich einer bestimmten Parzelle gestützte und auf deren Herausgabe gerichtete echte oder publizianische Vindikation
52)
[A 76]Frontin p. 44, 8, wo die Erhebung der controversia de loco identifiziert wird mit dem Interd[ictum] Uti possidetis und der Vindikation ex jure Quiritium, berner Hygin p. 129, [167]12: De loco si agitur. Quae res hanc habet quaestionem, ut nec ad formam nec adullum
r
[167]A: ullam
scripturae (= Manzipationsurkunde
s
A: Munizipationsurkunde
) revertatur exemplum. Sed tantum hunc locum hinc dico esse, et alter ex contrario similiter.
. Der Feldmesser hat dabei nur eine untergeordnete Rolle zu [167]spielen, wie dies auch die Agrimensoren selbst hervorheben
53)
Hygin l. c. p. 130, 1: Constabit tamen rem magis esse juris quam nostri operis, quoniam saepe usucapiuntur loca, quae in biennio possessa fuerunt
99
Der Text Hygins lautet hier: fuerint (vgl. unten, S. 174, Webers Fußnote 71).
.
, von einer Neuaufmessung eines Flurabschnitts ist hier natürlich keine Rede, es handelt sich lediglich um die Frage, ob ein konkretes Areal auf Grund eines vom Recht anerkannten Erwerbsgrundes zu einem bestimmten fundus gehört oder nicht. Es ist nun aber klar und schon angedeutet
97
[167]Oben, S. 164 f.
, daß die Anwendbarkeit und praktische Bedeutung der controversia de loco im Lauf der Zeit auf Kosten derjenigen der controversia de modo an Terrain gewinnen mußte. Wurden in einer Flur Veräußerungen von Parzellen vorgenommen und dabei der modus des verkauften Stückes gar nicht oder doch nicht auf Grund einer agrimensorischen Vermessung, sondern nur nach ungefährer Schätzung in die Kaufurkunde aufgenommen
55)
Hygin in der schon cit. Stelle p. 131.
[,] oder [A 77]fanden Veräußerungen durch Übergabe auf Grund formlosen Vertrages statt, so konnte später nicht ohne Schwierigkeit, unter Umständen gar nicht mehr auf die forma zurückgegriffen werden, es war dann nur die Regulierung nach den Grundsätzen der controversia de loco möglich. Die controversia de modo erscheint unter diesem Rechtszustande wie bemerkt
98
Oben, S. 166.
nur wie eine unter besonderen Umständen anwendbare Species der Vindikation bezw. der Grenzregulierungsklage
56)
[A 77]Zu letzterer Kategorie scheint sie Papinian
101
Die Stelle stammt aus Modestin.
in der oben
102
Oben, S. 163.
cit. Stelle D.
t
A: S.
7 fin[ium] regund[orum]
u
A: cregund.
103
zu stellen. Daß die controversia de modo etwas anderes ist, als ein bloßer Grenzregulierungsprozeß, ist schon bemerkt
104
Oben, S. 161 f. und 163 f.
und wird noch weiter
105
dargethan werden.
.
[168] Ursprüngliche Bedeutung des modus agri.
Aber ursprünglich stellte sich das Verhältnis anders.
Veräußerungen nach nach modus agri.
Wir müssen nach den Quellen annehmen, daß selbst bis in die Zeit der klassischen Jurisprudenz es nicht als normal angesehen wurde, wenn Parzellen ohne eine genaue agrimensorische Feststellung ihres modus abveräußert wurden, daß es dagegen umgekehrt noch damals als etwas Gewöhnliches erschien, daß eine bestimmte Anzahl jugera an einer ungefähr – vielleicht nach der Centurie
56a)
[168]In dieser Weise fand die Bezeichnung des Kaufobjekts bei den öffentlichen Landverkäufen statt, wie die Bestimmungen der lex agraria von 643 ergeben.
, oder auch durch Angabe des Nachbars, an welchen der abverkaufte Streifen grenzen soll – bezeichneten Stelle der Flur unter Festsetzung des Preises pro Morgen verkauft und dann in Ausführung dieses Kontrakts eine diesem modus entsprechende Fläche aufgemessen und dem Käufer zugewiesen wurde, wie dies z. B. in dem in l. 5 pr. si mensor fals[um] m[odum] dix[erit] (11, 6)
57)
Ulpianus l. XXIV ad Edictum. Si mensor non falsum modum renuntiaverit, sed traxerit renuntiationem, et ob hoc evenerit, ut venditor laederetur
2
laederetur: So die von Weber verwendete Kriegelsche Digestenausgabe; Krüger-Mommsen: liberetur. Vgl. oben den Editorischen Bericht, S. 82 f.
, qui assignaturum se modum intra certum diem promisit etc. Also: verkauft ist der modus – jeden[A 78]falls mit Preis pro jugerum, und es soll nun der Agrimensor ein Grundstück aufmessen, welches diesem modus entspricht, damit der Verkäufer ein solches, wie zugesagt, dem Käufer überweisen könne. Die umgekehrte Auslegung, daß ein bestimmtes Grundstück verkauft sei und dessen modus bestimmt werden sollte behufs Preisbemessung, ist deshalb nicht statthaft, weil dann eine laesio des Verkäufers nicht möglich wäre. Diese liegt aber vor, wenn, wie es der Fall ist, als Kaufobject der modus galt und der Verkäufer also nicht rechtzeitig durch Übergabe dieses modus erfüllen konnte, also in mora geriet.
behandelten Fall vorausgesetzt wird.
[A 78]Das Regelmäßige ist allerdings damals, daß ein bestimmtes Areal als Kaufobjekt in Aussicht genommen und ein bestimmter Preis pro Morgen verabredet wird; alsdann wird das Land vermessen und danach der Kaufpreis festgesetzt
58)
. In D. 45 de evictionibus (21,2) hält Alfenus es indessen noch für nötig, besonders zu betonen, daß, wenn das verkaufte Areal von dem angegebenen Modus divergiert, für die Eviktionspflicht in dubio der Umfang des ersteren maßgebend sein soll. Die Gepflogenheit, nach Zahl der jugera zu verkaufen [169]und den Preis pro jugerum zu verabreden, und die Anschauung, daß Kaufobjekt der angegebene modus agri ist, geht ferner daraus hervor, daß bei teilweiser Eviktion noch Paulus in l. 53 eodem die Ansicht vertritt, es komme auf die Bonität des evinzierten Landes nicht an, sondern der Verkäufer hafte lediglich auf Erstattung des Preises für die Anzahl der entwährten jugera, wie er denn auch in D. 4, § 1 de a[ctionibus] e[mpti] v[enditi]
4
[169] = Dig. 19,1.
die Verpflichtung des Verkäufers in erster Linie auf die versprochene Zahl von jugera bezieht
59)
[169]Nur wo bestimmte Zahlen von jugera Weinland, Ölland etc. verkauft sind – eine Anlehnung an die Katasterkategorien – soll pro bonitate loci die aestimatio gemacht werden. Papinian vertritt in D. 64 § 3 de evict[ionibus] die entgegengesetzte, modernere Ansicht, daß es bei teilweiser Eviktion stets auf die Bonität ankomme.
, ebenso wie Scävola in D. 69, § 6 de evictionibus. Endlich geht die gedachte Übung auch [A 79]aus der Art der Regreßpflicht des Feldmessers, wie sie in dem Titel Si mensor falsum modum dixerit (11, 6) niedergelegt ist, hervor: es wird dabei davon ausgegangen – l. 5 pr. l. c. –, daß jemand einen bestimmten modus agri verkauft hat, der Mensor den Auftrag erhält, ein dementsprechendes Stück Land aufzumessen, damit dies dann übergeben werde, und daß er hierbei bezüglicher Weise zu viel (l. 3, § 3 eodem) oder zu wenig (l. 3, § 2 eodem) aufgemessen hat. Man sieht, daß die Grundstückskäufe als ganz wesentlich den modus betreffend aufgefaßt werden. Es ist kein Zweifel, daß der Grund dafür hauptsächlich darin liegt, daß die ursprüngliche Form des Grundstückskaufs, die Manzipation, eine reale Übergabe eines begrenzten Areals als Voraussetzung des Eigentumsüberganges nicht kennt und deshalb auch juristisch nicht Veräußerung eines bestimmten Areals, sondern eines bestimmten modus agri ist, – und dies wieder hatte seinen Grund sicherlich darin, daß die forma bei der Assignation nur den modus enthielt und daß auch für die Censusprofession der modus anzugeben war. Denn mit Sicherheit kann angenommen werden, daß der uns überlieferten Klassifikation der Bürger nach dem Geldwert des Vermögens eine solche nach der Größe der Ackerhufen voranging
60)
[A 79]Cf. die nach Nissens Nachweisungen in regelmäßigen Abstufungen steigenden Größenklassen der Grundstücke in Pompeji, und Nissens zutreffende Bemerkungen dazu in dessen „Pompejanischen Studien.
, zumal solange [170]noch eine Agrarverfassung auf Grundlage einer Flurgemeinschaft irgend welcher Art bestand, und es ist recht wahrscheinlich, daß die Bewertung der Hufen in Geld eben mit der Beseitigung der älteren Agrarverfassung und der strengen Durchführung des Individualeigentums am Grund und Boden eintrat, und zwar doch wohl ähnlich wie bei der multa zu einem gesetzlichen Umrechnungskurs pro jugerum. Mithin bestand ein öffentliches Interesse gerade an der [A 80]Feststellbaren des jeweilig im Besitz der einzelnen Bürger befindlichen modus agri
61)
[A 80][170]Siculus Flaccus (p. 138, 11) schildert den Gegensatz der occupatorii agri zu den divisi
a
[170]A: divini
et assignati dahin: Horum ergo agrorumnullum
b
A: nullam
estaes
c
A: nec
, nulla forma, quae publicae fidei possessoribus testimonium reddat, quoniam non ex mensuris actisunus
d
A: nunc
quisque modum accepit … Ein solches öffentliches testimonium gewährte aber die forma den possessores nicht für die Grenzen ihres Landteiles, sondern, wie auch die Stelle selbst sagt, nur für ihren modus.
. Es ist deshalb anzunehmen, daß die Aufnahme des verkauften modus in die Manzipationsformeln und -Instrumente rechtlich ursprünglich notwendig war
62)
Es ist zur Würdigung der praktischen Seite des ganzen Verhältnisses nötig, sich immer gegenwärtig zu halten, daß bei Verwendung der Manzipation zum Eigentumsübergang Tradition nicht notwendig war, wie schon hervorgehoben wurde
8a
Oben, S. 169.
.Wurde
e
A: Würde
nun ein bestimmter modus manzipiert, so ging, wenn eine Aufmessung des verkauften Objekts auf der Flur noch nicht stattgefunden hatte, eben das Anrecht auf diesen modus auf den Käufer über. Man sage nicht, daß es sich von selbst verstanden habe, daß nur konkrete und begrenzte Grundflächen manzipiert werden konnten. Alle nach dem Hufenprinzip – wie immer dasselbe im einzelnen gestaltet war – organisierte Agrarverfassungen gehen, sobald die Abveräußerung überhaupt zulässig wird, zuerst zu Quotenveräußerungen, dann erst zu Veräußerungen konkreter Grundflächen über. Es ist anzunehmen, daß dies in der römischen Rechtsentwickelung vermutlich ganz ebenso sich vollzogen hat.
. Wir haben also für die ältere Zeit die Veräußerung nach dem und die Klage auf den modus als dem ager assignatus charakteristisch anzusehen. Über die Entwickelungsgeschichte und Bedeutung beider Erscheinungen lassen sich noch einige Vermutungen aufstellen.
Quoten- und Parzellenveräußerung. Wie früh überhaupt die Veräußerlichkeit der Hufe und die damit keineswegs gegebene Zulässigkeit der Abveräußerung von Parzellen vom fundus zulässig geworden ist, steht für uns naturgemäß vollkommen dahin; wir können nur aus der Unveräußerlichkeit der nach der Überlieferung
8
[170] Vgl. Mommsen, Römisches Staatsrecht 3,1, S. 23, Anm. 3.
zuerst aus der Feld[171]flur zu relativ vollstem [A 81] Individualbesitzrecht ausgeschiedenen heredia schließen, daß, solange die – wie immer geartete – Flurgemeinschaft bestand, allgemein irgendwelche Beschränkungen weitgehender Art existierten, wie sich dies übrigens bei jeder Flurgemeinschaft für die älteren Entwickelungsstadien von selbst versteht. Noch abnormer aber erscheint in einer Flurgemeinschaft eine Veräußerung von einzelnen konkreten Parzellen, während die Abtretung von aliquoten Teilen der einem Genossen in einem Flurbezirk zustehenden Gerechtsame viel früher als möglich anerkannt zu werden pflegt
63)
[A 81][171]Cf. die vorige Note.
. Die Veräußerung von Acker nach dem modus, wie sie nach der hier vorgetragenen Ansicht das Wesen der Manzipation ausmacht, steht aber ungefähr in der Mitte zwischen Quotenveräußerung und Veräußerung von konkreten Parzellen. Ferner ist als sicher anzunehmen – und zwar mochte die Gestaltung der Flurgemeinschaft im einzelnen sein, welche sie wollte, sofern sie nur überhaupt, wie für Rom wohl zweifellos ist, nicht clanschaftlich, sondern genossenschaftlich organisiert war
9
[171]Vgl. S. 141–143.
–, daß von Anfang an zwei Rechtsbegriffe als different scharf entwickelt waren: das Hufenrecht (um den Ausdruck zu verwenden), d. h. die Berechtigung zur Teilnahme an der Flurgemeinschaft überhaupt, und der daraus sich ergebende Umfang der dem einzelnen Berechtigten auf den einzelnen Teilen der Flur zustehenden speziellen Befugnisse. Letztere sind die Konsequenz der ersteren, allein die Frage nach der Hufenberechtigung verhält sich zu den einzelnen daraus herzuleitendenRechten
f
[171] A: Rechten,
wie die hereditatis petitio zu den erbschaftlichen Singularklagen.
Die römische Hufenverfassung. Der technische Ausdruck für Genossenrecht ist „fundus“. Es ist diese Bedeutung des Wortes noch im italischen Bundesrecht haften geblieben. Wenn eine italische Bundesstadt einen römischen Gemeindebeschluß bei sich als Gesetz verkündet, so heißt es von ihr: „fundus fit“, [A 82]d. h. sie tritt als Rechtsgenosse bei
64)
[A 82]Marquardt identifiziert „fundus fieri“ mit „auctor fieri“. Es ist hier nicht der Ort, den Unterschied beider Begriffe zu untersuchen, es ist aber ein solcher vorhanden. Vom Senat bezüglich eines Volksschlusses konnte man sicher nicht sagen: patres fundi fiunt. [172]Fundus“ wird der, welcher als Gleichstehender, als Genosse, beitritt, und dies ist eben auch die Bedeutung bei den gedachten Bundesstädten. Denn es war natürlich jeder souveränen Gemeinde unbenommen, römische Institutionen durch eigne Gesetze bei sich einzuführen und wieder aufzuheben, wenn es ihr beliebte. Eine italische Bundesstadt aber, welche „fundus“ wurde, nahm – das ist offenbar der spezifisch juristische Wert des Ausdrucks – das betreffende Gesetz als römisches, mit der Tendenz, Bundesrecht zu schaffen, von dem Haupt des Bundes erlassenes an. Durch ein Gesetz, welches von den Bundesstaaten mittelst des fundus fieri acceptiert war, wurde deshalb auch Recht der Genossenschaft, Bundesrecht, geschaffen, und die höchst wahrscheinliche juristische Konsequenz muß gewesen sein, daß eine einseitige Abänderung durch die Bundesstädte nicht zulässig war. Rom hatte, wenn diese Ansicht richtig ist, das Recht der Initiative zu Bundesgesetzen, und welche Rolle diese Befugnis im römischen Staatsrecht gespielt hat und welches Licht hiermit auf die staatsrechtliche Natur des „foedus aequum“ fällt, braucht nicht gesagt zu werden.
. In derselben Bedeutung wird das Wort bei Gellius [172](Noct. Att. 19, 8) von demjenigen gebraucht, der einem Gesetzesvorschlag beitritt.
Was die Bedeutung von fundus als „Grundstück“ anlangt, so ist noch in der Kaiserzeit ersichtlich, daß nicht jedes beliebige begrenzte Stück Land als „fundus“ bezeichnet werden kann. Unbedingt gehört einerseits zum fundus die villa. Andrerseits gehören nicht alle Ländereien bezw. alle Berechtigungen zu dem fundus, welche der Eigentümer desselben neu erwirbt, sondern nur dann, wenn sie in die Wirtschaft des Stammgrundstücks einbezogen sind. Der fundus gilt noch immer [A 83]als zwar nicht rechtlich, aber faktisch geschlossen
66)
[A 83] Cf. D. 26 de a[dquirenda] v[el] a[mittenda] p[ossessione]
15
, wo die Möglichkeit des Besitzes eines pars pro diviso fundi
16
Ebd. wird von einer (certa) pars pro indiviso eines fundus gesprochen.
besonders hervorgehoben wird, und die sonst auffallende Fassung (maxime si ex alio agro qui fuit ejus … adjecit) in D. 24 § 2 de legat[is] I
17
.
und jedenfalls als eine Sachgesamtheit
67)
Hierher gehört auch die mehrfach erwähnte „dos fundi“, worüber Mommsen im Hermes XI p. 390 ff.
18
Das Zitat bezieht sich auf Hermes 15 (Mommsen, Decret des Commodus, S. 406).
zu vergleichen ist.
. Sicherlich kamen die gentilizischen Beinamen auf „ianus“ nur Grundstücken zu, welche eine solche „Hufe
11
repräsentierten. In alledem zeigt sich, wie mir [173]scheint, eine Reminiscenz an die alte Bedeutung von fundus als Hufenrecht, Genossenrecht innerhalb der agrarischen Gemeinschaft. Nachdem dann die Aufteilung des Gemeinbesitzes stattgefunden hatte – wir können den Vorgang getrost als „Separation
68)
[173]Den Gegensatz zu der germanischen Flurgemeinschaft bezeichnet Caesar in der berühmten Stelle bell. Gall. IV, 1 als „privatus ac separatus ager“.
bezeichnen, mögen die Modalitäten gewesen sein, welche sie wollten –, trat an Stelle des alten, wie immer gearteten, Rechtsstreits über die Hufenberechtigung die Vindikation des Fundus als Gesamtheit und an Stelle des alten Verlangens nach „Gewannregulierung“ die controversia de modo in ihrer von den Agrimensoren überlieferten Gestaltung. Daß man diese beiden Rechtshändel, die Inanspruchnahme des Genossenrechts selbst und den Anspruch auf Zuweisung des Genossenanteils an irgend einem Teil der Flur (der deutschen Reunionsklage
19
[173]Reunionsklage: Klage des deutschen Privatrechts, vor allem seit dem 17. Jahrhundert, auf Wiedervereinigung von abgetrennten bzw. veräußerten Stücken (Pertinenzen) eines Hofs (Stammguts) mit diesem. Siehe z. B. Beseler, Georg, System des gemeinen deutschen Privatrechts, 4. Aufl. – Berlin: Weidmann 1885, S. 865; vgl. auch Meitzen, Agrarpolitik3, S. 192, zu den Bestrebungen des kameralistischen Staates des 17. und 18. Jahrhunderts, die geschlossenen Bauernhöfe zu erhalten.
und dem dänischen Reebningsantrag entsprechend), als prozessual gleichwertig behandelt haben sollte, ist nicht glaublich
69)
Die Agrimensoren scheiden scharf die controversia de proprietate von denjenigen de modo und de loco, welche letzteren die Ausdehnung eines fundus betreffen, während die controversia de proprietate ein Grundstück als Gesamtheit betrifft – p. 15, 48, 80. Die uralte vindicatio gregis ist ein der vindicatio fundi entsprechendes Rechtsmittel.
, vielmehr kann die erstere nur durch die höchste richterliche Instanz der agrarischen Genossenschaft [A 84]entschieden worden sein, während der letztere, wie wir sahen, noch später wesentlich als technische Einzelfrage behandelt wurde. In der Zeit nach den zwölf Tafeln finden wir nun die Eingesessenen der Feldflur in den Tribus organisiert und später das Centumviralgericht, gebildet durch je drei Deputierte der 35 Tribus, als Gerichtshof über die Frage, ob jemand heres, Hufenbesitzer kraft Erbrechtes ist; wir finden ferner, daß auf dem Gebiet der Immobiliarklagen anscheinend eine Konkurrenz der Kompetenzen zwischen den centumviri und den gewöhnlichen judices stattfindet. Mir scheint hiernach zweifellos, daß, wenn überhaupt eine ausschließliche Kompetenz der centumviri auf dem Gebiet der Grundstücksklagen stattfand – und [174]dies ist trotz Wlassaks gegenteiliger Ansicht
70)
[A 84][174]Römische Prozeßgesetze passim
23
Wlassak (von dessen Römischen Proceßgesetzen Weber nur der 1. Band vorlag) hielt das Centumviralgericht für eine späte Institution und in den von ihm behandelten Angelegenheiten auch nur für eine von den Kontrahenten wählbare Alternative neben dem Einzelrichter, vgl. Wlassak, Römische Proceßgesetze 1, S. 110–114 und 206–235; speziell gegen eine ausschließliche Kompetenz bei Grundstücksklagen vgl. ebd., S. 87, Anm. 1, und S. 223.
.
an sich recht wahrscheinlich –, diese in den Fundusklagen, d. h. den Klagen auf Zuerkennung der Hufe als Ganzes, bestanden haben muß. Dies stimmt auch mit der Form der legis actio sacramento als Präjudizialklage und der Notwendigkeit der Kontravindikation
21
[174]Für die Doppelseitigkeit der Vindikation (als Eigentumsbehauptung) im Verfahren der legis actio sacramento in rem: Roth, Lehre von der Legis actio sacramento (von Weber im Literaturverzeichnis zu Kapitel II genannt), und Dernburg, Entwicklung und Begriff des juristischen Besitzes; dagegen: Bekker, Zu den Lehren von L.A. sacramento (beide von Weber im Literaturverzeichnis zu Kap. III genannt). – Eine ausführliche rechtssoziologische Interpretation von Vindikation und Kontravindikation im hier von Weber angenommenen Sinn findet sich in WuG1, S. 418 f. (vgl. auch ebd., S. 391).
dabei im Gegensatz zur formula petitoria. Wo zwei darum streiten, wer zu einer Hufe berechtigt ist, muß ein positiver Entscheid, event[uell] auf Grund des relativ besseren Rechts, getroffen werden, sonst entsteht ein in den öffentlichrechtlichen Beziehungen unerträgliches vacuum; handelt es sich dagegen nur um Herausgabe einer bestimmten Parzelle, so hat die Abweisung der Klage eben nur die Konsequenz, daß alles beim alten bleibt. Mit dem fortschreitenden Verfall der alten Grundlagen des römischen Staatswesens verlor sich dann freilich die Reminiscenz an die alte Bedeutung von „fundus“ und wurde auch der alte technische Wert von „modus agri“ derart durchlöchert, daß auf ihn nur aus den kümmerlichen Resten, welche die controversia de modo uns bietet, zurückgeschlossen werden kann.
[A 85] Agrarhistorische Bedeutungder Usukapion. Durchbrochen war die Grundlage des modus-Prinzips, wie oben
22
Oben, S. 164 f.
schon hervorgehoben wurde, bereits durch die Zulassung der Usukapion
71)
[A 85]Über die controversia de loco sagt Hygin p. 130, 1: Constabit tamen rem magis esse juris quam nostri operis, quoniam saepe usucapiuntur loca quae in biennio possessa fuerint. Also: Die Zulassung der Usukapion bedeutet den Ausschluß der spezifisch agrimensorischen Thätigkeit. Vergleiche die früher citierten Stellen.
. Denn diese bedeutet die Möglichkeit des Eigentumserwerbes auf Grund
  1. [175]einer justa causa; – welche Titel als justi zu gelten haben, ist der Entwickelung der Praxis überlassen, in erster Linie ist der formlose Kaufvertrag darunter begriffen;
  2. der Übergabe; – hier zeigt sich die Bedeutung des Instituts am klarsten: die alte Manzipation, welche keine Übergabe voraussetzte, lehnte sich an die Quotenveräußerung an, war vielmehr selbst, da ihr Objekt der modus war, streng genommen eine solche (wenn sie nicht den ganzen fundus betraf); die neue Erwerbsform hat es dagegen nur mit konkreten begrenzten Parzellen zu thun, denn nur solche können übergeben werden;
  3. des zweijährigen Besitzes.
Die Zulassung dieser Erwerbsform bedeutete, um es so auszudrücken, die Einführung des locus-Prinzips als gleichwertig neben dem modus-Prinzip. Denn der Zweck und die praktische Bedeutung der Usukapion lag zwar später, nicht aber ursprünglich in dem Schutz des gutgläubigen Erwerbes vom Nichteigentümer. Für die ältere Zeit geht das Gegenteil aus dem prätorischen Edikt hervor. Durch Lenel's
25
[175]Lenel, Prätorisches Edict, S. 1–54.
Untersuchungen ist klargestellt, daß das ältere der beiden Edikte
26
Lenel unterschied ebd. noch zwei Klauseln des Edikts, eine für den bonitarischen Eigentümer und eine für den gutgläubigen Käufer, die er freilich beide als gleichzeitig betrachtete (vgl. ebd., S. 50). – Die – auch von Lenel später aufgegebene – Annahme zweier Edikte wurde u. a. nachdrücklich bestritten in der von Weber im Literaturverzeichnis zitierten Arbeit von Erman, Beiträge zur Publiciana, S. 225 f., der zugleich auf die beginnende Wandlung von Lenels Position hinwies.
über die publizianische Klage den Schutz nicht des bonae fidei possessor, sondern des bonitarischen Eigentümers, also desjenigen, welcher eine res mancipi vom Eigentümer nicht manzipiert, sondern ex justa causa tradiert erhalten hatte, bezweckt. [A 86]Dies Eingreifen des Prätors enthielt aber nur eine Fortbildung der bereits von den zwölf Tafeln anerkannten Entwickelung.
Denn das Motiv für Erlassung des Edikts war doch, daß sich der spätere sogen[annte] bonitarische Eigentümer vorher während der Usukapionsfrist gegenüber dem quiritarischen Eigentümer in prekärer Lage befunden hatte: dem Census gegenüber war der letztere ausschließlich legitimiert, und ebenso konnte er, solange die exceptio rei venditae et traditae nicht bestand, dem Recht nach das Land einfach wieder an sich ziehen, sofern er dies nur nicht gewaltsam oder „heimlich“ that und dadurch mit dem Besitzinterdikt in Kon[176]flikt geriet; ebenso war der Erwerb bis zum Ablauf der Usukapionsfrist nur possessorisch gegen Dritte geschützt. Erst nach zwei Jahren trat zugleich die Censusfähigkeit und der privatrechtliche Schutz ein. Nun ist offenbar, daß diese ganze Situation nur beim Parzellenerwerbe Sinn hatte: die Mancipation ist an sich eine so überaus bequeme Übertragungsform, daß man in all den Fällen, wo man sie verwenden konnte, sicherlich keine Veranlassung hatte, nur um die Zuziehung der sieben
27
[176]Grundsätzlich waren für den Manzipationsakt fünf Zeugen erforderlich, außerdem ein „Waagehalter“ (libripens); z. T. erscheint auch ein „antestatus“ als Zeuge – ob zusätzlich, ist jedoch fraglich. Vielleicht handelt es sich um eine Verwechslung Webers mit den sieben Zeugen bei der Testamentserrichtung. Vgl. unten, S. 187, Anm. 62.
Zeugnispersonen zu umgehen, sich der Notwendigkeit auszusetzen, erst einen Kaufvertrag zu schließen, dann die Übergabe zu bewirken – beides doch auch in einer später im Prozeßwege ev[entuell] nachweisbaren Form – und endlich noch zwei Jahre zu warten. Dagegen hatte dies alles guten Sinn, wenn man nach Verlauf der zwei Jahre sicher war, die bestimmte Grundfläche, welche Gegenstand der Übergabe gewesen war, behalten zu können und nicht bei einer auf die forma und das Censusregister bezw. die Manzipationsurkunden sich stützenden Provokation auf Flurregulierung nach dem modus unter Umständen zum Teil in veränderter Begrenzung wiederzuerhalten, wenn man also die Rechte des Stuflandes gegenüber dem Reebning des dänischen Agrarrechtes erhielt. Das erwähnte
28
Oben, S. 175.
ältere
29
Vgl. dazu S. 175, Anm. 26.
publizianische Edikt brachte [A 87]nun die Neuerung, daß der Erwerber privatrechtlich schon vor Ablauf der zweijährigen Frist dem quiritarischen Eigentümer gleichstand. Nur die Censusfähigkeit trat noch jetzt erst mit dem quiritarischen Eigentum ein
72)
[A 87][176]Wer weitere Beweise für die Beziehungen des quiritarischen Eigentums und der Usukapion zum Census verlangt, kann sie aus der usucapio pro herede entnehmen. Obwohl es sich bei derselben um die hereditas, das gesamte Hufenrecht des Erblassers, handelt, und nicht wie sonst um einzelne Sachen, genügt hier der bloße Besitz von einem Jahr und ohne jeden Titel als den Fortfall des frühern Hüfners durch den Tod zur Vollendung der Usukapion. Der Grund ist: es war unzulässig, daß eine Hufe direkt vakant wurde, daß dem Census und den Göttern gegenüber niemand legitimiert war, deshalb wurde schon im nächsten Jahr der Inhaber einfach als Hüfner zugelassen und eingetragen, wenn nicht der eigentlich Berechtigte im Lauf des Jahres sein Recht geltend machte. Dagegen war die längere Frist bei Veräußerungen inter vivos weniger bedenklich, denn hier galt einfach, bis der Usukapient sein inzwischen entstandenes Eigentum nachwies, der alte quiritarische Eigentümer als Hüfner beziehungsweise als Besitzer seines frühern [177]modus agri. Bezeichnend für die öffentlichrechtliche Bedeutung der usucapio pro herede ist, daß nach dem Wortlaut des publizianischen Edikts
29a
[177]Vgl. Lenel, Edictum Perpetuum, S. 130.
der Usukapient hier während der Usukapionsfrist kein der Publiciana ähnliches Rechtsmittel besitzt.
, [177]denn darüber hatte der Prätor nichts zu bestimmen. Während der Usukapionsfrist standen sich jetzt das „Briefeigentum“ des dominus ex j[ure] Quiritium, welches für die öffentlich-rechtlichen Beziehungen maßgebend war, und das materielle Eigentum desjenigen, welcher die tradierte Grundfläche in bonis hatte, gegenüber.
Agrarhistorische Bedeutung des Besitzesschutzes.Existierte denn nun vor Einführung der Usukapion keinerlei rechtlicher Schutz der Innehabung und damit auch des Erwerbes konkreter Parzellen? Mußte der Hufenberechtigte etwa, wenn ihm ein bisher in seinem Besitz befindliches Areal ohne Rechtsgrund entzogen und vorenthalten wurde, stets zu dem Mittel des Antrages auf Neuaufmessung des betreffenden Flurbezirks greifen, [A 88]wie es die Erhebung der controversia de modo war? Das wäre ein auch bei Bestehen einer Flurgemeinschaft unerträglicher Rechtszustand gewesen. Allein allerdings konnte der Schutz nicht im gewöhnlichen ordentlichen Rechtsgang erfolgen, denn in diesem wurde nur quiritarisches Eigentumsrecht geltend gemacht, und Gegenstand dieses Rechtsgangs ist also unter der alleinigen Herrschaft des modus-Prinzips nur der fundus als Gesamtheit, die Hufenberechtigung, und der modus, das Quotenanrecht des Hüfners an dem einzelnen Flurbezirk (in der separierten Flur der centuria, in der Flurgemeinschaft dem „Gewann“ resp. der diesem entsprechenden Einheit). Und ebenso konnte der Schutz im Besitz bestimmter Parzellen nur unvorgreiflich des Rechtes jedes Hüfners, die Neuaufmessung (das „Reebning“) des Gewannes resp. der Centurie zu verlangen, gewährt werden und eben deshalb, da er nur einen de jure provisorischen Zustand herbeiführte, auch nur gegen bestimmt qualifizierte Verletzungen des Besitzstandes sich richten, nicht aber zu einer eingehenden meritorischen Erörterung des materiellen Rechtszustandes der einzelnen Besitzer führen: gab es ja doch materielle Rechte an bestimmten Grundflächen eigentlich nicht, der jederzeitigen Möglichkeit der Neuaufteilung wegen, derzufolge der gesamte Besitzstand als etwas streng genommen rein faktisches und als Recht nur das im modus [178]ausgedrückte Anteilsrecht galt. Erwägen wir, welches uns bekannte Rechtsmittel hiernach den Schutz des dermaligen Aufteilungszustandes in der Flur zu gewähren geeignet war, so bieten sich uns ohne weiteres die possessorischen Interdikte dar. Das, wie bekannt, auf Grundstücke beschränkte, auf Antrag eines Besitzers an den Besitzstörer erlassene Interdictum de vi befahl
73)
[A 88][178] Nach Lenels Restitution.
: „Unde in hoc anno tu illum vi dejecisti aut familia tua dejecit, cum ille possideret, quod nec vi nec [A 89]clam nec precario a te possideret, eo illum quaeque ille tunc ibi habuit restituas.“ Praktisch betrachtet, wird hier also der Besitzzustand, wie ihn die Feldbestellung der einzelnen Besitzer im vorigen Jahre ergibt, gegen solche Angriffe, welche unter den Begriff der „vis“ fallen, geschützt. Die Beziehung zur Ackerbestellung ist besonders deutlich aus der ausdrücklichen Erwähnung der Dejektion durch die den Acker bestellende familia ersichtlich. Einen zweiten Fall rechtswidrigen Vorenthaltens konkreter Parzellen betrifft das interdictum de precario, gerichtet gegen den Parzellenpächter, welcher von ältester Zeit an in der römischen Landwirtschaft eine bedeutende und sozial oft traurige Rolle gespielt hat: Quod precario ab illo habes … id illi restituas
30
[178]Vgl. Lenel, Edictum Perpetuum, S. 389.
. Hier war also, der Natur der Sache entsprechend, eine Zeitbeschränkung nicht im Interdikt enthalten. Höchst wahrscheinlich richtete sich ein drittes, später unpraktisch gewordenes besonderes Edikt gegen den dritten, stets mit dem vi und dem precario erworbenen zusammen genannten, vitiösen Besitzstand, die clandestina possessio, sicher auch auf Schutz des Besitzstandes des letzten Jahres beschränkt. Also sehen wir, daß dem Besitzer hier das von ihm bewirtschaftete Areal gegen Entziehung mit Gewalt, durch heimliche Occupation und seitens des Pächters gewährleistet wird. Denn daß es das Areal, der locus, ist, um welchen es sich beim Besitzstreit handelt, folgt zunächst aus der Sache selbst und wird auch von den Agrimensoren ausdrücklich gesagt, welche von ihrem Standpunkt aus die rei vindicatio und das Interdikt als gleichwertige, je nach den Umständen praktisch verwertbare Möglichkeiten ansehen, den entzogenen locus wiederzuerlangen
74)
[A 89] Frontin p. 44. De loco, si possessio petenti firma est, etiam interdicere licet, dum cetera ex interdicto diligenter peragantur: magna enim alea est litem ad interdictum [179]deducere, cujus est executio perplexissima. Si vero possessio minus firma est, mutata formula ex
33
ex: von Weber hinzugesetzt.
jure Quiritium peti debet proprietas loci.
. [179]Neben [A 90]den gedachten zwei resp., wie anzunehmen ist, drei Interdikten stand dann das ursprünglich wohl jedenfalls als Manutenenzdekret gedachte Interdikt
31a
[179]Vgl. Lenel, Edictum Perpetuum, S. 377.
: Uti possidetis eum fundum q[uo] d[e] a[gitur]
a
[179]A: e.
, quominus ita possideatis, vim fieri veto, welches für den ager publicus, wo es das einzige den Bestand der Besitzverhältnisse – den locus – ohne Rücksicht auf bereits vorgefallene Störungen gewährleistende Rechtsmittel war, am meisten praktische Bedeutung hatte
75)
[A 90]Denn es hatte den Zweck, eine Untersuchung des gegenwärtigen Besitzstandes und dessen Feststellung zu ermöglichen. Es scheint mir nicht zweifelhaft, daß das Hauptanwendungsgebiet der Besitzinterdikte, wie Dernburg
34
annimmt, der ager publicus war, aber er war nie das einzige gewesen.
, später aber durch die Aufnahme des Vorbehalts „quod nec vi nec clam nec precario alter ab altero possidetis“ und dessen Interpretation durch die Jurisprudenz zu demsubsidiären
b
A: subsidären
Rechtsmittel zur Wiedererlangung des Besitzes überhaupt wurde. Eine eingehende Erörterung der praktischen Bedeutung und der historischen Entwickelung der mannigfachen agrarischen Besitzinterdikte, soweit der Stand der Untersuchungen eine solche noch erwünscht erscheinen läßt, kann hier nicht versucht werden, sondern muß einer besonderen Erörterung
32
Den hier angedeuteten Plan einer Untersuchung der ‚agrarischen‘ Besitzinterdikte hat Weber nicht ausgeführt. Vgl. oben die Einleitung, S. 44, sowie Webers spätere, zurückhaltende Bemerkung zur Frage der Entstehung und Geltung der possessorischen Interdikte, in: Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 160.
vorbehalten bleiben. Das aber scheint mir zweifellos, daß die eigentümliche Struktur des römischen Rechtes der possessio, der de jure provisorische Charakter
75a)
Der Mangel der Untersuchung „funditus“ = nach Maßgabe des Hufenrechts.
der im Besitzverfahren getroffenen Entscheidungen einerseits und andererseits die Subtilität des Verfahrens selbst mit seinem Rattenkönig von Sponsionen, Lizitationen und den sonstigen „cetera ex interdicto“, und die eigentümlichen Grundsätze, nach welchen zu entscheiden war, alles Eigenschaften, welche zu einem Besitzinterimistikum in unserem Sinne in keiner Weise passen, sich aus der Stellung des possesso[180]rischen Verfahrens im ältesten Agrarrecht erklärt. Denn in einem seiner wichtigsten An[A 91]wendungsgebiete führte das Besitzverfahren eben nicht nur zu einem bloß provisorischen Bescheid, sondern ergab ein Definitivum: auf dem ager publicus. Hier gab es keinen modus agri und deshalb kein quiritarisches Recht, sondern nur „locus“ und deshalb auch nur Rechtsmittel, welche den locus schützten: die Besitzinterdikte. Dagegen auf dem privaten ager assignatus standen sich, abgesehen von der das Hufenrecht als Ganzes betreffenden legis actio sacramento ex jure Quiritium betreffend den fundus, ursprünglich gegenüber: ein Rechtsmittel, welches auf Grund des Hufenrechtes den Besitzstand entsprechend dem modus agri des einzelnen neu regulierte: die controversia de modo, – und Rechtsmittel, welche den locus, das Areal, welches der einzelne in Bewirtschaftung hatte, schützten, aber natürlich, da der locus rechtlich nur die Projektion des modus agri sein sollte, insofern provisorisch, als die definitive Neuregulierung auf Grund des modus-Anrechtes vorbehalten blieb: die possessorischen Interdikte. Das Verhältnis zwischen den letzteren und der modus-Kontroverse ist das gleiche noch in der späteren Kaiserzeit, wie folgende Konstitution Konstantins vom Jahre 330 p. Chr. ergibt: C. Theod. 1 fin[ium] regend[orum] II, 26 (= C. Just. 3 eod. III, 39
76)
[A 91][180]Die Kompilatoren haben das Gesetz folgendermaßen verunstaltet: Si quis super sui juris
35
[180]sui juris: so entsprechend der von Weber benutzten Kriegelschen Ausgabe des Cod. Just. (Mommsen: iuris sui); vgl. den Editorischen Bericht, S. 82 f.
locis prior de finibus detuleritquerimoniam
c
[180]A: quaerimonium
, quae proprietatis controversiae cohaeret, prius super possessione
36
In der von Weber zugrunde gelegten Ausgabe des Cod. Iust. (Kriegel: possessiones). Die Übereinstimmung mit dem Text der Mommsenschen Ausgabe (super possessione) ist nur scheinbar; vgl. den Editorischen Bericht, S. 83, Anm. 10.
quaestio finiatur et tunc agrimensor ire praecipiatur ad loca, ut patefacta veritate hujusmodi litigium terminetur. Quodsi altera pars, ne hujusmodi quaestio terminetur, se subtraxerit, nihilominus agrimensor in ipsis locis jussione rectoris provinciae una cum observante parte hoc ipsum faciensperveniet
d
A: perveniat
. – Man sieht, es ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was es ursprünglich sagte, daraus geworden. Aber natürlich war die contr[oversia] de modo in Justinians Zeiten längst verschollen.
):
Si quis super invasis sui juris locis prior detulerit querimoniam, quae finali cohaeret cum proprietate controversiae, prius super possessione quaestio finiatur [A 92]et tunc agrimensor ire praecipiatur ad [181]loca, ut patefacta veritate hujus modi litigium terminetur. Quodsi altera pars, locorum adepta dominium, subterfugiendo moras attulerit, ne possit controversia definiri ad locorum ordines, directus agrimensor dirigatur ad loca et si fidelis inspectio tenentis locum esse probaverit, petitor victus abscedat, etsi controversia ejus claruerit qui prius
37
[181]Der Text lautet an dieser Stelle: primo.
detulerit causam, ut invasor ille poenae teneatur addictus, si tamen ea loca eundem invasisse constiterit; nam si per errorem aut incuriam domini loca dicta ab aliis possessa sunt, ipsis solis cedere debeant
e
[181] A: debeat
.
Der Sinn der übel redigierten, vielleicht auch korrumpierten Stelle ist m. E. folgender: Es laufen zwei Streitfälle zwischen zwei auf vermessenem Lande aneinander grenzenden Grundbesitzern nebeneinander her: eine controversia de loco und zwar, wie die Stelle im weiteren klar ergibt, ein Besitzprozeß, und ein Verfahren, welches als „finalis de proprietate controversia“ – denn dies ist wohl der Sinn des Inhaltes des verstümmelten Relativsatzes
77)
[A 92][181]Es ist meines Erachtens an der betreffenden Stelle zu lesen: „quae cum finali cohaeret de proprietate controversia“.
– bezeichnet wird. Dies letztere soll offenbar die damals nicht oft mehr praktische controversia de modo bezeichnen, welche in der Kaiserzeit mehrfach als eine Erweiterung des judicium finium regundorum über die 5 bezw. 6 pedes
38
Ca. 1,48 m bzw. 1,77 m. Vgl. S. 161.
hinaus aufgefaßt wurde, weil bei beiden die reale Neuziehung der Grenzlinien Zweck des Verfahrens war
78)
Daß die controversia de modo nicht mit der Grenzklage identisch ist, etwa ein Spezialfall derselben, ist klar, da die Grenzklage nicht dia Zuweisung des modus bezweckt, und auch außerhalb des ager assignatus vorkommt. Später aber, als die modus–Kontroverse zu einer nur ausnahmsweise praktikablen Prozedur wurde, konnte sie allerdings, da sie prinzipiell reale Grenzziehung bezweckte, leicht als eine Erweiterung der Grenzklage über die latitudo der 5 resp. 6 pedes hinaus aufgefaßt werden, wie es denn auch geschehen ist. Die Grenzklage unterscheidet sich auch [A 93]dadurch von der contr[oversia] de modo, daß ihr gegenüber die Usukapion unwirksam ist.
. Die eine Partei [A 93]hat den Besitzstreit erhoben, die andere antwortet mit dem Antrag auf Einleitung des modus-Verfahrens, – Frage: wie verhalten sich beide prinzipiell einander ausschließende Prozeduren gegenseitig, entfällt die Besitzstreitigkeit einfach, weil ihr Ergebnis, nachdem bereits die Neuaufmessung beantragt ist, doch nicht zur praktischen [182]Durchführung gelangt? Darauf wird geantwortet: Es soll jedenfalls zuerst der Besitzstreit zur Durchführung gelangen. Alsdann soll der Agrimensor sich an Ort und Stelle begeben und nach den ordines loci, d. h. der forma und den zugehörigen Akten, den jedem der Beteiligten zukommenden modus agri ermitteln. Verzögert die im Besitzstreit obsiegende Partei – locorum adepta dominium
79)
[182]Soll heißen: possessionem. Die inkorrekte Ausdrucksweise erklärt sich daraus, daß als Gegensätze nur die Gegenstände der parallel laufenden beiden Kontroversen: modus und locus, gedacht sind.
– den Fortgang der controversia de modo, so soll sofort der Agrimensor hingeschickt werden, und stellt sich dann heraus, daß dem im Besitzstreit unterlegenen früheren Inhaber (tenens) das streitige Areal nach den Grundsätzen der controversia de modo hätte zugesprochen werden müssen, so soll der Kläger im Besitzstreit (petitor) trotz seines Obsiegens in diesem (etsi controversia ejus claruerit qui prior
39
[182]Der Text lautet an dieser Stelle: primo (vgl. auch oben, S. 181).
detulerit) als Unterlegener behandelt und bei mala fides zur Herausgabe nebst Strafsumme (fructuum-Lizitationssumme
f
[182] A: fructuum = Lizitationssumme
etc.)
40
Weber meint offenkundig das von Gaius, inst. 4, 167 geschilderte Verfahren.
verurteilt werden. Die Provokation auf das Interdikt, die gewöhnliche rei vindicatio (loci) und die controversia de modo sind also für die Parteien verschiedene Wege, die zum gleichen Ziele führen und von denen man den in casu praktischsten wählt, je nachdem man die Klage auf dem einen oder dem anderen Wege besser zu substanziieren vermag
80)
Cf. die schon cit. Stelle des Siculus Flaccus
42
Die Stelle stammt aus Frontin.
p. 44.
.
[A 94]Stellen wir uns nun den Rechtszustand vor der Zulassung der Parzellenusukapion vor, so war derjenige, welcher eine Parzelle im Wege der Landleihe (precario) erhalten hatte, gegen dritte possessorisch geschützt, dagegen gegenüber seinem Lehensherrn auch possessorisch schutzlos
81)
[A 94]Es ist sicherlich charakteristisch für den wesentlich positiven Charakter des römischen Besitzesrechtes, daß neben gewaltsamer und heimlicher Besitzergreifung als vitium possessionis auch das Leihverhältnis gegenüber den Lehnsherren galt und daher ev. im Besitzprozeß erörtert werden mußte, Beweis genug dafür, was es mit dem „rein faktischen“ Charakter des Besitzes ursprünglich auf sich hatte; – später ist allerdings eine derartige Abstraktion von den Juristen versucht worden, aber erst, nachdem das alte [183]Recht der possessio in seiner praktischen Bedeutung sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte.
. Wer dagegen sonst eine Parzelle erworben [183]hatte, der war zwar dem Hüfner gegenüber auch rechtlos, der dominus allein war dem Census gegenüber Inhaber, er konnte im Wege des Antrags auf Neuvermessung (controversia de modo) den Parzellenbesitzer verdrängen
82)
Die Rechtslage stellt sich also ganz ebenso, wie auf deutschen Gewannfluren beim Reebnings- (bzw. dem entsprechenden Neuaufteilungs-)Verfahren vor Anerkennung des Privilegs des Stuflandes
45
Vgl. S. 166.
. Der Hüfner, welcher eine Parzelle abverkauft – was sehr früh, jedenfalls soweit wir zurückgehen können, vorkommt, – kann den Käufer natürlich nicht einfach verdrängen oder das Land wieder einziehen. Wird aber die Neuvermessung des Gewannes beantragt, so wird die betreffende Parzelle mit eingeworfen, und der Käufer hat sich nachher an den Hüfner zu halten, wenn dann die Neuaufmessung andere Grenzen ergibt und die Parzelle in ihrer bisherigen Gestalt verschwindet.
, auch sonst de jure die Parzelle wieder einziehen, gegen alle eigenmächtigen Eingriffe des Herrn aber war er
43
[183]D.h.: der Parzellenerwerber.
durch die possessorischen Interdikte de vi und de clandestina possessione, und damit bei der bekannten Dehnbarkeit beider Begriffe für die praktisch wichtigsten Fälle überhaupt, geschützt in dem Maße, als er nachweislich innerhalb des letzten Jahres possessor [A 95]gewesen war, d. h. nach dem Maße seiner Feldbestellung im letzten Wirtschaftsjahr. Damit war namentlich vorgesorgt, daß er die Ernte des von ihm ohne vitium possessionis bestellten Landes sich aneignen konnte. Die Neuerung bei Einführung der Usukapion war also nur, daß wenn der Erwerb der Parzelle auf Grund eines „justus“ titulus erfolgt war, er nach zwei Jahren auch gegen die Verdrängung im Wege der Neuaufmessung geschützt und quiritarischer Eigentümer war. Es ist also, was den Schutz des Erwerbes von Grundflächen angeht, für die frühere Zeit buchstäblich Iherings
44
Ansicht richtig, daß der Besitzesschutz das Prius gegenüber dem Eigentumsschutz ist.
Wir kehren nun zur Betrachtung der Schicksale des modus-Prinzips zurück
83)
[A 95]Auf die ebenfalls wesentlich agrarische Bedeutung des Interd[ictum] utrubi mag nur kurz hingewiesen werden. „Utrubi hic homo majore parte huiusce anni nec vi nec clam nec precario ab altero fuit, quo minus is eum ducat, vim fieri veto“
46
Vgl. Lenel, Edictum Perpetuum, S. 392; Weber hat nach ‚homo‘ die Worte ‚quo de agitur‘ weggelassen.
verfügt dasselbe beim Besitzstreit über Mobilien, deren wichtigste[,] wie die Normalformel ergibt, Sklaven [184]waren. Es kam also darauf an, bei wem der Sklave den größeren Teil des Jahres gearbeitet hatte.
.
[184]Definitive Durchbrechung der Hufenverfassung.War mithin die Usukapion eine prinzipielle Durchbrechung der älteren Agrarverfassung, wie sie bei der Beseitigung der Gemeinwirtschaft zuerst geschaffen worden war, so war dies in noch entschiedenerer und definitiver Weise der Fall, sobald durch Aufnahme bisher selbständiger Gemeinden und ihres Territoriums in den Vollbürgerverband Acker, welcher nicht nach römischen Grundsätzen aufgeteilt und assigniert war, des römischen Bodenrechts teilhaftig und in Beziehung zum Census gesetzt wurde. Bei den Halbbürgergemeinden war dies bekanntlich nicht der Fall: der Acker von Caere wurde nicht censusfähig durch Erteilung der civitas sine suffragio, jedenfalls nicht in dem Sinn, daß die dortigen Grundbesitzer in den Verband der adsidui in den Land[A 96]tribus eingegliedert wurden, die tabulae Caeritum standen außerhalb des Censusregisters der Tribulen. Anders bei denjenigen Gemeinden, welche, ohne Synoekismos, ganz im römischen Gemeinwesen aufgingen. Eine solche – und wenn auch die Zeit der Aufnahme nicht feststeht, doch wohl eine der ältesten – war z. B. Gabii, welches nach den XII Tafeln nicht mehr unter den souveränen Latinerstädten figuriert und soviel bekannt, weil nicht stammfremd, auch nicht Halbbürgergemeinde gewesen ist, während über eine Deduktion oder Viritanassignation seines Ackers gleichfalls nichts verlautet. Hier – und in den entsprechenden späteren Fällen, ebenso auch bei Rezeption der Halbbürger in den Vollbürgerverband – muß also Acker, welcher, feldmesserisch betrachtet, ager arcifinius war, zum Census und zu den römischen Geschäftsformen zugelassen worden sein, und dies ist wahrscheinlich der Grund, weshalb in der Aufzählung der genera agrorum bei Varro (l. L. 5, 33) aufgeführt werden: Romanus, Gabinus, peregrinus, hosticus, incertus
84)
[A 96]Ich möchte die fünf Kategorien
47
[184] Es sind – nach Varro – die in der Lehre der augures publici unterschiedenen Feldarten.
dahin deuten, daß ager Romanus der assignierte, ager Gabinus der arcifinische Acker vollen Bodenrechtes, ager peregrinus der Acker verbündeter Staaten, ager hosticus derjenige Acker der letztern Kategorie war, welcher Territorien angehörte, die im commercium mit Rom standen, ager incertus endlich der [185]Acker des rechtlich nicht geregelten Auslandes. Mit der mangelnden Termination und Assignation steht auch die augurale Inferiorität des ager Gabinus im Zusammenhang. Die Bezeichnung entspricht den tabulae „Caeritum“. – Daß Gabii 331
52
= 423 v. Chr.
bezw. 375
53
= 379 v. Chr.
u.
i
A: n.
c. schon Bürgergemeinde war, dafür spricht, wie Beloch hervorgehoben hat, daß in diesen Jahren Antistii, ein nach den Inschriften gabinisches Geschlecht, in Rom als Beamte erwähnt sind. Natürlich ist dies kein entfernt voller Beweis.
. Da auch der nach römischer Art assignierte Acker in Geld veranschlagt zur Eintragunggelangte
g
[184] A: gelangt,
und usukapierte Parzellen ebenfalls der [185]besonderen Abschätzung bedurften
85)
Die Katastrierung nach dem Geldwerte war mit der Zu[A 97]lassung der Parzellenusukapion und dem Wegfall des reinen Quotenprinzips auf die Dauer eine Notwendigkeit. (Natürlich ist sie deshalb nicht etwa der alleinige oder wesentlichste Grund der Geldkatastrierung, aber einer von vielen.)
, machte die Zulassung zum Census an sich keine [A 97]besonderen Schwierigkeiten. Nun war die Folge der Censusfähigkeit aber auch die Anwendbarkeit der Manzipation auf Acker, für welchen eigentlich eine von jeder Notwendigkeit der Tradition absehende Übertragungsform wenig paßte. Vielleicht ist das ältere
48
[185]Vgl. dazu S. 175, Anm. 26.
publizianische
h
[185]A: publiziarische
Edikt
zum Schutz des bonitarischen Eigentums gerade mit Rücksicht auf die Aufnahme derartigen Ackers in den römischen Flurbezirk erlassen worden. Jedenfalls aber enthielt dieselbe einen weiteren Sieg des locus-Prinzips – in dem früher
49
Oben, S. 175.
erörterten Sinn des Ausdrucks –, wie denn auch die Agrimensoren den ager arcifinius als die eigentliche Heimat der controversia de loco behandeln. Die Verleihung römischen Bodenrechtes an ager arcifinius machte dann immer weitere Fortschritte, in umfassendstem Maße durch die lex agraria von 643, welche die Possessionen auf dem ager publicus, und durch den Bundesgenossenkrieg, welcher den Acker aller in den Vollbürgerverband recipierten Bundesstädte in ager optimo jure privatus verwandelte.
Die controversia de modo und das (hier sogenannte) modus-Prinzip würden vermutlich ohne die gewaltigen Viritanassignationen des letzten vorchristlichen Jahrhunderts aus der Praxis verschwunden sein. Die Manzipation, einst, wie wir sahen
51
So bisher nicht ausgeführt (vgl. jedoch oben, S. 161). Zur Manzipation siehe oben, S. 158, 169–171, 175.
, ein Mittel, um den Umsatz von jugera Land in der Art, wie wir Kreditaktien zu einem Kurs per Stück handeln, zu ermöglichen, blieb als lästige Solennität [186]bestehen, bis ein Gesetz Konstantins vom Jahre 337
55
[186]Bereits Paul Krüger hat in seiner Besprechung (wie oben, S. 40, Anm. 14), S. 493, darauf hingewiesen, daß Weber hier den älteren, ursprünglichen Text der Konstitution, fragm. Vatic. 35, nicht beachtet hat. Vgl. auch Anm. 56, 57 und 60.
(C. Th. 2 § 1 de contr[ahenda] empt[ione] 3, 1)
86)
[186]Die Solennitäten des Verkaufes sollen nicht vorgenommen werden, es sei denn, daß vorher certa et vera proprietas, d. h. ein bestimmtes Areal im Gegensatz zu certus modus, a vicinis demonstretur – also nach Aufmessung resp. Absteckung an Ort und Stelle. Praktisch kehrt sich also das Verhältnis jetzt um: [A 98]während früher die Aufmessung durch den Agrimensor dem Verkauf nachfolgte, soll sie jetzt vorangehen. Das „a vicinis demonstretur“ würde man zunächst auf Befragung der Nachbarn und deren Zugeständnis betreffend die Berechtigung des Verkäufers innerhalb der von ihm bezeichneten Grenzen beziehen, und es ist möglich, daß es dies bedeutet. Es kann aber auch sein, wenngleich dies sprachlich gezwungener klingt, daß es nur bedeutet, die Grenzen sollen „a vicinis“, d. h. von den Grundstücksgrenzen der Nachbarn aus festgestellt werden – deshalb habe ich den Sinn in der Art wiedergegeben, wie im Text zu lesen ist
56
Gemeint: „unter Nachweisung der Nachbarn“. Der ursprüngliche Text, fragm. Vat. 35,4 (vgl. Anm. 55), hat vicinis praesentibus, „in Anwesenheit der Nachbarn“, und zeigt, daß nur Webers erste Erklärung in seiner Fußnote 86 zutreffend ist.
. Die Stelle fährt – dies ist für den Zweck der Konstitution wesentlich – fort: „usque eo legis istius cautione decurrente
57
decurrente: so der von Weber verwendete Text von Gothofredus; dagegen fragm. Vatic. 35,4 (vgl. Anm. 55): currente (ebenso die neueren Ausgaben: Hänel, Mommsen-Krüger). S. auch oben den Editorischen Bericht, S. 83, Anm. 15.
, ut etiamsi [subsellia vel ut vulgo aiunt]
j
[186][ ] in A.
58
Die Worte ‚subsellia vel ut vulgo aiunt‘ hat erst Weber in [ ] gesetzt; die Ausgabe von Gothofredus-Ritter (vgl. den Editorischen Bericht, S. 83) klammert nur die Worte ‚ut vulgo aiunt' ein.
scamna vendantur, ostendendae proprietatis probatio compleatur“. Daß hier nicht von dem Verkauf von Subsellien
59
Subsellien: ‚Bänke‘; ‚Bank‘ ist zugleich die Grundbedeutung des agrimensorischen Begriffs scamnum.
die Rede ist, ist wohl klar, die eingeklammerte Stelle ist zweifellos eine Interpolation eines grammatisch vorgebildeten Abschreibers
60
Tatsächlich findet sich der ganze Ausdruck auch schon in dem ursprünglichen Text fragm. Vatic. 35,4 (vgl. Anm. 55).
. Sondern es wird von dem Verkauf von ager scamnatus, d. h. von Grundstücken, deren Grenzen auf der Flurkarte ersichtlich sind, also eine „certa proprietas“ darstellen, und bei welchen deshalb die Gründe, welche zum Erlaß der Konstitution führten – siehe den Text – an sich nicht zutrafen, gesprochen und gesagt, daß auch für solche das gleiche gelten solle. Konstantin, in dessen Zeit der Unterschied zwischen den verschiedenen Besteuerungsformen des Bodens unpraktisch wurde, uniformierte also auch in den übrigen Beziehungen. – Die controversia de modo wurde als besondere Prozedur beseitigt durch C. Th. 4. 5. fin[ium] reg[undorum] 2, 26 (v. J. 392)
61
Genauer: Cod. Theod. 2,26,4 (385 n. Chr.) und 2,26,5 (392 n. Chr.).
, wo „locus“ wohl, wie bei Frontin p. 9, 2, den Gegensatz zu „finis“ bezeichnet.
verbot, daß [A 98]künftighin anders als auf Grund einer Feststellung des Areals und des Rechts daran unter Nachweisung der Nachbarn, verkauft werde. Die Solennitäten (der Manzipation), heißt es, sollen nicht „in exquisitis cuniculis“ abgemacht werden.
[187] Der Immobilienhandel in Rom. Diese Motivierung ist für die Manzipation und ihr Wesen charakteristisch, denn praktisch lag ihre Bedeutung in der That gerade darin, daß man an jedem beliebigen Ort, wo sieben
62
[187]Genauer: sechs (fünf Zeugen und ein „Waagehalter“); vgl. S. 176, Anm. 27.
römische Bürger aufzufinden waren, italisches Land, welches irgendwo in orbis terrarum lag, übertragen konnte. Die Folge davon war, daß bei diesem modus-Verkauf wohl gelegentlich mehr modus verkauft wurde, als dem Verkäufer zustand, ebenso wie [A 99]die Folge der modus-Assignationen war, daß gelegentlich, so bei den tumultuarischen Assignationen des C. Gracchus in Karthago, mehr modus in eine Centurie assigniert wurde, als darin vorhanden war. – Die Hauptfolge dieser wichtigsten Eigenschaft der Manzipation aber war, daß in Rom der Immobilienhandel in einem Maße konzentriert werden konnte, wie dies vorher und nachher nie wieder an irgend einem Orte dagewesen ist. Man hatte dort die Flurkarten und das Censusregister, welche beide über die Eigentumsverhältnisse des ager assignatus Auskunft gaben, auch einen gewissen Anhalt über die Bonitätsverhältnisse boten und verbunden mit den Lizitationen der öffentlichen Pachtländereien und den Auktionen des als ager quaestorius zu vergebenden Landes Rom zur Immobilienbörse der Welt machten. Man kann getrost den Ausdruck „Börse“ gebrauchen, denn wir haben in dem l. 5 D. si mensor fals[um] m[odum] d[ixerit] 11,1
63
Es handelt sich um Dig. 11,6.
(s. o. p. 168) erörterten Fall ein Immobilientermingeschäft, das gleiche ist bei Geschäften mit lexcommissoria
k
[187] A: comissoria
der Fall, und die in diem addictio ist, da der Käufer sich für die Stipulation der Zulassung des Rücktritts des Verkäufers sicher direkt oder indirekt Vergütung gewähren ließ, praktisch fast ein börsenmäßiges Prämiengeschäft in Immobilien.
Noch wesentlicher aber war, daß Rom auch der Ort war, an welchem Gelegenheit zu der spezifischen Art der Verwertung des römischen Grundeigentums geboten wurde, welche bereits früher
64
Oben, S. 157.
erwähnt worden ist: zur Kautionsstellung bei öffentlichen Verpachtungen und Submissionen. Schwerlich ist etwas so charakteristisch für die Bedeutung des römischen Verwaltungsrechts für die gesamte [188]Rechtsentwickelung, als das Verfahren bei diesen Kautionsleistungen und der Vergleich mit den Rechtsformen des privaten Realkredits.
Der römische Immobiliarkredit. Die Sicherstellung des Staats mußte bekanntlich durch Bürgen (praedes) oder Grundstücke (praedia) geschehen. Die Sicherstellung durch praedia geschah in [A 100]denkbar einfachster Form: durch subsignatio der verpfändeten Grundstücke seitens des Beamten auf Grund der mündlichen Erklärung des Unternehmers. Der Nachweis, daß letzterer Eigentümer sei, ist von ihm sicherlich ebenso geführtworden
l
[188]A: worden,
wie bei der professio zum Census, also wahrscheinlich durch Bezugnahme auf forma und Manzipationsurkunde, oder einfach auf die Censusliste. Wir können ferner annehmen, daß nur quiritarisches Eigentum subsigniert werden konnte – wieder eine praktische Seite des Unterschiedes vom in bonis esse. Daß praedia patrita, d. h. ererbter Familienbesitz, einen Vorzug genoß
87)
[A 100][188]Daß nur ager patritus überhaupt zugelassen worden sein sollte, ergibt l. agraria 28 nicht, umgekehrt scheint die Ausdrucksweise der lex anzudeuten, daß das pro patrito subsignare nur ein Spezialfall des auch bezüglich andern Ackers zulässigen subsignare überhaupt war. Es wird anzunehmen sein, daß die Relation zwischen dem modus der zu subsignierenden praedia und der zu deckenden Summe bei den praedia patrita günstiger war als bei andern Grundstücken.
, hat seinen Grund wohl darin, daß bei dem schnellen Wechsel des Grundbesitzes, und da das Censusregister zufolge der Parzellenusukapionen nicht immer zuverlässigen Aufschluß über die wirklichen Eigentumsverhältnisse gab, der „alte und befestigte Grundbesitz“
1
[188]Dieser Vergleich offenbar nach Mommsen, Pompejanische Quittungstafeln, S. 124.
im Werte als Pfandgegenstand stieg, ebenso wie infolge der usucapio pro herede, über deren Bedeutung für die öffentlichrechtlichen Verhältnisse schon oben gesprochen wurde, Erbgang der beste Besitztitel war
88)
Ähnliches tritt überall ein, wo die Rechtsverhältnisse am Grundbesitz komplizierte oder undurchsichtige sind. So in England, wo deshalb die seisin
3
seisin: Der Besitzanspruch auf Land im älteren englischen Recht. Die seisin ging auf den Erben (heir) nicht automatisch über, doch hatte dieser gegenüber anderen eventuell Berechtigten die stärkste Position. Näheres dazu (und zu den seither erfolgten Veränderungen) z. B. bei Plucknett, Theodore F. T., A Concise History of the Common Law. – London: Butterworth 1956, S. 722–724.
des auf Erbgang sich stützenden Prätendenten die stärkste ist.
.
[189]Die subsignatio hatte durchaus die Wirkungen einer Hypothekenbestellung und ferner den Vorzug, durch Verkauf an Private – wohl meist Aufkäufer derartiger unsicherer Forderungen – realisiert werden zu können im Gegensatz zu der fehlenden Zessibilität anderer Forde[A 101]rungen. Im Vergleich mit dieser eleganten Gestaltung des verwaltungsrechtlichen Immobiliarpfandes, welche allerdings wohl auf den Beziehungen des Censors, als des subsignierenden Beamten, zu dem einzigen öffentlichenRegister
m
[189]A: Registor
, der Censusliste, mit beruht, machen die Formen, welche dem privaten Immobiliarrealkredit zur Verfügung standen, einen mehr als kümmerlichen Eindruck. In älterer Zeit existierte nur die mancipatio fiduciae causa, eine Übertragung des quiritarischen Eigentums, welche dem Pfandgläubiger im Verhältnis zum Census und auch in privatrechtlicher Beziehung zu dritten die Rechtsstellung des Eigentümers gab. Nachdem dann das bonitarische Faustpfand und schließlich die griechische hypotheca auf Grundstücke Anwendung gefunden hatten, waren die wünschenswerten Rechtsformen vorhanden, aber die in diesen Formen vollzogenen Akte standen außer Beziehung zu einem öffentlichen Register, und bei der Undurchsichtigkeit der Verschuldungs- und teilweise der Eigentumsverhältnisse war ein geregelter Realkredit, welcher z. B. Meliorationsdarlehen oder Kapitalanlagen in Form zinsbarer Hypotheken in irgend bedeutendem Umfange ermöglicht hätte, nicht zu erzielen
89)
[A 101][189]Sollte der Gläubiger durch Übergabe der Erwerbsdokumente sichergestellt werden, so war wiederum der Schuldner, wie D. 43 de pign[eraticia] act[ione] (13, 7) ergibt, faktisch auch in der Veräußerung des Grundstücks beschränkt, und die Lage des Gläubigers blieb gegenüber den Generalhypotheken und der Möglichkeit älterer formloser Pfandverträge doch prekär.
. Schutz gewährten auch nicht in genügendem Maße die spätern Privilegien derpignora
n
A: pigna
publica
und quasi publica, jedenfalls blieb der Zustand immer auf dem Niveau der heutigen französischen Realkreditverhältnisse, wo bekanntlich aus ähnlichen Gründen auch die Urkunde „mit sicherem Datum“ eine wichtige Rolle spielt
4
[189]Im Gegensatz zumal zu Preußen, wo 1872 das (1900 auf das ganze Deutsche Reich ausgedehnte) Grundbuchsystem eingeführt und ein höchstmöglicher Grad von Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr und damit auch in der Belastung des Bodens (Realkredit) erreicht wurde (was zu dessen erheblicher Ausweitung führte), fehlte in Frankreich tradi[190]tionell – in manchem ähnlich wie in Rom – eine vergleichbare Publizität der Eigentumsverhältnisse am Boden, so daß diese vielfach undurchsichtig waren und auch der Realkredit stark beschränkt blieb. – Date certaine (frz.): (notariell) beglaubigtes Datum.
. Helfen konnte man sich nur durch ein Mittel, [190]welches denn auch einerseits Private, die auf ihrem Grundstück dauernd Zinsbeträge von Ka[A 102]pitalien zu irgend welchen (meist Stiftungs-)Zwecken sicherstellen, und andrerseits Gemeinden, welche ihre Kapitalien zinstragend und sicher anlegen wollten, verwendeten
90)
[A 102][190]Plin. epist. 7, 18, C.I.L., X 5853, ferner die pompejan[ischen] Steuerquittungen Nr. 125 und 126, kommentiert von Mommsen in Hermes XII p. 88 f.
7
Mommsen, Pompejanische Quittungstafeln, besonders S. 123 f. Der Text von Nr. 125 und 126 bei Mommsen, ebd., S. 141, sowie in: CIL IV, Suppl. I: Inscriptionum parietariarum Pompeianarum supplementum, pars I, hg. von August Mau und Karl Zangemeister. – Berlin: Georg Reimer 1898, Nr. 3340, CXXXVIII und CXXXIX. Zu Nr. 125 vgl. auch noch unten, S. 255.
– nämlich dadurch, daß das zu belastende Grundstück der Gemeinde zu Eigentum aufgetragen und von dieser den betreffenden Privaten unter Auferlegung einer ewigen Rente in Höhe der gewollten Zinsen als ager vectigalis
o
[190]A: vertigalis
zurückverliehen wurde. Alsdann hatte die Gemeinde eine „erste Hypothek“ wegen dieser Zinsen, es ist aber gewiß charakteristisch, daß dieser Erfolg nur dadurch zu erzielen war, daß das Grundstück aus der Kategorie des ager optimo jure privatus ausschied. Private Gläubiger konnten, soviel wir wissen, zu diesem Mittel nicht greifen, da die Verleihung von Land zu Vectigalrecht staatliches Reservatrecht war und außer dem römischen Staat – und dem Kaiser – nur den Gemeinden als Rest ihrer einstigen Souveränität
91)
Aber nicht nur wirklich souverän gewesene Gemeinden (Munizipien), sondern auch Kolonien (so Pompeji) konnten nachweislich zu Vectigalrecht verleihen, letztere aber sicher infolge besonderer Beilegung dieses Rechtes, vielleicht durch Caesars lex municipalis.
7a
Zur sogenannten lex lulia municipalis vgl. oben, S. 141, Anm. 2a.
zustand.
Verhältnis des ager privatus zu Reallasten und Servituten.Es war durch diesen Rechtszustand eine dauernde hypothekarische Belastung des Grundes und Bodens von der Art, wie sie bei uns
5
Gemeint ist: in Preußen (vgl. Anm. 4).
möglich ist und thatsächlich besteht, ausgeschlossen. Wenn nun auch damit keineswegs, wie wir gesehen haben
6
Oben, S. 189, vgl. 157 f.
, eine Emanzipation des Grundbesitzerstandes vom mobilen Kapital erreicht wurde, sondern eher das [191]Umgekehrte der Fall war – indem der Grundbesitz zwar Pfandobjekt war, aber nur zu Spekulationszwecken und ohne daß ihm selbst der gewährte Kredit in Gestalt von Kapitalzufluß zugute kam –, so ist doch das erreicht worden, daß der römische Immo[A 103]biliarkredit sich rechtlich und wirtschaftlich vom Mobiliarkredit nicht prinzipiell unterschied[,] und eine reallastartige Zinspflichtigkeit des Bodens besten Rechtes, wie sie bei uns faktisch besteht, vermieden. Dies ist in der That das Wesentliche und beruht auf einem allgemeinen Zusammenhang. Wenn man behauptet hat, den Römern sei ein Begriff, welcher demjenigen der deutschen Reallast entspreche, nicht bekannt gewesen, so ist dies, wie das nächste Kapitel
8
[191] Unten, bes. S. 235 f., 255 ff.
zeigen wird, nicht richtig oder vielmehr nur insofern richtig, als der römische Acker besten Rechtes solcher Belastung im Wege des Rechtsgeschäfts inter privatos unfähig ist beziehungsweise um eine solche Belastung auf sich zu nehmen aus dieser Kategorie, wie wir sahen
9
Oben, S. 190.
, ausscheiden muß
92)
[A 103][191]Darin liegt im übrigen ein weit richtigerer Gedanke, als man auf den ersten Blick annehmen wird. Rodbertusʼ
10
Rodbertus schwebte die Trennung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes vom Kapitalmarkt dadurch vor, daß an die Stelle der Verschuldung nach dem Kapitalwert der Kredit in Form des Rentenkaufs, d. h. die Belastung des Grundbesitzes mit einem festen, unkündbaren Rentenbetrag treten sollte. Er hat diesen Gedanken wie auch die zugrundeliegende Rententheorie in zahlreichen Schriften vorgetragen; vgl. ausführlich z. B. Rodbertus, Erklärung und Abhilfe der heutigen Kreditnot 22, S. 72–100.
Gedanke der Belastung des Grundbesitzes in Gestalt ewiger Renten ist ohne eine entsprechende capitis deminutio des belasteten Grundstücks in Bezug auf Erbgang, Veräußerlichkeit etc. heute eine Utopie. Es ist eins der glänzendsten Zeichen für die klare praktische Auffassung, welche die Ansiedlungskommission für Posen-Westpreußen
11
Zu der durch das preußische Gesetz vom 26.4.1886 geschaffenen „Königlichen Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen“ vgl. oben die Einleitung, S. 12.
in jeder Hinsicht auszeichnet, daß sie in § 8 Abs. 3 (vv. „auch für den Erbgang“) des Normalrentengutsvertrages (Drucksachen des Preußischen Abgeordnetenhauses von 1889 Nr. 42 Anlage XIII)
12
Vgl. Drucksachen des preußischen Abgeordnetenhauses 17,1,3, S. 56: Zu Nr. 42, XIII., § 8, 3. Absatz, wo ein Wiederkaufsrecht des Fiskus gegen den Inhaber des Rentenguts „auch für den Fall eines solchen Wechsels [gemeint: eines vom Fiskus nicht ausdrücklich genehmigten Eigentumswechsels] durch Erbgang“ festgelegt wird.
diese Konsequenz gezogen hat
13
Webers Hinweis auf diese charakteristische Klausel der Rentengutsverträge für Westpreußen und Posen (mit der vor allem der Übergang von Rentengütern in polnische Hand verhindert werden sollte) führt auf die 5. und letzte These anläßlich seiner Promotion im Jahre 1889 zurück, in der er die rechtliche Zulässigkeit dieser Bestimmung bezweifelt hatte; vgl. Weber, Solidarhaftprinzip, S. 58; dazu die Einleitung oben, S. 12, Anm. 57.
.
. Nur der Umstand, daß die Agrargeschichte Italiens identisch [192]ist mit der Geschichte der Ausdehnung dieser Ackergattung, hat die Konsequenz gehabt, daß unsre Quellen fast nur von ihr berichten
14
[192]Zu der von Weber mehrfach (vgl. S. 157, 234, 236, 252 ff.) angesprochenen Frage der dauernden Belastbarkeit eines Grundstücks in Rom vgl. auch WuG1, S. 425, 430, 445.
.
Ebenso wie die Abwesenheit von Reallasten in unserm Sinn ist auch die grundsätzliche Servitutenfreiheit wie bekannt eine wesentliche Eigentümlichkeit des römischen ager privatus, derart, daß Acker, welcher mit Servituten belastet ist, wenigstens nicht unter der Bezeichnung „ager optimo jure privatus“ begriffen wird
93)
[192]Wahrscheinlich ist damit „verkoppelter und separierter“ Acker gemeint, also solcher, der von allen gemeinwirtschaft[A 104]lichen Servituten, Flurzwang etc. frei ist. Denn noch zur Zeit der Agrimensoren gab es in Italien, also auf ager privatus ex j[ure] Quiritium, Gemengelage, wie die später
16
Unten, S. 195.
zu erörternde Stelle des Siculus Flaccus p. 152 ergibt. (Ich glaube erwähnen zu dürfen, daß, wie ich aus dem Kollegienheft eines Freundes seiner Zeit
17
Bisher läßt sich weder die Person des Freundes mit Sicherheit identifizieren noch auch der Ausdruck „seinerzeit“ präzisieren.
ersah, auch Professor Brentano diese Stelle auf Gemengelage in dem Sinn, den man auf deutschen Fluren damit verbindet, zu deuten scheint.)
18
Zu Lujo Brentano vgl. das Personenverzeichnis. – Wie dieser selbst bemerkt (in: ders., Das Wirtschaftsleben der antiken Welt, Vorlesungen gehalten als Einleitung zur Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. – Jena: Gustav Fischer 1929, S. IV), ging er in seiner Vorlesung „Allgemeine Nationalökonomie“ von der „altgermanischen Wirtschaftsverfassung“ aus, wo die Behandlung der Gemengelage und der Hinweis auf die Stelle des römischen Gromatikers ihren Platz gehabt haben würde.
Wo aber Gemengelage besteht, da läßt sich meist nicht durch Vizinalwege, wie sie Siculus Flaccus l. c. erwähnt, abhelfen, wenn man nicht zu wahnsinniger Raumvergeudung greifen will. Es muß daher etwas dem Flurzwang ähnliches als Rest alter Zustände lokal noch vorgekommen sein; – wer allerdings dieortsstatutarische
p
[192]A: ortsstatuarische
Regelung des Wirtschaftsbetriebes und wer die Stellung des Schulzen dabei innehatte, ob die pagi und deren Vorsteher oder wer sonst, darüber wage ich hier eine Ansicht nicht zu äußern.
. Die Kon[A 104]stituierung einer Servitut erforderte charakteristischerweise die gleichen Rechtsformen wie die Veräußerung eines Grundstückes. Die Zahl der Servituten war eine geschlossene, zwangsweise Auferlegung von Servituten war unbekannt, soweit nicht Gründungsstatuten das Recht hierzu ausdrücklich vorbehielten
94)
So das Expropriationsrecht im Interesse der Anlegung von Aquädukten, welches im Statut der Kolonie Genetiva c. 99 vorbehalten ist (Mommsen in Eph. epigr. II p. 221 f.). Ruggieri (Sugliuffici
q
A: uffizi
degli agrimensori)
weist mit Recht darauf hin, daß nur die [193]Privatdisposition in die Schranken der geschlossenen Servitutenzahl gebannt ist, dagegen durch „lex agro dicta“ auch hiernach nicht zulässige Servituten geschaffen werden können (D. 17 comm[unia] praed[iorum]
21
vergl. mit D. 1 § 23 de aq[ua] et aq[uae] pl[uviae arcendae]
22
).
. Vertragsmäßige [193]Servituten pflegten in gleicher Weise versteint zu werden, wie die Grundstücksgrenzen selbst
95)
Inschriften dieser Art kommen, wie ich bei Durchsicht des Corpus Inscr. Lat.
23
Vgl. jeweils im Register der CIL-Bände unter der Rubrik „Notabilia varia“ das Stichwort „iura praediorum“.
fand, überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, auf assignierten Fluren vor.
.
Wirtschaftliche Grundlagen der Rechtsstellung des ager privatus. Es ist klar, daß ein solcher Rechtszustand nur möglich war auf einem Acker, dessen Aufteilungsart dem einzelnen Besitzer die volle Freiheit der Individualwirtschaft ermöglichte. Dies ist denn auch die hervorstechendste wirtschaftliche Tendenz der römischen Auf[A 105]messung, speziell und im stärksten Maße derjenigen per centurias
96)
[A 105]Es ist schon hervorgehoben
24
Oben, S. 117–119.
, daß limites auf dem ager scamnatus ebenfalls vorkommen, in späterer Zeit, wie der liber coloniarum
25
Vgl. S. 126.
ergibt, regelmäßig, und ferner wird auch das Areal nur in einer beschränkten Zahl von Parzellen vergeben, indem, wie in Suessa
r
[193] In A folgt: und
Aurunca
, nur der Wald für sich besonders aufgeteilt wurde.
.
Sie gewährte dem Besitzer zunächst – worauf schon oft von anderen
20
[193]Vgl. z. B. Voigt, Römisches System der Wege, S. 60.
hingewiesen worden ist – volle Zugänglichkeit seines Grundstückes. Die limites sind öffentliche Wege und in diesem Charakter in denkbar schärfster Weise dadurch geschützt, daß jedem, auch demjenigen, welcher gar kein eigenes Interesse daran hatte, gestattet war, mochte dies auch nur zur Chikane geschehen, im Wege der Selbsthilfe oder des Interdiktenverfahrens die Offenhaltung zu erzwingen.
Allein damit ist ein andres und wichtigeres Moment verknüpft. So wenig wie bei unsrer deutschen Gemengelage wäre irgendwo sonst es möglich gewesen
97)
Wie schon in Note 93 auf Seite 192 hervorgehoben wurde.
, ein Wegesystem, welches den oben gedachten Zweck: Zugänglichkeit aller Grundstücke für den Besitzer, ergab, auf einer Flur durchzuführen, auf welcher das Areal der einzelnen Besitzer nicht in geschlossenen Plänen zusammenlag. Die Durchfüh[194]rung unsrer modernen Separationen und Verkoppelungen führt denn auch stets zu größerer Geschlossenheit des Areals und ermöglicht so die Durchführung eines einheitlichen Wegesystems.
Unsre Quellen ergeben mit voller Sicherheit, daß auch die römische Fluraufteilung grundsätzlich geschlossenes Areal (continuae possessiones) vergibt
98)
[194] Hygin p. 130, 3: respiciendum erit … quemadmodum solemus videre quibusdam regionibus particulas quasdam in mediis aliorum agris, nequis similis huic interveniat. Quod in agro diviso accidere non potest, quoniam continuae possessiones et adsignantur et redduntur. Cf. p. 117, 14.
29
Die zitierte Stelle findet sich S. 117,13 Lachmann.
119, 15. 152.
30
Desgleichen S. 152,5 f. Lachmann.
155, 19.
31
Desgleichen S. 155,18 Lachmann.
178, 14
32
Offenbar irrtümliche Angabe Webers.
.
. Es kommt [A 106]zwar, wie wirsehen
s
[194] Zu erwarten: sahen
26
[194]Vgl. oben, S. 124, 193, Webers Fußnote 96.
, vor, daß bestimmten Grundstücken innerhalb der Ackerflur bestimmte Waldparzellen als Pertinenzen zugeteilt werden, so in Suessa Aurunca, wo deshalb aber auch die Assignation per centurias nicht, sondern die Scamnation angewendet wurde. Dies sind aber Ausnahmefälle, welche in besonderen Umständen Erklärung finden; im allgemeinen erhält sonst jeder sein Landlos, sei es groß oder klein, in einem Plan angewiesen.
Verkoppelungen und Separationen. Nun berichten uns die Agrimensoren, daß diese Geschlossenheit des Areals im Gegensatz stand zu demjenigen Zustand, welcher auf vielen der in Kolonialland umgelegten Fluren vor der Aufteilung und Konstitution der Kolonie bestand.
Wir haben in Kap. 1 gesehen
27
Oben, S. 107 f.
, daß die Agrimensoren denjenigen Acker, welcher der römischen Vermessung noch nicht unterlegen hatte, ager arcifinius, „krummlinig begrenzten“ nennen. Damit ist der Gegensatz gegen die rektanguläre römische Form ausgedrückt. Keineswegs aber ist damit notwendig der Begriff einer ganz willkürlichen Fluraufteilung in unregelmäßigen Blöcken verbunden. Auch wer zum erstenmal auf die Flurkarte einer deutschen, nach dem Hufenprinzip ausgelegten Flur blickt, wird zunächst das zu Grunde liegende Prinzip nicht entdecken
28
Vgl. dazu oben die Einleitung, S. 16 f.
, ihm fallen die eigentüm[195]lichen Krümmungen der Ackergrenzen, welche zum Teil von den nach der Bonität abgeteilten Gewannen, zum Teil durch das Anpflügen des Nachbars gebildet werden
34
[195]Vgl. dazu Meitzen, Siedelung und Agrarwesen 1, S. 88 f.
, in die Augen. So wenig nun auch ein vorrömisches einheitliches Prinzip der Aufteilung in dem gesamten Italien irgend wahrscheinlich ist, so hat es doch offenbar eine Eigentümlichkeit gegeben, welche auf einer größeren Anzahl Fluren mit vorrömischer Aufteilung [A 107] wiederkehrte. Es ist dies die Erscheinung, welche Siculus Flaccus (p. 152) dahin schildert: „in multis regionibus comperimus quosdam possessores non continuas habere terras, sed particulas quasdam in diversis locis, intervenientibus complurium possessionibus: propter quod etiam complures vicinales viae sint
a
[195]A: sunt
, ut unus quisque possit ad particulas suas jure pervenire … quorundam agri servitutem possessoribus ad particulas suas eundi redeundique praestant.“ Die gleiche Erscheinung erwähnt Hygin (in der citierten Stelle de gener. contr. p. 130). Wir denken sofort an die deutsche Gemengelage, und in der That mußte ja etwas dieser ähnliches entstehen, sobald man von irgendwelcher Form der Flurgemeinschaft aus zur Aufteilung schritt und dabei nicht eine Bonitierung der gesamten Flur zu Grunde legen konnte. So wurde schon früher
36
Oben, S. 114.
wahrscheinlich gemacht, daß die Aufteilung in laciniae, welche sich in den ältesten Kolonien, Ostia und Antium, findet, damit zusammenhängt, daß man dieselben noch mit Flurgemeinschaft auslegte und später zur Aufteilung aus derselben schritt, ohne daß eine Assignation nach römischen Prinzipien erfolgte. Die Bemerkung des Siculus Flaccus über die viae vicinales zeigt, daß Flurzwang oder eine dem ähnliche gemeinwirtschaftliche Form der Feldbestellung auf solchen Fluren regelmäßig nicht mehr existierte, und in der That wäre dies auch mit dem römischen Privateigentum schwer vereinbar gewesen. Die römische Assignation der späteren Zeit jedenfalls beruhte vielmehr, wie wir sahen
37
Oben, S. 193.
, auf der Tendenz, durch Geschlossenheit des Areals und ein erst dadurch mögliches rationelles Wegesystem die vollste Freiheit der Individualwirtschaft zu gewährleisten. Bei Bestehen einer Gemengelage ließ sich eine solche ohne ein System von viae vicinales, welches unverhältnismä[196]ßig viel Areal unproduktiv in Anspruch nahm, wie die obige
38
[196]Oben, S. 195.
Stelle zeigt, nicht erreichen. Es wurde schon oben
38a
Oben, S. 193 f.
hervorgehoben, daß den gleichen Zweck mit den gleichen [A 108]Mitteln unsre modernen Separationen und Verkoppelungen verfolgen. Sie bestehen in dem zwangsweisen Austausch der im Gemenge liegenden Parzellen nach Verhältnis ihres Wertes und in der dadurch ermöglichten Aufhebung der aus gemeinwirtschaftlichen Verhältnissen herstammenden Servituten und Beschränkungen des Eigentums. Ganz der gleiche Erfolg trat nun, wenn eine Flur unter Beteiligung der bisherigen Besitzer aufgeteilt und nach römischer Art assigniert wurde, für diese letzteren ein. Es werden continuae possessiones gebildet, und auch das Verfahren ist das gleiche: „particulas quasdam agrorum“ sagt Siculus Flaccus (p. 155), „in diversis locis habentes duo quibus agri reddebantur, ut continuam possessionem haberent, modum pro modosecundum
b
[196]A: secundam
bonitatem taxabant.“ Dieses Verfahren der Flurumlegung gehörte in den Augen der Agrimensoren derart selbstverständlich zu dem Begriff einer Kolonieanlage, daß Hygin zu der Ansicht gelangen konnte, Besitzer, welchen ihr Areal einfach zurückgegeben worden sei, seien, weil ihr Zustand (condicio) nicht geändert (mutata) sei, gar nicht in den Kolonialverband eingetreten (p. 119, 18). Wir haben ferner oben
39
Oben, S. 149 f.
gesehen, daß die Feldmark der Kolonie grundsätzlich so weit reicht, wie die römische Aufteilung und Assignation der Flur. Hiernach werden wir nicht anstehen zu behaupten, daß die römische Art der Ackeraufteilung für die colonia civium Romanorum in der Art wesentlich ist
99)
[A 108][196]Nicht behauptet ist, um dies der Sicherheit halber hervorzuheben: 1) – selbstverständlich – daß jede Fluraufteilung in römischer Art die Konstitution einer Kolonie enthalte, 2) daß die Agrarverfassung das einzige wesentliche Merkmal der Bürgerkolonie gewesen sei.
, daß, wo diese fehlt, keine Bürgerkolonie entsteht. Nicht, daß an einem Orte römische Bürger angesiedelt werden, ja daß, wie in Italica, der ganze durch Besiedelung ent[A 109]stan[197]dene Ort aus römischen Bürgern besteht, macht ihn zur Kolonie, sondern erst die römische Fluraufteilung. Deshalb ist Agrigentum trotz der Deduktion von Kolonen keine Bürgerkolonie
99b)
[A 109][197] C.I.L. X, p. 737
42
[197]Mommsen, in: CIL X,2, S. 737.
.
, denn sein Boden bleibt peregrinischen Rechts, und ebenso ist die römische Art der Ackerteilung wahrscheinlich eines der Unterscheidungsmerkmale der Bürgerkolonien von den latinischen Kolonien
100)
Wir kennen die Fluraufteilung der latinischen Kolonien nicht, wissen nicht, ob sie überhaupt in römischer Art aufgeteilt wurde, ob es demnach dort subseciva gab und was aus diesen wurde etc., sondern wir sind nur darüber unterrichtet, daß ihr Acker nicht römischer Acker war. Der agrarische Charakter der Differenz tritt in älterer Zeit darin zu Tage, daß in die Bürgerkolonien stets die Zahl von 300 Hüfnern, welche der römischen Zahl der gentes entsprach, deduziert wurde, während die latinischen Kolonien davon emancipiert waren.
. Mochten in eine solche thatsächlich auch oder selbst nur römische Bürger deduziert werden
101)
So heißt es bei Livius 34, 53Q. Aelius Tubero tribunus plebis ex senatus consulto tulit ad plebem plebesque scivit, ut Latinae duae
43
Bei Livius heißt es: duae Latinae.
coloniae … deducerentur. His deducendis triumviri creati, quibus in triennium potestas
44
Bei Livius steht: imperium.
esset. Hier erscheint also die Deduktion der latinischen Kolonie als eine rein römische Angelegenheit.
, so wurde sie dadurch nicht Bürgerkolonie, weil ihr Boden ager peregrinus blieb; und umgekehrt konnten an einer römischen Bürgerkolonie sehr wohl Latiner oder socii beteiligt werden, sie verlor, wenn die Aufteilung nach römischer Art geschah, dadurch nicht ihren Charakter als colonia civium Romanorum.
Agrarische Bedeutung des jus coloniae. Wenn nun die Art der Agrarverfassung in diesem Maße wesentliches Merkmal der Bürgerkolonien war, so werden wir, da in der Kaiserzeit alle politischen Differenzen so gut wie bedeutungslos geworden waren, annehmen, daß es Gemeinden, die in dieser Zeit um Umwandlung in Kolonien einkamen, eben auf die Einführung dieser Agrarverfassung ankam, daß also die Umwandlung in eine Kolonie praktisch wesentlich eine mit Verkoppe[A 110]lung und Separation verknüpfte Flurregulierung bedeutete
102)
[A 110]Ich hatte bereits bei meiner öffentlichen Promotion seiner Zeit die Ehre, den Versuch einer Vertretung der im Text wiedergegebenen Auffassung gegenüber unsrem großen Meister Herrn Professor Mommsen unternehmen zu dürfen
46
Vgl. dazu oben die Einleitung, S. 57 f.
. Mit Recht bezeich[198]nete er sie damals und später
48
Näheres darüber ist nicht bekannt; es handelt sich um mündliche Äußerungen. Vgl. jedoch Mommsens Ausführungen zu Webers Hypothese nach dem Erscheinen der Römischen Agrargeschichte (wie oben, S. 42, Anm. 31), S. 113–117; unten, Anm. 54, dazu oben die Einleitung, S. 58 mit Anm. 16.
als eine auf entscheidende Beweise nicht zu stützende Hypothese. Nur möchte ich glauben, aus dem ganzen Zusammenhang der Dinge eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür erbracht zu haben. Daß in der historischen römischen Litteratur keine Erwähnung dieser Seite der Sache sich findet, macht mich nicht stutzig: man würde in dem größten Teil unserer modernen historischen Litteratur vergebens nach einer Würdigung der preußischen Verkoppelungen suchen. Grundsätzliche staatsrechtliche Differenzen bestehen bei einer modernen verkoppelten Gemeinde gegenüber andern ebensowenig wie in der römischen Kaiserzeit zwischen Kolonien und Munizipien. Es kommt mir nicht bei, in Abrede zu stellen, daß die Differenz zwischen Kolonien und Munizipien historisch und in der Vorstellung der Beteiligten auch in erster Linie darin bestand, daß die ersteren meist aus gänzlich unselbständigen auswärtigen Bürgerquartieren, die letzteren meist aus ehemals souveränen Stadtstaaten zu dem geworden sind, was sie staatsrechtlich beide in der Kaiserzeit sind: Gemeinden mit einigen Resten staatlicher Hoheitsrechte. Daß aber die Bürgerkolonien ursprünglich wie Quartiere Roms verwaltet werden konnten, beruht doch von Anfang an auch wesentlich auf der gleichen Art der Ackeraufteilung und Hufenorganisation. Daß die latinischen Kolonien nach dem Bundesgenossenkrieg durchweg Munizipien wurden, beruhte doch wohl auch auf dem Nichtvorhandensein der römischen agrarischen Organisation. Daß alle Verkoppelungen als Koloniededuktionen gegolten hätten, behaupte ich nicht, glaube aber allerdings, daß dies da der Fall war, wo durch römische Magistrate eine einheitliche Umlegung der ganzen Flur mit einheitlichem Dekumanensystem und forma vorgenommen wurde. – Mommsen (Schriften d. r. Feldm. II, p. 156) führt Graviscae und Verulae als Gemeinden an, bei denen eine Umlegung erfolgt sei, ohne daß nach seiner Ansicht ihnen dadurch die Kolonialqualität gegeben wurde. Die Notiz des liber coloniarum (239, 11) über Verulae: „ager ejus limitibus Gracchanis in nominibus est adsignatus, ab imp[eratore] Nerva colonis est redditus“ scheint [A 111]mir einen Schluß auf das, was dort vorgegangen ist – es handelt sich bei den limites Gracchani doch wohl um Veteranen–(Viritan–)Lose, also wohl nur um einen Teil des Ackers – nicht zu gestatten. Anders bei Graviscae. Diese Stadt ist Bürgerkolonie von 573 u. c.
49
= 181 v. Chr.
Der liber coloniarum sagt nun (p. 220, 1): Colonia Graviscos ab Augusto deduci jussa est: nam ager ejus in absoluto tenebatur. Postea imp[erator] Tiberius Caesar jugerationis modum servandi causa lapidibus emensis r[ei] p[ublicae] loca adsignavit. Nam inter privatos terminos egregios
50
Im Text des liber coloniarum, S. 220,4 Lachmann, ist die Wortfolge: egregios terminos.
posuit, qui ita a se distant, ut brevi intervallo facile repperiantur. Nam sunt et per recturas fossae interjectae, quae communi ratione singulorum
c
[198]A: singularum
jura
servant. – Das Gebiet der Kolonie – denn das war sie (v. „ejus“) noch unter Augustus, und von „colonia eorum“ spricht mit Bezug auf Graviscae noch Celsus D. 30 de leg[atis] II
51
– wurde also zu dessen Zeit „in absoluto“ besessen, jedenfalls infolge [199]der Parzellenusukapionen, welche das alte System durchbrochen hatten. Augustus befahl deshalb, sie zu deduzieren, d. h. wie der Zusammenhang ergibt (v. „nam“), nur: umzulegen und durch Neuassignation nach dem modus wieder in eine forma zu bringen. Also wäre Deduktion und Umlegung dasselbe, was der oben vertretenen Ansicht entspricht. Tiberius aber hat dann das Umgekehrte gethan, nämlich durch Versteinung der Besitzgrenzen („inter privatos“) den locus des einzelnen sichergestellt. Er hätte damit die Kolonialqualität, wenn sie bestand, aufgehoben, wie er dies ja auch bei Praeneste gethan hat. Meines Erachtens beweist die Stelle also für die hier vorgetragene Hypothese. Indessen gewiß bleibt dieselbe Hypothese, wie das meiste in dieser Darstellung, in welcher die schwerste der Künste, die „ars ignorandi“, sicher mehrfach vermißt werden wird. Gewiß bin ich mir bewußt, daß sich in der Darstellung so manche in der Formulierung vielleicht nicht geglückte Thesen befinden, auf welche durch Einzeluntersuchung
53
Auch diese Untersuchungen hat Weber später nicht vorgenommen; vgl. oben die Einleitung, S. 44.
zurückgekommen werden muß. Nur hätte ich nicht gewußt, wie ich die hier vertretenen Anschauungen ohne den Versuch, sie in einen größeren Zusammenhang zu bringen, überhaupt hätte zur Darstellung bringen sollen
54
Weber hat an seiner These stets festgehalten: vgl. Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 13; dass.2, S. 79; dass.3, S. 157.
.
. [198]Wenn umgekehrt Praeneste bei Tiberius seine [A 111] Zurückführung in den Status eines municipium erlangte, so werden wir ebenso an[199]nehmen, daß es dabei auf Beseitigung jener Agrarverfassung bezw. gewisser Konsequenzen derselben abgesehen war, und wir können auch vermuten, welche diese waren. Das lästigste Moment der römischen Fluraufteilung war die Wegelast und die [A 112]Offenhaltung der limites. In Praeneste nun war das ganze Flurgebiet schon zu Ciceros Zeit in den Händen weniger Latifundienbesitzer, und für diese mußte die Offenhaltung für sie zweckloser, die Besitzungen zerschneidender limites höchst lästig sein, auf welchen jeder Strolch in ihre Parks oder Terrassen gelangen und dies durch Interdikt erzwingen konnte. Ihnen zuliebe wird man diese Notwendigkeit beseitigt haben. –
Wir haben bisher allerdings wesentlich die Koloniegründungen auf italischem Boden unsrer Betrachtung zu Grunde gelegt, bei welchen die Assignationen zu römischem steuerfreiem Eigentum erfolgten. Daß wir dabei die italische Kolonisation von der provinzialen nicht ausdrücklich schieden, hat seinen Grund darin, daß, trotz aller Verschiedenheiten, in den hier wesentlichen wirtschaftlichen Beziehungen ein in Betracht kommender Unterschied nicht besteht. In jeder Beziehung die gleiche Art der Kolonisation wie in Italien: Zuweisung steuerfreien Eigentums, – auf die Provinzen anzuwenden, hatte C. Gracchus in Karthago den Anfang gemacht. [200]Allein[,] diese Kolonie wurde beseitigt, und später hat man nur ausnahmsweise Kolonien und andre Gemeinden in den Provinzen konstituiert, welchen dies Bodenrecht, das „jus Italicum“, bei der Gründung gegeben oder nachträglich verliehen wurde. Im übrigen sind, wie auch Frontin (de contr. agr. II, p. 36) bemerkt, auch die Territorien der Kolonien in den Provinzen regelmäßig steuerpflichtig. Damit war aber nicht etwa das Prinzip, daß Kolonialboden nach römischer Art aufzuteilen war, ausgeschlossen, im Gegenteil sehen wir aus der in Kap. I
55
[200]Oben, S. 128 f.
interpretierten Inschrift von Arausio, einer nicht immunen Kolonie, daß auch hier die Umlegung erfolgte. Die Inschrift bezeichnet die Aufteilung ausdrücklich als Ackerumlegung („ex tributario … redactus in colonicum[])
103)
[A 112][200]Mit einiger Sicherheit ergibt sich ferner daraus die verschiedene Größe der Landlose. Cf. den Anhang
60
Unten, S. 356.
.
. Wir sehen [A 113]aus dieser Inschrift zugleich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, was auch nach andren Nachrichten angenommen werden muß, daß die Steuer der Kolonien in den Provinzen die einzelnen Grundstücke belastete, der Acker also grundsteuerpflichtig war in dem in Kap. I
56
Oben, S. 122.
erörterten Sinne. Die Agrimensoren sowohl wie die gedachte Inschrift ergeben – was schon früher
57
Oben, S. 128.
hervorgehoben wurde –, daß dessen ungeachtet die Limitation und nicht die Skamnation angewendet wurde. Dies offenbar, weil man das Wegesystem nicht entbehren wollte und weil, wie schon angedeutet
58
Oben, S. 117–121.
, die von Hygin für steuerbares Land empfohlene Form des ager centuriatus per scamna assignatus nur für Assignationen, bei denen man gleich große Parzellen vergab, also nicht für Kolonien, brauchbar war. Den wirtschaftlichen Gesichtspunkten der kolonialen Assignation, wie sie vorstehend geschildert wurden, that jedenfalls die Steuerbarkeit des Bodens keinen Eintrag, immer enthielt sie eine der modernen Verkoppelung nach Zweck und Mitteln gleichartige Maßnahme
104)
[A 113]Es kann Zufall sein, daß uns in den Stadtrechten
60a
Vgl. CIL II 1963,1964 bzw. Bruns, Fontes5, S. 136 ff., 141 ff.
von Salpensa undMalaca
d
[200]A: Malacca
keine die Flurverhältnisse (Berieselung, Aquädukte, Wege) betreffenden Bestimmungen erhal[201]ten sind, während dies im Stadtrecht der Kolonie Genetiva der Fall ist. Wahrscheinlich aber enthielten die Statuten der erstgenannten beiden (latinischen) Gemeinden in der That darüber nichts. Daß im übrigen die cäsarianische sogenannte lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia nicht nur für Kolonien, sondern auch für Munizipien, welche „ex hac lege“
63
Vgl. lex Mamilia, S. 263,4 und S. 264,8 Lachmann (ex: von Weber hinzugefügt).
konstituiert werden, Vorschriften über die limites gibt, ist bei den Veteranen-(Viritan-)Assignationen auf den Gebieten von Munizipien natürlich. Neue Munizipien wurden auf Grund dieser Instruktion im übrigen wohl auch noch immer, wie schon von Sulla, zufolge der Auflösung der tribus rusticae konstituiert und daher viritim assignieter Acker den Munizipien unterstellt. Nicht das Vorkommen limitierten und assignierten Ackers, sondern die Organisation der gesamten Flur nach dem Hufenprinzip mit Zuweisung bonitierter acceptae nachdem
e
[201] A: den
modus agri und innerhalb eines einheitlichen Dekumanensystems mit einheitlicher forma ist, [A 114]wie schon mehrfach
66
Vgl. besonders oben, S. 114 f., 149 f., 196–199.
bemerkt, nach der hier vertretenen Ansicht der Kolonie eigentümlich. Sehr selten und abnorm ist das Vorkommen zweier Dekumanensysteme in Kolonien, wie in Nola, wo aber dann beide in einer einheitlichen forma als „rechtes“ (dexterior) und „linkes“ (sinisterior) System kombiniert sind, also das behauptete Prinzip der Einheitlichkeit der Aufteilung als solches Bestätigung findet.
.
[201][A 114] Die agrarische Umwälzung in Rom und ihr Zeitpunkt.Wir haben gesehen, bezw. wir können bei Erwägung der in vorstehendem dargelegten Gesichtspunkte nicht zweifeln, daß der römische ager privatus Produkt einer bewußten agrarpolitischen Tendenz ist, welche auf ziemlich künstlichem Wege die unbedingte Freiheit der wirtschaftlichen und rechtlichen Disposition über das Grundeigentum und dessen möglichste Mobilisierung zu erreichen strebte und thatsächlich, nicht ohne so manche soziale und wirtschaftliche Schäden in den Kauf zu nehmen, erreicht hat. Wir haben ferner gesehen oder doch wahrscheinlich gemacht, daß diese bewußt provozierte und weitergeführte Entwickelung an die Stelle einer Flurgemeinschaft trat, deren Organisation wir allerdings im einzelnen nicht mehr rekonstruieren können, und daß gewisse Eigentümlichkeiten
61
der späteren agrarischen Ordnung sich aus der Übertragung von Institutionen der älteren Zeit auf die neuen, freilich vollkommen veränderten Verhältnisse erklären lassen. Billig fragen wir zum Schluß: wann denn dieser revolutionäre Übergang von einer älteren zur neuen [202]Ordnung der Dinge vermutlich stattgefunden hat. Denn ein Übergang, wie der hier in Rede stehende, ist nicht das Produkt einer allmählichen Wandlung, so wenig als die modernen Verkoppelungen und Separationen. Der Entschluß, einen solchen Schritt zu vollziehen, mag lange auf der Tagesordnung stehen und pflegt Gegenstand erbittertster Klassenkämpfe zu sein, ehe er definitiv feststeht, und die Durchführung im einzelnen ist zuweilen das Werk von Generationen, ebenso wie die Regulierungen und Gemeinheitsteilungen in Preußen
68
[202]Vgl. oben die Einleitung, S. 49; ein späterer Überblick bei Weber, Wirtschaftsgeschichte1, S. 102–105.
, aber das Prinzip, welches [A 115]eingeführt wird
69
Mit dem neueingeführten Prinzip meint Weber die ‚rechtliche und wirtschaftliche Entfesselung des Grundeigentums‘ (vgl. S. 205).
, ist ein radikal neues, sein Inhalt eine der größten Revolutionen, welche auf dem Gebiete des Agrarwesens möglich sind. Sie pflegt von allen Agrarverfassungen mit dem Eintreten des Übergewichts städtischer Rechtsgedanken
70
Vgl. auch Weber, Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 156, wo im gleichen Zusammenhang von einer „Übertragung von städtischem bzw. Gartenrecht auf das Ackerland“ die Rede ist; dazu noch ders., Wirtschaftsgeschichte1, S. 98.
in der einen oder andern Form vollzogen zu werden, von wenigen aber ist dies mit solcher Schärfe geschehen, wie in Rom.
Täuscht nicht alles, so haben wir die Entscheidung zu Gunsten des neuen Rechtszustandes in die Zeit der Zwölftafelgesetzgebung zu setzen, ja teilweise mit ihr zu identifizieren
71
Dies z. T. in deutlicher Abweichung von Mommsen, der mit der Kodifizierung keine materielle Änderung des bestehenden Rechts verbunden sah; vgl. ders., Römische Geschichte 18, S. 282. Andererseits ist auch nach Mommsen „das Ackerland bei den Römern lange in Feldgemeinschaft benutzt und erst in verhältnismäßig später Zeit aufgeteilt worden " (ebd., S. 149; vgl. auch ebd., S. 182 f.), freilich nach Mommsen sicher schon vor der ‚servianischen‘ Ordnung (ebd., S. 184). Daß dann „die freie Disposition des Bürgers über den Boden“ im Zwölftafelrecht „vollständig anerkannt“ sei, stellt er in: Römisches Staatsrecht 3,1, S. 28, fest. – Weber hat auch später – eher noch verstärkt – die besondere Bedeutung der Zwölftafelgesetzgebung für die agrarische Entwicklung in Rom betont, vgl. ders., Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 155 f.
. Es wurde in der Einleitung
72
Oben, S. 101.
schon darauf hingewiesen, daß alles, was wir von der ältesten römischen Politik wissen, den Charakter des starken Überwiegens von Gesichtspunkten des Großhandels
73
Vgl. die starke Hervorhebung des Handels im frühen Rom auch bei Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 45–48, 86, 100, 194–201 und 846. Weber hat an dieser Auffassung stets festgehalten; vgl. Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 9; dass.2, S. 75; dass.3, S. 141, 150 f., 154; ders., Wirtschaftsgeschichte1, S. 180.
trägt. So der Handelsver[203]trag mit Karthago
74
[203]Gemeint: der erste der beiden bei Polybios (3,22–24) überlieferten Verträge; er wurde nach Polybios 509 v. Chr. abgeschlossen, von Mommsen (der ursprünglich Polybios gefolgt war) dagegen ins Jahr 348 v. Chr. datiert; vgl. ders., Römische Geschichte 18, S. 351. Weber neigte zumindest später der polybianischen Datierung zu (vgl. ders., Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 154), bleibt aber hier vielleicht absichtlich vage.
, welcher den Handel Latiums mit dieser Stadt für Rom zu monopolisieren und Rom allein zum Stapelplatz der latinischen Rohprodukte und zum ausschließlichen Markt aller überseeischen Importartikel machen sollte, – die ausschließliche Anlage von Bürgerkolonien an der See
75
Seit 338 v. Chr. (Antium, vgl. auch S. 114).
, welche die latinischen Bundesgenossen vom Meer abschloß und die Seehäfen in Quartiere römischer Bürger verwandelte, die von Rom aus verwaltet wurden, wie ein Straßenviertel der Stadt Rom selbst, – das Verbot des eigenen Seehandels für Antium
76
Ebenfalls für 338 v. Chr. überliefert (Livius 8,14,8; vgl. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 415 mit Anm.*).
. Auch daß an der Spitze der römischen Geschichte ein nach der Überlieferung die ganze Königszeit
77
D.h. (traditionell): 753–510 v. Chr.
hindurch anhaltender Synökismos
78
Vgl. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 82, 84 und 98.
steht, paßt hierzu, denn auch dieser Vorgang ist eine stehende Erscheinung bei den großen Seehandelsstädten des Altertums
79
Vgl. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 99 f. (Vergleich mit Athen und den ionischen Küstenstädten).
. Nur daß dieser Prozeß
80
Gemeint: die „von Gesichtspunkten des Großhandels“ (s. o.) bestimmte maritime Politik des frühen Rom.
in Rom rechtzeitig zum Stehen gelangte und einer andern Tendenz Platz machte, während z. B. in Athen noch Themistokles ihn fortsetzte und dadurch die an sich schon in der geographischen Natur der Landschaft begründete Gefahr vergrößerte, daß die Nerven, welche den Handelsplatz mit dem Hinterland verknüpften, zerrissen.
[A 116]Entsprechend einer Eigentümlichkeit des Altertums, die in dieser Schärfe nur in England in der Zeit seiner großen kolonialen Expansion wiederkehrt, werden wir uns auch in Rom den Patriziat zu denken haben als einen Stand von Großhandel treibenden Großgrundbesitzern, wovon die Reminiszenz noch in der sozialen Bewertung dieser beiden Berufe, wie sie die späte Republik kennt
82
Weber denkt offenkundig an das bekannte Lob von Großhandel und Ackerbau bei Cicero, de off. 1,42,151: mercatura … magna et copiosa … videtur optimo iure posse [204]laudari. Omnium autem rerum, ex quibus aliquid adquiritur, nihil est agri cultura melius (usw.).
, [204]nachklingt. Diese Kombination ist in hervorragender Weise geeignet, dem Großhandelsstand seinen internationalen Charakter zu nehmen und ihn in den Dienst nationaler Politik zu stellen. Aber allerdings erklärt sie auch, daß der römische Patriziat ebenso wie der altathenische den Kleingrundbesitz in bedenklichem Grade bewucherte und dadurch die Gegensätze schärfte.
Während nun die älteren Landkriege Roms, abgesehen von der behufs Erlangung der Hegemoniestellung notwendigen Niederwerfung von Alba longa und der Aufsaugung der nächsten Nachbarorte in Form eines gewaltsamen Synökismos
83
Vgl. S. 203 mit Anm. 78.
, lediglich den Charakter von Raubzügen haben – womit auch der technische Ausdruck „res repetere
84
D.h.: ‚die (geraubten) Sachen zurückfordern‘.
für das Ultimatum der Fetialen stimmt – beginnt in den Dezennien nach der Zwölftafelgesetzgebung eine expansive, sich mit den Erfolgen verstärkende Eroberungspolitik, welche zu einer stetigen Vergrößerung nicht nur des politischen Herrschaftsgebiets, sondern auch des den Gemeindeangehörigen zum Anbau zur Verfügung stehenden Flurbezirks bis zu ganz enormen Dimensionen führt und die maritime Politik weit zurückdrängt
85
Webers chronologische Vorstellungen sind auffällig elastisch (wenn auch nicht direkt widersprüchlich), wenn die kontinentale Eroberungspolitik Roms in den ‚Dezennien‘ nach 450 v. Chr. beginnt und diese die ‚maritime‘ Politik weit zurückdrängt, deren Hauptbelege andererseits noch aus der Zeit um 340 v. Chr. (vgl. S. 203, Anm. 75–76) stammen.
. Zugleich fällt die Entscheidung der schweren inneren Konflikte mehr und mehr zu Ungunsten des Patriziats aus. Mommsen
86
hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die großen politischen Erfolge des Plebejats von dem Momente datieren, wo die Wahl der Tribunen in die Hand der Tributkomitien gelegt wurde
87
Gemeint: die lex Publilia (traditionell 471 v. Chr.).
[,] und diese Neuerung dahin charakterisiert, daß hiermit diese Vorsteher der plebejischen Partei zu Vertretern der angesessenen nichtadligen [A 117]Bürger, des mittleren und kleineren Grundbesitzerstandes, wurden. In der That sind die Ziele dieser Partei: Schaffung kodifizierten Rechts an Stelle der Observanzen, Seisachthie, Versorgung der überschüssigen Nachkommen des Grundbesitzerstandes durch Aufteilung des öffentlichen Landes und deshalb [205]Ausdehnung desselben durch Eroberung, charakteristische Ziele einer Bauern– oder richtiger einer mittleren Ackerbürgerpartei
87a
[205]Als „Ackerbürgerschaft“ wird das republikanische Rom von Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 446 mit Anm. 73, charakterisiert.
, wie sie da entstehen mußte, wo die Berührung mit dem Großhandel und städtischem Wesen auch dem kleineren Grundbesitzer die wirtschaftliche Physiognomie eines Geschäftsmannes in der Weise gab, wie wir sie bei den römischen Landwirten ausgeprägt finden
88
Vgl. auch dazu Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 48, sowie zum römischen ‚Kaufmannsgeist' allgemein ebd., S. 849–853.
. Einer ihrer wesentlichsten Hebel aber mußte die rechtliche und wirtschaftliche Entfesselung des Grundeigentums sein, wie sie auch die guelfische Partei in Florenz im 14. Jahrhundert im Kampf gegen die ghibellinischen Großgrundbesitzer durchführte
89
Zur Emanzipation der ländlichen Bevölkerung und zur Mobilisierung von Grund und Boden in dem von der guelfischen Partei bzw. den großen Zünften beherrschten Florenz des späten 13. bis frühen 15. Jahrhunderts siehe vor allem Pöhlmann, Robert, Die Wirthschaftspolitik der Florentiner Renaissance und das Prinzip der Verkehrsfreiheit. – Leipzig: S. Hirzel 1878, S. 1–17, besonders S. 3–5. – Dazu noch später Weber, WuG1, S. 573; ders., Wirtschaftsgeschichte1, S. 98 (vgl. ebd., S. 79).
– nur daß hier die städtischen Zünfte die politische Führung hatten, während in Rom zwei agrarische Interessentengruppen sich gegenüberstanden
90
Das Fehlen einer „unabhängigen Handwerker- und Kaufmannschaft“ in Rom betont z. B. auch Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 447.
. Die rechtliche Emanzipation des Grundeigentums erlangte die Plebs mit der Katastrierung der Hüfner in der Centurienordnung der servianischen Verfassung
91
Die servianische Verfassung gehört (für Weber) etwa in die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.; vgl. auch Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 95.
und mit der grundsätzlichen Anerkennung der Vertragsfreiheit in den Zwölftafeln. Wir werden annehmen müssen, daß auch die den Charakter einer Separation und Verkoppelung tragende wirtschaftliche Emanzipation, der Sieg der von patrimonialen wie gemeinwirtschaftlichen Lasten freien Individualwirtschaft, die Auflösung der Flurgemeinschaft durch Aufteilung zu vollem Privateigentum, Ziel derselben Partei und Ergebnis der gleichen Zeit
92
D.h. also: von der servianischen Ordnung bis zum Zwölftafelgesetz, ca. 550–450 v. Chr.
war. Sie hat denjenigen Begriff des Privateigentums geschaffen oder vielmehr auf das Grundeigentum angewendet, welcher, obwohl ein künstliches Produkt reflektierender Interessenpolitik, vermöge des Raffinements seiner logischen Durcharbeitung die Ge[206]danken der Jurisprudenz, [A 118]solange es eine solche gibt, beherrscht hat und noch beherrscht
105)
[A 118][206]Nur andeutungsweise kann hier daran erinnert werden, daß Solon in Athen, wie die neugefundene Schrift des Aristoteles in c. 6, 7, 11
93
[206]Die erste Ausgabe erschien am 30. Jan. 1891: Kenyon, Frederick George, ΑΘΗNAION ΠΟΛΙΤΕΙΑ. Aristotle, On the Constitution of Athens. – London: Trustees of the British Museum 1891 (2. Aufl.: Febr. 1891). Unter den noch in der ersten Hälfte dieses Jahres veröffentlichten weiteren Textausgaben und Übersetzungen vgl. etwa: Aristoteles, Schrift vom Staatswesen der Athener, verdeutscht von Georg Kaibel und Adolf Kießling. – Straßburg: Karl J. Trübner 1891.
ergibt, ähnliche Gegensätze zu einem Kompromiß zu bringen hatte. Auch dort gab es eine Partei, welche die Aufteilung des gesamten Landes verlangt hatte. Vielleicht kann auch dies zum Kommentar der bekannten Nachricht, daß die solonische Gesetzgebung bei Inangriffnahme des Zwölftafelwerkes offiziell zum Gegenstand einer Enquête gemacht worden sei, dienen.
.
Die Entfesselung des Individualeigentums am Grund und Boden war aber nur das eine der agrarischen Ziele der Ackerbürgerpartei, das andre bezog sich, wie bekannt, auf den ager publicus, das öffentliche Land, und die Kämpfe um dies letztere haben bekanntlich die schwersten inneren Konflikte Roms überhaupt hervorgerufen. Wir behandeln jedoch die Schicksale des ager publicus, welche hier nur in den wesentlichsten agrarhistorischen Erscheinungen, welche sie bieten, kurz verfolgt werden sollen, besser im Zusammenhang mit demjenigen Grund und Boden überhaupt, welcher nicht im römischen Privateigentum stand, zu dessen Betrachtung wir uns nun wenden. –

[207] [A 119]III. Das öffentliche und steuerbare Land und die Besitzstände minderen Rechts
1
Eine kurze Zusammenfassung von Teilen des Inhalts dieses Kapitels gibt Weber, Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 10, 13–14, 16–17, sowie dass.2, S. 76 f., 80, 83–84.

Charakter des ager publicus.Wohl nichts bezeichnet deutlicher die künstliche Entstehung der späteren römischen Agrarverfassung, als der schroffe und ersichtlich bewußt geschaffene Gegensatz des ager publicus zum Privateigentum
2
Weber hat gerade diesen Gedanken auch später immer wieder betont. Vgl. Weber, Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 10, sowie dass.2, S. 76, und dass.3, S. 159 f.
. Mangel der Censusfähigkeit, Rechtsschutz nur im Interdiktenverfahren und nur gegen Angriffe von halb und halb kriminellem Charakter, Mangel jeder Übertragungsform, einfach weil es keinen Rechtsübergang, sondern nur eine Succession in ein geschütztes Occupationsverhältnis gab. Erlöschen jeglicher rechtlichen Beziehung zu dem occupirten Areal mit dem Wegfall des thatsächlichen Gewaltverhältnisses, – das sind die bekannten Eigentümlichkeiten der ältesten Besitzstände auf dem öffentlichen Lande. Die Art der Entstehung dieser Besitzstände: durch bloße Occupation und Bewirtschaftung, erscheint in einem auch nur einigermaßen dicht besiedelten Lande höchst abnorm.
Mit dem Gegensatz von ager privatus und ager publicus wird man zunächst geneigt sein, den Gegensatz des Ackerlandes und Weidelandes in Verbindung zu bringen. In der That bezeichnet ein Beamter in republikanischer Zeit seine in Assignationen auf dem ager publicus bestehende Thätigkeit mit den Worten: „… fecei ut de agro poplico aratoribus cederent paastores“
1)
[A 119][207]C.I.L. I, 551
3
Dass. in: CIL I2, 2,1 (wie S. 196, Anm. 40), Nr. 638.
. Nach Mommsens
4
Mommsen, in: CIL I1, S. 154 f., zu Nr. 551.
Vermutung das[elbst] der Konsul Popilius des Jahres 622 u. c.
5
= 132 v. Chr.
in Ausführung der gracchischen Gesetze.
, und die von [A 120]den Censoren verpachteten Grundstücke heißen a potiori technisch pascua. Allein es liegt auf der Hand, daß praktisch bei dem Umfang des ager [208]Romanus davon schon sehr bald nicht mehr hätte die Rede sein können, daß die öffentliche Weide in einem ähnlichen organischen Zusammenhang mit dem Ackerland stand, wie in einer deutschen Dorfflur. Andrerseits ist klar, daß eine Gemeinschaft von Bauern neben dem Ackerlande ein Weidegebiet mit gesichertem und geregeltem Weidgange nicht entbehren konnte. Es ist aber wahrscheinlich, daß die rechtliche Struktur des ager publicus, wie wir sie kennen, nicht diejenige der Gemeinweide in den alten Flurgemeinschaften gewesen ist, sondern daß wir die Spuren dieser letzteren in einer andern trümmerhaften Erscheinung der späteren Zeit zu suchen haben: dem ager compascuus.
Gemeindeweide. Ager compascuus. Wir finden dies Institut bei den Agrimensoren als ein noch gelegentlich vorkommendes erwähnt, insbesondere als eine Form der Verwendung von subseciva. Sein Unterschied von dem gewöhnlichen Weidelande, pascua publica, besteht in zweierlei: einmal darin, daß nur bestimmte, in der Zeit der Agrimensoren meist die angrenzenden (proximi), Grundstücksbesitzer das Recht der Mitweide haben und dies Recht als Pertinenz ihrer Grundstücke gilt und mit ihnen übergeht
3)
[208]Die wesentlichen Stellen bei den Agrimensoren über die compascua sind die folgenden: Frontin, De contr. p. 15: Est et pascuorum proprietas pertinens ad fundos, sed in commune; propter quod ea conpascua multis locis in Italia communia appellantur, quibusdam in
6
[208] Von Weber hinzugefügt.
provinciis pro indiviso. – Hygin, De cond. agr. p. 116, 23: In his igitur agris (den zum Verkauf bereitgestellten überschüssigen Äckern) quaedam loca propter asperitatem aut sterilitatem non invenerunt emptorem
7
Bei Hygin heißt es: emptores.
. Itaque in formis locorum talis adscriptio, id est „in modum compascuae“, aliquando facta est, et „tantum compascuae“; quae pertinerent ad proximos quosque possessores, qui ad ea attingunt finibus suis. Quod genus agrorum, id estcompascuorum
a
[208] A: compascuarum
, etiam nunc in adsignationibus qui[A 121]busdam incidere potest. – Sicul. Flaccus p. 157: Inscribuntur et „compascua“; quod est genus quasi subsecivorum, sive loca quae proximi quique vicini, id est qui ea contingunt, pascua … (Lücke). – Hygin, De lim. const. p. 201, 12: Siqua compascua aut silvae fundis concessae fuerint, quo jure datae sint formis inscribemus. Multis coloniis immanitas agri vicit adsignationem, et cum plus terrae quam datum erat superesset, proximis possessoribus datum est in commune nomine compascuorum: haec in forma similiter comprehensa ostendemus. Haec amplius quam [209]acceptas acceperunt, sed ut in commune haberent. – Auf die Stelle des Aggenius Urbicus p. 15 komme ich später
11
Unten, S. 212.
zu sprechen.
. Ferner aber ist [A 121]offenbar der Rechtsschutz ein besonderer gewesen. „Si compascuus ager est“, sagt Cicero (Top. 12), „jus est compascere“. Der Gegensatz ist [209]offenbar, daß auf dem öffentlichen Lande, den pascua publica, ein „jus“, d. h. hier: ein privatrechtlicher, prozessual geschützter Anspruch auf die Weideberechtigung, nicht besteht. Welche Klage es war, mit der diese Weiderechte geschützt wurden, wissen wir allerdings nicht, vielleicht müssen wir für die ciceronianische Zeit in der That, wie Pernice
8
[209]Pernice, Marcus Antistius Labeo I, S. 270 mit Anm. 37.
vermutet, zu dem Iheringschen subsidiären Rechtsmittel, der actio injuriarum, greifen. Für die ältere Zeit aber nehme ich an, daß ebenso wie für die Herstellung des richtigen Anteilsverhältnisses am Ackerland die controversia de modo, so für die Bemessung der Weideberechtigungen ein entsprechend gestaltetes Rechtsmittel existierte
4)
Frontin p. 48, 26. 49
12
Die zitierte Stelle findet sich S. 48,26–49,3 Lachmann.
(und danach Aggenius Urbicus p. 15, 28): de eorum (scil. der compascua) proprietate jus ordinarium solet moveri
13
Die Wortfolge im Text entspricht der bei Agennius Urbicus; bei Frontin heißt es: solet ius ordinarium moveri.
, non sine interventu mensurarum, quoniam demonstrandum est quatenus sit assignatus ager. Auch in der in der vorigen Note citierten Stelle behandelt Frontin die compascua unter der controv[ersia] de proprietate. Die Agrimensoren behandeln überhaupt die Geltendmachung des Anspruchs auf die einzelnen Pertinenzen des fundus – Ackerparzellen, Holzungsrechte, Weideberechtigungen (p. 15. 48) – als controversia de proprietate. Der Anteil in der Gemeindeweide ist eben ursprünglich ganz in derselben Weise und auch in der praktischen Geltendmachung in nicht sehr verschiedener Art Objekt der „proprietas“ wie der Anteil in dem flurgemeinschaftlichen Ackerland. [A 122]Daß daraus, wie auf deutschen Allmenden, leicht ein gewöhnliches Eigentum pro indiviso werden konnte, ist klar. Allein selbst in dem Fall D. 20 § 1 si servit[us vindicetur] (8, 5) (von Scävola: Plures ex municipibus qui diversa praedia possidebant, saltum communem, ut jus compascendi haberent, mercati sunt, idque etiam a successoribus eorum est observatum; sed nonnulli ex his, qui hoc jus habebant, praedia sua illa propria venumdederunt; quaero, an in venditione etiam jus illud secutum sit praedia, quum ejus voluntatis venditores fuerint, ut et hoc alienarent? [wird bejaht, sodann weiter:]
b
[209][ ] in A.
Item quaero, an quum pars illorum propriorum fundorum legato ad aliquem transmissa sit, aliquid juris secum hujus compascui traxerit? Resp[ondit], quum id quoque jus fundi, qui legatus esset, videretur, id quoque cessurum legatario) scheint mir sehr zweifelhaft, ob gewöhnliches Miteigentum vorliegt (Teilungsklage?), wiewohl dies natürlich möglich ist. Zu berücksichtigen ist jedenfalls die Bezeichnung der einzelnen fundi als proprii, und es könnte doch sein, daß es sich um pachtweisen, erbpachtweisen oder kaufweisen (zu quästorischem Recht) Erwerb von öffentlichem Land ohne Eigentumserwerb handelte. In diesem Fall wäre zu beachten, daß, wie im Text hervorgehoben, ein [210]Recht, nicht bloß eine administrativ geschützte Befugnis erworben ist, – darin würde sich die Anlehnung an die alte Allmende zeigen. Zu vergleichen ist: Cicero pro Quinct. c. 6 extr. In den Alimentartafeln (Veleja col. 4, lin. 84
15
CIL XI 1147, IV, 84 f.: communiones; hier – und an 10 weiteren Stellen (vgl. den Index ebd., S. 229) – als Bestandteile („Pertinenzen“) von fundi; bei den zahlreichen saltus dieser Inschrift handelt es sich dagegen um selbständige Besitzungen.
, Baebia
15a
col. 2, lin. 47
16
CIL IX 1455, II, 47 f. (saltus – Plural –, hier mit einem fundus verbunden).
) werden als Pertinenzen der fundi communiones und saltus erwähnt.
. Das In[A 122]stitut weist nämlich, wie mir [210]scheint, auf Verhältnisse zurück, wie sie bei Bestehen der Flurgemeinschaft und später da, wo die Gemengelage und die alten agrarischen Zustände noch herrschten, vorhanden gewesen sein müssen. Nach aller Analogie andrer Zustände hat damals der einzelne in der Flur als Genosse Berechtigte seinen Anteil so gut am Acker wie am Weideland gehabt, und sicher hat sich also damals der Umfang des Weiderechtes nach dem Hufenrecht gerichtet, und es wird nicht jeder Parzellenbesitzer, sondern nur der zu einem „fundus“ Berechtigte an der Weide beteiligt gewesen sein. Ebenso wie dann die Separation und Verkoppelung des Ackerlandes die Zuweisung eines certus modus von jugera an den einzelnen Besitzer herbeiführte, so führte sie bei der [A 123] Allmende, so weit sie dieselbe überhaupt in der alten Form als Weideland einer „Realgemeinde“ bestehen ließ, dazu, daß bestimmten Grundstücken ein bestimmtes – in dubio wohl unter sich gleiches – Maß von aufzutreibenden Tieren zugewiesen wurde, zum Teil auch gegen Zahlung einer Abgabe. Die Flurverkoppelung durch Assignation war wohl stets auch mit Gemeinheitsteilung verbunden, und wahrscheinlich hat man an Orten, in welche eine Kolonie deduziert wurde, ohne daß man die bisherigen Besitzer depossedieren wollte, das erforderliche Plus an Land durch Einbeziehung der Allmende in das zu erweiternde Areal gewonnen und geglaubt, die alten Besitzer durch die Zuteilung geschlossenen Besitzes und die Erlangung wirtschaftlicher Ungebundenheit für den Verlust der Allmende zu entschädigen
5)
[A 123]Sic. Flaccus p. 155, 20 von den verkoppelten Besitzern: … in locum ejus quod in diverso erat majorem partem accepit … Dies war doch nur möglich, wenn auch das bei der Verkoppelung zur Assignation kommende Areal ein größeres war als das vorher als Ackerland ausgelegte, und dies wieder war nur durch Mitverteilung der Allmende möglich.
. Diese Umlegung hat denn auch [211]mit dem, wie schon bemerkt
17
[211]Oben, S. 210.
, wahrscheinlich in Italien so gut wie in den altgermanischen Agrarverfassungen ursprünglich bestehenden Grundsatz, daß nur die Hüfner, nicht jeder in der FlurAnsässige
c
[211]A: ansässige
, weideberechtigt waren, daß also eine Art Realgemeinde der alten Hufen bestand, aufgeräumt, – und in der That war es, nachdem man den Parzellenbesitzer durch Zulassung der Usukapion dem Hüfner rechtlich gleichgestellt hatte, kaum auf die Dauer möglich, den älteren Rechtszustand, – vorausgesetzt, daß derselbe in der hier angenommenen Art wirklich bestanden hatte, – aufrechtzuerhalten. Zwischen Hüfner und Nicht-Hüfner war ein Unterschied nicht mehr zu konstatieren, und soweit man daher das Institut fortbestehen ließ, konnte man als unterscheidendes Merkmal für die berechtigten [A 124]Grundbesitzer nur ein so äußerliches wie das Grenzen an das Weidegrundstück aufstellen
6)
[A 124][211]Siehe die in Note 3 angeführten Stellen.
. Die ganze Behandlung des Verhältnisses entsprach so auch der allen gemeinwirtschaftlichen Resten feindlichen Tendenz der späteren römischen Flurverfassung, wie wir sie oben
18
Vgl. besonders S. 193 f. und 201 f.
kennen lernten.
Allein nicht nur von dieser Seite wurde der ager compascuus in seiner Bedeutung eingeschränkt, er verlor auch an Terrain gegenüber dem ager publicus
6a)
D.h. hier: dem der allgemeinen freien Beweidung und dem Occupationsrecht unterliegenden Lande.
. Die lex agraria von 643 a. u. c. verfügt bezüglich des ager publicus in Italien in Z. 25:
neive is ager compascuus esto, neive quis … defendito quo mi(nus quei v)elit compascere liceat
19
Weber zitiert nach Bruns, Fontes5, S. 77.
.
Machen wir uns den Gegensatz des ager compascuus gegenüber demjenigen ager publicus, welcher nicht compascuus war, klar, so sind die Ausschließlichkeit der Weidebefugnis für eine bestimmte Realgemeinschaft und der Ausschluß des dem ager publicus charakteristischen, durch den gleichen Passus der lex agraria ebenfalls beseitigten, Occupationsrechtes beim ager compascuus die praktisch wesentlichen Momente. Beide sind, wie bekannt, auch der germani[212]schen Allmende im Gegensatz
20
[212]Die Art der Gegenüberstellung von deutscher (Dorf-)Allmende und (weiterer) gemeiner Mark (vgl. auch S. 213) und ihrer jeweiligen Charakteristika geht offenkundig unmittelbar auf August Meitzen zurück; vgl. Meitzen, Ansiedelung1, S. 299, 301, sowie ders., Agrarpolitik3, S. 148–152, bes. 150 f., und ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 152, 162, 173. Siehe noch die späteren Feststellungen Webers in: ders., Wirtschaftsgeschichte1, S. 24.
zu der gemeinen Mark eigentümlich. Auch darin tritt die Verwandtschaft mit der deutschen Allmende hervor, daß in Betreff der Zuständigkeit des Eigentums an dem als compascua liegenden Areal keine Einheitlichkeit und häufig direkte Unklarheit besteht. Daraus, daß gewissen Besitzern das Weiderecht darauf zusteht, folgt keineswegs, daß die compascua im gewöhnlichen Miteigentum derselben stehen, jedenfalls ist die freie jederzeitige Teilung nach den Regeln der actio communi dividundo nicht darauf anwendbar. Andrerseits bestanden aber offenbar [A 125] – und das war praktisch wichtiger – auch in sehr vielen Fällen Zweifel über das Verhältnis zu und die Abgrenzung gegenüber dem ager publicus. Der Commentator Frontins sagt von den compascua (p. 15, 26): certis personis data sunt depascenda, sed in communi: quae multi per potentiam invaserunt et colunt. Wer würde dabei nicht an die Einhegungen der Großgrundbesitzer im Ausgang des Mittelalters und deren Übergriffe auf die Dorf-Allmenden erinnert
21
Weber hat die deutsche Agrarentwicklung im 15. Jahrhundert im Auge. Vgl. etwa Meitzen, Agrarpolitik3, S. 155, sowie ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 167. – Siehe auch die späteren Bemerkungen Webers in: ders., Wirtschaftsgeschichte1, S. 76 und 80 (wo S. 76 statt „Appropriation der Mark– und Dorfallmende“ allerdings gelesen werden muß: „Appropriation der Mark und der Dorfallmende“).
? – Und in der That, mutatis mutandis haben beide Erscheinungen die gleiche historische Wurzel.
Ursprung der Occupationen. Mark und Allmende. Es wurde im vorigen Kapitel
22
Oben, S. 141 f.
von der Voraussetzung ausgegangen, daß die italische Besiedelung, so weit wir über sie unterrichtet sind, eine genossenschaftliche im Gegensatz zu einer clanschaftlichen gewesen sei. Diese Ansicht scheint mir in der That nicht zu umgehen, alle Reste von Hufenverfassung, Umlegung der öffentlichen Leistungen und Bemessung der öffentlichen Rechte nach Hufen weisen mit Entschiedenheit darauf hin. Damit ist nun aber keineswegs gesagt, daß nicht an der vorhistorischen Pforte der römischen Geschichte, wie an derjenigen der meisten Nationen, von deren ältester Organisation wir berichtet sind, eine streng clanschaftliche Organisation mit Haus[213]hörigkeit gestanden hat, deren Schatten in Resten wie der Klientel und der Art der römischen Familienverfassung noch tief in die historische Zeit hineinfallen
7)
[A 125][213]Nirgends, soviel wir wissen, steht historisch an der Spitze der Organisation menschlicher Gemeinschaften eine solche nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dem Sippen- bezw. Clanverband succediert vielmehr erst später, auf agrarischem Gebiet wie sonst – wie ich das für einen ganz anderen Fall in meiner Schrift „Zur Geschichte der Handelsgesellschaften darzulegen versuchte – ein wesentlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten organisierter. Oft hat dies zur Folge, daß die Einzelfamilie sich nun um so straffer zusammenfaßt. So vielleicht auch in Rom.
. Für uns kommt es hier nur darauf [A 126]an, daß, soweit wir zur Zeit sehen können, die feste definitive Ansiedelung unter genossenschaftlichen Gesichtspunkten vor sich gegangen sein muß. Eine solche feste Ansiedelung bedeutet häufig gerade einen Akt der Emanzipation von patrimonialer Gewalt
23
[213]Hier und im folgenden übernimmt Weber wieder Gedanken August Meitzens; vgl. Meitzen, Agrarpolitik3, S. 149, sowie ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 465, dazu auch Weber, Altgermanische Sozialverfassung, S. 437.
. Die Großherdenbesitzer, welche in der Zeit vorwiegender Weidewirtschaft mit halbnomadisierendem Ackerbau, selbst wenn eine Clanverfassung formell nicht besteht, wirtschaftlich die Herren der andern Stammesgenossen sind, sind deshalb stets die geborenen Feinde jeder definitiven und festen Ansiedelung; der Ausschluß des freien Weiderechtes auf der Ackerflur und Allmende der Siedler muß ihnen abgezwungen werden, und immer wieder versuchen sie, die zu Gunsten der Genossenschaft der Ansiedler ausgeschiedene Allmende in die gemeine Mark hineinzuziehen. Die Nutzung durch Beweidung ist aber keineswegs die einzige Art der Exploitierung der Mark. Vielmehr kennt auch das germanische Altertum in verschiedener Ausprägung das Bifanc-Recht
25
bifanc (Bifang, Beifang, ‚Neubruch‘): Im frühen Mittelalter das durch Okkupation, vielfach auch eigene Urbarmachung gewonnene Sonder- bzw. private Eigentum am Land. Vgl. z. B. Brunner, Heinrich, Deutsche Rechtsgeschichte, Band 1. – Leipzig: Duncker & Humblot 1887, S. 62 (dort auch die Schreibung bifanc); 205. – Siehe noch die spätere Erwähnung bei Weber, Wirtschaftsgeschichte1, S. 25 f.
, d. h. die Occupation von Rottland in der Art, daß der Rodende das in Besitz genommene Areal so weit und so lange in privater Nutzung behält und einhegen darf, als er dasselbe unter dem Pfluge hält
8)
[A 126]Cf. Festus
27
Von Weber offenbar zitiert nach Bruns, Fontes5, S. 348 (vgl. auch Anm. 32); vgl. Festus, S. 193 Lindsay.
: Occupaticius ager dicitur qui desertus a cultoribus frequentari propriis, ab aliis occupatur.
; und mit der steigenden Bedeutung [214]des Ackerbaues und dem Engerwerden des Nahrungsspielraums für den Weidebetrieb gewinnt dies an Bedeutung. In vorgeschritteneren staatlichen Zuständen pflegt dann die Occupation, soweit sie nicht überhaupt untersagt wird, nur gegen Abgaben an die Territorialgewalt zugelassen zu werden, und in diesem Sinn möchte ich Karlowas Ansicht, daß die Nachricht Appians von der Verpflichtung zur Leistung von Ertragsquoten für die Occupanten spätere Zustände schildert, für sehr wahrscheinlich halten. Vermut[A 127]lich ist nicht, wie es gewöhnlich dargestellt wird
29
Vgl. z. B. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 267.
, die Abgabepflicht in Vergessenheit geraten, sondern die Patrizier haben dieselbe für sich wohl nie anerkannt und sich ihr nur je nach den politischen Machtverhältnissen in größerem oder geringerem Umfange fügen müssen. Wenn allerdings, wie es vorgekommen zu sein scheint, von Staats wegen erobertes und dem Feinde abgenommenes kultiviertes Areal durch besonderes öffentliches Aufgebot zur freien Occupation durch jeden Bürger offengestellt wurde, so ist dies wahrscheinlich die älteste Art der Verwendung des öffentlichen Landes im Interesse der Staatskasse gewesen und wird man hier feste Abgabesätze, nach Appian (l. c.
30
Weber bezieht sich auf Appian, bell. civ. 1,7,27.
1.7) vom Acker-, vom Baumlande, ein für allemal auferlegt haben, bei Rodungen in der gemeinen Mark aber ist ursprünglich das Gleiche schwerlich der Fall gewesen, und die Identifizierung beider ist wohl eine allerdings im Interesse der Besitzer des abgabepflichtigen Landes liegende Konfundierung
9)
[A 127]Einer ähnlichen Konfundierung scheint mir auch der Begriff des ager occupatorius, dessen Nichtidentität mit dem ager occupaticius mehrfach (so von Mommsen und Rudorff Bruns, Fontes p. 348 N. 5
32
Mommsen, in: Bruns, Fontes5, S. 348, Anm. 6.
, Feldm. II, 252) betont wird, zu entstammen. Zunächst scheint darunter das zuletzt erwähnte, durch abgabepflichtige Occupation verwertete Beuteland verstanden zu sein. Siculus Flaccus sagt p. 138: Occupatorii autem dicuntur agri quos quidam arcifinales vocant, quibus agris victor populus occupando nomen dedit. Bellis enim gestis victores populi terras omnes, ex quibus victosejecerunt
d
[214] A: ejecerant
, publicavere atque [215]universaliter territorium dixerunt intra quos fines jus dicendi esset. Deinde ut quisque virtute colendi quid occupavit, arcendo vicinum arcifinalem dixit. Dagegen sagt Hygin, De cond. agr. p. 115, 6, offenbar ebenfalls von dem kurz zuvor genannten a[ger] occupatorius sprechend: … quia non solum tantum occupabat unusquisque, quantum colere praesenti tempore poterat, sed quantum in spem colendi habuerat ambiebat (cf. Sic. Flaccus p. 137, 20). – Auf den thatsächlichen Umfang der Bewirtschaftung wird es nun vermutlich nicht nur bei Occupation von Rottland, sondern auch bei der Occupation eroberten Landes gegen Ertragsquote angekommen [A 128]sein, denn der Staat war als Zehntherr interessiert an dem Umfang des bewirtschafteten Areals und wird dauernd unbestelltes Land anderweit vergeben haben. Die erwähnte Occupation, „quantum in spem colendi habuerat“, wird sich daher auf keiner dieser beiden Fälle, sondern auf gewöhnlichen ager arcifinius beziehen, d. h. Boden von Bürger-Munizipien, die nicht römisch aufgemessen waren. Da die von der lex agraria 643 u. c. appropriierten Possessionen meist a[ger] occupatorius auf erobertem Land waren, so identifizierte man alles in unregelmäßigen Blöcken besessene Land damit. Es scheint mir also a[ger] occupatorius der weitere, mit a[ger] arcifinius im feldmesserischen, a[ger] Gabinus im auguralen Sinn
35
Vgl. S. 184.
zu identifizierende Begriff, a[ger] occupaticius der Spezialfall der aus dem Bifanc-Recht hervorgegangenen Possessionen. – Diese Identifikation ist auch der Grund, weshalb der „vetus possessor“, d. h. nach Mommsens überzeugender Darlegung (im C.I.L., I zur lex agraria) derjenige Occupant von ager publicus, dessen Besitzstand vor den gracchischenGesetzen
e
[215]In A folgt: und
bezw. vor der lex agraria von 643u.
f
A: a.
c. begründet war, gelegentlich allgemein mit dem arcifinalen Besitzer identifiziert wird, so in der citierten Stelle des Sic[ulus] Flaccus, ferner (in korrekterer Fassung) von Frontin p. 5, 9, ebenso von Sic[ulus] Flaccus p. 157, 22 und p. 197, 15 von Hygin. Und dies wieder mag wohl der Grund gewesen sein, weshalb man den ager arcifinius überhaupt nicht als vollwertiges Privateigentum gelten ließ, wie dies in den Zwangskäufen der Triumvirn und überhaupt in der zwangsweisen, mit Zuführung neuer Besitzer verbundenen Flurumlegung, soweit dabei von rechtlichen Gesichtspunkten die Rede sein kann, praktisch zum Ausdruck kommt.
.
[A 128]Allerdings wäre auch denkbar, daß jene Abgabe ebenso wie die scriptura für Beweidung des öffentlichen Landes bei Gelegenheit der [215]Flurseparation in der Zwölftafelzeit allgemein eingeführt wurde bezw. eingeführt werden sollte. Denn die Zulässigkeit der freien Occupation auch des Weidelandes, nicht bloß des gerodeten Markgebietes hat m. E. doch den Charakter eines Übergriffs des Bifanc-Rechtes auf ein Gebiet, welches ihm ursprünglich nicht unterworfen war. Bei Gelegenheit der Verkoppelung und Separation der alten Flurgemeinschaften werden deren Allmenden dann vermutlich im allgemeinen in den einen Topf des ager publicus geworfen [A 129]worden sein und man Konzessionen an die bisherigen Zustände nur lokal in Gestalt der Zuweisung von compascua je an bestimmte einzelne fundi gemacht haben, ebenso wie bei den späteren Assignationen, wie sie die Feldmesser schildern. Agrarischer Kapitalismus.Wahrscheinlich – es entspricht das [216]dem ganzen Charakter des damaligen Kompromisses – hat man nun damals eine formelle Rechtsgleichheit aller Bürger im Verhältnis zum öffentlichen Lande durch unbeschränkte Zulassung der freien Beweidung und der freien Occupation geschaffen
10)
[A 129][216]Denn die Plebejer müssen, wie aus der Überlieferung von der Multierung des Licinius Stolo wegen Überschreitung des Occupationsmaximums seines eigenen Gesetzes hervorgeht
41
Vgl. Livius 7,16,9 (357 v. Chr.).
, entschieden schon vorher zur Occupation zugelassen worden sein.
, und möglicherweise hat man diese unerhörte Begünstigung des Kapitals durch eine wenigstens theoretisch eingeführte Quotenabgabe zu verschleiern gesucht. Denn daß diese freie Konkurrenz nicht den kleinbäuerlichen Besitzern, sondern nur den Großkapitalisten, Patriziern wie Plebejern, zu statten kam, ist oft
37
[216]Vgl. z. B. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 266 f.
hervorgehoben worden. Sie stellt in der That den schrankenlosesten Kapitalismus auf agrarischem Gebiete dar, welcher in der Geschichte jemals erhört gewesen ist
38
Vgl. auch die entsprechenden späteren (praktisch gleichlautenden) Formulierungen Webers: Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 10, sowie dass.2, S. 76 f. (jeweils, wie im vorliegenden Text, unter der Voraussetzung der Historizität der licinisch-sextischen Gesetze von 367/6 v. Chr., vgl. das Folgende); dass.3, S. 161 (unter Berücksichtigung der neueren Anschauung, daß das von der Überlieferung dem ersten Drittel des 4. Jahrhunderts v. Chr. zugeschriebene Maximum von 500 iugera erst dem 2. Jahrhundert v. Chr. entstammt).
und wird von den als Analogie schon erwähnten
39
Oben, S. 212.
Übergriffen und Einhegungen der spätmittelalterlichen Grundherren quantitativ und qualitativ nicht entfernt erreicht. Die wirtschaftlichen und sozialen Klasseninteressen mit ihren Konsequenzen zeigen sich eben in der römischen Geschichte überhaupt in einer schamlosen Nacktheit, welche für den antiken Politiker und für den modernen Sozialhistoriker die gleichen Vorzüge bietet, wie die entsprechende Eigenschaft in den Bekleidungsverhältnissen des klassischen Altertums für die antike Kunst. Es ist bekannt, wie dann der Klassenkampf um den ager publicus in immer schärfere Stadien eintrat
11)
Es wird dies hier nicht im einzelnen verfolgt, da vom agrarhistorischen Standpunkt aus, soviel ich sehen kann, keine [A 130]neuen Züge zu dem bekannten Bilde des Klassenkampfs hinzuzufügen sind.
. [A 130]Vergebens suchten die licinischen Rogationen durch Festsetzung eines Maximalmaßes von 500 jugera
40
Ca. 126,17 ha.
für die Occupation Abhilfe zu schaffen
11a)
Vielleicht datiert auch erst von damals die Einführung eines Weidegeldes, jedenfalls ist überliefert, daß die leges Liciniae Sextiae auch ein Maximalmaß des steuerfreien [217]Viehauftriebes – 100 Stück für Groß-, 500 für Kleinvieh – eingeführt haben (cf. Appian l. c. 1, 8).
.
[217]Der Ruf nach Aufteilung des öffentlichen Landes verschwand niemals während der republikanischen Zeit von der Bildfläche, wohl aber verlor er seine innere Berechtigung, als die Menge der Besitzlosen, welche ihn erhob, ihren alten Charakter mehr und mehr einbüßte. Einst war es der Bevölkerungsüberschuß des platten Landes, die enterbten oder durch Erbteilung herabgedrückten Nachkommen bäuerlicher Besitzer, welche durch Ackeraufteilung die Möglichkeit einer Neubegründung eigener Bauernwirtschaften und des Eintritts in den Stand der adsidui, welchem ihre Ahnen angehört hatten, durch Aufnahme in die tribus rusticae erstrebten. Allein mit dem wachsenden großstädtischen Charakter Roms verlor das Proletariat seine expansive Energie, es ballte sich zu einem städtischen Pöbel modernen Charakters zusammen, welchem der Sinn für die Standesehre des Grundbesitzes mehr und mehr abhanden kam, – eine Umwandlung, welche überall unter ähnlichen Verhältnissen nur eine Frage der Zeit ist, – und welcher die bäuerlichen Existenzen des Landes mit wachsender Schnelligkeit aufsog und ihrem Stande die Energie der Selbstverteidigung gegen die Arrondierungsbestrebungen des Großgrundbesitzes nahm. Das zugewiesene Land wurde nun vielfach zum Spekulationsobjekt, von den Ansiedlern zu Gelde gemacht, um die Vergnügungen der Großstadt wieder aufzusuchen, und der Versuch der [A 131] Gracchen, Sullas und Caesars, durch Beschränkung der Veräußerlichkeit der Aufsaugung der Neusiedelungen Schranken zu setzen, mußte stets wieder aufgegeben werden, weil die Interessen der Beteiligten dem ebensosehr entgegenstanden wie diejenigen der Gegner, wahrscheinlich auch deshalb, weil derartiges unveräußerliches Land der vollen Censusfähigkeit entbehrte und deshalb den Besitzer in seinen politischen Standesrechten nicht hob
12)
[A 131]Aus der lex agr. 38
43
Offenbar gemeint: Z. 8 (vgl. auch Webers Fußnote 13).
geht jedenfalls hervor, daß die gracchischen Assignationen dem ager optimo jure privatus in der Censusfähigkeit nicht gleichstanden. Wir sind ja leider über die Art der sicherlich irgendwie mindestens teilweise erfolgten Umgestaltung des Census aus einem Hufenregister in ein Vermögensverzeichnis nicht unterrichtet. Möglich wäre es also, daß auch nicht quiritarischer Grundbesitz zur professio in irgend einer Weise zugelassen worden ist, aber ich möchte als sicher annehmen, daß diese [218]professio jedenfalls nicht zur Einschreibung unter die assidui inden
h
A: der
tribus rusticae führen konnte. Bei Cicero pro Flacco 80 behauptet jemand, daß er Grundbesitz, den er in Apollonis in Asien hatte, in Rom beim Census profitiert habe. Cicero bestreitet dies mit den Worten: Illud quaero: sintne ista praedia censui censendo? habeant jus civile? sint necne sint mancipi? subsignari apud aerarium aut apud censorem possint? In qua tribu denique ista praedia censuisti?
.
[218]Ende der Occupationen und des ager compascuus. Die vollständige Verwirrung aller Besitzverhältnisse durch den letzten großen Aufteilungsversuch agrar- und sozialpolitischen Charakters in Italien, denjenigen der Gracchen, führte, wie früher
44
[218]Zuvor von Weber nicht erwähnt.
schon erwähnt, zu drei ferneren Agrargesetzen, deren letztes die lex agraria von 643 u.
g
[218]A: a.
c. war, welche die bisherigen Occupationen durch Gewährung der Censusfähigkeit und aller andern Privilegien des ager privatus definitiv sanktionierte und alle Schranken der Veräußerlichkeit
13)
Diese war schon durch das erste der gedachten drei Gesetze zugelassen worden. Die lex von 643 bestätigt dies lediglich definitiv, indem sie – das ist wohl der Sinn von v. 8 – ihnen die Manzipabilität gab.
der gracchischen Ansiedelungen unter Gewährung der Censusfähigkeit beseitigte. Für die Zu[A 132]kunft beseitigte sie ferner auch den alten Gegensatz zwischen bäuerlicher Allmende und Einhegungsrecht, indem sie für den Rest des ager publicus, der als solcher noch bestehen blieb, das Entstehen von compascua wie die Zulässigkeit der Occupation
14)
[A 132]Gracchus
45
Gemeint: Tiberius Gracchus (133 v. Chr.).
hatte bekanntlich die lex Licinia mit der Modifikation, daß noch je 250 jugera
46
Ca. 63,08 ha.
für zwei Söhne außer den 500 jugera
47
Ca. 126,17 ha.
jenes Gesetzes zugestanden wurden, wieder erneuert, im übrigen jede Occupation verboten (Mommsen im C.I.L., I
48
Mommsen, Lex agraria, S. 87.
zur lex agraria
). Trotzdem kamen auch nachher noch Occupationen vor, welche von der lex von 643 bis zum Umfang von 30 jugera
49
Ca. 7,57 ha. Vgl. Z. 14 der lex agraria.
pro Person sanktioniert wurden. Inzwischen war aber durch die lex Thoria
50
Weber datiert die lex Thoria offenkundig nach Mommsen (Mommsen, Thorisches Ackergesetz, S. 94, bzw. ders., Lex agraria, S. 77) ins Jahr 119 oder 118 v. Chr.; vgl. auch Bruns, Fontes5, S. 72, Anm. 1 (119 v. Chr.).
agraria, wie es scheint, mit den Possessionen bereits eine wichtige Veränderung vorgegangen, welche Cicero (Brut. 36, 136) mit den Worten bezeichnet: (Sp. Thorius) … agrum publicum vitiosa et inutili lege vectigali levavit. Nach Mommsens von Rudorff (R.R.G. I, S. 41) acceptierter Erklärung soll dies heißen: Er befreite durch [219]Auferlegung eines vectigal den ager publicus von einer vitiosa et inutilis lex. Mag dies auch sprachlich nicht ganz ungezwungen erscheinen, so wird es doch dem Sinne nach, glaube ich, schwer sein, eine andere befriedigende Erklärung an die Stelle zu setzen. Auch gibt nur diese Interpretation in Verbindung mit der Angabe Appians (l. c. 1, 27) ,,τὴν μὲν γῆν μηκέτι διανέμειν, ἀλλ’ εἶναι τῶν ἐχόντων, καὶ φόρους ὑπὲρ αὐτῆς τῷ δήμῳ κατατίϑεσϑαι“ einen guten Sinn, nämlich den: daß die Possessionen auf dem ager publicus in ager vectigalis verwandelt wurden, d. h. an die Stelle der (theoretisch bestehenden) Quotenabgabe, welche schon wegen der Verwandtschaft mit der Abgabe des Teilpächters als Signatur eines rechtlich prekären niederen Besitzstandes gelten mußte, trat ein festes vectigal, es fand also eine adaeratio statt, wie sie in der Kaiserzeit so oft von den Grundbesitzern erstrebt und erlangt wurde; und ferner wurde die Einziehbarkeit des Landes vielleicht nur für den Fall der Nichtzahlung des vectigal gestattet, im übrigen aber die prekäre Natur des Besitzstandes beseitigt (s. u.
57
Unten, S. 257 f.
).
gleichmäßig aufhob (Z. 25). Zugleich traf sie für [219]den ager compascuus folgende Bestimmung (Z. 14, 15 nach Mommsens
53
[219]Offenbar nach: Bruns, Fontes5, S. 74 (vgl. auch S. 113, Anm. 27).
Ergänzung): Quei in agrum compascuom pequdes majores non plus X pascet quae(que ex eis minus annum gnatae erunt postea quam gnatae erunt … queique ibei pequdes minores non plus . . .) [A 133]pascet quaeque ex eis minus annum gnatae erunt post ea qua(m gnatae erunt: is pro iis pequdibus … populo aut publicano vectigal scripturamve nei debeto neive de ea re sati)s dato neive solvito. Μ.E. ist daraus zu entnehmen, daß der ager compascuus, soweit er in dem Sinn der Allmende einer Flurgenossenschaft damals noch bestand – denn nur von solchem ager compascuus, nicht aber von beliebigen nach Analogie desselben von Privaten gemeinsam erworbenen Ländereien ist hier die Rede –[,] in dem Sinn als Teil des ager publicus p[opuli] R[omani] aufgefaßt wurde, daß man über ihn von Staats wegen verfügen könne. Auf Grund dieser Anschauung hatte man offenbar schon vorher die Verpflichtung zur Zahlung von scriptura darauf auszudehnen gesucht, und deshalb enthält das Gesetz eine Deklaration über das Maß der abgabefreien Weidenutzung auf diesen Allmenden. Im übrigen wurde, wie gesagt
54
Vgl. S. 218.
, das Institut auf den Aussterbeetat gesetzt. Bei den uns durch die Agrimensoren
55
Vgl. oben, S. 109 ff.
bekannten Formen der Assignationen wurden Allmenden in dem oben umschriebenen Sinn nicht begründet. Ager compascuus findet sich, wie bemerkt
56
Oben, S. 208.
, nur noch als Weideland bestimmter einzelner fundi. Im übrigen wurde, wie dies dem gemeinheitsfeindlichen und städtischen Charakter der Kolonisation entsprach, Weideland nur in der [220]Form von pascua publica, d. h. von
i
[220]A: von,
der Verfügung der Gemeinde unterliegenden, von jura singulorum
k
A: singularum
, wie sie der ager compascuus kannte, freien Weiderevieren den Kolonien teils assigniert, teils – wie schon vorher häufiger der Fall – widerruflich concediert. Das Bifancrecht verschwand von dem italischen ager publicus und findet sich nur in dem Rott- und Ödlande der Grenzprovinzen wieder (C. Th. 1 de rei vind[icatione] 2, 23). Das Schicksal des ager publicus überhaupt aber, soweit er aus anbaufähigem Land bestand, war für Italien besiegelt. Die letzten nennenswerten Komplexe assignierte Caesar seinen Veteranen, und auch die subseciva vergab [A 134] definitiv, wie schon ausgeführt
58
[220] Oben, S. 149.
, Domitian. Seitdem sind wesentlich nur die calles publicae auf den Weidetriften nach Apulien
14a)
[A 134][220]Inschriftlich erwähnt z. B. C.I.L., IX, 2438, ferner bei Varro r. r. II, I.
zu und einzelne Komplexe Weideland als Restbestand des ager publicus verblieben. Bis dahin aber hatten sich darauf noch andre, jetzt zu betrachtende Besitzformen entwickelt.
Sonstige Domanialbesitzstände. Allen diesen Besitzformen ist zunächst gemeinsam, daß bei ihnen Schutz nur für den locus gewährt werden kann. Für die alten Possessionen speziell muß von großer praktischer Bedeutung gewesen sein, daß sie ausschließlich nach prätorischem Recht vererbten, da der Rechtsschutz des Erben bei ihnen nur in dem Interdictum Quorum bonorum bestand, also von der Zulassung zur bonorum possessio durch den Prätor abhängig war. Mir scheint damit ein nicht unwesentliches Moment für die Erklärung der Entstehung des von der gentilen und agnatischen Gebundenheit des Hufenrechts abstrahierenden bonitarischen Intestat-Erbrechts gegeben. Die Grundaristokratie konnte im Edikt die Art der Vererbung nach ihren Bedürfnissen gestalten
14b)
Über die willkürlichen Eingriffe, welche hierdurch in die Erbschaftsverhältnisse ermöglicht wurden, ist das erste Buch der accus. in Verrem zu vergleichen.
.
Im einzelnen lassen sich in der rechtlichen Qualität der Besitzstände verschiedene Entwickelungsstufen unterscheiden.
Neben die Nutzung des im Kriege erworbenen Areals und des öffentlichen Landes überhaupt durch Occupation seitens der Volks[221]genossen war im Laufe der Zeit die finanzielle Verwertung im Interesse des Aerars getreten. Die rohe Form der Freistellung der Occupation gegen Fruchtquotenabgabe wich dem systematischen Verkauf bezw. der Verpachtung des hierzu geeigneten Landes. Von ersterem ist früher (in Kap. I)
61
[221]Oben, S. 129 ff.
die Rede [A 135]gewesen und wird noch weiter unten
62
Unten, S. 236 ff.
die Rede sein; hier gehen wir von einer Betrachtung der wesentlichsten Züge in den Verhältnissen des Pachtackers, ager vectigalis, aus, um uns alsdann einer Untersuchung der Rechtsformen, in welchen die Besitzstände in den Provinzen sich bewegten, zuzuwenden
63
.
Censorische Lokation.Es ist bekannt
64
Die Formulierung lehnt sich im folgenden teilweise wörtlich an Mommsen, Römisches Staatsrecht 2,13, S. 439, an.
, daß die Verwertung öffentlichen Landes in Form der Überlassung desselben an Private zur Nutzung und Fruchtziehung gegen einen (wohl durchweg jährlichen) Zins bezw. eine Naturalleistung Sache der Censoren ist. Zwei Stadien dieses Geschäftes sind dabei zu scheiden: die Vergebung des Ackers selbst an Domänenpächter und die Verpachtung der dabei ausbedungenen Abgaben gegen eine Pauschsumme an Publikanen. Uns interessiert hier nur die erste dieser beiden Maßnahmen. Die Verpachtung der Domänen erfolgt von Rom aus auf Grund der censorischen Verzeichnisse des öffentlichen Landes. Situationskarten dieser Ländereien mit Einzeichnung aller einzelnen Parzellen werden bei deren gewaltiger Ausdehnung schwerlich auch nur für den größeren Teil von Anfang an vorgelegen haben
16)
Erwähnt werden sie C.I.L., VI, 919. In der Kaiserzeit, z. B. unter Vespasian (Hygin p. 122, 20), wird man thunlichst überall genaue Grundrisse angefertigt haben.
. Bei besonders ertragsreichen Domänen und wo sich Mißstände herausstellten, so auf dem fruchtbaren campanischen Gebiet, schritt man dann, wie die in Kap. 1 citierte Stelle des Licinianus zeigt
65
Oben, S. 123.
, zu Vermessungen und kartographischen Aufnahmen, und es wurde schon dort
66
Oben, S. 123 f.
erwähnt, daß die Aufmessung per strigas et scamna wahrscheinlich die grundsätzlich, wenn auch nicht immer thatsächlich, hierfür verwendete Form war. Lagen solche Karten vor, so ist [222]die Verpachtung zweifellos auf Grund derselben erfolgt. Rechtlich lief das Pachtverhältnis [A 136]bis zum 15. März des Jahres, welches auf den Amtsantritt neuer Censoren folgte. Dieser Amtsantritt wirkt, wie Mommsen es ausdrückt
17)
[A 136][222]Staatsr. II, S. 347, 425 Anm. 4
67
[222]Mommsen, Römisches Staatsrecht 2,13, S. 347 f. und 425, Anm. 4; ebd. S. 348 vom Amtsantritt der Censoren: „praktisch […] eine allgemeine Kündigung der bestehenden Contracte der Gemeinde“.
.
, wie eine Kündigung aller staatlichen Pachtkontrakte. Thatsächlich wird sich die Dauer der pachtweisen Innehabung durch denselben Besitzer bezw. dessen Familie wohl regelmäßig auf sehr viel längere Zeiträume erstreckt haben. Es liegt in der Natur der Sache, daß die formell vielleicht als Neuverpachtung gedachte censorische Lokation thatsächlich für die erdrückende Mehrzahl der Fälle den Charakter teils einer Revision der bestehenden Pachtkontrakte
18)
Deshalb geht, wie Mommsen (Staatsr. II, S. 428)
68
Ebd., S. 428.
auf Grund des livianischen Berichtes über die Censur von 585/6 a. u. c.
69
= 169/8 v. Chr.
(Liv. 43, 14 ff.) hervorhebt, die Revision der bestehenden Kontrakte den übrigen Tuitionsakten
70
Tuition: Ausdruck Mommsens (Römisches Staatsrecht 2,13, S. 425) für „die censorische Regulierung der Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde“.
des Censors voran.
, teils auch nur einer Regulierung des Besitzstandes der Pächter annehmen mußte. Eine Beseitigung der im Besitz befindlichen Personen und selbst eine Steigerung der Pacht in großem Maßstabe mußte unter gewöhnlichen Verhältnissen für den Censor ähnlich schwierig sein wie für den fränkischen König die Einziehung von Lehen. So befindet sich denn auch der ager von Leontinoi, der wichtigste Teil der sizilischen Domänen, thatsächlich wohl im erblichen Besitz von Pächterfamilien
19)
Cicero in Verr. acc. 3, 97. Cf. acc. 3, 120, wo hervorgehoben wird, daß durch die Mißverwaltung des Verres die aratores der Domäne von Leontini um 52 vermindert worden seien, welche aus dem Besitz vertrieben worden seien „ita . . ., ut his ne vicarii quidem successerint“. Die Regel ist also die Konstanz der Besitzstände.
, und dies ist um so erklärlicher, als das ganze Territorium an nur 84 Personen verpachtet war
20)
Cicero in der zuletzt citierten Stelle.
, von welchen mithin jeder eine vom Censor nicht zu ignorierende Geldmacht bedeutet haben muß. Der campanische Acker scheint dagegen mehr von einem Stand von Kleinpächtern besessen worden zu [A 137]sein, dessen Tüchtigkeit Cicero rühmt; aber auch dort sind die Domänenpächter zumeist auf den erpachteten Gütern aufgewachsen. Das entsprach auch dem Gang der Entwickelung. Die [223]censorische Lokation trat an die Stelle der bezw. neben die Occupation gegen Fruchtquotenabgabe, sie war überhaupt zunächst wohl nur eine staatlich geordnete und geregelte Form der letzteren mit periodischer Revision. Die Verpachtung der sizilianischen Domänen insbesondere wurde als eine Form der Rückgabe des Ackers an die alten Besitzer aufgefaßt, und auch die Agrimensoren verbinden mit der Nutzung des eroberten Gebietes in Form der Domänenverpachtung keineswegs die Vorstellung einer Umwälzung aller Besitzstände, sondern brauchen davon den Ausdruck „agrum vectigalibus subjicere. Deshalb konnte es, auch abgesehen von der angenehmeren Form und dem vielleicht geringeren Betrag der Abgabe, als eine Verbesserung der Rechtslage der Occupanten des ager publicus aufgefaßt werden, wenn Thorius die Possessionen in vectigalpflichtiges Domänenpachtland verwandelte
24)
Wenn er sie nämlich in ein solches verwandelte. Es wird unten
72
aber wahrscheinlich gemacht werden, daß die Rechtsänderung durch die Auferlegung des vectigal noch weiter ging.
. Es scheint mir also kein Grund vorzuliegen, mit Marquardt
71
[223]Marquardt, S. 250 f.
den relativ stabilen Charakter der Besitzstände auf dem Domänenpachtland durch die Annahme längerer Pachtperioden zu erklären. Man muß sich nur gegenwärtig halten, daß von einer wirklichen formellen Neuverpachtung der einzelnen Pachtparzellen im allgemeinen nicht die Rede sein konnte, sondern die einfache Bestätigung des de jure ablaufenden Kontraktes
24a)
Und zwar im allgemeinen wohl einfach durch stillschweigendes Sitzenlassen (relocatio tacita). „Locare“ heißt eben [A 138]nach Mommsens
73
Mommsen, Römische Anfänge von Kauf und Miete, S. 263 (nur zitiert in Webers Literaturverzeichnis, unten, S. 358); vgl. auch Mommsen, Römisches Staatsrecht 2,13, S. 441.
Übersetzung „unterbringen“, „placieren“, und schon darin liegt, daß der Censor regelmäßig Land, welches „placiert“ war, im status quo beließ. Selbst die anderweite Vergebung von öffentlichen Arbeiten galt als Härte (Cic. in Verr. acc. 1, 130).
die Regel gebildet [A 138]haben muß. Denn es scheint mir ferner keine Nötigung zu bestehen, vorauszusetzen, daß die lizitationsweise Neuvergebung aller einzelnen Pachtgüter des ganzen Staates nach jedem Ablauf einer Pachtperiode stattfinden mußte
25)
Die Bemerkungen Ciceros (De l. agr. 1, 3, 7 und 2, 21, 55) beziehen sich auf die Abgabenverpachtung. Daß die Domänenverpachtung mit dieser nicht durchweg gleich behandelt sein kann, ist zweifellos. Oder sollte auch der Domänenpächter mit praedes und [224]praedia Sicherheit geleistet haben? Daß der Censor jede Domänenverpachtung im Lizitationswege vornehmen konnte, ist sicher, daß er sie dann so vornehmen mußte, wenn er Verpachtungen an Großunternehmer auf lange Zeiträume (s. u.)
75
Unten, S. 225 f.
beabsichtigte, sehr wahrscheinlich.
, vielmehr [224]sprechen, wie ich glaube, entscheidende Gründe dagegen. Zunächst die thatsächliche Unmöglichkeit, ein solches Verfahren durchzuführen, wenn man sich nicht an Ort und Stelle befand und nicht ausschließlich Komplexe von so großem Umfang vergebenwurden
k
[224]A: würden
, daß für den Reflektanten eine Reise zur Inaugenscheinnahme des Objekts sich lohnte. Dann aber: es wird noch zur Sprache kommen
74
[224]Unten, S. 238.
, daß auf dem afrikanischen Domaniallande durch die lex agraria von 643
26)
Z. 85. 86, nach Mommsens Interpretation im C.I.L., I ad h. l.
76
die Höhe des vectigal zu Gunsten der Domänenpächter auf den in einer bestimmten Pachtperiode gezahlten Betrag für die Zukunft fixiert wurde, ohne daß deshalb das betreffende Areal seine rechtliche Qualität änderte, – wie sollte sich damit eine jedesmalige lizitationsweise Neuvergebung reimen? Und wie wäre die Thatsache, daß die campanische Domäne zum Teil durch Privatoccupationen in ihrem Bestände verdunkelt wurde
27)
Siehe die mehrfach
77
Vgl. S. 123 und 221.
citierte Stelle des Licinianus (oben [A 139] p. 123). Daselbst heißt es auch: der betreffende Beamte habe die Pachtäcker ad pretium indictum verpachtet. Das heißt doch: ohne Lizitation.
, [A 139]erklärlich, wenn regelmäßig in jedem Lustrum alle Parzellen neu zur Verpachtung gekommenwären?
l
[224]A: wären.
Wirtschaftliche Folgen der censorischen Lokation. Naturgemäß aber mußte die Umwälzung der Besitzverhältnisse auf dem so behandelten Gebiete, wenn auch ihre augenblickliche Tragweite keine besonders große war, auf die Dauer um so fühlbarer werden. Die rechtliche Vernichtung der Gemeindeverbände führte thatsächlich im Laufe der Zeit zu einer Vermischung der Angehörigen der alten Gemeinden, wie denn Cicero erwähnt, daß auf dem Acker von Leontinoi unter den Domänenpächtern nur noch eine Familie, welche aus der alten Gemeinde stammte, sich befand. Noch eine fernere wirtschaftliche Folge liegt in der Natur der Sache. Es ist bei jeder Verwertung umfangreicher Territorien bequemer, mit wenigen [225]großen, als mit vielen kleinen Pächtern zu thun zu haben, namentlich soweit man ernstlich den Versuch machte, in Rom Domänen im Lizitationswege zu verpachten. Soweit also überhaupt eine Veränderung in den Besitzständen im Lauf der Zeit eintrat, wird eine starke Tendenz zur Vermehrung der Großpächter vorhanden gewesen sein, und damit stimmt es, wenn wir bei Cicero die meist nicht erheblichen Zahlen von Personen hören, welche in den sizilischen Gemeinden den Boden im Pachtbesitz hatten. Überdies führte jede Mißverwaltung zu einem starken Druck grade auf die kleineren Besitzer und damit naturgemäß zu einer Vermehrung der Großbetriebe
30)
Natürlich betraf diese letztere Erscheinung auch diejenigen steuerbaren Gemeinden, deren Acker nicht römische Domäne geworden war. Nach Ciceros Angabe (l. c.) hat die Verwaltung des Verres eine Verminderung der Pächter herbeigeführt: auf dem ager Leontinus von 84 auf 32, auf dem ager Mutycensis von 188
80
Bei Cicero, 2. Verr. 3,51,120 lautet die Zahl: 187.
[A 140]auf 88
81
Bei Cicero lautet die Zahl: 86.
, auf dem ager Herbitensis von 252 auf 120, auf dem ager Agyrinensis von 250 auf 80. Welcher Prozentsatz davon auf Vermehrung der Großbetriebe auf Kosten der kleinen und welcher auf Dereliction fällt, wissen wir allerdings nicht, aber schwerlich hat Cicero recht, wenn er kurzweg die gesamte Abnahme auf Konto der letzteren setzt.
. Und welche [A 140] römische statthalterliche Verwaltung wäre keine Mißverwaltung gewesen? Derartige Großpächter werden dann allerdings danach gestrebt haben, auch rechtlich in ihrem Besitz auf längere Zeit sichergestellt zu werden. Dieser Zusammenhang scheint mir in folgender Stelle Hygins (p. 116, Lachmann) Bestätigung zu finden (nach Mommsens Ergänzung, R. Staatsr. II, p. 459
78
):
Vectigales autem agri sunt obligati, quidam r[ei] p[ublicae] p[opuli] R[omani], quidam coloniarum aut municipiorum aut civitatium aliquarum, qui et ipsi plerique ad populum Romanum pertinent. Ex hoste capti agri postquam divisi sunt per centurias, ut adsignarentur militibus, quorum virtute capti erant, amplius quam destinatio modi quamve militum exigebat numerus qui superfuerunt agri, vectigalibus subjecti sunt, alii per annos (quinos), alii [vero mancipibus ementibus, id est conducentibus]
m
[225][ ] in A.
, in
79
So Hygin, S. 116,13 Lachmann; Mommsen hat an dieser Stelle: per.
annos centenos pluresve: finito illo tempore iterum veneunt locanturque ita ut vectigalibus est consuetudo.
[226]Die Domänen-Großpächter. Die eckig eingeklammerte Stelle tilgt Mommsen. Erhält man sie, wie ich vorschlagen möchte, aufrecht, und bezieht, wie mir alsdann mindestens zulässig erscheint, den letzten Satz von finito ab nur auf diese langfristigen Pachten, so sagt die Stelle, daß es zweierlei Domänenpachten gebe, die eine de jure auf die Lustralperiode beschränkt, die andre auf Fristen von 100 Jahren und mehr. Bei dieser finde die Verpachtung an Großunternehmer, mancipes, also durch Lizitation statt und ebenso die Wiederverpachtung nach Ablauf der Frist, in der gleichen Weise wie dies sonst mit der Verpachtung der vectigalia an Publikanen der Fall sei. Damit stimmt, [A 141]was einige Zeilen weiter folgt: Mancipes vero
82
[226]Im Text Hygins (S. 116,21 Lachmann) heißt es: autem.
, qui emerunt lege dicta jus vectigalis, ipsi per centurias locaverunt aut vendiderunt proximis quibusque possessoribus. Also die großen Domänenpächter vergeben die Domäne weiter an Afterpächter und werden deshalb hier geradezu behandelt, als hätten sie das Recht des Pachtbezuges (jus vectigalis) ihrerseits gepachtet
31)
[A 141][226]Die Vornahme solcher Verpachtungen über die Censusperiode kann nicht im Belieben des Censors gestanden haben, sondern wird einen Senatsschluß vorausgesetzt haben. Nicht ein Gesetz, denn sonst müßte ein solches zur Konstituierung der trientabula erst recht notwendig gewesen sein, da hier dauernd nur den Gläubigern die Rückgabe, nicht der Verwaltung die Rücknahme des Landes zustehen sollte
83
Vgl. oben, S. 132.
.
. – Übrigens wird ein ähnlicher Gegensatz zwischen zweierlei Arten von Lokation: im Lizitationswege auf je ein lustrum an mancipes und ohne solche an Domänenpächter („annua conductio“), auch bei den Gütern der Vestalinnen von Hygin (p. 117, 5 ff.) erwähnt. – Der ganzen thatsächlichen Situation der Domänenpächter, wie sie vorstehend zu schildern versucht wurde, entsprach auch ihre rechtliche Lage in privatrechtlicher Beziehung. Im civilen Proceßverfahren waren sie wie die Occupanten des Staatslandes geschützt durch die possessorischen Interdikte gegen qualifizierte Angriffe. Wie alt das Interdikt de loco publico fruendo
32)
Quo minus loco publico, quem is, cui locandi jus fuit
84
Der Text lautet bei Lenel, Edictum perpetuum, S. 368: fuerit.
, fruendum alicui locavit, ei qui conduxit sociove ejus e lege locationis frui liceat, vim fieri veto (Lenel, Edikt p. 368).
ist, steht dahin; wie die Aufnahme des „socius“ in die Formel beweist, ist es wesentlich im Interesse der Großpächter, der Entrepreneurs, erlassen. Für diese war es wünschenswert, weil, wie wir sahen, sie das gepachtete Areal an Afterpächter zu vergeben [227]und nicht resp. nicht in vollem Umfange selbst zu bewirtschaften pflegten und deshalb das „frui e lege locationis“ und nicht das „possidere“ Gegenstand des Schutzes war, und weil der Schutz [A 142]des Besitzstandes im letzten Wirtschaftsjahr, wie ihn das Possessorium gewährte, ihren Schutz von dem Besitzstande ihrer Afterpächter abhängig gemacht hätte. Es gewährte demgemäß Schutz ohne zeitliche Beschränkung, während der Kleinpächter mit den possessorischen Interdikten nur in seinem Besitzstande während des letzten Wirtschaftsjahrs erhalten wurde. Daß dem Kleinpächter dies Interdikt gleichfalls gegeben worden sein sollte, ist nach dessen Wortlaut möglich, aber nicht wahrscheinlich. War es nicht der Fall, so war der gewöhnliche Kleinpächter auf der Domäne civilrechtlich, wie gesagt, nur possessorisch geschützt, und, soweit der possessorische Schutz auch dem Erben des widerrechtlich Entsetzten zu statten kam (D. 1 § 44 de vi 43, 16), war auch der thatsächliche Übergang auf den Erben geschützt. Im übrigen griff hier ebenso, wie bei den gewöhnlichen Possessionen auf dem ager publicus, das Interdictum Quorum bonorum ein. Dieser Übergang war selbstverständlich, da an sich ein Pachtverhältnis nicht auf die Erben übergeht, gegenüber der Staatsgewalt nur ein prekärer, der Censor bezw. Konsul konnte einen anderweiten Pächter einsetzen. Praktisch wird sich das Verhältnis nach dem vorstehend Bemerkten wohl so gestaltet haben, daß der Oberbeamte die Weiterführung des Pachtverhältnisses mit dem Erben nur in besonderen Fällen verweigert haben wird, z. B. wenn mehrere Erben sich nicht einigen konnten, wer das Gut übernehmen sollte, und dadurch Zweifel entstanden, an wen der Staat sich als Pächter zu halten habe. Ganz ebenso war die Sachlage hinsichtlich der Veräußerung des Pachtguts durch den Pächter beschaffen. Daß es de jure eine solche nicht gab, braucht nicht gesagt zu werden. In praxi wird, wenn der Remplaçant
33)
[A 142][227]Cicero in Verr. acc. 3, 120 braucht von den Pachtnachfolgern den Ausdruck „vicarii“.
eine geeignete Persönlichkeit war, der Beamte dessen [A 143]Annahme als Pächter nicht abgelehnt haben. Ob die lex censoria locationis darüber Bestimmungen hatte, wissen wir nicht, aber gewisse Grundsätze werden hierfür von den Beamten beobachtet worden sein. Denn das ist überhaupt das Charakteristische derartiger Verhältnisse in Rom: das Korrelat der Abwesenheit von civilen Rechtssätzen für ihre Regelung war sicher nicht, daß beamtliche Willkür, sondern daß Verwaltungsgrundsätze [228]dafür maßgebend waren, und mit Recht bemerkt Mommsen, daß sich die Beteiligten dabei unter regelmäßigen Verhältnissen nicht schlechter, sondern besser zu stehen pflegen. Wenn ein Domänenpächter aus dem Besitze gedrängt war, ohne daß ein qualifizierter, mit dem Possessorium zurückzuweisender Angriff stattgefunden hatte, so konnte die Verwaltung den neuen Inhaber als Pächter im Besitz lassen und dem alten ihren Schutz versagen, sie brauchte es aber nicht, und sicherlich haben sowohl für das administrative Verfahren, wie für die Grundsätze, nach welchen dabei entschieden wurde, tralatizische Observanzen bestanden.
Unbefristete Besitzstände auf dem öffentlichen Lande.Wir haben bisher die Verhältnisse des gewöhnlichen, de jure auf bestimmte Zeit vergebenen Pachtackers behandelt. Landanweisung gegen persönliche Dienstleistungen. Es gibt aber mindestens seit der Zeit der Gracchen auch Land, welches rechtlich ager publicus und doch ohne Befristung an Private vergeben, wie Pernice
34)
[A 143][228]Parerga, Z.f.R.G. Rom. Abt. V, p. 74 ff.
87
Pernice, Parerga II, S. 73, spricht in diesem Zusammenhang von „Vorbehalt des statlichen (sic) Obereigentumes“.
es ausdrückt, „unter Vorbehalt“ assigniert ist. 1. viasii vicani. Dahin gehört zunächst das den viasii vicani assignierte Land, von welchem wir nur aus der lex agraria von 643
35)
Z. 11
88
Das Zitat setzt – in der Zeileneinteilung bei Bruns, Fontes5, S. 74 – mit Z. 10 ein.
–13 (nach Mommsens Ergänzung): (Quei ager publicus populi Romanei in terram Italiam P. Muucio L. Calpurnio cos. fuit … quod ejus IIIviri a. d. a.
89a
D.h.: agris dandis adsignandis.
viasiei)s vicaneis, quei in terra Italia sunt, dederunt adsignaverunt reliquerunt: neiquis facito quo m(i)nus ei oetantur fruantur habeantpo(ssideantque
n
[228]A: po(ssiderentque
, quod ejus possessor … agrum locum aedifici)um non abalienaverit, extra eum a(grum … extra)que
o
A: extra) que
eum agrum, quem
p
A: quam
ex h. l.
89b
D.h.: hac lege.
venire dari reddive oportebit. – Quei ager locus aedificium ei, quem in [A 144](vi)asieis vicanisve ex s.c.
89c
D.h.: senatus consulto.
esse oportet oportebitve (ita datus adsignatus relictusve est eritve … quo magis is ag)er locus aedificium privatus siet, quovemag(is
q
A: ma(gis
censor queiquomque erit, eum agrum locum in censum referat … quove magis is ager locus aliter atque u)tei est, siet, ex h. l. n. r.
89d
D.h.: hac lege nihilum rogato.
er[A 144]fahren. Während die XII-Tafeln die Wegelast den „amsegetes“, d. h. den Adjazenten, auflegen
86
Weber folgt hier den Ausführungen von Voigt, Römisches System der Wege, S. 86–90. Das nur bei Festus, S. 19 Lindsay – vgl. Mommsen, Festi codicis quaternio XVI, S. 78 – überlieferte und vermutungsweise mit den Zwölf Tafeln in Verbindung gebrachte Wort ‚amsegetes‘ bezeichnet nach Festus diejenigen, ‚quorum ager viam tangit‘.
und die Durchführung dieses Gebotes charakteristischer[229]weise nur durch die Bestimmung sichern, daß mangels genügender Wegebesserung es gestattet sei, über den Acker der Adjazenten zu fahren, wurde es infolge der Anlegung großer Staatsstraßen nötig, für deren Erhaltung in anderer Weise Sorge zu tragen, und zwar geschah dies in der Weise, daß staatlicher Grundbesitz an der Straße gegen die Verpflichtung der Instandhaltung der letzteren vergeben wurde. Ob die Verpflichtung auf der ganzen so gegründeten Ortschaft (vicus) lag und von dieser durch Fronden oder Umlagen erledigt wurde, oder ob auf dem einzelnen Grundstück, wissen wir nicht; nach Analogie der bei den navicularii anscheinend zu konstatierenden Entwickelung (s. u.)
90
[229]Unten, S. 231.
scheint zunächst das erstere wahrscheinlicher; allein es ergibt sich aus dem Gesetz, daß die Wegebauverpflichtung die rechtliche Qualität der einzelnen Grundstücke beeinflußte, und dies ist leichter erklärlich, wenn die Last als eine auf den individuellen Grundstücken ruhende, wenn auch vielleicht die Besitzer nach einem Turnus treffende, auferlegt war.
Was die rechtliche Qualität des Ackers dieser viasii vicani im übrigen anlangt, so bietet die lex agraria nur die negative Thatsache, daß er nicht ager privatus war und nicht zum Census profitiert werden konnte. Im übrigen vermag sie seine Rechtslage nur dadurch zu umschreiben, daß sie sagt, er solle sein „ita uti est“. Und das ist ganz erklärlich: es war keine privatrechtliche, sondern eine verwaltungsrechtliche Kategorie von Landbesitz.
[A 145]Der Acker ist angewiesen „ex senatus consulto. Damit ist gegeben, daß die Assignation kein Eigentum überträgt und daß sie durch Volksschluß rückgängig gemacht werden kann behufs anderweitiger Disposition, also eine Assignation „bis auf weiteres“ ist. Damit ist ferner gesagt, daß von Anwendbarkeit des civilen Prozeßverfahrens außerhalb des Possessoriums – welches eben jeden bebauten „locus“ schützt – nicht die Rede sein kann. Ebensowenig können die römischen Geschäftsformen, namentlich die Manzipation, darauf Anwendung gefunden haben, und überhaupt kann eine Veräußerung ohne Mitwirkung der Staatsbehörden de jure nicht wohl zulässig gewesen sein, wie sich das auch mit Wahrscheinlichkeit aus dem [230]Gesetz
36)
[230]Cf. die Stelle „… um non abalienaverit“ in voriger Note. [A 145]
ergibt. Daß die betreffenden Besitzungen vererblich sind, liegt in der Natur des Verhältnisses. Allein wie sich dieselben zu dem judicium familiae herciscundae des ordentlichen Verfahrens verhalten haben, das scheint sehr fraglich. Wir werden weiter unten
94
[230]Unten, S. 258, 287.
noch darauf zu sprechen kommen, daß eine beliebige reale Teilung von Grundbesitzungen minderen Rechts nicht allgemein zulässig war. Es kann auch nicht zulässig gewesen sein, daß der ordentliche judex ein solches Grundstück adjudizierte, denn die Adjudikation ist juristisch eine Sentenz über das Eigentum, und überhaupt scheint sich zunächst mit den älteren Testaments– und Legatformen auch nicht eine direkte testamentarische Verfügung mit zivilrechtlicher Wirkung darüber zu reimen. Soviel wir sehen, ist in den Stellen des Gesetzes, die von den viasii vicani handeln, der bei andern Besitzständen wiederkehrende Satz, daß auch der, dem hereditate testamento deditione obvenit
96
Z. 23 der lex agraria: „…testamento, hereditati, deditionive obvenit…“; der Text der lex agraria ist danach auch in Z. 32 ergänzt. Vgl. Bruns, Fontes5, S. 78.
, geschützt werde, nicht enthalten. Nun ist aber die Zulassung der bonorum possessio, soweit sie den possessorischen Schutz durch das Interdictum Quorum bonorum begründete, ebenso wie [A 146]beim Pächter unbedenklich. Allein bei der vollkommenen Gleichstellung der Erbfolge ab intestato und ex testamento kann es überhaupt nicht zweifelhaft sein, daß auch der zivile heres ex testamento als Rechtsnachfolger das Gut einfach übernahm, denn die Erblichkeit des Besitzstandes kann, wie gesagt, nicht bezweifelt werden. Schwierigkeiten aber entstanden, wenn mehrere heredes vorhanden waren. Eine Erbregulierung, sofern die Beteiligten nicht einig darüber waren, wer das Grundstück übernehmen solle, ohne Mitwirkung der Staatsgewalt ist kaum denkbar, und die gleiche Sachlage kehrt bei allen gleichartigen, abhängigen Besitzständen im römischen ebenso wie im deutschen und in jedem Recht wieder. Auch hier kann nicht Willkür, sondern müssen allgemeine administrative Grundsätze für die Regelung des Verhältnisses maßgebend gewesen sein, wenngleich wir dieselbe nicht kennen. Wichtig wäre nun vor allem die Beantwortung der Frage, was geschieht, wenn die auf dem Gut ruhende Verpflichtung nicht erfüllt wird, ob nämlich Exekution zur Herbeiführung der Erfüllung stattfindet oder dem [231]Säumigen das belastete Gut entzogen wird. Vielleicht war beides möglich
37)
[A 146][231]Das Gesetz kennt die Entziehung bei den Inhabern des ager privatus vectigalisque, und zwar bei falscher professio oder Versäumnis derselben, offenbar nach Analogie des Verfahrens gegen den incensus
100
und als eventuelles Mittel im Fall des Verzuges in der Zahlung des Erbstandsgeldes (s. unten)
101
Unten, S. 239 ff.
, nicht aber des vectigal, und in Ermangelung der Bürgschaftsleistung den Verkauf pecunia praesenti für Rechnung des Säumigen. In Sizilien hat der publicanus die pignoris capio gegen den arator, aber gegen jeden ohne Rücksicht auf die Natur seines Besitzrechtes.
, denn wir finden beide Arten, den direkten und den indirekten Zwang, nebeneinander, bei einem zuerst in der Kaiserzeit in den Quellen erwähnten, in seinen Anfängen aber wohl weiter zurückreichenden Institut: den navicularii. 2. navicularii und Frumentationsfrohnden. Es sind dies Korporationen, welche in den überseeischen Häfen, von welchen aus die [A 147]Getreidezufuhr nach Rom bewirkt wurde, bestanden und die Gestellung und Führung der Getreideschiffe zu besorgen hatten. Dafür waren ihnen Grundstücke überwiesen. Wie die Inschrift C.I.L., VIII, 970, gesetzt von jemandem, der transvecturarius et navicularius secundo war, um das Jahr 400 n. Ch., zeigt, bestand ein Turnus unter den Pflichtigen. Der Titel XIII, 6 des Theodosianischen Kodex ergibt aber, daß die „functio“ den einzelnen Grundstücken von alters her (antiquitus) nach Maßgabe des Wertes der Grundstücke (secundum agri opinionem) auferlegt war (l. 8 l. c. vom J. 399), und die Grundstücke verfielen im Fall der Säumnis zu Gunsten der Korporation. Daneben läßt Nov. Theodos. 36
97
den direkten Zwang zur Erfüllung zu. Veräußerung war damals unter Übergang auch der Leistungspflicht zulässig (l. 8 cit.). In der Form, wie der Zwang hier auftritt
38)
[A 147]Zwangsweise Zurückführung auf das verlassene Gut.
, ist er jedenfalls Produkt der Kaiserzeit. – C. Th. 1 de aquaed[uctu] 15, 2 läßt ebenfalls Entziehung des Grundstückes bei Nichtleistung einer Frohnpflicht zu. –
Es wurde in Kap. I
98
Oben, S. 125.
wahrscheinlich gemacht, daß Überweisungen von Grundstücken gegen persönliche Dienstleistungen auch in [232]andern Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit den Frumentationen in den Hafenplätzen, vorgekommen sind, aber bestimmte Nachrichten darüber fehlen. Mit der annona hängen in der späteren Kaiserzeit die agri limitrophi
104
[232]In den Quellen lautet der Ausdruck agri limitanei oder fundi limitrophi (so die Kriegelsche Ausgabe) bzw. limitotrophi. (Vgl. auch oben den Editorischen Bericht, S. 23, Anm. 10).
zusammen, welche gegen Spanndienstleistungen im Interesse der Versorgung des Heeres vergeben wurden
39)
[232]Cf. Tit. Cod. Theod. XI, 59
105
Die zitierte Stelle findet sich im Cod. Iust. (11,60(59) Krüger).
.
.
3. Burg- und Grenzlehen. Von der gleichen Rechtsform ist dann in der Kaiserzeit immer allgemeiner Gebrauch gemacht worden. Die Steuereintreibungspflicht der Dekurionen und selbst die Rekrutengestellungspflicht der Großgrundbesitzer
40)
C. Th. 13, de tiron[ibus] VII, 13, wo die Rekrutengestellungspflicht der Senatoren güter durch eine Geldrente abgelöst wird.
wurde [A 148]als Grundlast behandelt, und als schließlich auf den agri limitanei und in den castella selbst die Grenzverteidigungspflicht durch erbliche Belehnung mit einem Grundstück zu einer dinglich radizierten Last gemacht
41)
[A 148]Verleihungen des Alexander Severus an die Grenzer, „ut eorum essent, si heredes eorum militarent, nec unquam ad privatos pertinerent“ (Lamprid. Alex. c. 57), des Probus an die Veteranen in Isaurien, „ut eorum filii ab anno XVIII ad militiam mitterentur“. Ferner die fundi castellorum, cf. C. Th. 1 de burgariis VII, 14, C. Th.
3
Das Zitat findet sich im Cod. Iust. 11,59 Kriegel = 11,60(59) Krüger.
2, 3 de fundis limitrophis et terris et paludibus etpascuis
a
[232]In A folgt: et
limitaneis et
4
Ebd. heißt es: vel.
castellorum XI, 59. Überall war bei Veräußerungen und im Erbgang die Mitwirkung der staatlichen Behörden unumgänglich und deren Verwaltungspraxis maßgebend für alle wesentlichen Rechtsverhältnisse.
und Barbarenstämme im großen gegen Heeresdienstpflicht mit Ländern belehnt wurden
42)
Die Verhältnisse dieser laeti werden hier nicht näher erörtert. Cf. Böcking ad Not. Dign. Vol. II, p. 1044 ff.
4a
Von Weber offenbar lediglich aus Marquardt, Römische Staatsverwaltung 22, S. 241, Anm. 1 (wo es „p. 1044–1080“ heißt) übernommenes Zitat. Vgl. oben die Einleitung, S. 37 mit Anm. 18.
Auf das Gesetz des Honorius und Theodosius, betreffend die Scyren, kommen wir weiter unten noch zu sprechen.
, stand man nur noch wenige Schritte von der Schwelle einer einheitlichen Entwickelung des Begriffs des [233]beneficium
43)
[233]Unter „beneficium“ versteht der Codex Theodosianus in erster Linie solche Grundstücke, welche aus besonderen Gründen frei vom Kanon der fundi patrimoniales und emphyteuticarii verliehen worden sind (C. Th. 5 de coll[atione] don[atarum vel relevatarum possessionum]
b
[233]A: den.
XI, 20, von 424
); in zweiter Linie (c. 6 eod. von 430) alle in Form von relevatio, adaeratio, Überführung in Privateigentum oder in eine günstigere Steuerbarkeitskategorie gewährten Grundlastenerleichterungen.
, aus welcher das Lehenswesen im Verwaltungsrecht der germanischen Könige in den Eroberungsgebieten erwachsen ist. Das wesentlich Gleichartige ist nicht allein und nicht einmal in erster Linie die Form der Beleihung mit einem Grundstück gegen Übernahme staatlicher Leistungen, sondern die Emanzipation des Verkehrs mit und der Rechtsverhältnisse an den betreffenden Grundstücken vom gemeinen Privatrecht und seinen Formen und Regeln, welche bei diesen Besitzständen minderen Rechtes eintritt, und nach [A 149]dieser Richtung hat das römische Verwaltungsrecht bereits den Grund dieser Entwickelung gelegt. Das wichtigste spezifisch neue Ferment, welches aus germanischen Rechtsgedanken hinzukommen mußte und welches dann die gewaltige Überlegenheit der sonst gleichartigen germanischen Entwickelung in ihrer sozialen und politischen Bedeutung begründete, war das persönliche Treuverhältnis in seiner eigenartigen Ausgestaltung, ein Rechtsgedanke, wie er damals in der antiken Welt nicht mehr erstehen konnte.
Unbefristete Vergebung gegen vectigal. Wir sind von den de jure befristeten Domänenpachtverhältnissen übergegangen zu denjenigen Anweisungen von Staatsland, welche unbefristet gegen Übernahme dauernder Lasten erfolgten, und haben von diesen letzteren bisher solche erörtert, deren Inhalt wesentlich in Leistungen persönlicher Art, Diensten, bestand. Nunmehr kehren wir wieder zu der Belastung von staatlichen Grundstücken mit der Verpflichtung zu Leistungen in Geld oder Naturalien zurück, denn auch unter diesen gab es Besitzstände ohne rechtliche Befristung.
1. Nominelles vectigal. Trientabula. Daß die rechtlich auf Censusperioden laufenden gewöhnlichen Domänenbesitzstände thatsächlich in vielen, man wird vermuten dürfen in den meisten, Fällen zu in den Familien erblichem Besitz führten, wurde schon oben
6
[233]Oben, S. 227.
erörtert. Wir haben nunmehr von demjenigen Lande zu sprechen, welches gegen Zins oder Fruchtquote dauernd, also an Erbpächter, vergeben wur[234]de. Es ist nun für Italien kein Fall bekannt, für welchen eine solche Vergebung von seiten des Staates gegen einen in das Aerar fließenden ewigen und nicht nominellen Zins sicher feststände, dagegen mehrere Fälle, in welchen Vergebungen ohne zeitliche Grenze unter Auferlegung eines nominellen Rekognitionszinses stattgefunden haben. Schon früher
7
[234]Oben, S. 131 f.
ist als solcher die Überweisung der trientabula erörtert. Dieselbe erfolgte auf Grund eines Senatuskonsultes, und damit ist bereits gegeben, daß Privatrechte, welche [A 150]im römischen Prozeß außerhalb des Possessoriums hätten geltend gemacht werden können, dadurch nicht begründet wurden, sowie ferner, daß also auch durch einen Volksschluß ohne Verletzung von Privatrechten die Wiedereinziehung erfolgen konnte
44)
[A 150][234]Deshalb ist das Verhältnis technisch nur ein „frui in trientabulis“, wie es (nach Mommsens teilweiser Ergänzung) die lex agraria Z. 32
10
Die zitierte Stelle findet sich in Z. 31 der lex agraria.
nennt, weshalb auch der an Gemeinden überlassene ager publicus damit zusammengestellt wird.
. Daß die Veräußerung beschränkt gewesen sei, ist nicht ersichtlich, und wenigstens thatsächlich ist für den ager quaestorius, an dessen Schema die trientabula sich anlehnen (s. Kap. I)
8
Oben, S. 131.
, das Gegenteil der Fall
45)
Die früher
11
Vgl. neben der oben, S. 130, Z. 7 ff. zitierten Stelle noch unten, S. 244, Webers Fußnote 55.
citierten Stellen der Gromatiker erwähnen die Parzellenveräußerungen. Aber deshalb wäre doch möglich, daß der ager quaestorius de jure nur per universitatem überging und sonst nur mit Zustimmung der Verwaltung. Dann würde ihm wohl auch ein nominelles vectigal auferlegt sein.
. Es ist nun aber bei der Eigenart des Falles durchaus möglich und nicht unwahrscheinlich, daß eine solche Beschränkung bestand
46)
Dafür spricht die Erwähnung nur von Erwerb ex testamento, hereditate, deditione in der lex agraria l. c.
12
Z. 32 der lex agraria: testamento, hereditate, deditione (ergänzt, vgl. Anm. 96).
Unter dem Erwerb „ex deditione“ will Mommsen (in dem Kommentar zur lex agraria im C.I.L., I)
13
Mommsen, Lex agraria, S. 93 (zu Z. 23).
solchen aus Legaten und mortis causa donatio verstehen. Wahrscheinlicher scheint mir, daß dabei an die Fälle von Universalsuccessionen inter vivos, namentlich Arrogation, gedacht ist.
und daß sie hier ebenso wie bei den gracchischen Assignationen durch den Nominalzins, dessen Vorhandensein auf dem gewöhnlichen ager quaestorius nicht überliefert – wenngleich möglich – ist (cf. Sic. Flacc. p. 151, 20; 154, 1)[,] zum Ausdruck gebracht werden sollte. Eine solche Beschränkung hatte eventuell hier nur die gleiche Bedeutung wie bei dem gewöhnlichen Pachtacker, da jedenfalls abgesehen von den [235]Interdikten nur administrativer Rechtsschutz stattfand und also der Beamte die Veräußerung nach Ermessen zulassen konnte. Ähnlich muß es mit [A 151]dem Erbregulierungsverfahren gestanden haben; Erwerb per universitatem war anerkannt, auch ex testamento, aber wie sich die Erbteilung und die Adjudikation dazu verhielten, ist dunkel, und schwerlich war hier eine Mitwirkung der Verwaltung entbehrlich.
Gracchische Assignationen. In zweifelloser Beziehung zu der Unveräußerlichkeit stand die Auferlegung des nominellen vectigal bei den gracchischen Viritan-Assignationen. Der Unterschied ist nur, daß hier die Vergebung durch Volksschluß erfolgte und demgemäß auch die Einziehung nicht ohne Verletzung von Privatrechten möglich gewesen wäre. Dies ist die Bedeutung der Bezeichnung als „ager privatus vectigalisque“, welche wohl auch auf diese Assignationen angewendet wurde (s. u.)
14
[235]Unten, S. 236.
. In ihrer rechtlichen Lage können sich sonst diese Besitzstände nicht von den vorher gedachten unterschieden haben, nur daß für das administrative Verfahren, welches hiernach für sie ebenfalls zur Anwendung kam, die IIIviri der gracchischen Gesetze, – IIIviri agris iudicandis adsignandis oder adtribuendis inschriftlich genannt
47)
[235]C.I.L., I, 554–556, IX, 1024–1026 auf Terminationssteinen v. J. 624/5 u. c.
16
= 130/29 v. Chr.
[A 151]
, – zuständig waren.
2. Reelles vectigal. Erbpacht. Nun wäre es aber gewiß auffallend, wenn eine Rechtsform, wie diejenige des unbefristet gegen vectigal vergebenen Ackers, nur nominell als fiktizische Form zu besonderen Zwecken verwendet worden wäre, ohne daß sie auch praktisch als reales Institut existiert hätte. Und in der That kommen doch Fälle vor, welche, wenngleich gewiß nicht mit Sicherheit, so doch mit einem nicht ganz geringen Grade von Wahrscheinlichkeit auch das wirkliche Bestehen von staatlicher Erbpacht vermuten lassen. – Die Possessionen nach der lex Thoria. Zunächst die durch die lex Thoria einem vectigal unterworfenen occupatorischen Possessionen auf dem ager publicus seit dieser lex
15
Zur Datierung bei Weber vgl. S. 218, Anm. 50.
bis zum Jahre 643 u. c. Daß sie durch Auferlegung des vectigal in ihrer Rechts[A 152]lage gebessert wurden, ist sicher
48)
[A 152]Cf. die früher (p. 218 Note 14) citierten Stellen aus Appian und Cicero.
. Daß ferner dies vectigal ein nur nominelles [236]gewesen sein sollte, widerspricht dem Zeugnis Appians (l. c.), nach welchem die Aufkünfte daraus zur Frumentation verwendet werden sollten. Bestand hiernach die Veränderung darin, daß an Stelle der Fruchtquoten ein fester Zins trat, so ist damit, da an den Abschluß von Pachtkontrakten auf Zensusperioden mit den Possessoren kaum zu denken ist, da auch das Verhältnis nicht mehr als ein prekäres fortbestanden haben kann, nachdem schon Gracchus
18
Gemeint ist Tiberius Gracchus (Volkstribun 133 v. Chr.).
nur gegen Entschädigung die Einziehung der Possessionen hatte verfügen wollen, gesagt, daß die Possessionen in der Zeit von der lex Thoria
19
Zur Datierung vgl. S. 218, Anm. 50.
bis zu der lex agraria von 643 u. c., welche sie in volles Privateigentum verwandelte, höchst wahrscheinlich als ager privatus vectigalisque, aber mit reellem vectigal, bestanden haben. Dies entspricht auch dem Zweck des Gesetzes, welches damit ihre Einziehung rechtlich unmöglich machen wollte
49)
[236]Denn nach Appian (l. c. I, 27) war dessen Inhalt: τὴν μὲν γῆν μηκέτι διανέμειν, ἀλλ’ εἶναι τῶν ἐχόντων, καὶ φόρους ὑπὲρ αὐτής τῷ δήμῳ κατατίϑεσϑαι.
.
Positive Beweise für das Vorhandensein weiterer gleichartiger Besitzstände in Italien haben wir nicht, denn wir sind nicht zu der Annahme berechtigt, daß die agri vectigales, welche die Agrimensoren auch in Italien als Staatsdomänen häufig erwähnen, etwas andres sind als de jure kündbare Pachtungen, trotz des Ausdrucks „vectigalibus obligati agri, welcher an ewige Renten anzuklingen scheint. Dieser Ausdruck ist nur die Folge der thatsächlichen Vererblichkeit dieser Pachtländer, wie sie oben
21
Siehe S. 227.
dargelegt wurde.
Ager privatus vectigalisque in Afrika. Dagegen ist es eine schwierige Frage, was von denjenigen Staatsländereien zu halten ist, die in der Provinz Africa nach Inhalt der lex agraria von 643 u. c. im [A 153]Wege des öffentlichen Verkaufs in Rom in Privatbesitz übergeführt wurden und von dem Gesetz als agri privati vectigalesque bezeichnet werden. – In der Ergänzung und Interpretation der betreffenden Partien des Gesetzes
50)
[A 153]Dieselben folgen hier nach Mommsens Ergänzung l. c.
22
D.h.: CIL I1, S. 82 f., Nr. 200; tatsächlich zitiert Weber jedoch (vgl. auch die textkriti[237]schen Anmerkungen f und h) nach dem in Einzelheiten leicht veränderten Text bei Bruns, Fontes5, S. 81 f. Vgl. noch oben den Editorischen Bericht, S. 85. Webers an mehreren Stellen nicht ganz seiner Vorlage entsprechende Zeilenzählung wurde stillschweigend berichtigt.
: q]uei ager locus in [237]49. Africa est, quei Romae publice … eius esto, isque ager locus privatus vectigalisque 50. u. … tus erit; quod eius agri locei extra terra Italia est …[socium nominisve Latini, quibus ex formula t]ogatorum milites in terra Italia inperare solent, eis po[puleis, . . .]
e
Fehlt in A; ] ergänzt.
ve agrum locum queiquomque habebit possidebit [fruetur, …51. eiusv]e rei procurandae causa erit, in eum agrum, locum, in[mittito se dolo m]alo. 52. Quei ager locus in Africa est, quod eius agri [… habeat pos]sideat fruaturque item, utei sei is ager locus publi[ceIIvir, quei ex h. l.
23a
D.h.: hac lege.
factus creatusve erit,] in biduo proxsumo, quo factus creatusve 53. erit, edici[to in diebus] XXV proxsumeis, quibus id edictum erit […datu]m 54. adsignatum siet, idque quom profitebitur cognito[res. . .] mum emptor siet ab eo quoius homin[is privatei eius agri venditio fuerit, …L.] Calpurni(o) cos. facta siet, 55. quod eius postea neque ipse n[eque …] praefectus milesve in provinciam er[itcolono eive, quei in colonei
f
A: coonei (Druckfehler aus Bruns, Fontes5, S. 82.)
nu]mero scriptus est, datus adsignatus est, quodve 56. eius … ag … [u]tei curator eius profiteatur, item ute[i … ex e]o edicto, utei is, 57. quei ab bonorum emptore magistro curato[reve emerit, … Sei quem quid edicto IIvirei ex h. l. profiteri oportuer]it, quod edicto IIvir(ei) professus ex h. l. n[on erit, … ei eum agrum lo]cum neive emptum neive adsignatum esse neive fuise 58. iudicato. Q … do, ei ceivi Romano tantundem modu[m agri loci]
g
Fehlt in A; ] ergänzt.
quei ager publice non venieit, dare reddere commutareve liceto. 59. IIvir, q[uei ex h. l. factus creatusve erit … de] eis agreis ita rationem inito, itaque h. … et, neive unius hominis nomine, quoi ex lege Rubria quae fuit colono eive, quei [in colonei numero scriptus est, agrum, quei in Africa est, dare oportuit licuitve …60. data adsign]ata fuise iudicato; neive unius hominus [nomine, quoi … colono eive, quei in colonei nu]mero scriptus est, agrum quei in Africa est, dare oportuit, licuitve, amplius iug(era) CC in [singulos homines data adsignata esse fuiseve iudicato … 61. neive maiorem numerum in Africa hominum in coloniam coloniasve deductum esse fu]iseve iudicato quam quantum numer[um ex lege Rubria quae fuit … a IIIviris coloniae dedu]cendae in Africa hominum in coloniam coloniasve deduci oportuit licuitve. [A 154]62. IIvir, quei [ex h. l. factus creatusve
h
A: ereatusve (Druckfehler aus Bruns, Fontes5, S. 82; vgl. Anm. f.)
erit…]re Rom … agri [… d]atus ad[signatus … quod eiu]s agri ex h. l. adioudicari licebit, quod ita comperietur, id ei heredei63. ve eius adsignatum esse iudicato [… quod quand]oque eius agri locei ante kal.
23b
D.h.: kalendas.
I [… quoiei emptum] est ab eo, quoius eius agri locei hominus privati venditio fuit 64. tum, quom is eum agrum locum emit, quei [… et eum agrum locum, quem ita emit emer]it, planum faciet feceritve emptum esse, q[uem agrum locum neque ipse] neque heres eius, neque quoi is heres erit abalienaverit, quod eius agri locei ita planum 65. factum erit, IIvir ita [… dato re]ddito, quod is emptum habuerit quod eius publice [238]non veniei[t. Item IIvir sei is] ager locus, quei ei emptus fuerit, publice venieit, tantundem modum agri locei de eo agro loco, quei ager lo[cus in Africa est, quei 66. publice non venieit, ei quei ita emptum habuerit, dato reddito … Queique ager locus ita ex h. l. datus redditus erit, ei, quoius ex h. l. f[actus erit, HS
28
D.h.: sestertio.
n(ummo) I emptus esto, isque ager locus privatus vectigalisque ita, [utei in h. l. supra] scriptum est, esto.
c
[236](S. 238, unten) Alle [ ] in A.
[A 154]irgendwelche als sicher zu bezeichnende Fortschrit[237]te zu machen über das hinaus, was Mommsen im Corpus Inscr. Lat. (Vol. I p. 175n.
d
[237]A: u.
200)
23
Weber zitiert CIL I1, S. 75, Nr. 200.
gesagt hat, oder auch nur plausiblere Hypo[238]thesen aufzustellen, als er sie dort gibt, bin ich naturgemäß nach Lage der Quellen außer stande. Einige Bemerkungen mögen aber trotzdem gestattet sein.
Durch eine schon erwähnte
24
[238]Oben, S. 224.
Bestimmung des gleichen Gesetzes (Z. 85 f.) wurde der Pachtbetrag der gewöhnlichen Domänenpächter in Afrika auf die in einer bestimmten lex censoria festgestellte Höhe fixiert. Damit waren die damaligen Inhaber der Domänengüter thatsächlich zu Erbpächtern gemacht, und nur das rechtlich Prekäre ihres jederzeit kündbaren Besitzstandes unterschied sie von solchen. Die Abwesenheit dieses prekären Charakters und die unbefristete Zuteilung des Besitzes ist es nun offenbar zunächst, was die Inhaber des ager privatus vectigalisque von solchen Domänenpächtern unterscheidet.
Natur des vectigal beim ager privatus vectigalisque. Der Grund ist zweifellos der, daß es sich hier um eine Vergebung gegen Kapitalzahlung handelt, wie das Gesetz deutlich ergibt. Hiernach wäre also die Ver[A 155]gebung in dieser Beziehung eine ebensolche, wie wir sie früher
25
Oben, S. 129.
als Charakteristikum des ager quaestorius kennen gelernt haben, und so stellt denn auch Mommsen den ager privatus vectigalisque des Gesetzes mit dem ager quaestorius zusammen. Nicht ganz sicher scheint mir aber, ob er damit in jeder Beziehung zu identifizieren ist, und dies hängt insbesondere von der Frage ab, ob das vectigal hier als ein nur nominelles, oder als ein reelles, wenn auch sehr mäßiges, zu betrachten ist. Ist der ager quaestorius überhaupt allgemein mit einem vectigal belastet gewesen – es ist davon nichts direkt überliefert –[,] so kann dasselbe entschieden nur ebenso ein nominelles gewesen sein, wie bei den trientabula. Mommsen
27
Ebd., S. 99.
nimmt als wahrscheinlich an, daß dies ebenso bei dem afrikanischen ager privatus vectigalisque gewesen sei. Immerhin wird der gewöhnliche ager [239]quaestorius sonst niemals ager privatus vectigalisque genannt, und auch Mommsen nimmt von den afrikanischen Kaufäckern wohl nicht an, daß sie den Charakter eines Pfandes in Gestalt eines Verkaufs auf Wiederkauf gehabt haben. Die Bezeichnung, welche in ihrer ersten Hälfte („privatus“) doch wohl die Unwiderruflichkeit der Zuteilung, in ihrer zweiten („vectigalis“) die Abgabenpflichtigkeit bezeichnen will, wäre dann auch in beiden Teilen eine inadäquate. Namentlich aber hätte es zur Schaffung eines solchen Besitzstandes, wie ihn der ager quaestorius darstellt, eines Gesetzes nicht bedurft, sondern, wie die trientabula zeigen, nur eines Senatuskonsults; ein Gesetz war nur bei unwiderruflicher Vergebung, dann aber auch wo das nudum jus Quiritium dem populus verblieb, erforderlich, so bei den gracchischen Assignationen und als Thorius die Possessionen in ager privatus vectigalisque verwandelte. Trotzdem ist es gewiß möglich, daß Mommsens Hypothese auch bezüglich der Qualität des vectigal als eines bloßen Rekognitionszinses zutrifft, – es würde dann die gracchische Assignationsweise nach [A 156] Afrika verpflanzt sein, nur daß man hier, dem kapitalistischen Geist des Gesetzes entsprechend, nicht an Unbemittelte adsignierte, sondern an Bemittelte verkaufte. Für möglich aber möchte ich auch folgendes halten, und ich leugne nicht, daß mir subjektiv dies noch wahrscheinlicher ist: Langfristige Pachten mit Erbstandsgeld. Es wurde schon oben
29
[239]Oben, S. 225 f.
erwähnt, daß eine Vergebung von Pachtland in der Weise vorkam, daß ein manceps große Komplexe auf lange Zeit gegen eine feste Pacht ersteigerte. Nun ist es zweifelhaft, was dabei Gegenstand des Gebotes bei der Lizitation war. Wir sind nach Analogie unsrer Verhältnisse geneigt anzunehmen: die Höhe der Pacht
50a)
[A 156][239]So war es bei den verpachteten Tempelgütern in Herakleia – cf. Kaibels Bemerkungen zur Tab[ula] Heracleensis in seiner Ausgabe derselben in den Inscr. Graec. Sic. et Ital. Nr. 645
30
Kaibel, in: IG XIV, S. 172 und 174 (zu Nr. 645).
. Die Inschrift bietet sonst nichts, was für uns von Erheblichkeit sein könnte. Die Individualisierung der Objekte erfolgt in ähnlicherWeise
i
[239]A: Weise,
wie in der früher citierten Inschrift von Edfu. Die Parzellen sind meist Oblonga, durch Wege voneinander getrennt. Siehe die Karten bei Kaibel l. c. p. 172. 173.
. Allein es scheint, daß dies den römischen Gewohnheiten weniger entsprochen hat. Später allerdings wurde, wie die p. 121 abgedruckte Stelle Hygins (p. 204) ergibt, den einzelnen, begrenzten Parzellen ad modum ubertatis ein vectigal [240]auferlegt, also ein individuell verschiedenes
50b)
[240]Näheres siehe unten
34
Unten, S. 246–248.
.
. Aber auch damals noch wurde dann das vectigal pro jugerum normiert, und dies stammt sicher aus älterer Zeit. Ebenso wie man gegen einen pro jugerum verabredeten Preis kaufte, so pachtete man auch in entsprechender Weise. Deshalb wird auch bei den trientabula das nominelle vectigal auf 1 As pro jugerum, nicht pro überwiesenes Einzelgrundstück festgesetzt, während im übrigen die überwiesenen Ländereien nach der Bonität abtaxiert und je nach dem Kaufwert zum Pfande gegeben wurden. So kann, wenn die lex dicta L. Caecilii et Cn. Domitii censorum
50c)
Vom Jahre 639 u. c.
35
115 v. Chr.; vgl. lex agraria, Z. 28 und 85–89.
den Pachtertrag der afrikani[A 157]schen Pachtäcker enthielt, dies nur entweder eine Fruchtquote – und das Gesetz erwähnt die decuma – oder ein fester (und relativ niedriger) Geldzins, der wenigstens regionsweise und vielleicht nach einigen Bonitätsklassen untereinander pro jugerum gleich war
51)
[A 157]Etwa nach Art der Vektigalien des pannonischen Ackers (siehe unten)
36
Unten, S. 246.
abgestuft.
, gewesen sein, denn individuelle Pachtsätze in Geld für alle Pachtäcker der ganzen Domäne kann eine solche lex nicht enthalten haben. So wird auch bei der Übernahme größerer Komplexe durch mancipes auf 100 Jahre der Pachtbetrag pro jugerum als ein fester niedriger Geldbetrag auferlegt und zum Gegenstand der Lizitation nur das Einkaufsgeld gemacht worden sein. Nur ein solches Einkaufsgeld konnte durch Stellung von praedes und praedia sichergestellt werden, nicht ein 100 Jahre lang alljährlich fälliger Pachtzins. Auch dies erklärt, daß man diese Art Domänenpächter wie Abgabenpächter behandelte (s. o.)
32
[240]Oben, S. 226.
, und ebenso paßt zu dieser Art von Verfahren bei der Lokation der Ausdruck „vectigalibus subjicere“. Stimmt man dem zu, so wird es m. E. erheblich wahrscheinlicher, daß auch für den ager privatus vectigalisque das Verfahren ein ähnliches war
51a)
Auf die lizitationsweise Vergebung von Pachtacker nahm das Gesetz wahrscheinlich in der Stelle Z. 52: (habeat pos)sideat fruaturque item, utei seiis
k
[240] A: in
ager locus publi(ce a censoribus mancipi locatus esset?
37
a censoribus usw.: eigener Ergänzungsversuch Webers.
) Bezug.
. Jedenfalls verlie[241]ren, wie ich glaube, die Bedenken Mommsens
38
[241]Mommsen, Lex agraria, S. 99.
gegen die Möglichkeit, daß das Gesetz ein reelles vectigal im Sinne habe, an Gewicht. Es wäre dann anzunehmen, daß das Gesetz an einer nicht erhaltenen Stelle (wohl in der Lücke Z. 51, 52)
52)
[241]Gewiß ist es mißlich, als Quellenbeleg eine Lücke einer Inschrift anzuführen, indessen im vorliegenden Fall steht fest, daß das Gesetz Bestimmungen über die Verhältnisse und auch die vectigal-Pflicht des betroffenen Ackers enthalten hat, da auf diese Bestimmungen Z. 66 verwiesen wird.
ein jedenfalls sehr mäßiges vectigal pro [A 158] jugerum oder pro centuria, wahrscheinlich aber ersteres, auferlegte und dann das Erbstandsgeld zur Versteigerung brachte
53)
[A 158]Wir würden darüber klarer sehen, wenn uns erhalten wäre, was die emptores des Ackers nach Z. 53 f. in der professio anzugeben hatten. Ich möchte glauben, ähnlich wie später die pannonischen Possessoren, deren professio Hygin in der p. 121 besprochenen Stelle erwähnt (s. weiter unten)
39
Unten, S. 246 f.
, die Zahl der jugera Acker, Wiese, Wald, Weide – oder diesen ähnliche Kategorien –, welche sie besaßen, damit dementsprechend das vectigal auferlegt werde; denn wenn ich im Text
40
Oben, S. 240.
ein einheitliches vectigal als wahrscheinlich bezeichnete, so schließt das eine solche primitive Klassifikation, wie wir sie später finden, nicht aus. Wahrscheinlich hatte die professio wesentlich diesen Zweck. – Im übrigen ergibt das Gesetz, daß es sich bei der ganzen Maßregel auch, vielleicht sogar hauptsächlich, um Besitzer handelt, welche bereits vor dessen Erlaß Acker durch „emptio“ erworben hatten. Ist die frühere
41
Oben, S. 226 f.
Bemerkung über die mancipes auf dem Pachtacker richtig, so handelt es sich hier darum, daß (cf. Note 51a) denjenigen, welche Acker der afrikanischen Domäne gegen Erbstandsgeld gepachtet hatten, ihr an sich zeitlich beschränkter Besitzstand unwiderruflich bestätigt wurde, und wenn dies richtig ist, so tritt hier die unerhört kapitalistische Tendenz dieser Gesetzgebung noch schroffer hervor: zwar scheute man sich, den Großbesitzern auf der Domäne geradezu das vectigal zu erlassen, wie in Italien, aber man setzte sie in die Lage, die Thorius den Possessoren Italiens gab. Dagegen denjenigen Besitzern der Domäne, deren ager a censoribus locari solet
42
Formulierung nach Mommsen, Lex agraria, S. 100.
, d. h. den kleineren Pächtern, alten Einwohnern oder italischen, gab man zwar die Zusicherung (s. oben)
43
Oben, S. 238.
, sie sollten nicht mehr Pacht zahlen, als bisher, aber ihr Besitzstand blieb rechtlich prekär. – Enthielt die Inschrift von HalaesaKaibel, Inscr. Graec. Sic. et Ital. Nr. 352 – in der That, wie Kaibel annimmt, die Pachtpreise der aufgeführten Parzellen, so können diese naturgemäß auch nur generell normiert gewesen sein. Im übrigen zeigt das Verhältnis der κλᾶροι und δαιϑμοί
45
In der Inschrift wird jeweils eine Anzahl von κλᾶροι in zusammenhängenden Flurteilen unter der Bezeichnung δαιϑμοί zusammengefaßt, nach Kaibel, ebd., S. 66, weil die Pachtung in jedem dieser Flurteile auf die Bewohner eines bestimmten Stadtbezirks beschränkt war. Als in dieser Weise reservierte Parzellen seien die Ackerstücke als δαιϑμοί („Anteile“), als unter den zugelassenen Pächtern zu verlosende Parzellen jedoch zugleich als κλᾶροι („Ackerlose“) bezeichnet worden.
der Inschrift, daß die Lokation hier wesentlich eine Dislokation der Besitzer war und dem Wettbewerb kaum Spielraum ließ. Welcher Art die Besitzstände waren, welche die bekannte Inschrift von Acrae (Kaibel l. c. Nr. 217) aufführt, ist dunkel [242](cf. Goettling, Inscr. Acr.
50
Göttling, Inscriptiones Acrenses, S. 7 (von Weber wohl nur nach Degenkolb, Lex Hieronica, S. 47–49, Anm. 2, zitiert), sprach von ,ager publicus’ bzw. Gemeindeland.
, und Degenkolb
51
Degenkolb, ebd., wies die Vermutung Göttlings mit Nachdruck zurück.
in dem früher
52
Die Arbeit wird erst unten, S. 261, Webers Fußnote 83 zitiert.
citierten Aufsatz
53
Die Studie liegt nur als Buch vor.
über die lex Hieronica). Für uns ist sie ohne Bedeutung.
. Dies Erbstandsgeld fiel natürlich da weg, [A 159]wo infolge mehrfa[242]cher Vergebung desselben Objektes dem Käufer statt des gekauften (und schon bezahlten) Landes andres eingetauscht wurde: das ist der Sinn des „HS.
46
[242]D.h.: sestertio.
n.
46a
D.h.: numero.
I
l
[242]A: I.
emptus esto“ in Z. 66 des Gesetzes.
Aufmessungsform. Die Aufmessung dieses Ackers erfolgte in centuriae, welche sich von den Centurien der zu vollem Recht erfolgenden Assignation nicht unterschieden zu haben scheinen (Z. 66), also 200 jugera
47
Ca. 50,47 ha.
enthielten, nicht nur 50
48
Ca. 12,61 ha.
, wie der ager quaestorius. Die Veräußerung erfolgte unwiderruflich, wie der Ausdruck „privatus“ ergibt. Die Qualität als ager vectigalis muß die Folge gehabt haben, daß Veräußerung in Form der Manzipation nicht stattfand und daß die Erbregulierung nicht ohne Mitwirkung der staatlichen Behörden erfolgen konnte
54)
[A 159]Dies geht aus der Art, wie Z. 62, 64 der heres erwähnt wird, hervor. Es bedeutete einfach, daß der Provinziaistatthalter in der Lage war, Grundsätze darüber aufzustellen und im Edikt zu publizieren, wann er Veräußerungen zulassen wolle und wem er das Grundstück als Erben geben werde. Denn er war zugleich Verwaltungsbeamter und Instruent der Prozesse.
. Im ferneren Unterschiede vom ager quaestorius sind hier die limites viae publicae, denn die so zu ergänzende Bestimmung Z. 89 u. f. wird sich auf alle Centurien bezogen haben, nicht nur auf die des karthagischen Gebiets. Da die Abgabe – nach unsrer Annahme – pro jugerum gleich war, so ermöglichte dies eine genügende Individualisierung des steuerbaren Objektes und eine genügende Kontrolle, indem der Einzelne einfach zu profitieren hatte, wieviel jugera er in einer Centurie besaß und die Summa der in einer Centurie besessenen = 200 sein mußte. Bei den stabilen Zuständen der Provinz Afrika scheint sich die Aufteilung und das ganze Verhältnis des Bodens ungemein lange unverändert erhalten zu haben, nämlich bis in die Zeit des Honorius. Eine damals (422) vorgenommene Revision ergab nach C. Th. 13 de indulg[entiis] deb[itorum]:
  1. [243]in Africa proconsularis: 9002 Centurien
    54
    [243]Ca. 454 302,27 ha.
    und 141 jugera
    55
    Ca. 35,58 ha.
    [A 160]steuerfähiges und 5700 Centurien
    56
    Ca. 287 660,85 ha.
    und 144½ jugera
    57
    Ca. 36,46 ha.
    devastiertes Land,
  2. in Byzacena: 7460 Centurien
    58
    Ca. 376 482,44 ha.
    und 169
    59
    Die Zahl lautet im Cod. Theod. 11,28,13: 180 (ca. 45,42 ha).
    jugera steuerfähiges und 7715
    60
    Die Zahl lautet im Cod. Theod. 11,28,13: 7615 (ca. 384,80 ha).
    Centurien und 3½ jugera
    61
    Ca. 0,88 ha.
    devastiertes Land,
  3. zusammen: in Africa proconsularis: 16 703
    62
    Aus den Zahlen im Cod. Theod. ergibt sich die Summe von 14 703 Centurien (ca. 742 013,59 ha).
    Cent[urien] 85½ jugera
    63
    Ca. 21,57 ha.
    , in Byzacena: 15 175
    64
    Aus den Zahlen des Cod. Theod. ergibt sich die Summe von 15 075 Centurien (ca. 760 787,25 ha).
    Cent[urien] 172½
    65
    Aus den Zahlen des Cod. Theod. ergeben sich 183½ iugera (ca. 46,30 ha).
    jugera aufgemessenes, der Bodenabgabe unterliegendes Land.
Es macht den Eindruck, daß noch damals im Steuersatz centuria = centuria, d. h. jugerum = jugerum gerechnet wurde. Das ganze in dieser Weise besteuerte Areal
66
Die Gesamtsumme beträgt nach den Angaben im Cod. Theod. 29 779 Centurien und 69 iugera, d. h. ca. 1 502 868,7 ha bzw. 15 028,69 km2. – Webers Zahlen ergäben 31 879 Centurien und 58 iugera, d. h. ca. 1 608 846 ha.
hat ungefähr den Umfang des mit dem Pfluge bestellten Landes einer östlichen preußischen Provinz (z. B. Posen)
67
Ackerland in der Provinz Posen (ca. 1870): 6 750 356 (Magdeburger) Morgen = 1 723 517,2 ha. Vgl. Meitzen, August, Der Boden und die landwirthschaftlichen Verhältnisse des Preußischen Staates nach dem Gebietsumfange vor 1866, Band 2. – Berlin: Wiegandt & Hempel 1869, S. 169. Vgl. ebd., S. 153, 162, 182, mit den entsprechenden Zahlen für die anderen östlichen Provinzen; außerdem dass., Band 3, 1871, S. 609 (1 ha = 3,916 617 Magdeburger Morgen). – Zu Webers Aufenthalten in der Provinz Posen in den Jahren 1888 und 1891 vgl. die Einleitung, S. 11 f. und den Editorischen Bericht oben, S. 61.
und kann also nach den damaligen Verhältnissen nur einen Bruchteil, wenn auch einen bedeutenden, des überhaupt bestellten Landes in Afrika dargestellt haben. Auf die Verfassung der übrigen Teile kommen wir unten
68
Unten, S. 265 ff.
. – Alles Gesagte scheint mir jedenfalls dafür zu sprechen, daß den besprochenen Äckern ein reelles vectigal auferlegt war. Ebenso spricht dafür, daß man hier die limites als Wege aufrecht erhielt: sie gestatteten, wie bemerkt
69
Oben, S. 242.
, die [244]Kontrolle bei der Besteuerung; bei dem gewöhnlichen ager quaestorius sollten sie zwar als rigores gleichfalls die Identifikation ermöglichen, allein wahrscheinlich eben weil keine reale Steuer auf ihm lag und also kein Interesse an ihrer Aufrechterhaltung bestand, verschwanden sie. Ebenso würde es auch immerhin befremdlich sein, wenn man einen Stand von staatlichen Erbpächtern als vorhanden annehmen müßte, welcher keine Erbpacht zahlte – denn Erbpächter würden die Inhaber des ager privatus vectigalisque im Rechtssinn sein, wenn man Vererblichkeit ohne zivilrechtliche Veräußerlichkeit als rechtliche Qualität dieses Bodens annimmt, gleichgültig, ob das vectigal nur fiktiv war
55)
[A 160][244]Es ist oben (Kap. I)
70
[244]Oben, S. 130, dazu S. 234.
und auch hier als wahrscheinlich angenommen worden, daß der gewöhnliche ager quaestorius „that[A 161]sächlich“ in der Veräußerung nicht beschränkt war. Dies bedarf der näheren Definition. Rechtlich ist der ager quaestorius ein Besitzstand auf dem ager publicus, ein habere possidere uti frui wie alle andern, also der Manzipation und der dinglichen Klagen außerhalb des Possessorium unfähig und nur dem administrativen Schutz unterliegend, um dessen Gewährung vermutlich die Konsuln (da diese auch die Einweisung in die trientabula nach Liv. 31, 13 vollzogen) anzugehen waren. Da nun ein Interesse des Staates daran, in wessen Besitz sich die Grundstücke befanden, selbst bei den trientabula nicht vorlag, so wird dieser Schutz durchweg demjenigen gewährt worden sein, welcher nach den sonst für den Erwerb von locus vorgeschriebenen Formen – also durch traditio ex justa causa – von einem früheren ebenso fehlerfreien Besitzer erworben hatte, und man wird dies schwerlich als einen rein prekären Zustand, sondern als etwas Selbstverständliches empfunden haben, wie denn die Agrimensoren
71
Vgl. Siculus Flaccus, S. 151,19 f. und 154,3 f. Lachmann, sowie das Folgende.
die Veräußerung durch emtio venditio beim a[ger] quaestorius als etwas regelmäßig Vorkommendes erwähnen. Wenn Hygin p. 116 dazu bemerkt: non tamen universos paruisse legibus quas a venditoribus suis acceperant, so kann darunter eine Notifikation des Erwerbes oder etwas Ähnliches verstanden sein. – Nur in diesem Sinne also ist die „Veräußerlichkeit“ zu verstehen und soll sie behauptet werden, aber in dieser Beschränkung scheint mir ihr Bestehen auch nicht zweifelhaft, denn eine Aufrechterhaltung der Unübertragbarkeit, ohne daß in Gestalt eines vectigal ein präsentes praktisches Interesse daran bestand, ist schwer glaublich. Allein freilich ist diese Differenz gegenüber den agri privati vectigalesque nicht eine juristisch-prinzipielle, sondern nur eine praktisch-graduelle – cf. Note 56a.
.
[A 161] Spätere Veräußerlichkeit der Erbpachtstellen. Ob und eventuell wie lange eine rechtliche Unveräußerlichkeit der Erbpachtstellen bestanden hat, wissen wir nicht sicher, aufgehört aber hat sie später, denn in den Rechtsquellen der Kaiserzeit finden wir nichts davon, und unter Konstantin scheint die Veräußerlichkeit festgestanden zu haben. Dies ergibt m. E. die p. 186
x
[244]A: p. 85 statt richtig p. 97
interpretierte Stelle des Theodosianischen Kodex, aus welcher übrigens wohl zugleich hervorgeht, daß die vectigalpflichtigen Grundstücke jedenfalls die [245]Manzipabilität auch bis damals nicht erlangt hatten. Denn die Stelle, welche die Verkäufe gerade unter dem Gesichtspunkte des Steuerinter[A 162]esses behandelt, hätte sonst die Veräußerung der scamna
56)
[A 162][245]Daß scamna hier = vectigalpflichtige Grundstücke gemeint sind, zeigt der Zusammenhang mit dem Census, den der Titel, in dem die Stelle steht, angibt. Es handelt sich hier um die beiden Arten von Grundstücken: solche, die res mancipi sind und dem an das Bürger-tributum angelehnten Reichscensus unterlagen, und solche, die individuell mit einer Grundsteuer belastet sind. Der praktische Unterschied für den Verkauf aber ist: bei den ersteren geht das Eigentum mit der Manzipation gegenüber dem Census über, die Tradition ist nur die Realisierung des Übergangs, sie ist die Aufweisung, daß eine Fläche von der dem Manzipationsakt entsprechenden Größe dem Erwerber zur Verfügung steht; diese „vacuae possessionis traditio“ ist grundsätzlich nicht für den petitorischen, sondern nur für den possessorischen Schutz von Bedeutung. Dagegen bei den scamna, den nicht manzipablen Grundstücken, ist die Tradition erst der Eigentumsübertragungsakt, die vorhergehende emtio venditio nur ein die Obligation begründender Akt. Die Stelle ordnet nun, wie schon oben (Kap. II) ausgeführt, an, daß künftig die Aufmessung resp. Nachweisung der Grenzen des zu manzipierenden Areals der Manzipation vorherzugehen habe und beseitigt damit den alten Charakter der Manzipation als Quotenveräußerung. Trotzdem nun bei den scamna der gleiche Gesichtspunkt nicht vorlag, da die konsensuale emtio kein Eigentum übertrug, so soll doch – bestimmt Konstantin – das Gesetz auch hier gelten.
nicht besonders zu erörtern nötig gehabt. Vermutlich oder vielmehr sicherlich ist die später allgemeine Form des Verkaufs durch konsensuale emtio venditio und Tradition, die Form des Erwerbs von locus überhaupt, die einzige Veräußerungsform für alle die Besitzstände minderen Rechts gewesen, welchen überhaupt Veräußerlichkeit thatsächlich von der Verwaltung zugestanden wurde.
Man muß sich immer gegenwärtig halten, daß „Ausschluß der Veräußerlichkeit“ hier zunächst einfach gleichbedeutend ist mit Ausschluß der Manzipation und Mangel des Schutzes durch dingliche nicht possessierte Klagen im ordentlichen Verfahren, also Fehlen von Rechtsnormen für die Veräußerung, so daß es Sache der Verwaltungspraxis war, ob bezw. unter welchen Vor[A 163]aussetzungen sie zu respektieren sei. Der Übergang zur Veräußerlichkeit im Rechtssinne beginnt dann, wenn Grundsätze der Verwaltungspraxis gesetzlich festgelegt werden, und das ist vielleicht die Lage des ager privatus vectigalisque
56a)
[A 163]Mommsen (C.I.L. I zur lex agraria)
74
Mommsen, Lex agraria, S. 98; vgl. auch ebd., S. 102.
schließt die Verkäuflichkeit des a[ger] privatus vectigalisque aus der Wendung in Z. 54. 63
74a
Der Wortlaut im folgenden nach Mommsen, Lex agraria, S. 98.
: „cujus ejus agri hominis privati venditio fuerit“. Mir scheint aus dieser Wendung immerhin zu folgen, daß das Gesetz irgendwelche [246]besondere Bestimmungen über die Veräußerung – vielleicht ähnlich denjenigen bei den späteren Emphyteusen – enthalten hat. Ob das Gesetz auch Grundsätze über die Geltendmachung des Rechtes an diesem Acker aufstellte, wissen wir nicht. In Z. 93 spricht es von „in ious adire“ anscheinend bezüglich des ebenda vorher erörterten „ager ex s(enatus) c(onsulto) datus adsignatus“. Was dies für Acker ist, steht dahin, Mommsen l. c.
77
Mommsen, ebd., S. 100 f.
identifiziert ihn mit den gewöhnlichen Domänenpossessionen. Da ein Besitzstand ex senatus consulto im Gesetz noch einmal, und zwar bezüglich der viasii vicani, vorkommt, scheint mir der Gedanke nicht fernzuliegen, daß es sich um den Acker der früher schon besprochenen
79
Oben, S. 231.
navicularii handelt. Der folgende Teil des Gesetzes hat dann vielleicht die später oft durch kaiserliche Verfügungen geregelte Frage der höchst lästigen Transportverpflichtungen bei den Naturalabgaben behandelt.
.
[246]Verwandlung des vectigal in eine Grundsteuer.Mit der rechtlichen Veräußerlichkeit verwandelte sich aber der Charakter des vectigal als Erbpachtkanon in den einer Grundsteuer. Allerdings hatte dieselbe bei den afrikanischen Besitzern, wenn die oben
75
[246]Oben, S. 240.
vorgetragene Ansicht richtig ist, die von unsern Steuergewohnheiten abweichende Eigenschaft, nicht pro Grundstück nach dem Ertrage abgestuft zu sein, sondern den modus agri, die Zahl der jugera, gleichmäßig oder doch nur nach großen Durchschnittssätzen für Acker, Wiese, Baumland etc. zu belasten. Hierin trat erst mit der Anwendung einer sorgfältigeren Technik in der Verwertung der Domäne Wandlung und zwar auch nur quantitativ, nicht grundsätzlich ein. Vielleicht ist bereits bei dem ager Campanus ein Verfahren mit – wie un[A 164]genau immer durchgeführter – Bonitierung und Individualisierung der Abgabensätze angewendet worden. Wenigstens erinnert die Kartierung und das „pretium indictum“
75a
Vgl. oben, S. 123.
an die „certa pretia“ des Hygin in der p. 121 abgedruckten Stelle. Diese letztere in Verbindung mit der p. 119 abgedruckten, wohl den gleichen Fall behandelnden, ergibt für die Zeit Trajans jedenfalls eine Einteilung der mit Grundabgaben zu belegenden Ländereien in Pannonien in die sechs Klassen: arvum primum, arvum secundum, pratum, silva glandifera, silva vulgaris, pascua. Bei der Größe der einzelnen Mannlose – 66, 80, 100 jugera
76
Ca. 16,82 bzw. 20,18 bzw. 25,23 ha.
– ist es ausgeschlossen, daß dieselben stets nur eine dieser Steuerklassen enthalten hätten, vielmehr mußte der Steuerbetrag eines jeden Loses zusammengesetzt sein aus den Steuersätzen der Anzahl jugera einer jeden Klasse, die darin enthalten war. Auf [247]der forma war bei jedem Lose verzeichnet, wieviel jugera arvi primi, prati etc. darin enthalten waren, und danach war der Steuerbetrag, welcher pro jugerum jeder Klasse gleichmäßig festgesetzt war, für das ganze Los leicht zu berechnen. Blieb nun der Steuersatz derselbe, wenn der Besitzer die Betriebsart wechselte? Würde es sich um eine Grundsteuer im modernen Sinn handeln, so würde die Antwort unzweifelhaft bejahend auszufallen haben. Nun müssen wir aber bei den hier auferlegten Lasten bedenken, daß sie historisch aus Pachtzinsen durch die Mittelstufe von Erbpachtkanones hindurch zu dem sich entwickelt haben, was sie schließlich waren. Dementsprechend wäre es an sich völlig konsequent, wenn je nach dem Wechsel der Bestellung des Landes auch der Zins entsprechend den verschiedenen Sätzen für die einzelnen Steuerklassen wechselte. Gegen die Gefahr der Verminderung des Pachtertrages durch Wechsel in der Art der Bestellung war der Verpächter und also auch der Staat als solcher dadurch geschützt, daß er sich einen derartigen Wechsel bei der großen Abhängigkeit der Pächter nach römischer [A 165]Observanz wohl sicher nicht gefallen zu lassen brauchte, – wir kommen darauf im letzten Kapitel
80
[247]Unten, S. 308 f.
zurück, – und auch den Provinzialen gegenüber nahmen die Kaiser bekanntlich das Recht in Anspruch, ihnen gewisse Arten der Bodennutzung im Interesse der italischen Grundbesitzer zu untersagen. So wäre es an sich durchaus möglich und war auch vielleicht wirklich ursprünglich der Fall, daß die Höhe des Bodenzinses der einzelnen, so wie Hygin beschreibt, katastrierten Grundstücke je nach der Bestellung schwankte, und die Bestellungsart, also die Zahl der mit Wein etc. bestellten jugera, war dann wohl wesentlich der Inhalt der professiones, die Hygin (l. c.) erwähnt. Allein dies ist, wenn es bestand, jedenfalls nur ein Übergangsstadium gewesen. Das etwaige Unterlassen jeglicher Bestellung auf Teilen des Ackers hat sicher nie einen Steuerminderungsgrund abgegeben; die Klassifikation nach arvum primum und secundum läßt schon auf eine dauernde Abtaxierung des Bodens nach der Ertragsfähigkeit schließen, und dieser Klassifikationstarif ist später durch Vermehrung der Klassen noch spezialisiert worden, wie sich unten
83
Gemeint sind offenbar die drei Ackerklassen des sog. syrisch-römischen Rechtsbuchs, die S. 281, Webers Fußnote 125, erscheinen.
[248]zeigen wird. Dem würde eine starke Beweglichkeit der Klassifikation des einzelnen Grundstückes wenig entsprechen. Wo ferner die juristischen Quellendas
m
[248]A: des
tributum soli erwähnen, geschieht dies in der Weise, daß es als eine fixierte Abgabe von dem einzelnen konkreten Grundstück vorausgesetzt erscheint
57)
[A 165][248]D. 39, § 5 de legat[is] I, 30. Dazu die Inschrift von Carthago nova C.I.L., II, 3424, wo jemand einen Tempel dem Legat gemäß sine deductione XX (vicesimae) vel tributorum (also doch eines festen Betrages) errichtet (cf. Mommsen das[elbst])
85
Mommsen, in: CIL II, S. 468 (zu Nr. 3424).
. – Vectigal und tributum werden in der citierten Digestenstelle nebeneinander gestellt. Der Gegensatz wird wohl in dem relativ schwankenden Charakter des vectigal zu suchen sein. Das in Nacolia und Orcistus in Phrygien unter Konstantin erwähnte tributum … ubertatis
86
Weber folgt der ursprünglichen Lesung und Interpretation Mommsens (CIL III,1, S. 68 zu Nr. 352, 3, 12 f.), übersah dabei jedoch die inzwischen erfolgte Korrektur der Lesung durch Mommsen selbst, in: Bruns, Fontes5, S. 421, wie auch in: Mommsen, Stadtrechtsbriefe von Orkistos und Tymandos, in: Hermes, Band 22, 1887, S. 318; vgl. auch ebd., S. 319. Danach wird zwar ‚tributum‘ als Grundsteuer genannt; statt ‚ubertatis‘ ist jedoch zu lesen: libertatis (und zwar: libertatis privilegium). – Das Versehen wird bereits vonPaul Krüger in seiner Besprechung der Römischen Agrargeschichte (oben, S. 40, Anm. 14) erwähnt, S. 493.
(C.I.L., III, 352) betrifft wohl eine nach der Bonität [A 166]definitiv fixierte Grundsteuer. Ebenso das tributum der Adjazenten von Aquädukten (p. 348
87
Das tributum wird S. 349,8 Lachmann erwähnt.
, Lachmann). So wird auch in D. 42. 52, § 2 de pact[is] 2, 14 das Tributum als eine feste Abgabe behandelt.
. Endlich wird bei der Einschätzung, [A 166] welche auf Grund des Formulars, wie es Ulpian (D. 4 de
n
A: s.
censib[us] 50, 15
) wiedergibt, erfolgte, ausdrücklich bemerkt (l. c. § 1), daß bei Umlegung von Wein- und Ölpflanzungen – den höchstbesteuerten Kategorien – in andre, niedriger besteuerte Bewirtschaftungsformen ein zureichender Grund, weshalb dies geschehen mußte, den Einschätzungsbeamten nachgewiesen werden mußte, widrigenfalls die Änderung nicht berücksichtigt wurde. Bei Änderungen der Bestellung, welche den Steuerertrag mindern, konnte also nur durch relevatio oder peraequatio, Maßregeln, die demnächst noch besprochen werden sollen, geholfen werden. Beim Übergang in eine höhere Steuerklasse aber infolge Änderung der Bestellung wird die Steuerverwaltung mit einer Erhöhung bei Gelegenheit einer peraequatio allerdings nicht gezögert haben
58)
Unter allen Umständen war also diese Grundabgabe (wie übrigens jede Grundsteuer), solange sie nicht übertrieben hoch angesetzt wurde, immerhin ein Mittel, den Anbau der Fluren da, wo er bestand, zu erhalten, da der Übergang zu extensiverem Betrieb bei gleichbleibendem tributum soli relativ höher getroffen wurde. Dieser Gesichtspunkt ist [249]von Heisterbergk
91
zutreffend hervorgehoben, und es scheint kaum zweifelhaft, daß speziell für Afrika sein wesentlichster Gesichtspunkt, daß die Auferlegung fixierter Naturalquoten den Cerealienanbau stärker erhalten mußte, als er ohne diese Abgabe vielleicht betrieben worden wäre, jedenfalls sehr beachtenswert ist und auch für die Frage des Kolonats in Betracht kommt. Daß es freilich der für dessen Entwickelung wesentlichste gewesen sein sollte, halte ich im allgemeinen nicht für zutreffend.
. Enthält [249]die in Anlage I
88
[249]Unten, S. 360.
abgedruckte Arausiner Inschrift thatsächlich, wie mir jedenfalls recht wahrscheinlich ist, die Assignationen und die Grundsteuersummen, so ist damit gegeben, daß die letzteren ein für allemal fixiert waren. Die Tendenz zur Fixierung der Abgabe von einem be[A 167]stimmten Grundstück auf einen bestimmten Betrag unter Ausschluß aller Wandelungsgründe ist überhaupt eine durchaus stetige und ergibt sich noch aus dem Gesetz Zeno’s (C. 1 de j[ure] emph[yteutico] IV, 66), wonach nicht einmal teilweiser Untergang des Grundstückes einen Remissionsgrund bildet (bei der Emphyteusis). Damals muß die Fixierung der Abgabe schon längst allgemein festgestanden haben. Dementsprechend besteht die Rechtsfolge bei Nichtzahlung der tributa schon zu Scävolas Zeit in der Subhastation des Grundstücks durch den Hebungsberechtigten (D. 52 pr. d[e] a[ctione]e[mpti]
o
[249]A: c.
v[enditi] 19, 1
), also ist wohl die Exekution einheitlich geordnet. Daneben findet sich C. Th. 1 de aquaed[uctu] 15, 2 (vom J. 320)
90
Die Konstitution stammt aus dem Jahr 330.
die Konfiskation als Rechtsfolge der Nichtleistung der auf dem fundus liegenden Reinigungspflicht bei Wasserleitungen. Dies lehnt sich jedenfalls mehr an das ältere Recht an.
Rechtlicher Charakter der domanialen Besitzstände. Wir haben bisher von denjenigen Besitzständen minderen Rechts gesprochen, welche als Form der Nutzung der staatlichen Domäne sich entwickelt und diesen Charakter auch im wesentlichen trotz tiefgreifender Änderungen im einzelnen beibehalten haben. Ihre gemeinschaftlichen rechtlichen Eigenschaften sind in der Hauptsache nur negativ zu bestimmen. Wir sahen bereits, daß der Mangel quiritarischen Eigentums sie vom Census und von den Akten per aes et libram sowie ursprünglich auch von den sonstigen privatrechtlichen Veräuße[250]rungsakten und überhaupt den dinglichen Rechten ausschloß
1
[250]Oben, S. 157 f., 207.
, soweit nicht das Possessorium und, bei einigen von ihnen, Erwerb per universitatem in Frage kam.
Administratives Verfahren. Ebenso wurde schon der damit zusammenhängende grundsätzliche Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges mehrfach hervorgehoben
2
Vgl. ebd.
. Soweit Streitigkeiten nicht possessorischer Art entstanden, kann nur die Administrativjudikation kompetent gewesen sein, also gehören sie in das Gebiet der „extraordinaria cognitio“. Welche Beamten jeweilig zuständig waren, wird hier nicht er[A 168]örtert, – soweit nicht Spezialkompetenzen, wie die gracchischen IIIviri und die IIviri der lex agraria von 643, interimistisch geschaffen wurden, wird im allgemeinen die Kompetenz teils des Censors, teils des Oberamts, also des Konsuls, eingetreten sein. Beim Provinzialstatthalter war beides in einer Person vereinigt, hier bestand eine Differenz in der Zuständigkeit und wohl auch in der Art des Verfahrens nicht. Das ist von großer Wichtigkeit.
Denn der Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges hatte eine wichtige Konsequenz in Bezug auf den modus procedendi. Der extraordinaria cognitio ist keineswegs nur das Fehlen des Verfahrens in judicio resp. eines dementsprechenden Verfahrens eigentümlich. Dies Fehlen ist bei ihr überhaupt nicht notwendig[,] sondern nur zulässig: auch der im Administrativprozeß entscheidende Beamte kann die Verhandlung an einen Geschworenen verweisen. Für uns wichtiger ist vielmehr eine andre Eigentümlichkeit dieses Verfahrens: die Möglichkeit realer Exekution. Realexekution. Auch der im Administrativprozeß entscheidende Beamte kann gegen den Ungehorsamen sich auf die Verhängung von Multen beschränken, entsprechend der Geldkondemnation im Zivilprozeß. Aber er kann zweifelsohne auch seine Sentenz in natura vollstrecken lassen, also das Grundstück dem Unterliegenden wegnehmen und dem Obsiegenden übergeben lassen. Daß diese Möglichkeit der extraordinaria cognitio wesentlich ist, kann kaum bezweifelt werden. Ganz verschwunden ist die Realexekution auch im prätorischen Prozeß nicht und konnte dies auch nicht, aber die Fälle, in welchen sie vorkommt
59)
[A 168][250]D. 2, § 8 testam[enta] quemadm[odum] 29, 3 („omnimodo compelletur“); D. 3, § 9 de tab[ulis] exh[ibendis] 43, 5 („coërceri debere“); D. 1, § 3 de insp[iciendo] ventr[e] 25, 4 [251](„cogenda remediis praetoriis“); D. 5, § 27 ut in poss[essione] leg[atorum] c[ausa esse liceat] 36, 4 (per viatorem aut officialem); D. 3, § 1 ne vis fiat 43, 4 (extraordinaria executio); D. 1, § 1
5
Das Zitat bezieht sich auf § 2.
de migrando 43, 32 („extra ordinem subvenire“).
, haben [A 169]thatsächlich den Charakter einer Prozedur extra [251]ordinem, es handelte sich dabei wesentlich um Vollstreckung von prozeßleitenden
a
[251]A: prozeßleidenden
Verfügungen; dagegen muß die reale Vollstreckung im Verfahren extra ordinem und überhaupt im Administrativprozeß die Regel gebildet haben. Der Censor hat sicher nicht zuzulassen nötig gehabt, daß ein Staatspächter depossediert und seitens des Usurpanten in Geld abgefunden wurde, sondern er konnte den Anpachtenden in das erpachtete Grundstück einweisen lassen. Bei den gracchischen Assignationen wäre bei der Unveräußerlichkeit der Grundstücke die Vollstreckung in Gestalt der Litisästimation in Geld einer teilweisen Vereitelung des Zweckes gleichbedeutend gewesen. Bei der controversia de territorio, welche gleichfalls im Wege der extraordinaria cognitio entschieden wurde, ist inschriftlich sichergestellt, daß die Exekution eine reale war.
Dies war bei allen diesen Besitzständen, deren Gegenstand in erster Linie der locus, das bestimmte gepachtete, steuerbare etc. Areal war, auch nur sachgemäß, wie denn auch die besonders scharfe Wirkung der ursprünglich allein den locus schützenden possessorischen Interdikte mit ihren gewaltigen Strafsponsionen etc. aus dem Bestreben der Annäherung an reale Vollstreckung und der Erzwingung des Gehorsams in natura entsprang. Für die Weiterentwickelung des Prozeßverfahrens war dies aber von großer Bedeutung, denn da die meisten Provinzialgrundstücke zu minderem Recht besessen wurden, wurde die Zulässigkeit der Realexekution bei dinglichen Klagen im Laufe der Zeit gemeines Recht, wie wir dies bei Ulpian D. 68 de r[ei] v[indicatione] (VI, I) bereits finden.
Anders war es natürlich da, wo der Prätor für einen der erörterten Besitzstände eine Klage im ordentlichen Prozeßverfahren gewährte. Allein wir wissen von keiner solchen. Selbst die dem Eigentum am nächsten stehen[A 170]den gracchischen Assignationen gehörten im Rechtsweg, wie bemerkt
3
[251]Oben, S. 250, vgl. 235.
, nicht zu seiner Kompetenz. Auch von [252]Aufstellung fiktizischer Formeln wissen wir nichts. Nur für einen noch nicht besprochenen Fall abhängigen Besitzstandes gab es später eine dingliche Klage im ordentlichen Verfahren, aber dieser Fall betrifft einen nicht vom Staate, sondern von Gemeinden abgeleiteten Besitz niederen Rechts. Munizipaler ager vectigalis. Es ist die Formel für den Fall „si ager vectigalis petatur“. Sie betrifft nach Lenels
7
[252]Lenel, Edictum perpetuum, S. 146 f.
Restitution zweifellos nur den Acker, welcher von Gemeinden in Pacht bezw. in der Regel in Erbpacht ausgethan ist, und wir haben diesen Fall noch näher zu betrachten, da in Italien unzweifelhaft jedenfalls nach dem Bundesgenossenkriege staatliche Erbpächter nicht mehr nachweislich sind, die Qualifikation des afrikanischen ager privatus vectigalisque immerhin zweifelhaft bleibt und deshalb dies der einzige klar zu überschauende Fall von Erbpacht im römischen Rechte der besseren Zeit ist.
Der verwaltungsrechtliche Ursprung ist auch hier zweifellos: kein Privatmann kann vererbpachten, die Konstitution dieses Verhältnisses ist vielmehr ein Hoheitsrecht und bei den Gemeinden als Rest ehemaliger Souveränität anzusehen
61)
[A 170][252]Allein auch die Bürgerkolonien vererbpachten, wie schon früher bemerkt. – Leibrenten auf einen fundus können auch für Private konstituiert werden, cf. D. 12. 18 pr., 19 pr. de annuis 33, 1[,] C.I.L., V, 4489. Aber ewige Renten derart gibt es nicht, ein unbefristetes Rentenlegat ist als solches nichtig und wirkt nur als Leibrentenfideikommiß, D. 12 cit.
. Die Gemeinden haben von diesem Institut sowohl zur Verwertung des ihnen eigentümlich gehörigen als des vom römischen Staat ihnen aus dem ager publicus – wohl stets unbefristet – überwiesenen Landes Gebrauch gemacht.
Gemeindesteuern und Gemeindegut. Wir sind über die Art, wie die einzelnen Gemeinden des römischen Reiches ihre Gemeindebedürfnisse deckten, wie bekannt, äußerst schlecht informiert. Daß ein [A 171]großer Teil im Wege von Frohnden aufgebracht wurde, zu welchen einerseits die Personen der Gemeindeangehörigen und andererseits deren Gespanne herangezogen wurden, wissen wir aus dem inschriftlich erhaltenen Statut der cäsarianischen Bürgerkolonie Urso in Spanien. Dort war die Zahl der zulässigen Frohntage pro Person [253]auf 5, projugum
b
[253]A: jugera
auf 3 bestimmt. Daß daneben für diejenigen Bedürfnisse, welche in dieser Art nicht zu decken waren, Geldumlagen vorkamen, steht gleichfalls fest. Wir wissen ferner, daß die Armenpflege der Städte zum Teil durch Bereitstellung von Getreide zu Vorzugspreisen seitens der Grundbesitzer beschafft
10
[253]Gemeint: ‚gewährleistet, gesichert‘ o. ä.
wurde
64)
D. 27, § 3 de usufr[uctu]
14
entsprechend dem frumentum emptum der Provinzen.
und eventuell also wohl auch Naturalumlagen vorkamen
65)
Cicero in Verr. III, 42, 100 (hier zur Ergänzung der an Rom zu zahlenden Abgabe).
. Wie aber diese Umlagen, namentlich die Geldumlagen, aufgebracht und nach welchen Prinzipien sie umgelegt wurden, wissen wir nicht. Es scheinen aber die Städte des Altertums mit den mittelalterlichen das zu teilen, daß alle diese direkten Steuern den Charakter außerordentlicher Mittel, um das Gleichgewicht des Budgets herzustellen, trugen
66)
Dahin gehören wohl auch die indictiones temporariae der l. 28 de usu 33,2, wenn es sich dabei um Gemeindeumlagen handelt.
und in dieser Beziehung den Anleihen gleichstanden, vielleicht, wie in Rom
12
Vgl. oben, S. 133.
, als Zwangsanleihen galten. Jedenfalls hatte dies die Folge, daß eine für unsre Begriffe sehr große Vermehrung des werbenden Gemeindegutes überall erstrebt wurde. Die indirekten Steuern, namentlich die Zölle, welche als Ausfluß des Grundeigentums behandelt wurden, erörtern wir hier nicht, sondern nur das Renteneinkommen [A 172]der Gemeinden. – Die mittelalterlichen Städte haben in der Verwaltung ihres Vermögens hohe, teilweise geniale Schöpfungen an Geschäfts- und Rechtsformen zu verzeichnen, namentlich haben sie das Immobiliarrentengeschäft entwickelt und in Beziehung zu einem relativ stabilen Anleihewesen zu setzen verstanden
13
Dies ist ein Hauptthema des von Weber während der Arbeit an der römischen Agrargeschichte rezensierten Buches v. Kostanecki, Öffentlicher Kredit im Mittelalter (wie S. 59, Anm. 21); vgl. auch oben, S. 133, Anm. 23.
. So wenig wir über die Finanzgebarung der Gemeinden des römischen Reiches wissen, so ist es doch sicher, daß diese hierin relativ weit zurückgeblieben sind. Ihr Anleihewesen lag anscheinend [254]meist im argen
67)
[A 172][254]Die Städte Asiens gerieten in die Hände von Wucherern, als sie einmal das stipendium nicht aufzubringen vermochten (Plut. Lucull 7, 20.)
, Rentengeschäfte. und das aktive Rentengeschäft haben sie zwar entwickelt, aber sehr primitiv, nämlich, wie es scheint, nur in Gestalt des Erwerbes von vectigalia, also der Vererbpachtung, während die Renten selbst nicht Gegenstand des Umsatzes waren. Neben der gewöhnlichen Verpachtung und Vererbpachtung
68)
Diese wird z. B. D. 219 de v[erborum] s[ignificatione] als zufolge locatio durch die mancipes
15
[254]An der zitierten Stelle (Dig. 50,16,219) steht: municipes.
entstehend erwähnt.
des Gemeindegutes finden wir den Erwerb von Grundstücken einer Person und die Rückgabe an diese unter Auferlegung eines vectigal als Form der Anlage von Gemeindegeldern
69)
Die Kaiser instruierten die Statthalter und curatores der Gemeinden dahin, dafür zu sorgen, daß hypothekarisch angelegte Gelder der Gemeinden thunlichst in den Händen der alten Schuldner belassen würden. D. 33 de usur[is] (22, 1).
oder ev[entuell] Sicherung von ewigen Renten für bestimmte öffentliche oder mildthätige Zwecke, namentlich für Unterstützung von verarmten freien Familien bei der Ernährung der Kinder. In der Kaiserzeit griff die Zentralgewalt ein, einerseits im Interesse der Armenpflege durch Vorschuß von Kapitalien behufs Anlage in Grundstücken gegen einen Zins, [A 173]der zu milden Zwecken bestimmt war
71)
[A 173]Bekannt sind die großen Alimentenstiftungen aus der Zeit von Nerva bis Alexander Severus, von welchen inschriftlich zwei Stiftungen des Trajan erhalten sind. C.I.L., IX, 1455, cf. Desjardins, De tab. alim. Paris 1854. Henzen, Annalen des arch. Inst. in Rom 1844. Die Gelder wurden auf Grundstücke zu niedrigen Zinsen ausgeliehen. Daß die Grundstücksbesitzer nicht kündigen durften, ist wohl als sicher anzunehmen, es schützte dagegen wohl übrigens auch die Höhe der Ablösungssumme bei dem niedrigen Zinssatz.
, andrerseits indem die Verwendung des Gemeindegutes kontrolliert wurde. Die Veräußerung und auch die Vererbpachtung wurde teilweise beschränkt
72)
So in der lex col. Genetivae c. 82 der Verkauf und die Verpachtung auf über fünf Jahre.
, die selbständige Auferlegung von Steuern durch die Gemeinden untersagt, teilweise auch der Ertrag von Vectigalien zwischen Staat und Gemeinden geteilt
74)
C. 13 de vectig[alibus] IV, 61 von Theodosius und Valentinian ( der Gemeinde, dem Staat).
, so daß die Gemeindesteuer als Zuschlag zur Staatssteuer erscheint. Auf die Eingriffe in die Art, wie die staatlichen, von der Gemeinde zu [255]leistenden Auflagen aufgebracht wurden, kommen wir unten
17
[255]Unten, S. 270 ff., 282 ff.
. Hier soll speziell die Rechtslage der von der Gemeinde gegen Zins vergebenen Grundstücke betrachtet werden.
Rechtlicher Charakter des ager vectigalis.Zunächst ist sicher, daß die Gemeinde als Eigentümerin derselben gilt. Zwar erscheint gelegentlich im Ausdruck das „Zinsrecht“ als Gegenstand des Rechtes der Gemeinde, so wenn es von einer Priesterin im municipium Cartimitanum in Spanien heißt, daß sie „vectigalia publica vindicavit“ (C.I.L., II, 1956) oder Vespasian einer spanischen Gemeinde ihre vectigalia beläßt (das[elbst] 1423) oder den Thisbäern durch Senatuskonsult der Fortbesitz ihrer vectigalia zugestanden wird, und dem [A 174]deutschen, urkundlich vorkommenden Zins „von Eigenschafts wegen“
18
Eigenschaft entspricht in der älteren deutschen Rechtssprache dem Wort Eigentum. Zum „Zins von Eigenschaft wegen“ vgl. etwa Heusler, Privatrecht, Band 2 (wie S. 133, Anm. 22), S. 51 und 181 (mit Hinweisen auf Urkunden). – Weber richtet sich in diesem Abschnitt offenbar gegen Huschke, Avitum et patritum, wo u. a. S. 184 ff. gegen Mommsen das Eigentum der Gemeinde am ager vectigalis bestritten wurde, ohne daß Weber diesen Aufsatz jedoch hier oder sonst zitiert.
entspricht es, wenn in Pompeji von jemand Zins gezahlt wird an die Gemeinde „ob avitum et patritum fundi Rudiani
19
So die ursprüngliche Lesung Mommsens (vgl. Anm. 21). Der Name lautet jedoch: Audiani; vgl. bereits Karl Zangemeister bei Mommsen im Kommentar der in Fußnote 76 und 78 von Weber selbst zitierten Inschrift CIL X 5853; außerdem Bruns, Fontes5, S. 280 und auch CIL IV, Supplement I (wie oben, S. 190, Anm. 7), Nr. 3340, CXXXVIII.
“ (Nr. 123
20
Es handelt sich um Nr. 125.
der pompejanischen Steuerquittungen, cfr. Mommsen im Hermes XII p. 88 f.
21
Mommsen, Pompejanische Quittungstafeln, S. 123; vgl. ebd., S. 141, Nr. 125. – Die von Weber konstatierte „ Entsprechung “ von ‚Zins von Eigenschaft wegen‘ und ‚avitum et patritum‘ setzt die Richtigkeit der (fraglichen) Erklärung Mommsens von avitum et patritum als Eigentum der Gemeinde voraus. Nur dann würde in beiden Fällen, in denen sich der bloße Inhaber der Sache tatsächlich der Stellung eines Eigentümers näherte, dennoch das Eigentum des ‚Zinsherrn‘ besonders hervorgehoben. Vgl. Mommsen a. O., S. 124; Heusler (wie Anm. 18), S. 51 und 181.
). Aber die Rechtslage ist deshalb nicht unklar. Will jemand eine ewige Rente auf sein Grundstück legen, so muß er es der Gemeinde manzipieren und erhält es dann von dieser unter Vorbehalt des Zinses zurück
76)
[A 174]C.I.L., IX
23
Die zitierte Stelle findet sich in: CIL X.
, 5853. Plinius, Ep. 1, 8, 10; VII, 18, 2.
. Verzichtet dagegen [256]ein Besitzer eines mit ewiger Rente belasteten Grundstückes auf dasselbe zu Gunsten der Gemeinde unter Vorbehalt des Ususfruktus, so bedarf es der Eigentumsübertragung nicht, denn die Gemeinde ist schon Eigentümerin. Es ist jene Ausdrucksweise vielmehr dem an die Seite zu stellen, daß auch die Geltendmachung des Eigentumsrechtes der Gemeinde entweder in der Form der realen Einziehung des Gutes oder in der der Auferlegung eines vectigal geschehen kann. Das vectigal ist die selbstverständliche Form der praktischen Äußerung des öffentlichen Eigentums. Ein Legat eines fundus vectigalis an die Gemeinde wird in seiner Gültigkeit deshalb angezweifelt, weil dieser dem municipium schon gehöre (D. 71 § 5, 6 de legat[is] I. 30), ferner aber ist folgendes bezeichnend: Soll in einer Kolonie ein Aquädukt angelegt werden, so steht derselben (z. B. in der Kolonie Urso) statutarisch das Expropriationsrecht zu (l. col. Gen. c. 99), wie Mommsen mit gutem Grunde annimmt, bezüglich der ganzen fundi, über welche der Aquädukt gelegt wird. Die Adjazenten trifft nun (p. 348, 6 f.
25
Das Zitat bezieht sich auf S. 349,6 f. Lachmann.
Lachm.) die Unterhaltungspflicht und ist ihnen dieserhalb ein tributum auferlegt. Offenbar um ihnen dieses auferlegen zu können, wird ihnen zunächst das Eigentum an ihren fundi gegen Entschädigung ent[A 175]zogen und dann der fundus als f[undus] vectigalis zurückgegeben, natürlich ebenfalls gegen Zahlung eines Preises, in dessen Differenz gegenüber der Expropriationssumme die Entschädigung liegt. Um den Aquädukt herstellen zu können, hätte die Konstruierung eines Servituts genügt.
Die Rechtsform, in welcher die Auferlegung von Renten geschieht, ist allerdings die lex dicta bei der Manzipation
78)
[A 175]D. 61
26
Das Zitat bezieht sich auf Dig. 31.
(Scaev.) de pignor[ibus].
27
Cicero, De l. agrar. III, 2, 9. Cf. C.I.L., V., 4485
28
Es handelt sich um CIL V 4489.
. Dahin ist wohl auch das „locare“ der l. 219 D. de v[erborum] s[ignificatione] zu verstehen, und dies ist wohl auch der Sinn des „redemit et reddidit“ der Inschrift von Ferentinum, C.I.L., X, 5853. Es wäre ein immerhin ziemlich undurchsichtiges Verfahren, wenn ein fundus der Gemeinde von dieser erst einem Privaten übertragen, dann von diesem zurückgegeben und dann nochmals unter Auferlegung des vectigal an ihn überlassen würde. Auch das redimere steht dem entgegen. Hatte dagegen die Auftragung durch den Privaten an die Gemeinde in den Augen der Beteiligten eine wesentlich formelle [257]Bedeutung, so ist es nicht auffallend, wenn das redimere an die Spitze gestellt und dann das „reddere“ erwähnt wird. Redimere bezeichnet den obligatorischen, reddere die erste Hälfte des dinglichen Teils des Geschäfts, dessen zweite dingliche Hälfte in dem Manzipieren unter lex dicta bestand.
, so daß man [257]daraus auf eine Gleichstellung der „Rentengewere
30
[257]Gewere ist der deutschrechtliche Terminus für das faktische Innehaben, den Besitz einer Sache oder eines Rechts, als Sachen- oder Rechtsgewere. Rentengewere: Recht auf Rentenbezug. Zu diesem Vergleich mit dem mittelalterlichen Finanzrecht vgl. S. 133, Anm. 23, sowie Weber, Besprechung v. Kostanecki (wie S. 59, Anm. 21), S. 595 f.
mit dem Ususfrukt schließen könnte, allein der Grund ist wohl nur der, daß die Manzipation die einzige Form war, in welcher inter privatos dauernde Rechte an Grundstücken uno actu bestellt wurden, und an diese Formen waren die Gemeinden, da es ihnen an der Souveränität und daher auch an einem souveränen Verwaltungsrecht gebrach, gebunden. – Sonst allerdings ist auch bei der Erbpacht die Anlehnung an die Pacht ersichtlich, so bezüglich der Remission (D. 15 § 4 locati 19, 2). – Andrerseits tritt darin, daß bei den Gemeinden das vectigal anscheinend immer als Zinssatz von einem gewissen Kapitalbetrag erscheint, eine Annäherung an den Charakter einer unkündbaren Kaufgelderhypothek hervor. Dies hat seinen Grund wahr[A 176]scheinlich in der Anlehnung an die staatliche langfristige Lokation, bei welcher sich das Entgelt, wie wahrscheinlich zu machen versucht wurde
31
Oben, S. 239 f.
, aus Erbstandsgeld und Zins zusammensetzte
79)
[A 176]Daher noch in Justinians Institutionen (§ 3 de loc[atione] III, 34)
33
Das Zitat stammt aus Titel 24.
: … familiaritatem aliquam inter se habere videntur emtio et venditio, item locatio et conductio, ut in quibusdam causis quaeri soleat, utrum emtio et venditio contrahatur an locatio et conductio. Ut ecce de praediis, quae perpetuo quibusdam fruenda traduntur.
. Im Laufe der Entwickelung ist in praktischer Hinsicht jedenfalls der Inhaber des fundus vectigalis dem Eigentümer immer mehr gleichgestellt worden. Daß das judicium finium regundorum von ihm und gegen ihn angestrengt werden konnte, ist nichts Besonderes, da er als Inhaber des locus geschützt wurde und die actio finium regundorum allen und nur denen zusteht, welche Schutz des locus genießen (D. 4 § 9 fin[ium] reg[undorum] 10, 1).
Allein es wird auch das judicium communi dividundo (D. 7 pr. § 1 h. t. 10, 3) und familiae herciscundae (D. 11 h. t. 10, 2)
32
Die Angabe bezieht sich auf Dig. 10,2,10.
darauf anwendbar erklärt, der fundus vectigalis ist legierbar (D. 219 de [258]v[erborum] s[ignificatione])
34
[258]= Dig. 50,16.
, und es kann auf ihn als certa res mit „dare oportere“ geklagt werden (D. 1 pr. de cond[ictione] trit[iciaria] 13, 3). Aber allerdings ersieht man aus den betreffenden Bestimmungen, daß die ganzen Verhältnisse nicht in praxi zweifelsfrei waren, namentlich die von der Teilungsklage handelnde Stelle (D. 7 pr. comm[uni] div[idundo])
35
macht den Eindruck der Interpolation: sicherlich hat ursprünglich und noch zu Ulpians Zeit die Genehmigung der Munizipalbehörde und die Verteilung des vectigal auf die Teilstücke der Teilung vorausgehen müssen. Was die Veräußerlichkeit anlangt, so ist die Bestimmung inC.
d
[258]A: c.
3 de jure emphyteutico
IV, 66 jedenfalls angelehnt an die Rechtsregeln, denen die agri vectigales unterlagen, und war hiernach die Zustimmung der Gemeinde erforderlich. Die instruktionelle Verfügung in der gedachten Konstitution, daß die Zulassung der [A 177]Remplaçanten nur aus guten Gründen versagt werden sollte, illustriert am besten die wesentlich administrative Regelung des ganzen Verhältnisses bei all diesen Besitzständen niederen Rechts. Von einem laudemium, wie bei der Emphyteuse, wissen wir beim ager vectigalis nichts.
Die Frage endlich, ob im Fall der Nichtzahlung des vectigal das Grundstück an die Gemeinde zurückfiel, war natürlich die praktisehe Seite der noch von Justinian erwähnten Streitfrage, ob der Kontrakt als Kauf oder als Pacht aufzufassen sei
80)
[A 177][258]Im weiteren Verlauf der in voriger Note citierten Stelle.
.
Die Hauptschwierigkeit beruhte bei allen diesen Vergebungen wahrscheinlich eben darin, daß meist ein Erbstandsgeld gezahlt war, die Zahlung des vectigal also nicht die einzige pekuniäre Verpflichtung des Inhabers darstellte und deshalb die Nichtzahlung desselben nicht ohne weiteres zur Entsetzung führen konnte. In den Quellen wird (D. 31 de pign[oribus]
37
von Scaevola) das Rückfallrecht im Säumnisfalle als Bestandteil der lex dicta erwähnt, es versteht sich also nicht von selbst und kann nicht, wie Matthiaß will, zum Ausgangspunkt bei der Konstruktion des ganzen Instituts gemacht wer[259]den
81)
[259]Dies ist von Pernice, Parerga (Z.f.R.G., Rom. V) mit Recht hervorgehoben worden.
. An sich wird die Gemeinde nur zu Zwangsmitteln befugt gewesen sein, allein wahrscheinlich hat die in D. 31 cit. erwähnte Bestimmung einen ziemlich regelmäßigen Bestandteil der leges dictae der Vererbpachtungen gebildet, so daß später dies ganze Verhältnis als Übertragung unter der Bedingung der Zinszahlung aufgefaßt werden konnte, wie es z. B. von Paulus, D. 1 si ager vectigalis VI, 3, geschieht.
Die Emphyteuse. Es wurde schon bemerkt
39
[259]Vgl. z. B. Huschke, Avitum et patritum, S. 203; Pernice, Parerga II, S. 84.
und ist zweifellos, daß die Emphyteuse des späteren Kaiserrechts sich historisch [A 178] und rechtlich an die agri vectigales der Munizipien anlehnt und nicht an die grundsteuerpflichtigen Provinzialäcker. Es ist dies charakteristisch für die Erscheinung, auf welche wir im letzten Kapitel
40
Unten, S. 327.
zurückkommen, daß der Princeps mit seinem Grundbesitz aus dem Gemeindeverbande auszuscheiden bezw. davon eximiert zu werden strebte und sich dann als Grundherr dieselbe rechtliche Stellung vindizierte, wie die Gemeindebehörden sie einnahmen.
Die Emphyteuse ist ihrer Bezeichnung nach aus dem hellenischen Orient übernommen und wohl zuerst auf Rottland in den Provinzen verwendet worden, wo der Übernehmer dauernde Fixierung des Zinses verlangte. Von dem ager vectigalis unterscheidet sie sich wohl wesentlich durch die allgemeine Einführung fester Normen für die Voraussetzungen der Veräußerung, des Vorkaufsrechts des Grundherrn, der Handänderungsgebühr von 2 % und der Feststellung der Exmissionsgründe. Sie ist eine verhältnismäßig für den Erbpächter recht günstige Form der Regelung des Verhältnisses. Sie sowohl wie die agri vectigales der Gemeinden und die agri privati vectigalesque des Staates sind aber in der Regel auch nur Formen, in welchen Land an Großunternehmer vergeben wird, wie dies aus nichts deutlicher hervorgeht, als aus der Scheidung zwischen vectigales und non vectigales agri in D. 1 si ager vect[igalis petatur] VI, 3, welche, wie dort ausdrücklich hervorgehoben wird, identisch ist mit der Scheidung in solches Land, welches an conductores, Gutspächter, verpachtet wird, erblich oder auf Zeit, und in solche Äcker, welche an Bauern, [260]also selbstwirtschaftende kleine Landwirte, „colendi dati sunt“
42
[260]Die Stelle (Dig. 6,3,1, pr.) lautet genau: non vectigales sunt, qui ita colendi dantur, ut privatim agros nostros colendos dare solemus.
. Die rechtlich prekäre Stellung der letzteren kommt darin deutlich zum Ausdruck. Zwischen dem Bauern einerseits und dem „Gutsbesitzer“ und Domänenpächter andrerseits bestand eine durch keine Zwischenglieder überbrückte Kluft, auch in der Rechtsstellung.
[A 179] Nicht domaniales Provinzialland.Wenn wir bisher die Rechtsformen der Besitzstände auf der Domäne und die ihnen nachgebildeten betrachtet haben, so gehen wir nunmehr zu demjenigen Teil des Provinziallandes über, welcher das spezifische Charakteristikum der Provinz bildet, um zu untersuchen, ob auch hier zwischen den Abgabenformen und den privatrechtlichen Verhältnissen Zusammenhang besteht. Es sind dies nicht Domänen im engeren Sinne, a[ger] publicus, denn solchen gibt es auch in Italien. Und andrerseits gehören die laut foedus und auch die zufolge einseitiger Gestattung von der Provinzialverwaltung des Statthalters eximierten abgabefreien Gemeinden nicht dazu, sondern es kommt hier auf diejenigen Teile der Provinz an, über welche Rom staatliche Hoheitsrechte in Anspruch nahm, ohne daß doch das Gebiet nach den Grundsätzen des ager publicus verwerthet oder in römischen Besitzesformen von römischen Beamten vergeben wurde. Wie das hiermit nur negativ, und auch nicht genau, beschriebene Verhältnis positiv zu verstehen sei, zeigt ein Blick auf diejenigen Provinzen, über deren Einrichtung in republikanischer Zeit wir einigermaßen informiert sind, Sizilien, Asien und Afrika.
Zehntland in Sizilien.In Sizilien
82)
[A 179][260]Es versteht sich, daß hier die Verhältnisse der Provinz, für welche Ciceros verrinische Reden die maßgebende Quelle sind, nur so weit in Betracht gezogen werden, als sie für die behandelte Frage interessieren.
war ein Teil der Gemeinden abgabenfrei und überhaupt der unmittelbaren Einwirkung der römischen Verwaltung entzogen. Ein anderer Teil der im Kriege genommenen Städte hatte sein Bodenrecht eingebüßt, das Land war konfisziert, ager publicus, und wurde von den Censoren in der Art verpachtet, wie wir dies oben
43
Oben, S. 221 ff.
gesehen haben. Ob der Acker dabei vermessen war, wie der ager Campanus, wissen wir nicht, die Bemerkung Frontins von den arva publica würde sonst darauf passen. [261]Jedenfalls aber bestand, wie wir sehen, an diesem Acker ein einheitliches Besitzrecht, dasjenige [A 180]des Staatspächters auf Zeit. Daß die alten Einwohner anfangs stark unter den Pächtern vertreten waren, ändert daran nichts. Auch die Jurisdiktion über die Rechte an den einzelnen Grundstücken, soweit eine solche notwendig war, lag in den Händen der römischen Behörden.
Die dritte Kategorie ist dasjenige Gebiet, welches nicht konfisziert wurde, aber auch nicht abgabenfrei blieb. Es ist wohl sicher, daß die Römer hier auch theoretisch nicht sich das Bodeneigentum zuschrieben, sondern sich nur als in die Rechte des bisherigen Landesherrn, des Königs Hieron von Syrakus, succediert ansahen. Insbesondere übernahmen sie sein Steuerregulativ, die sog. lex Hieronica. Dasselbe beruhte, wie hinlänglich feststeht, auf dem Zehentrecht des Königs. Die einzelnen Gemeinden hatten die Zahl der zehntpflichtigen aratores ihres Bezirks jährlich festzustellen und die Listen derselben öffentlich aufzulegen (in Verr. acc. 3, 120). Seitens der aratores war zu diesem Behufe die Zahl der bestellten jugera (eod. 53) und die
e
[261]A: der
Aussaat (eod. 102) zu deklarieren. Demnächst wurden die Aufkünfte nach Gemeindebezirken in Syrakus durch den Statthalter lizitationsweise an publicani verpachtet, welche die Lieferung eines bestimmten Quantums an Feldfrüchten übernahmen und das Risiko des Ernteausfalls trugen. Bei der Ernte hat der Zehntberechtigte die Zehntung auf dem Acker vorzunehmen, das Korn durfte vorher nicht entfernt werden. Thatsächlich aber kam es dazu im allgemeinen nicht, sondern der Zehntpächter accordierte mit den einzelnenZehntpflichtigen
f
A: zehntpflichtigen
auf einen festen, von dem Ernteausfall unabhängigen Betrag.
Rechtliche Eigentümlichkeiten. Das verwaltungsrechtlich Wesentliche ist an diesem Verfahren, daß es die rechtlichen Beziehungen des arator [A 181]zum zehntpflichtigen Grundstück dahingestellt läßt; der Zehntherr hält sich an den, welcher in dem betreffenden Jahre das Grundstück bewirtschaftet, gleichgültig ob er Eigentümer oder Pächter von Privaten oder Kommunen ist
85)
. Die Gerichtsbarkeit [262]über diese privatrechtlichen Verhältnisse ebenso wie deren Normierung nach eigenem Recht hat sich demgemäß in den Händen der Kommunen befunden. Andrerseits bestand ein Administrativgericht von Rekuperatoren, zusammengesetzt (wir sind nicht sicher unterrichtet, wie) aus den beiden Interessentengruppen, negotiatores und aratores, welche bei der Zehntverpachtung in Betracht kommen, aber unter Vorsitz der römischen Beamten, zur Entscheidung über die im Verhältnis des Zehntpflichtigen zum Zehntpächter vorkommenden Streitigkeiten
87)
Cf. darüber Degenkolb l. c.
46
Degenkolb, Lex Hieronica, bes. S. 1–34.
. – Es ist klar, daß Kollisionen zwischen diesen beiden, nach ihren besonderen Gesichtspunkten entscheidenden Kompetenzen nicht zu vermeiden waren, da im Rekuperatorengericht die Frage nach der Person des Steuerpflichtigen häufig unmöglich sich wird von der Frage nach dem Recht am Grundstück haben trennen lassen, namentlich wenn z. B. commissa bei der professio, die zu Strafklagen führen konnten, verhandelt wurden. Wie diese Verhältnisse geordnet waren
89)
Eine grundsätzliche Ordnung scheint nicht bestanden zu haben, wie die in voriger Note citierte Stelle ergibt.
, wissen wir nicht, jedenfalls aber haben wir hierin ein Beispiel des Versuchs, Gemeindeautonomie mit unmittelbarer staatlicher Besteuerung zu vereinigen, und diese Verquickung verschiedener Gedanken ist es, welche die wesentliche Schwierigkeit für die Zurückführung des Rechtszustandes der Provinzialgrundstücke auf einheitliche Gesichtspunkte bildet. Einerseits eine unmittelbare Be[A 182]ziehung des Staates zu dem einzelnen Grundstück, welche die später übliche Bezeichnung praedium stipendiarium schon für die damalige Zeit zutreffend hätte erscheinen lassen, andrerseits doch autonome Behebungen der Gemeinden, also peregrines Recht, mußten die Rechtslage des provinzialen Grundbesitzes verdunkeln. Der erwähnte
45
[262] Oben, S. 261.
Census ist formell ein Kommunalcensus, der aber materiell einen Census der Provinzialen durch die herrschende Gemeinde darstellt. Denn eine Kontrolle seitens des Provinzialstatthalters konnte naturgemäß bei einer staatlichen Steuer nicht entbehrt werden, und die Bemerkungen Ciceros ergeben, daß auf Grund dieses Aufsichtsrechtes thatsächlich der [263]Statthalter die Gestaltung des Heberegisters in der Hand hatte (in Verr. acc. II, 53, 131[;] II, 55, 138), und dies um so leichter, wenn er sich dabei den Interessen der Besitzenden dienstbar machte. Nun bedurften die Gemeinden aber auch eines Katasters für die Aufbringung ihrer eignen Bedürfnisse, soweit sie durch indirekte Steuern und Aufkünfte des Gemeindevermögens nicht gedeckt waren, und man wird nicht geneigt sein anzunehmen, daß dasselbe von demjenigen für die Abgabe nach Rom verschieden war. Einzelne Äußerungen Ciceros lassen auch auf die Identität schließen (in Verr. acc. III, 42, 100).
Mithin war, im wesentlichen, das Verhältnis geschaffen, welches in der späteren Kaiserzeit wiederkehrt: die Autonomie der Gemeinde auf diesem Gebiete besteht formell, aber ohne praktisch sicheren Inhalt
90)
[A 182][263]In gewisser Weise war das Verfahren gegen die 12 abtrünnigen latinischen Kolonien im J[ahr] d[er] St[adt] 548
47
[263] = 204 v. Chr.
ein ähnliches. Wie Liv. 39, 15
48
Das Zitat stammt aus Livius 29,15.
angibt, wurde denselben ein dauerndes stipendium von 1 pro Mille des Vermögens auferlegt und verfügt: censumque in iis coloniis agi ex formula ab Romanis censoribus data, d. h. nicht nach der römischen Censusformel, sondern nach einem den Verhältnissen angemessenen, vom römischen Censor erlassenen Reglement, ebenso wie die sizilischen Städte nach einer von Rom [A 183]aus bestimmten Formel, der lex Hieronica, geschätzt wurden. Die einheimischen Censoren haben dann unter ihrem Eide das Ergebnis der Aufnahme nach Rom zu berichten. Eine Kontrolle muß rechtlich zulässig gewesen sein.
. [A 183]Dieser Zustand aber machte vorerst noch einem andern Platz.
Die Gemeinden suchten sich gegen den unerträglichen Druck der Publikanen und die Willkür des Statthalters dadurch zu schützen, daß sie selbst die Abgabe ihres Gebietes ersteigerten oder dem Meistbietenden abkauften. Geschah dies, so war für das laufende Jahr die Gemeinde so gestellt, als ob sie eine feste Fruchtrente zu liefern verpflichtet und dieselbe zu subrepartieren berechtigt gewesen wäre. Dies nur von Fall zu Fall bestehende Verhältnis scheint dann – und zwar spätestens durch Cäsar – in ein dauerndes verwandelt worden zu sein, anscheinend unter gleichzeitiger Umwandlung in eine Geldrente. Denn dies ist der spätere Zustand der sizilischen Gemeinden. Damit war die Geltung des lokalen Rechts bis auf weiteres gesichert, und thatsächlich haben in Sizilien Institute des [264]dort heimischen Rechts, so z. B. das jus protimiseos
49
[264]Zum ius protimiseos (Vorkaufsrecht bzw. hier, genauer, ‚Retrakt‘ von Verwandten und Nachbarn) im Grundstücksrecht des mittelalterlichen Sizilien vgl. das von Weber in den „Handelsgesellschaften“ benutzte Werk v. Brünneck, Wilhelm, Siciliens mittelalterliche Stadtrechte. – Halle: Max Niemeyer 1881, S. 105–126. Dort wird allerdings (S. 105 f.) der nicht-antike, byzantinische Ursprung des Instituts und seine Ausbreitung von Unteritalien nach Sizilien hervorgehoben.
, bis ins Mittelalter bestanden.
Das Zehntland in Asien. Schneller scheint die gleiche Entwickelung in Asien sich vollzogen zu haben. Auch Asien war nach der lex Sempronia zehntpflichtig
93)
[264]Appian b. c. 5, 4.
, und zwar scheint man hier diese Steuerform an Stelle der vorherigen, günstigeren Zustände, die wir nicht im einzelnen kennen, auf Grund eines arbiträren königlichen Besteuerungsrechts eingeführt zu haben. Die Lokation der Vectigalien hatte das gleiche Gesetz des C. Gracchus im Interesse des römischen Ritterstandes nach Rom gezogen, was praktisch nur die Bedeutung der Erschwerung der Konkurrenz bei [A 184]der Lizitation für die Gemeinden und für Private aus der Provinz selbst hatte. Wenn es dann bei Cicero (ad Q. fratr. 1, 11 § 33) von den dortigen Gemeinden heißt: nomen autem publicani aspernari non possunt, qui pendere ipsi vectigal sine publicano non potuerint, quod iis aequaliter Sulla descripserat, so kann es sich dabei nicht wohl um etwas andres, als um eine Verteilung der Aufkünfte aus der Provinz nach einem Durchschnittsmaß unter die einzelnen Gemeinden pro rata in der Weise handeln, daß sie einen festen Betrag zu entrichten übernahmen und die Aufbringung ihnen überlassen wurde. Der Versuch scheint nach der citierten Stelle Ciceros mißglückt zu sein, denn es finden sich auch später publicani in Asien, womit die Herstellung des früheren Zustandes freilich nicht notwendig verbunden gewesen zu sein braucht; jedenfalls scheint die bezirksweise Verpachtung eingeführt zu sein (Cicero pro Flacco 37, 91). Ebenso wie in Sizilien hat sichdenn
g
[264]Zu erwarten: dann
auch hier der Übergang zum fixierten stipendium vollzogen, und zwar durch Cäsar im Jahre 48 v. Chr. (Appian. l.1.
h
A: 1,
5, 4
).
Nach einer bekannten Stelle Ciceros (in Verr. III, 6, 12
94)
[A 184]Ceteris (außer Sizilien und Asien) impositum vectigal est certum, quod stipendiarium dicitur, ut Hispaniae et plerisque Poenorum.
) kann es nun den Anschein gewinnen, daß dieser Zustand, den Cäsar in [265]Sizilien und Asien hergestellt zu haben scheint, in den andern Provinzen von Anfang an bestand, daß also hier überall die Zahlung eines festen, vom Ertrag unabhängigen, von den Gemeinden selbst repartierten Stipendium die einzige Form der Steuerbarkeit war. Dieser Schluß wäre aber ein voreiliger, es ist z. B. von Sardinien das Gegenteil bekannt
95)
[265]Liv. 36, 2, 13. Ebenso gab es Zehntländereien in Spanien, die Claudius als Censor 49 p. Chr. nach der Inschrift C.I.L., II, 1438 terminierte.
. Aber das wird sich wohl sagen lassen, daß bis zum Beginn [A 185]der Kaiserzeit eine Entwickelungstendenz dahin geht, die abhängigen Gemeinden des Reiches in steuerlicher Beziehung autonom zu stellen und ihre Leistungen für die Gesamtheit zu fixieren, wie denn auch die Konstitution Galliens durch Augustus zur Auferlegung eines solchen Tributs von 40 Millionen Sesterzen auf die Provinz führte, wobei von einer Verteilung auf die einzelnen Steuerpflichtigen durch die römische Behörde in keiner Weise, sondern nur von einer Verteilung unter die Gemeinden und Völkerschaften die Rede sein kann. Als ebenso sicher wird freilich gelten können, daß die Staatsverwaltung keineswegs auf das Recht der Kontrolle über die Art der Aufbringung verzichtete, und dies konnte je nach der Wandlung in den Verwaltungsgrundsätzen thatsächlich wieder zu einer Beseitigung der steuerlichen Autonomie führen, wie wir schon sahen und noch unten sehen werden
50
[265]Oben, S. 139 f.; unten, S. 270 ff.
.
Die stipendiarii in Afrika.Zu den Provinzen, welchen nach Ciceros Bericht ein festes stipendium auferlegt ist, gehörte auch der größte Teil Afrikas („plerique Poenorum“). Nun wissen wir über die Provinz Afrika, daß es daselbst nach dem Kriege sieben civitates liberae et immunes gab, Utica, Hadrumetum, Thapsus, Leptis minor, Achulla,Usalis
i
[265] A: Uselis
, Theudalis (lex agr. Z. 79, 80). Diese zahlten keinerlei Steuern. Dagegen gab es sonst keine städtische Gemeinde dort, alle übrigen Gemeindeverbände waren nach dem Kriege aufgelöst
97)
Appian. Pun. 135: ,,καϑελεῖν ἁπάσας.“
. Dem Staate standen also nur einzelne Personen direkt gegenüber. Einen Teil derselben bildeten die Kolonisten des Gracchus
51
Gemeint: Gaius Gracchus (Volkstribun 123–122 v. Chr.).
in Karthago, welche durch die lex agraria in Viritanassignatare verwandelt waren (Mommsen C.I.L. I p. 97): sie waren steuerfrei.
[266]Ferner waren sicher steuerfrei Äcker, welche von [A 186] Scipio den Nachkommen des Masinissa gegeben oder Überläufern angewiesen, und Konzessionen, welche, wie in Italien, an die immunen Gemeinden aus dem ager publicus gemacht worden waren
98)
[A 186][266]L. agr. Z. 79. 80. 81. Die staatsrechtliche Lage der „perfugae“ erscheint fraglich. Möglich ist, wie Mommsen annimmt, daß sie eine eigene Gemeinde gebildet haben. Mir erscheint wahrscheinlicher, daß es sich um Latifundienbesitzer handelt, die mit Hintersassen übertraten und als Gutsherren, wie die stipendiarii (siehe im Text
55
Unten, S. 267 f.
), nur ohne stipendium zu zahlen, sitzen blieben. Dann galt auch ihr Besitzstand, wie Mommsen ebenfalls annimmt, nicht als Domänen-possessio.
. Alle diese Besitzstände waren de jure widerrufliche; durch Gesetz konnte anderweit darüber verfügt werden, wie schon daraus hervorgeht, daß die lex agraria Bestimmung über die Entschädigung von Besitzern dieser Kategorie trifft, die infolge von Assignationen oder Verkäufen teilweise depossediert worden sind, – allein die Thatsache, daß eine solche Entschädigung gewährt wird, zeigt doch, daß ihr Bestand wenigstens verwaltungsrechtlich gesichert war, also wohl nicht durch Verwaltungsakt ohne Gesetz beseitigt werden durfte
99)
Dies war m. E. auch die Rechtslage derjenigen Personen, welche das Gesetz in folgender Stelle erwähnt (Z. 91): Quibuscum tran]sactum est, utei bona, quae habuisent, agrumque, quei eis publice adsignatus esset, haberent [possiderent fruerentur, eis … quantus] modus agri de eo agro, quei eis publice [datus adsign]atus fuit, publice venieit, tantundem modum [agri
j
Alle [ ] in A.
de eo agro, quei publicus populi Romani in Africa est, quei ager publice non venieit, . . . magistratus commutato]
k
In A fehlt: ] [267]
. Mommsen nimmt an, daß es sich um solche Personen handle, mit denen das Steuerdeklarationsgeschäft zum Abschluß gebracht sei. Ich möchte glauben, daß es sich um (abgabepflichtige) Domänenpossessoren handelt, denen im Verwaltungswege ihr Besitz zugesichert ist, so daß sie bis auf die Steuerpflicht den perfugae gleichstanden. Stipendiarii (siehe im Text) sind sie deshalb nicht, weil ihr Land a[ger] publicus p[opuli] R[omani] ist. Von den gewöhnlichen Possessoren spricht das Gesetz Z. 92/93. Sie sind de jure Staatspächter auf Widerruf. Die grundsätzliche Identität der censorischen Lokation mit der prekären Gestattung der Occupation ist hier deutlich ersichtlich.
. Von abgabepflich[A 187]tigen Besitzständen haben wir oben
53
[266]Oben, besonders S. 221 ff., 236 ff.
bereits die Erbpächter des ager privatus vectigalisque und die kündbaren Pächter des ager publicus kennen gelernt. Die allein noch übrige Kategorie
100)
[A 187]Cf. aber Note 99. Von dem öffentlichen Weideland wird hier nicht gehandelt, da es sich nur um Besitzstände handelt.
sind [267]die „stipendiarii“. Während wir sonst durchaus regelmäßig von stipendiären Gemeinden hören, ergibt der Wortlaut des Gesetzes deutlich, daß es sich um solche nicht handelt, sondern um den Grundbesitz stipendiärer Personen
101)
[267] Z. 77
59
Z. 77 f. der lex agraria, wiedergegeben nach Bruns, Fontes5, S. 84.
des Gesetzes: II]vir, quei ex h. l.
60
D.h.: hac lege.
factus creatusve erit, is in diebus CL proxsumeis quibus factus creatusve erit, facito, quan[do Xvirei, quei ex] lege Livia factei createive sunt fueruntve, eis hominibus agrum in Africa dederunt adsignaveruntve, quos stipendium ||78.
n
Fehlt in einer Teilauflage von A.
[pro eo agro populo Romano pendere oportet, sei quid eius agri ex h. l. ceivis Romanei esse oportet oportebitve, … de agro, quei publicus populi Romanei in Africa est, tantundem, quantum de agro stipendiario ex h. l. ceivis] Romanei esse oportet oportebitve, is stipendiarieis det adsignetve idque in formas publicas facito ute[i referatur i(ta) u(tei) e r(e) p(ublica) f(ide)]q(ue) e(i) e(sse) v(idebitur).
m
Alle [ ] in A.
. Versucht man, die rechtlichen Eigentümlichkeiten dieses Verhältnisses festzustellen, so fällt zunächst auf, daß das stipendium nicht unter den Nutzungen der Domäne aufgeführt wird, welche der Verpachtung an publicani unterliegen. Es scheint mir daraus hervorzugehen, daß diese Auflage überhaupt nicht als Abgabe vom ager publicus, sondern als Kontribution aufgefaßt wurde. Andrerseits ist es zweifellos, daß dieser stipendiäre Grundbesitz rechtlich als Eigentum des römischen Volkes galt. Denn das Gesetz ergibt, daß darüber teilweise durch Verkauf und Assignation verfügt worden war, so daß also der Besitzstand im Gegensatz zu den agri privati vectigalesque revokabel war, und es ergibt sich
l
Fehlt in A; es ergibt sich sinngemäß ergänzt. m–
vor allen Dingen daraus, daß nach dem Gesetz dieser Acker „in formas publicas“ gebracht werden sollte. Aus dem Zusatz „utei e re publica fideque ei esse videbitur“ scheint hervorzugehen, daß die Art [A 188]der Kartierung Besonderheiten haben konnte. In der That war die gewöhnliche Aufmessung per centurias hier ungeeignet. Es ist nun schon oben (Kap. I)
58
[267] Oben, S. 138 f.
die Vermutung ausgesprochen, daß es sich um ein per extremitatem mensura comprehendere handelte
102)
Frontin p. 5, 6
61
Das Zitat stammt aus Frontin, S. 5,2 f. Lachmann.
: eadem ratione et privatorum agrorum mensurae aguntur. [A 188]
, und dem scheint auch das zu entsprechen, was über die rechtliche Qualität des Ackers des weiteren als wahrscheinlich ermittelt werden kann.
[268]Von dem ager privatus vectigalisque unterscheidet den ager stipendiariorum die rechtliche Uneinziehbarkeit des ersteren. Dagegen unterscheidet ihn von dem gewöhnlichen Pachtacker die gleiche Eigenschaft, welche das Gebiet stipendiärer Staaten davon unterscheidet, nämlich die Nichtbefristung des Besitzstandes, die rechtliehe Fixierung der Abgabe und demgemäß die Nichtunterstellung unter die censorische Lokation, sowie wohl auch die Nichtanwendbarkeit aller, auch der possessorischen Rechtsmittel und die Incompetenz römischer Gerichte auf denselben. Mir scheint demnach das Verhältnis so aufzufassen zu sein, daß an Stelle der aufgelösten Gemeinden dem römischen Staate gegenüber Grundherren traten – denn an eine Überweisung an zahlreiche Parzellenbesitzer ist doch wohl nicht zu denken, solche würde man unbedingt, wie in Sizilien, rechtlich als Pächter behandelt haben, – daß man diesen das Areal ebenso wie sonst den Gemeinden überwies gegen Übernahme einer bestimmten dauernden Leistung in Geld oder Naturalien, in Afrika wohl in Getreide.
Demgemäß wurde der überwiesene Grundbesitz als territorium behandelt, mithin gab es eine Klage im ordentlichen Rechtswege auf Pertinenzen solcher Grundherrschaften nicht, sondern nur das administrative Verfahren auf Grund der forma, welches die Agrimensoren [A 189]als controversia de territorio kennen und welches, wie aus dem in Kap. 1
62
[268] Oben, S. 137.
erwähnten sardinischen Grenzstreit der Patulcenser und Galilenser
63
Vgl. oben, S. 137, Anm. 45.
ersichtlich
103)
[A 189][268]C.I.L., X, 7852.
, zur administrativen Realexekution und Rückerstattung der beurkundeten Grenzen führte
104)
Daß das Verhältnis in der That vorstehend jedenfalls in den wesentlichen Zügen zutreffend charakterisiert ist, zeigt die oft in anderem Zusammenhang citierte Stelle des Frontin (p. 53 Lachm.): Inter res p[ublicas] et privatos non facile tales in Italia controversiae moventur, sed frequenter in provinciis, praecipue in Africa, ubi saltus non minores habent privati quam res p[ublicae] territoria: quin immo multis saltus longe maiores sunt territoriis: habent autem in saltibus privati non exiguum populum plebeium et vicos circa villam in modum munitionum. Tum r[es] p[ublicae] controversias de iure territorii solent mouere, quod aut indicere munera dicant oportere in ea parte soli, aut legere tironem ex vico, aut vecturas aut copias devehendas indicere eis locis quae loca res p[ublicae] adserere conantur. Eius modi lites non tantum cum privatis hominibus habent, sed et plerumque cum Caesare, qui in provincia non exiguum possidet.
. Ebenso muß natürlich die Regelung der sonstigen rechtlichen Beziehungen inner[269]halb der Grundherrschaft Sache des Grundherrn gewesen sein, immer vorbehaltlich der auch bei stipendiären Gemeinden selbstverständlichen Befugnis des Statthalters, wenn ein staatliches Interesse in Frage kam, oder auch auf Anrufen eines Beteiligten, einzugreifen. Wie es mit der Vererblichkeit und Veräußerlichkeit derartiger Besitzungen stand, muß sehr zweifelhaft erscheinen. Die Abveräußerung von Parzellen wird man dem Staat gegenüber als nicht vorhanden angesehen haben insofern, als für das stipendium der Grundherr verhaftet blieb – wir werden die Konsequenzen dessen im letzten Kapitel
64
[269]Unten, S. 327 ff.
sehen. Der Übergang auf die Erben wird gleichfalls nicht zweifelhaft gewesen sein; staatlicherseits hat man sich um die Art der Regulierung, sofern das stipendium gezahlt wurde, wohl nur auf Verlangen eines Beteiligten gekümmert. Möglich wäre, daß bei Veräußerungen eine [A 190]Bestätigung im Besitz ursprünglich erforderlich war, vielleicht stammt daher die Laudemialgebühr bei der späteren Emphyteuse. Denn wir finden später, daß für große, von Gemeindeverbänden offenbar eximierte Grundherrschaften in Afrika beim Senat unter dem Namen der Belehnten Personalfolien angelegt sind, in welchen die Rechte, welche dem betreffenden Grundherrn zustehen, insbesondere das etwaige Marktrecht, notiert sind
105)
[A 190][269]C.I.L., VIII, 270 über die nundinae des saltus Beguensis, cf. Wilmanns
o
[269]A: Wilmans
, Eph. epigr. II, p. 278
65
Die angeführte Stelle findet sich bei Wilmanns, SC de nundinis saltus Beguensis, S. 280 f.; vgl. auch Mommsens „Scholia“ hierzu, ebd., S. 281 f. Von ‚Personalfolien unter dem Namen der Belehnten‘ ist hier freilich nicht die Rede, sondern nur von der jahrweisen Sammlung der im Senat gestellten Anträge und der dort gefaßten Beschlüsse. – Das SC auch bei Bruns, Fontes5, S. 222–224.
.
, und dazu stimmt eine freie Veräußerlichkeit ebenso wenig, wie auch sonst zu dem ganzen Verhältnis. Jene Personalfolien entsprechen im übrigen den Akten, welche bei jeder Assignation der forma beigegeben wurden. Alles in allem bildeten, wenn diese Auffassung richtig ist, die stipendiarii hiernach eine den großen Erbpächtern, wie wir sie in den Besitzern des ager privatus vectigalisque vermutet haben, analoge, nur rechtlich nicht in gleicher Weise sichergestellte Kategorie von Besitzern. Es ist charakteristisch, daß man die Kleinbesitzer, einheimische und römische, in dieselbe Kategorie kündbarer Pächter warf, [270]während die großen Besitzer nach der Nationalität geschieden, beide aber besser gestellt wurden, als die kleinen Besitzer. Auf die Konsequenzen, welche die hier behauptete rechtliche Gestaltung des stipendiären Besitzes für die persönliche Rechtsstellung der Hintersassen haben mußte und gehabt hat, kommen wir im letzten Kapitel
66
[270] Unten, S. 327 ff.
zu sprechen. – Im Laufe der Kaiserzeit ist ein großer Teil der Provinz in Stadtgemeinden, und zwar besonders in Kolonien, organisiert worden. –
Spätere Schicksale der Gemeindeautonomie in Steuersachen. Wenn nach den bisherigen Ausführungen es für die Zeit bis zum Beginn des Prinzipats wahrscheinlich ist, daß im allgemeinen, und abgesehen z. B. von den besonderen Verhältnissen der Provinz Afrika, die Entwickelungstendenz auf Fixierung der Leistungen der Pro[A 191]vinzialgemeinden und damit auf (relative) Autonomie derselben in der Umlegung der Abgaben, staatlicher wie eigener, geht, so beginnt im weiteren Verlauf der Kaiserzeit eine im wesentlichen entgegengesetzte Entwickelung. Während z. B. die Provinz Asien unzweifelhaft seit Cäsar stipendiär war, also die aufzubringende Abgabe von den Gemeinden selbst repartiert wurde, spricht Hygin in der öfter berührten Stelle p. 204 von einer Bodenabgabe, bei welcher dort Streitigkeiten unter den Grundbesitzern entständen infolge falscher professiones, und zwar bringt er dies in Zusammenhang mit der Art der Aufmessung des Bodens, so daß also hier eine staatliche Bodenabgabe jedenfalls in erheblichen Teilen bestanden haben muß. Überhaupt aber spricht er von ager arcifinius vectigalis, der in römische Vermessungsformen umgelegt wurde, ganz in der Art, daß man darin eine ständig wiederkehrende Erscheinung erblicken muß. Auch die Vermessungen des Augustus können kaum einen anderen Sinn als den der Regulierung von Bodenabgaben haben. Die wenigen Quellenbelege, welche das Bestehen von Bodenabgabenbetreffen
p
[270]Fehlt in A; betreffen sinngemäß ergänzt.
, d. h. von Steuern, welche den Boden als solchen, nicht als Bestandteil einer besteuerten Vermögensmasse mit einem fixierten Betrage betreffen und aus der Zeit vor Caracalla stammen, beziehen sich nun durchweg auf Kolonien. So die in Anlage 1
68
Unten, S. 360.
abgedruckte Arausiner Inschrift, ferner die [271]Inschrift von Carthago nova
106)
[A 191][271]Note 57.
, ebenso die Digestenstelle im Titel de censibus, betreffend Cäsarea in Syrien
107)
Divus Vespasianus Caesarienses colonos fecit, non adiecto, ut et juris Italici essent, sed tributumhis
q
[271]A: bis
remisit capitis
; sed Divus Titus etiam solumimmune
r
A: immunem
factum interpretatus est. D. 8, § 7 de cens[ibus] 50, 15.
. Wenn ferner das jus Italicum wesentlich die Abgabenfreiheit des Bodens, wie sie mit der quiritarischen Rechtsfähigkeit desselben rechtsnotwendig verknüpft war, herbeiführte, und dies jus unzweifelhaft in [A 192]der ganz überwiegenden Zahl der Fälle an Kolonien verliehen wurde, so wird anzunehmen sein, daß die Bodenumlegung und Vermessung, welche wahrscheinlich (Kap. II)
69
[271] Oben, S. 197.
den praktischen Inhalt der Umwandlung in Kolonien in der Kaiserzeit bildete, mit einer Fixierung des Abgabenbetrages pro konkretes Grundstück resp. nach Analogie der pannonischen Verhältnisse pro jugerum bestimmter Bonitätsklassen und der Beschränkung der staatlichen Abgabepflicht auf diese Grundsteuer verbunden war. Es ist das auch sachgemäß: der römische Bürger kann in der besseren Kaiserzeit, abgesehen von dem theoretischen tributum civium Romanorum, zu direkten Steuern nur dann herangezogen worden sein, wenn er ein Grundstück besaß, welches mit einer Bodenabgabe belastet war, oder wenn auf seinem Grundstück sich Hintersassen befanden
108)
[A 192]Dies muß in Afrika, wo die Kopfsteuerpflicht allgemein nach dem dritten punischen Kriege bestand (Appian.Lib.
s
A: Lyb.
135
)[,] der Fall gewesen sein.
, die kopfsteuerpflichtig waren und deren Kopfsteuer er als Grundherr vorschoß. – Im übrigen sind wir über die Entwickelung dieser Verhältnisse im Dunkeln und können nur aus der Bezeichnung provinciae tributariae
70
Vgl. oben, S. 140, Anm. 62.
für die kaiserlichen Provinzen die Vermutung schöpfen, daß dort die Regulierung der Grundabgaben nach der Richtung, wie wir sie in Pannonien fanden, die schnellsten Fortschritte machte. Die große Mannigfaltigkeit der Besteuerungsverhältnissc im einzelnen aber, wie sie aus der Übernahme bestehender Steuersysteme resultierte, muß fortbestanden haben und hat auch die diokletianische Reform überdauert, wie sich aus Nov. Theod. 23 ergibt, wo eine Steuerregulierung für Numidien unter Konsolidierung der verschiedenen einzelnen Besteuerungsarten doch noch nebeneinander drei disparate [272]Steuerleistungen bestehen läßt: ein festes Geldstipendium, die annona und die capitatio. Namentlich hat die vielberufene Verleihung des Bürger[A 193]rechtes an alle Reichseinwohner durch Caracalla thatsächlich wohl nicht den grundsätzlichen Umschwung herbeigeführt, welchen Rodbertus
71
[272]Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 82 f. Mit dem „grundsätzlichen Umschwung“ meint Rodbertus die Angleichung des bisherigen Provinzialsteuersystems an den Bürgertribut und die Ausdehnung der – infolge der Differenzierung des „Oikeneinkommens“ eingeführten – direkten Bürgersteuern auf alle neuen Bürger.
dahinter vermutet. Schwerlich ist ihre steuerliche Bedeutung, für den Grund und Boden wenigstens, weiter gegangen als dahin, daß sie die Handhabe bieten konnte, bisher immune oder stipendiäre Gemeinden eine professio des Bodens vornehmen zu lassen und danach eine anderweitige Umlage der Lasten bezw. eine Neuauflage vorzunehmen, sowie die großen Verschiedenheiten der Besteuerung unter den Gemeinden auszugleichen. Beides aber war schon unter Augustus in Angriff genommen, und es ist daran weiter gearbeitet worden bis zum Untergang des westlichen Reichs. Das aber wird allerdings die Folge des Reichsbürgerrechts gewesen sein, daß man versuchte, einheitliche Grundsätze für die Angaben aufzustellen, welche in den einzelnen Gemeinden von den Grundbesitzern bei der professio zum Census zu machen waren. Die Bodenabgabe zu Ulpians Zeit. Diese Angaben, wie sie Ulpian in seinem gerade damals und, wie Rodbertus nicht ohne Grund vermutet, wohl im Anschluß an diese Neuerung erschienenen Buch „de censibus“ aufführt, lehnen sich zunächst an das an, was bis dahin für die vectigalpflichtigen Provinzialgrundstücke nach der Darstellung Hygins gegolten haben muß. Es sollen
109)
[A 193][272] D. 4 de censibus 50, 15.
die Anzahl der jugera Ackerland, welches innerhalb der letzten zehn Jahre bestellt ist, die Zahl der Weinstöcke und Ölbäume und die Zahl der bepflanzten jugera, die Zahl der jugera Wiese, Weide und Wald angegeben werden.
Wenn es dann weiter bei Ulpian heißt: „omnia ipse, qui defert, aestimet, so scheint daraus hervorzugehen, daß man das alte Selbstdeklarationsprinzip des tributum civium Romanorum mit einer, durch die Angaben betreffs der Bewirtschaftungsart ermöglichten, ungefähren Reglementierung in Bezug auf die Latitude, welche der [A 194]Deklarant sich gestatten durfte, auf die Schatzung der Provinzen zu [273]übertragen versuchte und also wohl für die Geldabgaben vom Grundbesitz eine einheitliche Einschätzung, auf Grund deren man dann, wie beim alten tributum, die Steuer einfach nach Promille als simplum, duplum etc. umlegen konnte, anstrebte. Mit Recht hat Rodbertus
74
hierfür eine von ihm überzeugend interpretierte Stelle aus Lampridius
110)
[A 194][273]Lampr. Alex. 39[:]
76
Das folgende Zitat aus den Scriptores Historiae Augustae nach Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 100 f., mit dessen Textänderungen.
Vectigalia publica in id contraxit, ut qui X aureos sub Heliogabalo praestiterant, tertiam partem auri praestarent, hoc est tricesimam partem. Tuncque primum semisses aureorum formati sunt, tunc etiam cum ad tertiam partem auri
78
So Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 101; in den Script. Hist. Aug. heißt es ebd.: aurei partem.
vectigal decidisset
79
So Rodbertus, Römische Tributsteuern, S. 101 ; in den Script. Hist. Aug. heißt es ebd.: desidisset.
, tremisses … Wie immer sonst die Stelle zu verstehen sein mag, so ist doch wohl das sicher, daß im ersten Satz gesagt wird, daß durch Herabsetzung einer bestimmten in Gold fälligen Abgabe von 10 auf 3 aurei eine Herabsetzung (von 10 %) auf 3 %
80
Die Zahlen setzen die Richtigkeit der von Rodbertus (vgl. Anm. 77 und 78) vorgenommenen Textänderungen voraus. Der eindeutig überlieferte Text spricht von der Herabsetzung der Abgabe auf Aureus bzw. ⅟30.
eines bestimmten zu Grunde gelegten Katastralwertes erzielt worden sei.
angeführt. Allein die Tragweite der Maßregel und das Maß ihrer Durchführung ist sehr zweifelhaft, wie die früher
75
Oben, S. 271.
citierte Stelle über Numidien zeigt. Namentlich wird sie, wenn wirklich in dem oben angedeuteten Sinn gemeint, mit dem Versuch, eine wirklich individuelle Bewertung der Steuerobjekte nach der Angabe des Pflichtigen durchzuführen, nicht durchgedrungen sein, denn davon weiß die diocletianische Ordnung nichts, und es konnte damit nicht in Einklang stehen, daß man, wie Ulpian angibt, längere Durchschnittszeiträume zu Grunde legte, also eine dauernde Festlegung des katastrierten Vermögensstandes anscheinend beabsichtigte. Immerhin wird die diocletianische Reform an diesen Gedanken angeknüpft haben, und jedenfalls verschwindet, wie die Rechtsquellen ergeben, der Gedanke nicht mehr, daß de jure jeder Grundbesitz, selbst der, welcher andere Lasten trägt
111)
Cf. z. B. C. Th. 13 de senat[oribus]
81
So Gothofredus-Ritter; Mommsen-Krüger: de senatoria dignitate.
6, 2, wo die Freiheit der Güter der navicularii besonders bestimmt wird.
, zur Grundsteuer heranzuziehen sei.
[274][A 195]Diokletianische Grundsteuerordnung.Die diokletianische Steuerordnung geht, wie nicht erst bewiesen zu werden braucht, von dem gleichen Versuch aus, eine Katastrierung zu schaffen, welche die Umlegung der Steuer durch einfache Bestimmung des prozentualen Betrages derselben ermöglichte. Zu diesem Zweck schuf sie in den juga und capita Steuerhufen von unter sich gleicher Werthöhe. Beide, caput und jugum, werden stets nebeneinander und völlig identisch gebraucht, so daß darüber in der That kein Zweifel sein kann, daß beide denselben Wertbetrag enthalten. Wie aber diese Steuerhufen beschaffen waren, ist eine schwierige, und wohl kaum mit voller Sicherheit zu beantwortende Frage. Einerseits haben wir eine Nachricht
112)
[A 195][274]Aus dem sog. syrisch-römischen Rechtsbuch, abgedruckt in Übersetzung im Hermes III, 430 von Mommsen
1
.
, welche ausdrücklich besagt, daß das jugum in einer nach der Qualität des Bodens verschiedenen Größe aufgemessen und bestimmten Flächen gleich gewesen sei, andrerseits kommen Bemerkungen vor, welche das caput in einer Weise behandeln, daß eine Identifikation mit irgend welchen realen steuerbaren Objekten nicht denkbar erscheint. Nun wird meist von einer unbedingten Identifikation der Bedeutung von „jugum“ und „caput“ ausgegangen, und dann erscheint der Widerspruch in der That ohne Gewaltsamkeit nicht lösbar. Vielleicht ist eine wenigstens nicht unwahrscheinliche Vermutung über den wahren Sachverhalt dann zu gewinnen, wenn man sich vergegenwärtigt, welchen Antecedenzien der von Diokletian verwendete Umlegungsmodus entsprang und welchen Zuständen in steuerlicher Beziehung er angepaßt werden mußte.
Der Ausdruck jugum als „Gespann“ kommt in der republikanischen und der früheren Kaiserzeit in Verbindung mit den Frohnden vor, zu welchen der einzelne teils seiner Gemeinde gegenüber, teils im Verhältnis zu einem [A 196] Gutsherrn verpflichtet ist. Wie die lex coloniae Genetivae zeigt
114)
[A 196]C. 98.
, beruhte die Umlegung der öffentlichen Lasten, mit Ausnahme der nach besonderen Grundsätzen geregelten [275]Wehrpflicht, in den Bürgerkolonien in ihrer primitiven Form auf der Heranziehung der Bürger und ihrer Familie zu Hand- und Spanndiensten in der Weise, daß pro Gespann ebenso wie pro Person auf Erfordern der Obrigkeit Naturaldienste geleistet werden mußten. Da die Kolonie das Abbild der Hauptstadt, wie sie in der Vorzeit einmal gewesen war, darstellt, so wird dies in Rom nicht anders gewesen sein. In dem Statut von Urso – und das Gleiche wird überall der Fall gewesen sein – war ein Maximum der Frohntage pro Person und pro Gespann festgestellt
115)
[275]5 pro Person, 3 pro Gespann.
. Der paterfamilias hat also jedenfalls, wenn er „spannfähig“ ist, sein Gespann und außerdem jede seiner Verfügung unterstehende mündige
4
[275]In der lex coloniae Genetivae, c. 98: puberes.
Person – filiusfamilias, Sklaven – zu gestellen und wird auch für seine Person zu den Handdiensten herangezogen worden sein. Ganz ebenso sind auf den Grundherrschaften die vom Grundherrn gegen Pacht angesetzten Bauern nach Maßgabe ihrer Spannfähigkeit zu Spanndiensten und überdies zu Handdiensten für ihre Person und die zu ihrer Familie gehörigen Personen verpflichtet
116)
C.I.L., VIII, 10 570[;] cf. Mommsen im Hermes XV, S. 385 ff., 478 ff.
6
Mommsen, Decret des Commodus, hier S. 402 und 406 f.
. Wollte nun die Gemeinde zur Geldwirtschaft übergehen und an Stelle der Forderung von Naturaldiensten Steuerforderungen treten lassen, oder machte sich auch nur die Notwendigkeit geltend, gewisse Bedürfnisse, welche nicht durch Naturaldienste aufgebracht werden konnten, durch Umlagen zu decken, so hätte dies zunächst in der Weise geschehen können, daß ebenfalls pro Gespann (jugum) und pro Kopf (caput) eine bestimmte Geldleistung oder sonstige Abgabe trat. In der That ist es nicht ausge[A 197]schlossen, daß auch in Rom ein Umlageverfahren dieser Art einmal bestanden hat, wenigstens lassen dunkle Reminiscenzen, daß König Tarquinius versucht habe, ein Umlageverfahren, bei welchem jeder Bürger pro Kopf gleich belastet gewesen sei
117)
[A 197]Dionys. 4, 43 in einer allerdings ganz konfusen Stelle. Auch die besondere Besteuerung selbständiger Unmündiger (orbi) und der pupillae et viduae
7
Vgl. Mommsen, Römisches Staatsrecht 2,13, S. 365 f., und 3,1, S. 236 f.
läßt sich aus einem ursprünglichen Zusammenhang der Umlagen mit der Frohndienstpflicht der mündigen Römer erklären.
, einzuführen oder wieder einzuführen, auf Ähnliches schließen. Auch ist eine [276]solche Art der Umlegung, wenn jemals, so bei Bestehen einer Flurgemeinschaft, immerhin denkbar, und die ältesten im Census zu profitierenden Objekte sind ja in der That Last- und Zugtiere und Sklaven, daneben natürlich auch die Personen der freien gewaltunterworfenen Bürger
118)
[276]Auch des homo liber in mancipio, d. h. des als Tagelöhner ausgeliehenen Haussohnes.
. Thatsächlich würde dies nun wohl von jeher nicht wesentlich von einer Umlage nach dem Hufenrecht, dem Anteil des einzelnen in der Flur, differiert haben, da diesem die Spann-und Arbeiterhaltung proportional gewesen sein wird. Hat die Censusliste wirklich einmal den Grundbesitz nicht mitumfaßt, so konnte sie nur der Umlegung von Frohnden dienen, und damit würde es stimmen, daß nur frohndienstpflichtigem Inventar die Censusfähigkeit zukommt. Allein es ist wohl sicher, daß außerdem von jeher ein Erberegister bestanden hat zum Nachweise der Hüfner, und daß dies in Beziehung zum Census stand. Vielleicht bestanden die betreffenden Listen selbständig nebeneinander, wie später die Stimm- und die Steuerliste. Denn das Erbregister war in erster Linie für die politischen Rechte von Bedeutung
119)
Da die Kolonien ihre Frohnden auf die juga und capita, ihre Steuern aber jedenfalls nach Analogie des römischen tributum [A 198]umgelegt haben werden, muß die Listenführung für die öffentlichen Bedürfnisse, soweit eine solche bestand, auch dort eine doppelte gewesen sein.
. Wahrscheinlich bestand aber schon sehr früh [A 198]eine Beziehung der Umlagen zum Maß des Hufenrechts. Als die Belastung nach juga im diokletianischen Steuersystem wieder auftaucht, ist sie in erster Linie eine Steuer nach Maßgabe des Ackerbesitzes; es kommt also, wenn man die Beziehung zu den Gespannen aufrechterhalten will, auf die Spannfähigkeit, nicht auf die thatsächliche Spannhaltung an. Unzweifelhaft haben Grundherren, welchen auf Grund administrativer Vorschrift – wir kommen darauf im letzten Kapitel
8
[276]Unten, S. 322 f.
Spanndienste zukamen, dies ebenso gehalten
120)
Der einmal zu Spanndiensten verpflichtete Colon wird sich durch Mangel eines Gespanns nicht haben entschuldigen dürfen. Wohl darauf beruht es, daß die Veräußerung des „peculium“ später den Colonen verboten war.
.
Eine Umlage nach Maßgabe des Grundbesitzes nebst Zubehör ist nun auch das römische tributum seinem ursprünglichen Gedanken nach. In seiner späteren Gestalt belastet es je 1000 As – ein „ca[277]put
121)
[277]Frontin
13
Die zitierte Stelle findet sich bei Festus a.Ο.
p. 364 (nach Mommsens Ergänzung Abh. der Berl. Ak. 1864, S. 85): tributorum collatio cum sit alias in capita, id est ex censu … Liv. 29, 15, 9. 39, 7, 4
15
Das Zitat findet sich bei Livius 39,7,5.
vv. „in milia aeris“.
– des Steuerkapitals der Bürger, welches auf Grund der professio zum Census festgestellt ist, mit einem je nach dem Bedarf wechselnden Betrage. Daß es sich bei demKatasterkapital
a
[277]A: Katasterkapitel
der 1000 As ebenso wie bei den militärischen Klassensätzen in den Centurien ursprünglich um einen offiziellen Umrechnungskurs für Grundvermögen handelte, ist schon von Huschke (Richters u. Schneiders krit. Jahrb. XVIII, S. 617) hervorgehoben worden
11
Von dieser These einer festen Bindung des damaligen Zensus bzw. der Klassenzugehörigkeit an den Grundbesitz hat sich Weber später ausdrücklich distanziert; vgl. ders., Agrarverhältnisse im Altertum3, S. 153.
. Nur halte ich es nicht für richtig, dabei als das Ursprüngliche eine Bewertung für eine bestimmte Grundfläche anzunehmen. Alle Analogien weisen vielmehr darauf hin, daß es sich um eine Bewertung nach Maßgabe des Hufenrechtes handelte, [A 199]d. h. des Anteils, der dem einzelnen auf Grund seines Genossenrechtes in der Flur an Acker, Weide und sonstigen Nutzungen
122)
[A 199]Dies ist auch der Grund, weshalb die an Stelle der alten gemeinwirtschaftlichen Nutzungen der Hüfner getretenen servitutes praediorum rusticorum als res mancipi censusfähig sind.
zustand. Beliebiger Parzellenbesitz, der zur Hufenordnung in keiner Beziehung stand, war nach der ältesten Ordnung, wie in Kap. II
12
Vgl. oben, S. 175–177.
ausgeführt wurde, vermutlich weder zivilrechtlich geschützt noch censusfähig. Erst als mit Zulassung der Usukapion auch der Nichthüfner dinglich geschützt wurde und damit die ganze Hufenverfassung auseinanderbrach, mußte die Umrechnung in Geld nach einer Bewertung von Grundflächen stattfinden. Sie wird aber wahrscheinlich schon bei der Separation der Flurgemeinschaften, wo die Bonitierung des Bodens in irgend einer Form zuerst notwendig wurde, dem Census zu Grunde gelegt worden sein, indem man bei der Umlegung die Hufenrechte jedes einzelnen einer bestimmten Anzahl von capita à 1000 [278]As gleichsetzte und ihm nach Bonitierung des Bodens einen, der auf ihn fallenden Anzahl von simpla entsprechenden, modus agri zuwies, so daß also die 1000 As einer je nach dem Schätzungswert des Bodens verschieden großen Bodenfläche entsprachen. Dies letztere ist demgemäß auch die Natur des jugum in der diokletianischen Steuerordnung. Die Geldeinschätzung machte es dann aber möglich, auch das Vermögen, welches nicht in Grundbesitz oder nur in Parzellen von nicht katasterfähiger Größe bestand, dasjenige der aerarii
16
[278]Dies nach Mommsen, Römisches Staatsrecht, 2,13, S. 392; vgl. ebd., S. 406.
nach dem gleichen Maßstab zu besteuern. Daß dies geschehen ist, geht daraus hervor, daß die strafweise Ausstoßung aus der Genossenschaft der Tribulen durch den Censor verbunden zu sein pflegte mit einer Multiplikation des Censussatzes des Gemaßregelten
17
Vgl. ebd., S. 395 f.
, woraus sich ergibt, daß auch die Aerarier nach dem gleichen Prinzip zu steuern hatten. Bei ihnen konnte [A 200]das caput der 1000 As nicht einer realen Bodenfläche gleich sein, es bildete vielmehr eine ideelle Katasterhufe. Diese letztere Besteuerungsart, welche also eine wirkliche Vermögenssteuer enthielt, hat sich aber zweifellos nur sehr allmählich entwickelt, und es steht nicht fest, wie weit diese Entwickelung überhaupt fortgeschritten ist. Sie trat vielleicht, wie der Ausdruck „capite censi“ für die Bürger ohne katasterfähigen Grundbesitz andeutet, an die Stelle eines Verfahrens, welches die letzteren nur der Kopfzahl nach notierte und sie gleichmäßig, wenn auch nicht mit Steuern, so mit Frohnden heranzog. Alles in allem ist das tributum jedenfalls eine Form der Besteuerung des Grundbesitzes, welche ursprünglich das Hufenrecht, später die Wirtschaftsbetriebe als Ganzes trifft, nicht aber eine Grundsteuer, welche auf einzelnen konkreten Grundflächen lastet, wie die vectigalia. Zu diesen verhält sie sich wie der modus des assignierten ager privatus zu dem locus der domanialen Besitzstände und steht dazu in demselben Gegensatze, wie der Hufenschoß
18
Hufenschoß: Bezeichnung für die – vor den modernen Katastrierungen – auf der Hufe liegende Grundsteuer, besonders in Brandenburg und Preußen seit dem 16. Jahrhundert (vgl. etwa Meitzen, August, Artikel ‚Hufenverfassung‘, in: HdStW3 5, 1910, S. 501 f.; auch v. Below, Georg, Artikel ‚Hufenschoß‘, ebd., S. 499.)
zu den Abgaben von „walzenden Grundstücken“
19
Grundstücke (auch: Walzäcker, Wandeläcker u.ä.), die nicht zum geschlossenen Hof gehörten und im Gegensatz dazu der Erbteilung unterlagen und frei veräußerlich waren.
. Daneben stellte sie eine allerdings unvollkommene allgemeine Vermögenssteuer dar.
[279]Die juga und capita und die Steuerumlagen in den Provinzen. Die diokletianische Reform nun ging aus dem Bedürfnis hervor, einen allgemeinen Maßstab für die Umlegung von Steuern für das Reich zu besitzen, wie Karl der Große ihn in einem großen Teil seines Reiches in den deutschen Hufen vorfand
20
[279]Vgl. dazu etwa Meitzen, August, Artikel ,Hufenverfassung‘ (wie Anm. 18), S. 500.
, und sie suchte dieselbe in einer Steuerhufe von wahrscheinlich 1000 Aurei zu finden. Man knüpfte zunächst an die Spannleistungen, juga, und damit an den Begriff der Spannfähigkeit an. Den Grundherren wurde offenbar die Steuer nach Maßgabe der spanndienstfähigen Hintersassen resp. der Anzahl spannfähiger Nahrungen, welche die Grundherrschaft enthielt, auferlegt und sie daneben verpflichtet, die Kopfsteuer, capitatio plebeja, von ihren Sklaven und den sonstigen handdienstpflichtigen Personen der Grundherr[A 201]schaft zu zahlen
123)
[A 201][279]Die Anknüpfung an die Frohnden zeigt C. Th. 5 de itin[ere] mun[iendo] 15, 3 vom Jahre 412, wonach in Bithynien die Wegelast die possessores nach Maßgabe der Zahl der juga bezw. capita ihrer Herrschaft treffen soll. Daß es sich dabei nicht um die Umlegung nach Gespannen handelte, ergibt die verwandte Stelle C. Th. 4 de eq[uorum] coll[atione] 11, 17, wo es sich um Spannleistungen handelt, wie die Titelüberschrift ergibt, aber nicht um Umlegung nach Gespannen, wie der Ausdruck possessionis jugationisve modus
23
Cod. Theod. 11,17,4 heißt es: pro portione suae possessionis iugationisque.
beweist.
. Eine reale Aufmessung der juga auf dem Acker fand hier sicherlich nicht statt, sondern man schätzte die Zahl der juga, welche der possessor im ganzen zu vertreten hatte
124)
Dies ergibt die Art, wie die Despotien in Tralles eingeschätzt wurden (siehe nächste Note).
. Auf dem Acker, welcher ein vectigal nach Bonitätsklasscn zahlte, wurde das jugum einer bestimmten Anzahl jugera der einzelnen Klassen je nach deren Wertrelation gleichgesetzt und dann auf der Flur aufgemessen („emensum“) oder doch insofern real zur Darstellung gebracht, als bestimmte Parzellen zu juga zusammengelegt wurden. Wo ferner Gemeinden zur Veranlagung kamen, die bisher keine Steuer oder nur ein von der Gemeinde im ganzen aufgebrachtes stipendium zahlten, wird man sich vielfach damit begnügt haben, das gesamte Steuersoll der Gemeinde einer bestimmten Anzahl von simpla gleichzusetzen und ihr die Aufbringung zu überlassen. In diesem Falle war natürlich das caput eine rein zahlenmäßige Wertgröße, und man hat wahrscheinlich diesen Ausdruck gerade für solche Fälle neben jugum beibehalten, während sonst capitatio die provinziale Kopfsteuer bedeutet. So erklärt sich die oben
22
Oben, S. 274.
erwähnte [280]Inkongruenz der Quellen
125)
[280]Die Inschrift C.I.Graec. 8657
24
[280]Mit vollständigerer Lesung auch in IG XII,3 (wie oben, S. 108, Anm. 4), Nr. 182; vgl. auch IG Xll,3, Suppl.: Inscriptiones insularum maris Aegaei, hg. von Friedrich Hiller von Gaertringen. – Berlin: Georg Reimer 1904, S. 278, zu Nr. 180. – Siehe ferner den Editorischen Bericht oben, S. 70 sowie das Faksimile oben, S. 76.
, enthaltend Fragmente des Katasters von Astypalaea, führt die steuerpflichtigen Grundstücke wie folgt auf: (Δε)σπο(τί)ας Θεοδούλου. χω.
b
[280]Lies: χωρίον
Ἀχιλλικός ζυ …. χω. Βάρρος με … ζυ … ἄνϑρ . κϑχω. Βατράχου με …. δ, ζυ … ἄνϑρ . κχω. Δάρνιον
25
Der Name lautet auf der Inschrift: Δάφνιον (Δαφνίον IG XII 3) (vgl. dazu auch den Editorischen Bericht, S. 70.).
ζυ .… [A 202]ζυ . = ζυγά sind die Zugtiere, ἄνϑρ(ωποι) die Colonen und Sklaven, με . will Boeckh
c
A: Boekh
26
Boeckh, in: CIG IV, S. 309, zu Nr. 8657.
in μέρη = pro rata steuernde Parzellen auflösen. Ein Katasterfragment von Tralles (Bull. d. corresp. hellénique IV, p. 336 f., 417 f.
28
Die Seitenangabe 417 f. bezieht sich nicht auf Tralleis, sondern auf Lesbos: Pottier und Hauvette-Besnault, Inscriptions de Lesbos, S. 417–424, Nr. 1 und 2.
) führt die Grundstücke ebenfalls nach Personalfolien auf, darunter in jeder Herrschaft dieἀγροί
d
A: ἄγροι
und τόποι, und diese nach ζυ(γά
e
A: ζ(υγά
= juga), und die Sklaven und ζῷα nach κ(εφαλαί), bei der Summenziehung werden ζυγά und κεφαλαί identifiziert. Astypalaea wie Tralles waren freie Städte, und man hat ihnen wahrscheinlich die Steuersumme in einer Anzahl capita im ganzen auferlegt, und diese sind dann von ihnen auf die Possessoren ebenfalls nur nach juga und capita repartiert worden. – Dagegen führen die Katasterfragmente von Thera
29
CIG 8656; auch in IG XII 3 – wie oben, S. 108, Anm. 4 –, Nr. 343–349.
und Lesbos
30
Pottier und Hauvette-Besnault, Inscriptions de Lesbos, S. 417–424, Nr. 1 und 2. Die Inschriften sind vollständiger wiedergegeben in: IG XII 2: Inscriptiones Graecae insularum Lesbi, Nesi, Tenedi, hg. von William R. Paton. – Berlin: Georg Reimer 1899, Nr. 76–80.
, welchen die αὐτονομία, soviel bekannt, nicht zustand und deren Acker daher wohl schon vorher vectigalpflichtig gewesen war, die steuerpflichtigen Grundstücke nach Despotien
31
Erhalten ist der Ausdruck nur auf den Inschriften von Thera.
und innerhalb derselben Ackerland (γῆ σπόριμος) und Weinland (ἄμπελος) nach jugera und Ölpflanzungen (ἐλαῖα
f
A: ἐλαιά
) nach Stämmen bezw.γυροί
g
A: γυρά (γυροί auch in den Exzerpten Webers oben, S. 69 f. –, Blatt 26.) Die Akzentsetzung offenbar entsprechend der Begründung bei Mommsen, Syrisches Provinzialmaß, S. 437; danach auch Pottier und Hauvette-Besnault, Inscriptions de Lesbos, S. 422. Tatsächlich muß es nach den neueren griechischen Wörterbüchern jedoch ohne Zweifel γῦροι heißen.
, Gruben für solche, sowie (in Lesbos) Wiesen und Weiden
32
In der Inschrift handelt es sich um die eine Kategorie des „Weidelandes“; vgl. auch Pottier und Hauvette-Besnault, Inscriptions de Lesbos, S. 421.
nach jugera auf, und daneben
33
Πρόβατα erscheinen in Lesbos und Thera, dagegen Sklaven mit Altersangabe, Ochsen, Esel und πάροικοι nur in Thera.
die Sklaven mit Altersangabe, Ochsen, Esel, πρόβατα und endlich (in Thera) die πάροικοι (Colonen). Hier mußte dann also die jugatio und capitatio der Despotien erst durch Zusammenrechnung der Steuerbeträge der in ihnen enthaltenen Ackerqualitäten ermittelt werden. Mit der Art der [281]Feststellung der juga in diesem letzteren Fall, wo also die Grundsteuerkontingente einzelner Grundstücke zu juga vereinigt wurden, befaßt sich nun die Stelle des syrisch-römischen Rechtsbuches (Mommsen, Hermes III, 430): agros vero rex Romanus mensura perticae sic emensus est. Centum perticae sunt πλέϑρον (das griechische Wort steht im Original). Ἰοῦγον autem diebus Diocletiani regis emensum et determinatum est. Quinque iugera vineae, quae X πλέϑρα efficiunt, pro uno iugo posita sunt. Viginti iugera seu XL πλέϑρα agri consiti annonas dant unius iugi. Trunci(?) CCXX(V) olearum vetustarum unius iugi annonas dant: trunci CDL in monte unum iugum dant. Similiter (si) ager deterioris et montani nomine positus (est), XL iugera quae efficiunt LXXX πλέϑρα, unum iugum dant. Sin in τρίτῃ positus seu scriptus est, LX iugera, quae efficiunt (CXX) πλέϑρα, unum iugum dant. Montes vero sic scribuntur: Tempore scriptionis ii, quibus ab imperio potestas data est, aratores montanos ex aliis regionibus advocant, quorum δοκιμασίᾳ scribunt, quot tritici vel hordei modios terra montana reddat. Similiter etiam terram non consitam, quae pecudi[A 203]bus minoribus pascua praebet, scribunt, quantam συντέλειαν in ταμιεῖον factura sit, et postulatur pro agro pascuo, quem in ταμιεῖον quotannis offerat, denarius (d. h. aureus) unus seu duo seu tres et hocce tributum agri pascui exigunt Romani mense Nisan (April) pro equis suis. Dagegen spricht von einem Fall der ersteren Art, wo also ein bestimmtes Kontingent von capita einem Ort als Ganzes auferlegt war, die Stelle in Eumen. gratiar. actio, woselbst es von Konstantin heißt: septem milia capitum remisisti … remissione ista septem milium capitum ceteris
36
Das Wort ceteris steht ebd. nicht im Text der Panegyrici Latini.
viginti quinque milibus dedisti vires, dedisti opem, dedisti salutem. Die Aeduer, von denen die Rede ist, schuldeten also die runde Summe von 32 000 capita, und davon wurden 7000 erlassen. Mit realen Steuerhufen verträgt sich dies nicht. Von einer andern Verteilung auf die 32 000 capita ist auch nicht die Rede, sondern es bleiben 25 000. Wo es sich, wie hier, um reine Wertgrößen, also in der That „ideelle Steuerhufen“ handelt, wird der Ausdruck caput, wo dagegen eine Beziehung zu konkreten Grundherrschaften besteht, der Ausdruck jugum gebraucht. Wahrscheinlich ist dies der ursprüngliche Unterschied beider Bezeichnungen. Ihre Identität dem Wert nach führte dann dazu, daß sie promiscue gebraucht wurden. – Das Katasterfragment von Volceji (C.I.L., X, 407) aus dem Jahre 323 führt die einzelnen fundi jugeraweise auf und gibt ihren Katasterwert in milia
37
Milia: Versuch Webers zur Auflösung der Abkürzung M der Inschrift; zur Begründung vgl. S. 277 mit Webers Fußnote 121. Mommsen, Syrisches Provinzialmaß, S. 438, sowie ders. in: CIL X, S. 1167 (Indices), las vermutungsweise m(odius); in der neueren Literatur hat man meist an m(illena) gedacht.
an. Diese Einschätzung der Grundstücke als Ganzes hängt ebenfalls mit der früheren Steuerfreiheit des Bodens zusammen, welche die Auferlegung nur in dieser Weise gestattete. Deshalb vertritt in Italien später die millena die Stelle des jugum, von dem sie sich thatsächlich nicht unterschied (Valent. nov. Tit. V, § 4. Nov.Major.
h
[281]A: major.
Tit. VII, § 16
und in der Justinianischen sanctio pragmatica von 554, c. 26
38
Vgl. Corpus Iuris Civilis III, S. 802 Schöll-Kroll. Diese und die beiden vorhergehenden – nach Hänel, nicht nach Gothofredus zitierten – Belegstellen beruhen direkt auf Marquardt, Römische Staatsverwaltung 22, S. 230 f., Anm. 6. Vgl. den Editorischen Bericht, S. 84, Anm. 15.
) außer dadurch, daß eben das jugum in der Regel aus Äckern der verschiedenen Bonitätsklassen kombiniert, also auf anderm Wege zu stande gekommen war.
. Die [A 202]ganze Reform ging naturgemäß [281]langsam vorwärts, zu Ende kam sie nie, und auch im Prinzip kamen [282]Rück[A 203]schläge vor. Man sah sich gelegentlich infolge des Bankerotts der Provinzen genötigt, von jeder staatlichen Schatzung abzusehen und den Provinzen auf Grund ihrer eigenen Deklaration über ihre Leistungsfähigkeit die gesamte Steuersumme zu kontingentieren, wie dies die früher citierte Stelle für Numidien, eine andre aus der gleichen Zeit (von Theodosius II. aus dem Jahre 424) für Macedonien und Asien
40
Cod. Theod. 11,1,33 spricht von der Provinz Achaea.
festsetzen
126)
[282]C. Th. 33 de annon[a] et tribut[is] 11, 1. Es wird noch be[A 204]sonders hervorgehoben, daß kein „inspector“ die Güter der Provinzialen abschätzen solle.
. Zugleich zeigt [A 204]die erstgedachte Stelle, daß in Numidien die Reform im Sinn der Durchführung des Steuerhufensystems noch sehr in den Anfängen lag; neben andern fixierten Abgaben zahlte ganz Numidien nur 200 capita. Ebenso rechnete man in Afrika noch nach den vectigal-Sätzen der Centurien, welche zum Teil, wie oben
41
Oben, S. 242.
hervorgehoben wurde, vielleicht noch aus der gracchischen Zeit herrührten
127)
Die Centurien der cäsarianischen Viritanassignation auf dem ager Campanus liegen bis auf ganz geringe Unterbrechungen noch jetzt sichtbar zu Tage, wie die heutige Flurkarte von Capua ergibt. (Herr Geh. Rat Meitzen gab mir Gelegenheit, dieselbe einzusehen, und wird sie demnächst in seinem Werk veröffentlichen.)
42
Vgl. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen 3, S. 137, Anlage 29, sowie dass., Band 1, S. 230.
Die Centurien sind durchweg = 200 jugera ausgelegt. Deshalb konnte man auch in Campanien jederzeit genau berechnen, wie viel jugera steuerfähiges und wie viel steuerunfähiges Land vorhanden war, – cf. D.
43
Das folgende Zitat bezieht sich auf den Cod. Theod.
2 de indulg[entiis] deb[itorum] (Honorius und Arcadius 395), wo die Steuer von 528 042 jugera
45
Ca. 133 242,99 ha.
in locis desertis et squalidis erlassen wird, – ebenso wie in Afrika.
. Und endlich bestätigt die gedachte Stelle, daß noch damals die Verschiedenheit in der Besteuerungsart der Kolonien von den übrigen Gemeinden bestand. Denn die Konstitution, welche allerdings teilweise unentwirrbar korrumpiert ist, setzt bei den Kolonien Rusicade und Chullu einen besonderen Besteuerungsmodus mit einem einheitlichen Katastersimplum voraus, für welches sie Bestimmungen trifft
128)
Es wird von einer Steuer von 5 centesimae gesprochen.
.
Beseitigung der steuerlichen Autonomie der Gemeinden.Im allgemeinen aber setzte allerdings die diokletianische Reform das Werk der Unifizierung der verschiedenen Besteuerungsarten fort. Zunächst wur[283]de die direkte staatliche Besteuerung der Grundstücke in größerem Umfange durchgeführt. Die steuerliche Autonomie der stipendiären Gemeinden hatte immer nur precario bestanden, auch wo ihnen die Aufbringung ihres Steuersolls überlassen worden war. Insofern sie dabei als Ge[A 205]samtheit ein einheitliches Steuerobjekt bildeten, durfte jedenfalls eine Veränderung des Status der Gesamtheit – Aufgeben des bisherigen Lageplans der Stadt z. B.
129)
[A 205][283]So gestattet Vespasian in einer inschriftlich erhaltenen Verfügung (C.I.L., I
46
[283]Das Zitat stammt aus CIL II. – Die Inschrift auch bei Bruns, Fontes5, S. 225 f.
, 1423) der stipendiären Gemeinde derSaborenses
i
[283]A: Saberienses
in Spanien, ihre Stadt abzutragen und in der Ebene wieder aufzubauen, unter Bestätigung des status quo bezüglich ihrer vectigalia. Wenn sie dagegen neue Auflagen machen wollen, müssen sie den Statthalter um Erlaubnis bitten.
– keinesfalls ohne Zustimmung des herrschenden Staates geschehen. Allein das ganze Prinzip der steuerlichen Autonomie in der Repartition der Staatsabgaben wurde überhaupt mehr und mehr eingeschränkt. Dasselbe war hervorgegangen aus der Emanzipation der Kommunen vom Publikanenwesen. Im konstantinischen Zeitalter hören wir von Mißbräuchen in der Art der Umlegung, welche durch die timo- bezw. plutokratische Verfassung der Gemeinden bedingt waren
130)
C. Th. 3 de extr[aordinariis] et
47
Der Text des Cod. Theod. lautet hier: sive.
sord[idis] mun[eribus] 11, 16 (Konst[antin] 324) hebt aus diesem Grunde, weil die potiores die anderen Pflichtigen benachteiligen, die eigene Repartition der munera durch die Gemeinden in
47a
Da zwar Macedonien eine Provinz, Chalkedon jedoch selbst eine Gemeinde darstellt, würde man erwarten: Chalkedon und die Gemeinden in Macedonien.
Chalkedon und Macedonien auf.
. Die Gemeinden wurden schon vorher kontrolliert im Interesse der gleichmäßigen Verteilung der Belastung
131)
C. Th. 4 de extr[aordinariis] et
48
Wie Anm. 47.
sord[idis] mun[eribus] 11, 16 (Konst[antin] 328). Es soll zuerst festgestellt werden, was die potiores, dann was die mediocres et infimi zu leisten haben. Hier ist die Anknüpfung an die Frohnden wieder deutlich. Offenbar ließen die potiores den Turnus immer von unten herauf beginnen, so daß er nie bis zu ihnen gelangte.
, und unter Konstantin wurde teilweise ein Normalformular für die Aufstellung der Steuerrollen vorgeschrieben
132)
Siehe die Stellen in Note 130 u. 131. Nach letzterer soll das vom Rektor aufgestellte Schema allein maßgebend sein.
. Endlich wurde teilweise den Dekurionen die Steuerumlegung und -Beitreibung geradezu entzogen
133)
So die der minores possessores durch C. Th. 12 de exact[ionibus] 11,7 (vom Jahre 383).
und also [284]die direkte staatliche [A 206] Besteuerung durchgeführt. Trotzdem blieb aber die bei Zahlung eines Pauschalstipendiums selbstverständliche Haftung der Gemeinde für das gesamte Steuersoll ihres Bezirks bestehen
134)
[A 206][284]Obwohl C. Th. 2 de exact[ionibus] 11, 7 von Konstantin (319 p. Chr.) die Haftbarkeit der Dekurionen auf ihre Hintersassen (coloni und tributarii) beschränkte, bezeichnet doch die Nov. Major. 4, 1 die curiales mit Recht als „servi
50
Nov. Maior. 7, pr. Meyer-Mommsen heißt es: curiales nervos esse rei publicae ac viscera civitatum nullus ignorat. Weber macht sich hier jedoch die von Gothofredus-Ritter (Band 6,2, S. 147) im textkritischen Apparat erwähnte, ausdrücklich mit ‚male‘ bewertete und auch von allen späteren Herausgebern verworfene Lesart ‚servi‘ statt ‚nervi‘ zu eigen.
reipublicae“, denn der Fortbestand der Haftung der Dekurionen ist unzweifelhaft. Der Sinn der konstantinischen Bestimmung ist wohl der: bei der Steuerregulierung wurden die Grundstücke von Besitzern, welche nicht zu einem vollen jugum eingeschätzt waren, und überhaupt alle Grundstücke derer, welche nicht Dekurionen waren, in steuerlicher Beziehung distriktsweise bestimmten Dekurionen zugewiesen, und diese sollten nun nur jeder für diesen ihm überwiesenen Bezirk zum Vorschießen der Steuer verpflichtet sein, nicht aber mehr einer für alle haften. Auch diese Organisation war die Konsequenz der Umlegung der Steuern in juga (siehe Note 137). – Schon Konstantin gestattete den Dekurionen Reisen nur bei bewilligtem Urlaub (C. Th. 12
51
Das Zitat bezieht sich auf Cod. Theod. 12,1,9.
de decur[ionibus] 12, 1 vom Jahre 319)
52
Die Konstitution stammt aus dem Jahr 324.
, und C. Th. 96 eod. von 383 verfügt ihre zwangsweise Zurückführung bei Fluchtverdacht.
. Da die Steuern von den Dekurionen der Gemeinde einzutreiben, eventuell vorzuschießen waren, und diese dem Possessorenstande angehörten
135)
C. Th. 72 de decur[ionibus] 12, 1 (v. J. 370) bestimmt besonders, daß ein Negotiator, der possessiones erwirbt, in die Dekurionenliste aufgenommen werden könne. – Wir wissen jetzt aus dem inschriftlich erhaltenen Album von Thamugadi
l
[284]A: Thamugaddi
in Afrika aus der Zeit von 360–67 p. C. (Eph. epigr. I)
53
Das Zitat bezieht sich auf Eph. epigr. III (Mommsen, Album ordinis Thamugadensis); der Text auch CIL VIII 2403.
, daß die Dekurionen nicht identisch sind mit denjenigen, welche in der curia saßen, letztere vielmehr nur diejenigen aus dem Dekurionenstande bildeten, welche dort bestimmte Ämter bekleidet hatten, also das gleiche Verhältnis bestand, wie zwischen Senatorenstand und Senat in Rom (Mommsen l. c.). C. Th. 33 de decur[ionibus] 12, 1 (v. J. 342) gibt 25 jugera als einen Besitz an, der eventuell Dekurionenpflicht begründet.
, so war die Haftbarkeit für die Steuern schon vorher thatsächlich eine Last ihrer Grundstücke
136)
C. Th. 1 de praed[iis] etmanc[ipiis]
m
A: mens.
cur[ialium] 32, 3
55
Es handelt sich um Cod. Theod. 12,3.
(v. J. 386) verlangt deshalb die obrigkeitliche Erlaubnis zur Veräußerung von Dekurionengütern, behandelt diese also wie andere mit Naturalfrohnden belastete Grundstücke.
, und die kleineren [A 207]Besitzer, von welchen sie pro rata die Steuern beizutrei[285]ben hatten, gerieten, wie wir im letzten Kapitel
56
[285]Vgl. S. 339 f.
sehen werden, annähernd in die gleiche Stellung ihnen gegenüber, wie die Hintersassen der Gutsherren in den Grundherrschaften, für welche der Grundherr die Abgaben vorschoß
137)
[A 207][285]Siehe Note 134. Deshalb führen auch die erhaltenen, früher citierten städtischen Katasterfragmente durchweg die steuerpflichtigen Grundstücke nach Despotien auf. Die kleineren Besitzer mit ihremLande
n
[285]A: Lande,
werden, wie in Note 134 ausgeführt, den Dekurionengütern im Censusregister zugeschrieben – censibus adscribere. daher adscripticii (cf. Kap.IV
o
A: V
)
58
Vgl. S. 333.
– und wahrscheinlich als πάροικοι, coloni, behandelt; so daß hiermit der Standesunterschied der possessores von der plebs rustica definitiv rechtlich sanktioniert und auch steuerlich zum Ausdruck gebracht wurde. Es ist dies, daß also die diokletianische Reform thatsächlich der Hauptsache nach eine Besteuerung nach Grundherrschaften ist, m. E. noch nicht genügend betont. Auf die sonstigen Konsequenzen des wichtigen[,] auch anderweit zu belegenden Verhältnisses kommen wir noch im letzten Kapitel
59
zurück. – Das Verhältnis selbst, die Haftung eines Grundsteuerpflichtigen für mehrere, ist übrigens älter und wird schon von Papinian in D. 5 pr. de cens[ibus] (50, 15) erwähnt: Cum possessor unus expediendi negotii causa tributorum jureconveniretur
p
A: convenitur
, adversus ceteros, quorum aeque praedia tenentur, ei qui conventus est, actiones a fisco praestantur, scilicet ut omnes pro modo praediorum pecuniam tributi conferant. Hier ist übrigens von dem Verhältnis von possessores (= Dekurionen) untereinander die Rede. Man hat die Dekurionen offenbar einer für alle und alle für einen haftbar gemacht für den Tribut des ganzen Stadtgebiets, und dagegen richtet sich, wie schon oben gesagt wurde, Konstantins in Note 134 citierte Konstitution.
. So gab es also jetzt innerhalb wie außerhalb der Munizipien einen Stand der possessores, welcher dem Staat unmittelbar, und einen solchen der plebeji, tributarii, coloni, welcher ihm mittelbar als steuerpflichtig gegenüberstand. Die possessores schieden sich in solche, die kurienpflichtig, und in solche, die nicht kurienpflichtig waren. Da nun die größeren Possessoren es mit allen Mitteln durchzusetzen suchten, die Exemtion ihrer Grundbesitzungen vom Gemeindeverbande zu erreichen, und dies auch teilweise [A 208]– den Senatoren z. B. durchweg
138)
[A 208]C. Th. 3 de praed[iis] senator[um] 6, 3 (v. J. 396). Im folgenden Jahre wurden allerdings die Senatorengüter der Kurie wieder unterstellt
61
Vgl. Cod. Theod. 6,3,4 (397 n. Chr.).
, was aber wohl nicht lang gedauert hat, da schon im gleichen Jahre (C. Th. 13 de tiron[ibus] 7, 13) die Senatoren bezüglich der Rekrutenstellung wieder privilegiert werden.
– gelang, so ruhte die furchtbare Last der Steuerhaftung im wesentlichen auf den mitt[286]leren Gutsbesitzern und führte zu massenhaften Bankerotten derselben, worauf dann die derelinquierten Güter den Kurien der Gemeinden zur Verwertung überwiesen und von diesen, soweit möglich, pachtweise vergeben wurden.
Unifizierung der Grundabgaben. Auch die fortschreitende Unifizierung der Grundabgaben ist in den Quellen deutlich erkennbar. Der emphyteutische Kanon der kaiserlichen großen Erbpächter, die festen vectigalia der alten Domänenerbpächter, die Pacht der kündbaren Kleinpächter der Domänen, das stipendium der gegen ein solches assignierten Grundbesitzungen, die vectigalia der skamnierten Provinzialäcker, alle diese Abgaben wurden in praxi einander genähert und, soweit thunlich, miteinander in den einen Begriff des tributum soli verschmolzen
140)
So wurden in C. Th. 1, 2 de extr[aordinariis] et
64
Der Text des Cod. Theod. lautet hier: sive.
sord[idis]
q
[286]A: cond.
mun[eribus] 11, 16
die emphyteutischen, patrimonialen und c. 13 eod. alle anderen praedia perpetuo jure possessa
65
Im Cod. Theod. heißt es hier: consignata.
in Bezug auf die extraordinaria onera gleichgestellt.
. Sie galten nur noch als verschiedene Kategorien grundsteuerpflichtiger Grundstücke
141)
So konfundiert C. Th. 5 de censitor[ibus] XIII, 11 den emphyteutischen Kanon mit der Grundsteuer. Einer ähnlichen Konfundierung tritt C. Th. 1 de coll[atione] don[atarum … possessionum] XI, 20 entgegen. Schon in Cod. Just. 13 de praed[iis] 5, 71 (Diokletian und Maximian) werden praedium vectigale, emphyteuticum und patrimoniale gleichgestellt.
, und man „übertrug“ unter Umständen Grundstücke von der einen dieser Kategorien in die andre. Dabei wurden dann rechtliche Eigentümlichkeiten der einen Kategorie auf die andre über[A 209]nommen. So sahen wir schon
62
[286]Oben, S. 247 f.
, daß eine Änderung des Wirtschaftsbetriebes, welche eine professio in einer niedrigeren Steuerklasse herbeigeführt hätte, nach Analogie der Pachtverhältnisse auch für das tributpflichtige Land an Zustimmung der Steuerbehörde geknüpft wurde. Ein später allgemein zur Anwendung gebrachtes Institut, welches zuerst bei den öffentlichen, namentlich den kaiserlichen, Erbpächtern sich findet, [287]ist die sogen[annte] ἐπιβολή
143)
. Ἐπιβολή und peraequatio. Kraft des Rechtes der Zustimmung zu Veräußerung von vectigal-pflichtigem Lande hat wahrscheinlich die Steuerverwaltung und jedenfalls die kaiserliche Schatullgutverwaltung wohl von jeher darauf bestanden, daß bei Veräußerungen von Teilen des Erbpachtgutes nicht eine Abtrennung der leistungsfähigen Teile stattfand und der Rest dann später als zur Tragung seines Anteils an der Pachtsumme unfähig sich herausstellte. Der Erwerber von Teilstücken wurde eventuell genötigt, das ganze Grundstück zu übernehmen. Dies Verfahren hat man später allgemein angewendet und dahin ausgedehnt, daß jeder, der überhaupt von einem andern Grundstücke erwarb, sich eventuell gefallen lassen mußte, daß ihm auch der gesamte Rest der Grundbesitzungen desselben durch ἐπιβολή zugeschlagen wurde. Derelinquierte steuerpflichtige Ländereien stellte man wie den alten ager publicus zur Occupation offen oder schlug sie geradezu den nächsten Besitzern auch gegen deren Willen zu. Ähnlichen Ursprungs ist das Institut der peraequatio. Wer als staatlicher oder kaiserlicher Domänenpächter mehrere Grundstücke gegen Pacht innehatte, konnte nicht hindern, daß die Verwaltung die Pachtsumme rechnerisch [A 210]auf die einzelnen Grundstücke anderweit verteilte und bei Abtretung eines Pachtgutes oder sonstiger Teilung diesen Maßstab für die Verteilung der Pacht unter die nunmehrigen Besitzer zur Anwendung brachte. Das Bedürfnis nach einer rationelleren Verteilung dieser Art mußte aber überhaupt mannigfach zu Tage treten. Wir sahen
67
[287]Oben, S. 239 f.
, daß auf dem ager privatus vectigalisque und bei den großen durch mancipes übernommenen Domänen das bewegliche Element teilweise im Erbstandsgelde lag und das vectigal durch lex dicta pro jugerum gleichmäßig bestimmt war. Trotzdem es wahrscheinlich dem entsprechend niedrig bemessen war, mußte doch die ungleiche Höhe der dauernden Belastung sich fühlbar machen. Demgemäß erstrebte die Verwaltung eine gleichmäßigere Verteilung [288]nach der Bonität
146)
[A 210][288]C. Th. 14 de censitor[ibus] 13, 11 bestimmt deshalb, daß wer um Censusermäßigung wegen eines seiner Grundstücke bittet, sich gefallen lassen muß, daß alle seine Grundstücke neu eingeschätzt und eventuell die Steuer unter dieselben anderweit verteilt wird.
, wie das namentlich für die in Erbpacht besessenen Centurien in Afrika aus den Quellen hervorgeht
147)
C. Th. 10 de annon[a] et trib[utis] 11, 1 (v. J. 365): Wer in Afrika opulentae und desertae centuriae besitzt, soll „ad integrum professionis modum“ die Steuer zahlen. Allein C. Th. 31 eod. (v. J. 412) hob dies wieder auf und gewährte Steuererlaß für die centuriae destitutae. Die erstere Stelle ist m. E. ein Beweis dafür, daß noch damals das gleiche, nach dem modus auferlegte vectigal bestand, wie es oben
71
Oben, S. 240 f.
als durch die lex agraria von 643 u. c. dem ager privatus vectigalisque auferlegt vermutet wurde.
. Ein derartiges Institut wurde aber allgemeines Bedürfnis für alle steuerbaren Ländereien. Wo in stipendiären Gemeinden der Staat die Art der Umlegung der Abgaben durch Reglements feststellte oder selbst in die Hand nahm, hatte diese Maßregel ohnehin den Charakter einer peraequatio und wird auch so bezeichnet. Wenn nun das Bestreben der Besitzer dahin ging, den Steuerbetrag der einzelnen Grundstücke thunlichst nach Art moderner Grundsteuern zu fixieren, [A 211] andrerseits die Organisation nach juga den Zweck haben sollte, je nach Bedarf vom Katastersimplum einen geringeren oder größeren Betrag erheben zu können, so waren diese Gesichtspunkte an sich unvereinbar und bei der relativ großen Höhe der Grundbelastung überhaupt eine solche Katasterorganisation, wie sie Diokletian anstrebte, nur möglich, wenn periodisch Revisionen der Kontingentierung der einzelnen Grundstücke möglich waren. Dazu wurde die peraequatio benutzt
148)
[A 211]Die Curialen erbitten zu diesem Behuf censitores[,] C. Th. 3 de praed[iis] senator[um]
r
[288] A: Senator.
6, 3
(396).
, also eine Revision der Kombination der einzelnen Grundflächen zu juga und damit eine gewisse Beweglichkeit des jugum zugelassen, ferner aber allgemein auch für den alten ager privatus der Grundsatz durchgeführt, welcher früher nur für die vectigal-pflichtigen Grundstücke galt, daß eine Verteilung der Steuerlast auf die einzelnen Teilstücke der Abveräußerung von Parzellen vorauszugehen
149)
Dies ist der Zweck der früher
72
Oben, S. 186.
citierten Bestimmung in C. Th. 2, § 1 de contr[a henda] empt[ione] 3, 1. Siehe weiter im Text.
und eine Anzeige an die Steuerbehörde [289]und der Antrag auf Umschreibung der capitatio auf den neuen Besitzer bei jeder Veräußerung überhaupt stattzufinden habe
150)
. Damit in Verbindung steht die früher
73
[289]Oben, S. 185 f.
erwähnte Beseitigung der Manzipation, welche bei einer Besteuerung nach Grundflächen, also des locus, nicht mehr zulässig erscheinen konnte.
Sondersteuern nebender
s
[289]A: den
jugatio.
Wir verfolgen die Art der Durchführung der diokletianischen Reform hier nicht weiter, es kam nur darauf an, darzuthun, daß ihre Eigentümlichkeiten teilweise nur eine Kombination von solchen der verschiedenen Arten der Bodenabgaben aus älterer Zeit enthalten und ferner, daß sie infolge der höchst differenten Abgabenverhältnisse, die sie vorfand, keineswegs zu einer einheitlichen Steuerverfassung führen konnte, – daß also der [A 212]Versuch, alle einzelnen Quellenstellen harmonistisch auf ein Prinzip zurückzuführen, nur sehr approximativ durchführbar ist, das Verhalten der einzelnen Landesteile und Bodenbesitzarten gegenüber der jugatio vielmehr lokal notwendig sich verschieden gestalten mußte. Das einzig Einheitliche ist die Ziehung der Konsequenzen aus den einmal vorhandenen Bodenbesitzverhältnissen, besonders die Tendenz zur Umlegung der Steuer nach Grundherrschaften.
Im übrigen braucht nicht gesagt zu werden, daß die vorstehenden Bemerkungen keine erschöpfende Erörterung der Bodenlasten enthalten.
Naturalabgaben. Adaeratio.Wir haben namentlich das schwierige und umfassende System der Naturalabgaben hier nur gestreift, ebenso das Verhältnis dieser zu den Geldabgaben nicht zu erörtern versucht. Bei Durchführung der diokletianischen Reform mußte man den Versuch, auch diejenigen Grundstücke, welche Naturaldienst leisteten, in die Grundsteuerpflicht einzubeziehen, bald aufgeben und damit zahlreiche Exemtionen von dem allgemeinen Grundsatz der prozentualen Vermögenssteuer schaffen. Andrerseits führte teilweise die Haftbarkeit für die Steuerlasten zu einer Exemtion von andern gemeinen Lasten, so bei den Dekurionengütern sogar von der Rekrutenstellung. Man sieht, wie die diokletiani[290]sche Reform allenthalben doch wieder Sonderstellungen der einzelnen Kategorien von Besitzern zulassen mußte. Teilweise hat man die Naturalabgaben als Zuschläge zu der jugatio behandelt nach Art des alten frumentum emptum in den Provinzen der Republik. Aber sicher bestanden sie teilweise auch in der alten Weise als Ertragsquoten fort. – Nicht richtig wäre es nun, allgemein zu behaupten, daß die Naturalabgabe der Geldabgabe gegenüber die leichtere Form der Besteuerung gewesen sei. Dies wird für die kleineren selbst[A 213]wirtschaftenden ländlichen Besitzer im allgemeinen zutreffen, und deshalb verbot man gelegentlich die Umwandlung der Naturalabgaben der Grundherren und Gemeinden in Geld (adaeratio), da in diesem Falle die Eingesessenen gleichfalls zu Geldleistungen gezwungen wurden und diese von ihnen am schwersten empfunden würden. Dagegen gingen die Bestrebungen der Großgrundbesitzer umgekehrt im allgemeinen auf Konsolidation ihrer Verpflichtungen zu einer festen Geldrente, welche praktisch meist einer Herabsetzung ihrer Verpflichtungen gleichkam
152)
[A 213][290]Deshalb erscheint die adaeratio C. Th. 1 [de] erogat[ione] 7, 4 (von 325) als Belastung, dagegen Nov. Theod. 23 (a. E.) und C. Th. 4 tributa in ipsis spec[ibus] inf[erri] 11, 2 (v. 384) und C. Th. 2 de eq[uorum] coll[atione] 11, 17 (von 367) als Erleichterung, C. Th. 6 de coll[atione] don[atarum … possessionum] 11, 20 (von 430) als steuerpflichtiges Benefizium. Die Nov. Th. 23
78
Wie Anm. 77. Zum folgenden Zitat (Nov. Theod. 26,2 f. Meyer-Mommsen) vgl. auch S. 233, Webers Fußnote 43 (aus derselben Novelle, in der Fassung des Cod. Theod. 11,20,6).
wollte allen Erleichterungen durch relevatio, adaeratio, donatio, translatio endlich ein Ende machen.
. Es wurde schon hervorgehoben
75
[290] Oben, S. 285, 289.
, daß die Senatoren und andre Kategorien von Possessoren durchsetzten, daß selbst die Rekrutengestellungspflicht für sie als in Geld ablösbar behandelt wurde.
Das furchtbar Drückende an den Naturalleistungen war wesentlich die Verpflichtung zum Transport an die Stelle, wo sie gebraucht wurden. Bezeichnenderweise stammt die Benennung „vectigalia“ grammatisch von vehi – „Fuhren“ übersetzt Mommsen
76
Mommsen, Römisches Staatsrecht 2,13, S. 434, Anm. 3, und S. 439.
–, und doch handelte es sich zur Zeit, als der Ausdruck entstanden sein kann, um Entfernungen unerheblicher Art. Dagegen haben, in Geld angeschlagen, die Kosten der Heranschaffung der Naturallieferungen an [291]den Ort, wo sie verbraucht werden sollten, in der Kaiserzeit sicherlich, sobald es sich um irgend erhebliche Landtransporte handelte, den Wert der gelieferten Naturalien selbst bedeutend überstiegen. Die Schwierigkeiten und Reibungen mußten überdies steigen, als die Verwaltung sich nicht mehr der Dazwischenkunft der Spekulation und des Kapitals der [A 214]großen Steuerpachtunternehmer bediente, sondern das ganze Naturallieferungswesen in eigne Regie nahm und damit die Anpassung an die wechselnden Ernteverhältnisse und die Konjunkturen erschwerte, überdies aber die bei ungeordneten Verhältnissen gleichfalls unerträglichen Bedrückungen der Pflichtigen durch zahlreiche Beamte an die Stelle derjenigen von seiten der großen Unternehmer setzte, ohne doch bei den vielfachen Spezialkompetenzen der einzelnen Bureaux und Subalternen große einheitliche geschäftliche Gesichtspunkte, wie diejenigen der großen Lieferanten, durchführen zu können. Die von den Naturallieferungen handelnden Titel
79
[291]Vgl. besonders die Bücher 11–13 des Codex Theodosianus. – Die Rolle der Naturalbesteuerung bei der Auflösung des „Cäsarenreichs“ war besonders von Rodbertus betont worden: Römische Tributsteuern, S. 445 ff., bes. 451 ff.
des Codex Theodosianus zeigen denn auch deutlich genug, wie hart die Last der Fuhren empfunden wurde. Eine derartige Naturalwirtschaft war bei einem Weltstaat mit den damaligen Verkehrsmitteln kaum möglich, – hatte man doch auch in der Heeresergänzung die lokale Konskription an die Stelle des Austausches der Rekruten, wie er in der Zeit bis Hadrian stattfand, treten lassen müssen –, der antike Staat stand hier vor der gleichen Schwierigkeit, an welcher in Sachsen König Heinrich IV.
80
Die Bemerkung geht offenbar zurück auf Nitzsch, Karl Wilhelm, Geschichte des Deutschen Volkes bis zum Augsburger Religionsfrieden, hg. von Georg Matthäi. In drei Bänden. – Leipzig: Duncker & Humblot 1883–1885. Nach Nitzsch ist das mittelalterliche Kaisertum von den Ottonen bis zu den Staufern wesentlich an der nicht überwundenen Naturalwirtschaft gescheitert, vgl. bes. Band 1, S. 287–290. Speziell Heinrichs IV. (1056–1106) „Jugendplan […] eines stärkeren Königthums“ hätte jedoch, so Nitzsch, den „Anfang einer festeren Reichsbildung, eine Concentration unserer nationalen Kräfte“ bedeuten können, wäre nicht in dem besonders wichtigen (vgl. ebd., Band 2, S. 58 und 70 f.) Sachsen, zumal in dessen östlichen Gebieten, durch die mit dem Burgenbau verbundenen Naturalabgaben ein praktisch permanenter Widerstand ausgelöst worden, ebd., Band 2, S. 72 f. – Daß Weber später selbst die Unzulässigkeit dieses Vergleichs mit dem Zerfall des römischen Reiches der Spätantike erkannt hat, dürfte wohl daraus hervorgehen, daß er – vor allem auch im „Untergang der antiken Kultur“ – nicht mehr darauf zurückgekommen ist.
scheiterte, und die Lösung war nur in dem Zerfall in territoriale Sondergebiete zu finden.
[292]Besteuerung des beweglichen Vermögens.Wir haben ferner das Verhältnis der provinzialen Kopfsteuer zu der späteren capitatio, soweit diese den Charakter einer Vermögenssteuer hatte, nicht erörtert. Daß das tributum capitis vor Diokletian einfach die provinziale Kopfsteuer ist, scheint nicht zweifelhaft, und zwar wird sie die Köpfe von freien Tagelöhnern und Kolonen, Sklaven und Zugvieh gleichmäßig belastet haben
153)
[A 214][292]So erhebt auch die StadtZarai
t
[292]A: Zara
laut ihrem inschriftlich erhaltenen Zolltarif aus dem Jahre 202 p. Chr. (C.I.L., VIII, 4508) von Sklaven, Pferden und Mauleseln den gleichen Satz (1 Sest.). Der betreffende Abschnitt des Tarifs nennt sich lex capitularis
81
[292]CIL VIII 4508, Z. 6.
, wohl im Anschluß an die capitatio.
, den Frohnden entsprechend. Diokletian hat [A 215]daran wohl nur insofern etwas geändert, als er, der schon im Gang befindlichen Entwickelung gemäß
154)
[A 215]Unter der gleichen Rubrik
82
CIL VIII 4508, Z. 8–10.
besteuert die in der vorigen Note citierte Inschrift auch die Esel, Ochsen, Schweine, Schafe, Ziegen.
, das Kleinvieh dazu nahm und wohl diese Objekte bei der jugatio im ganzen als Inventar mitveranschlagen ließ
155)
Dies ergibt das früher citierte Katasterfragment von Lesbos (Bull. de corr. hell. IV, p. 417 f.)
84
Pottier und Hauvette-Besnault, Inscriptions de Lesbos. – Das Kleinvieh wird auch in den Fragmenten von Thera aufgeführt; vgl. S. 280, Anm. 33.
.
. Seine Reform war eine Grundsteuerreform, und es ist nicht wahrscheinlich, daß er auch das bewegliche Kapital allgemein mithineinziehen wollte. Grundsätze irgendwelcher Art sind uns über dessen Behandlung jedenfalls nicht überliefert, und im allgemeinen suchte man diese Kategorien von Vermögen durch „Objektsteuern“, wie wir sagen würden, zu fassen. Das schließt nicht aus, daß lokal, namentlich da, wo von den Gemeinden der Betrag ihrer als Pauschsumme auferlegtencapita zu repartieren war, diese anders verfuhren. Aber diese schwierigen Verhältnisse, deren Erörterung eine gewerbegeschichtliche Analyse der antiken Arbeitsteilung voraussetzt, gehören in eine agrarhistorische Untersuchung nicht.
Unifizierung des Bodenrechts. Wir haben zum Schluß vielmehr nur noch die bekannte Thatsache zu konstatieren, daß dem diokletianischen Versuch der Unifizierung der Bodenbesteuerung eine [293]annähernde Nivellierung der Bodenbesitzrechte entspricht, daß diese sich im wesentlichen, was die Eigentumserwerbsarten und das Pfandrecht anlangt, auf dem Boden des bonitarischen locus-Eigentums vollzogen hat, in der Ersitzungslehre an die provinzialen, auf Kaisergesetzen beruhenden Rechtssätze und in den Servitutenverhältnissen in wichtigen Punkten an die Eigentümlichkeiten, welche die Verhältnisse des separierten ager privatus geschaffen haben, sich anlehnte und daß endlich im römischen Besitzrecht eine eigentümliche, aus den Abstraktionen der theoretischen römischen Juristen er[A 216]wachsene Verallgemeinerung von Rechtssätzen stattgefunden hat, welche ursprünglich höchst positiven und in der Kaiserzeit längst verschollenen Verhältnissen des alten römischen Agrarrechts entstammten. Die Überführung der stipendiären und grundsteuerpflichtigen Besitzstände in dies jus gentium ist teils durch die Edikte der Provinzialstatthalter und durch die positive kaiserliche Gesetzgebung
156)
[A 216][293]Z. B. Vat. Fragm. 283. 285. 286.
85
[293]Offenbar gemeint: Fragment 289.
293. 313. 315. 326
86
Offenbar gemeint: Fragment 316. – Die ganze Liste dieser Fragmente dürfte zurückgehen auf den nur in Webers Literaturverzeichnis zu Kap. III genannten Aufsatz von Erman, Beiträge zur Publiciana, I, S. 271, Anm. 1, wo sich u. a. bereits der irrtümliche Hinweis auf Fragment 286 findet.
.
, teils daran sich anlehnend durch gerichtliche Observanz und Interpretation der Juristen allmählich, teilweise erst nach Diokletian, erfolgt, die Beseitigung der letzten Reste der alten Privilegien des jus Italicum durch Justinian. In der justinianischen Kompilation sind alle Reste der alten Differenzen sorgfältig getilgt.
Wir verfolgen diese Entwickelung hier nicht, weil es nach Lage der Quellen nicht möglich ist, zu bestimmen, um welche Zeit die einzelnen Kategorien der Besitzstände minderen Rechtes den allgemeinen Regeln des jus gentium unterstellt worden sind. Die Erteilung der Latinität an Spanien durch Vespasian unter Fortbestand der Steuerbarkeit wird die allgemeine Anwendung der Grundsätze des bonitarischen römischen Sachenrechtes zur Konsequenz gehabt haben, die allmähliche Organisation Afrikas in Kolonien und andern Stadtgemeinden, soweit sie reichte, die gleiche Folge für diese Provinz, und dies wird durch Gewährung einheitlicher Klagen in den Edikten der [294]Provinzialstatthalter zum Ausdruck gekommen sein. Im übrigen können diese Edikte nicht wohl, wie Lenel
87
[294]Lenel, Edictum Perpetuum, S. 148. – Vgl. auch Lenels Replik in: Dass., 2. verb. Aufl. 1907, S. 185, Anm. 1.
will, unter Hadrian eine einheitliche Formel für alle „praedia stipendiaria“ und „tributaria“ enthalten haben. Dazu ist deren rechtlicher Charakter zu different: man bedenke, daß in Afrika Acker der civitates liberae, der [A 217]nach peregrinem Recht, das Assignationsgebiet von Karthago, welches nach römischem Privatrecht, die Grundherrschaften der stipendiarii, die nach einem willkürlich vom Statthalter zu beeinflussenden Hofrecht, die agri privati vectigalesque, die nach einer Kombination privat- und verwaltungsrechtlicher Normen, und die Pachtäcker, die rein nach verwaltungsrechtlichen Normen zu behandeln waren, nebeneinander standen. In der Person des Provinzialstatthalters flossen nun die Spitzen der Verwaltung und der Jurisdiktion in eins zusammen und sind schwerlich in praxi geschieden worden, sondern wohl auch vom Edikt beide gleichmäßig umfaßt worden. Nun ist das einzig Gemeinsame an all diesen Besitzständen, daß sie „possessiones“ sind. Alle possessiones sind aber ursprünglich zivilrechtlich nur dem locus nach gegen bestimmt qualifizierte Angriffe geschützt. Dem entsprach ihre Aufmessung in strigae und scamna: der judizierende Beamte konnte die Einweisung in das durch die „certi rigores“ begrenzte konkrete Grundstück verfügen, was er bei der Aufteilung nach modus nicht konnte. Ob nun entsprechend der Publiciana zivilrechtlicher Schutz des locus bei einzelnen Kategorien des nicht usukapierbaren Ackers von Anfang an geschaffen worden ist, wissen wir nicht – wahrscheinlich aber ist es für die meisten nicht, denn die Klage auf den munizipalen ager vectigalis hat ihr wesentliches Charakteristikum darin, daß sie auch gegen das Munizipium selbst gerichtet werden kann, der Schutz also ein absoluter ist. Dagegen hatte der an den Staat Abgabenpflichtige in seinen wichtigsten Rechtsbeziehungen, denjenigen zum Staat oder den sonstigen Hebungsberechtigten, nur magistratische Kognition oder günstigstenfalls ein Rekuperationsverfahren zu erwarten; gewisse Kategorien, die stipendiarii in Afrika z. B., waren auf das extraordinäre Verwaltungsverfahren der controversia de territorio verwiesen. Andrerseits war wenigstens ein Anfang dazu gemacht, auch die Besitzstände auf dem [295]öffentlichen Land [A 218]zum Teil nach den gleichen feldmesserischen Grundsätzen zu behandeln, wie den Acker besten Rechts. Der ager privatus vectigalisque ist in Centurien aufgemessen, der Verkauf des Landes erfolgt nach modus, ebenso wahrscheinlich die Auferlegung des Zinses, – und die Agrimensoren erwähnen die Anwendbarkeit der controversia de modo auf agri quaestorii und vectigales, – wobei es sich allerdings wohl um ein administratives Verfahren handelte. Allein auch diese Ansätze kamen nicht weiter, da das modus-Prinzip selbst aufdem
u
[295]A: den
ager privatus verfiel. Schon Augustus und Tiberius markieren, wie früher
89
Oben, S. 120 (Augustus). Tiberius (vgl. S. 218,10 und 254,7 Lachmann) ist zuvor nicht genannt worden.
gesagt, durch Anordnung der Terminierung der Besitzgrenzen die Beseitigung der alten Natur des ager assignatus, und wir sehen, daß der weitere Verlauf der Kaiserzeit zu einer Beseitigung des modus-Prinzips führte. Für die nicht befristeten Besitzstände in den Provinzen stand im übrigen wohl seit Hadrian
158)
das Prinzip der subsidiären Geltung des römischen jus gentium fest, also des Rechtsüberganges in der Form der dem locus-Prinzip entstammenden traditio auf Grund einer justa causa. Scävola wendet das bonitarische Pfandrecht auf Grundstücke, die in einer vectigal-pflichtigen Grundherrschaft liegen, an, und bei Ulpian und Papinian finden wir das römische Recht auf tributäre Grundstücke ohne weiteres bezogen, soweit nicht positive zivilrechtliche Institute in Frage kommen. Diokletian scheint dann diese Unifizierung systematisch weitergeführt zu haben, wenigstens sind die Konstitutionen, welche stipendiäres Land behandeln und fast durchweg lediglich dessen Gleichstellung mit dem solum Italicum in zahlreichen noch zweifelhaften Einzelpunkten betreffen, überwiegend von ihm.
Für uns kam es in diesem Kapitel nicht sowohl auf dies Resultat, als vielmehr auf den Zustand an, aus dem [A 219]es erwachsen ist, und dieser muß m. E. dahin präzisiert werden: daß der quantitativ weit überwiegende Teil der Besitzstände des römischen Reiches von verwaltungsrechtlicher Regelung beherrscht war und vom Privatrecht nur insoweit, als die Verwaltungspraxis dessen Gesichtspunkte ac[296]ceptierte. Daraus folgt, daß eine Konstruktion der ganzen Verhältnisse von rein privatrechtlichen Gesichtspunkten aus ebenso unmöglich ist wie etwa die Konstruktion des Lehenrechts
90
[296]Zum gegenseitigen Verhältnis der beiden Rechtskreise des Land– und Lehnrechts in der zeitgenössischen Sicht vgl. Heusler (wie S. 133, Anm. 22) 1, S. 23–37, bes. 26 f., 31 f., 33–35 und 43 f.
aus landrechtlichen Begriffen
160)
[A 219][296]Es ist hier also im wesentlichen versucht worden, im Anschluß an die Bemerkungen von Pernice (Z.f.R.G. Rom. V)
91
Pernice, Parerga II, bes. S. 1–6.
die rein in der Praxis der Verwaltung ruhende Regelung dieser Verhältnisse zur Anschauung zu bringen. Daß dabei keine rein juristischen Formulierungen beigebracht sind, liegt nicht daran, daß solche unmöglich, sondern daß sie m. E. unberechtigt wären. Thatsächlich handelt es sich um Verwaltungsmaximen[,] und die praktischen Konsequenzen von solchensind
v
[296]Fehlt in A; sind sinngemäß ergänzt.
in der mannigfachsten Art zivilrechtlich konstruierbar, ohne daß irgend eine Konstruktion das ganze Verhältnis umspannte.
.

[297][A 220]IV. Die römische Landwirtschaft und die Grundherrschaften der Kaiserzeit
1
[297]Zusammenfassende Wiedergabe größerer Teile des Inhalts dieses Kapitels bei Weber, Untergang der antiken Kultur, S. 64–76; ders., Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 14–18; dass.2, S. 80–84; dass.3, S. 165–168. In den folgenden Erläuterungen wird darauf nur ausnahmsweise Bezug genommen.

Entwickelung der Betriebsweise.Da in diesem Kapitel hauptsächlich eine Erscheinung der Kaiserzeit behandelt werden soll, so ist der Rückblick, den wir auf die älteren Verhältnisse der römischen Landwirtschaft werfen, ein cursorischer. Namentlich soll nicht versucht werden, an der Hand der Ergebnisse der Ausgrabungen in den Terremare und der geistvollen Untersuchungen Hehns und Helbigs eine allgemeine Entwickelungsgeschichte derselben von den ältesten Besiedlungen an zu geben. In historischer Zeit bietet die römische Landwirtschaft, wie sie uns die scriptores rei rusticae schildern, keinerlei besonders fremdartige Züge dar. Wenn früher gelegentlich
5
Gemeint offenbar: Hanssen, Agrarhistorische Abhandlungen 1, S. 153.
behauptet worden ist, daß die Römer den Germanen die Dreifelderwirtschaft gebracht hätten, so ist dies schon deshalb unverständlich, weil die Dreifelderwirtschaft in der Art, wie sie für die ältesten germanischen Verhältnisse in Frage kommen würde, keine Wirtschaft eines Individuums, sondern einer Dorfgemeinschaft ist und mit dem Flurzwang untrennbar zusammenhängt. Die römischen Schriftsteller aber kennen nur das, was Thünen „freie Wirtschaft“ nennen würde
1)
[A 220][297]Cato, De r. r.
7
Weber zitiert nach der Bipontina (vgl. oben den Editorischen Bericht, S. 82) und in der früher üblichen Weise Catos Werk stets als r. r. (= De re rustica). Da der Titel jedoch nach heutiger Auffassung De agri cultura lautete, wird er in den folgenden Erläuterungen durchweg als ,de agric.‘ zitiert.
148
8
Die zitierte Stelle findet sich ebd., Kap. 149.
bemerkt bei Besprechung des Verkaufs des „pabulum hibernum[298]auf prata irrigua, der redemtor solle dabei die Nachbargrundstücke da – zum Behuf des [A 221]Mähens etc. – betreten, wo die Nachbarn es gestatten, – „vel diemcertam
a
[298]A: certum
utrique facito“. Es handelt sich dabei um genossenschaftliche Bewässerungsanlagen und um Wiesenparzellen, die nebeneinander und im Gemenge liegen. Es scheint, daß hier die Denunziation eines Berechtigten über die Zeit, wann er zu ernten gedenke, gewisse uns nicht näher bekannte Wirkungen hatte. Ist dies der Fall, so liegt der Schluß nahe, daß ursprünglich der Tag des Aberntens wie beim Flurzwang von Genossenschafts wegen festgesetzt wurde und das hier erwähnte Verfahren der individualwirtschaftliche Remplaçant jenes Verfahrens ist.
. [A 221]Von Fruchtfolge sprechen sie überhaupt nur gele[298]gentlich und so, daß man eine feste Observanz nach dieser Richtung nicht voraussetzen kann. Sie kennen Ackerland, welches jahraus jahrein mit Cerealien besät wird (ager restibilis) und also nur das Substrat für den Umsatz des jährlich daraufgebrachten Dunges in Getreide bildet, daneben kennen sie reine Brachen–; im allgemeinen bildet das Rückgrat des Betriebes ein durch gedüngten Futterbau unterbrochener Anbau von Cerealien
4)
Lupinen, Bohnen, Wicken zum Zweck des Unterpflügens. Cato r. r. 37. Heuernte eod. 53.
, Winter- und Sommerkorn (trimestris
8a
[298]Trimestre (so die heutige Lesung), ‚Sommerkorn‘: Cato 35,2.
) in einer sehr ins einzelne gehenden Spezialisierung der Sorten, in organischer Verbindung (Varro 2. Kap.)
9
Es handelt sich um das 2. Buch Varros.
mit erfreulich starkem Viehstand, mit Stallfütterung
5)
Cato r. r. 13: Winter- und Sommerstallung für das Rindvieh. – Stallfütterung r. r. 4. – Pabulum aridum r. r. 29 f.Futter: Frisches Laub (frons ulmea[,] populnea, quernea) und Eicheln, Weintrebern (r. r. 54), Heu oder statt dessen Stroh mit Salz, dazwischen Lupinen und Klee, auch Wicken und Buchweizen. – Stoppelweide nur ausnahmsweise Varro r. r. I, 52.
und demgemäß sehr intensiver Düngung
6)
Cato r. r. 29 f.: Tauben- und Schafmist. Fast an chinesische
10
Offenbar Reminiszenz aus Bebel, Die Frau und der Sozialismus, S. 306, Anm. (auch bereits dass.8, S. 175, Anm.), wo Bebel seinerseits einen markanten Passus aus Liebigs „Chemischen Briefen“ über die hohe Wertschätzung von Düngerstoffen in China und damit zusammenhängende ‚Verpflichtungen‘ zitiert. Vgl. auch S. 349, Anm. 101.
Zustände erinnert die Inschrift C.I.L. XIII
11
Die Inschrift findet sich in CIL XII.
, 2462, enthaltend eine Warnungstafel vor dem unbefugten Befahren eines campus pecuarius. Die angedrohte Strafe besteht außer einer Geldpön in der Verpflichtung, so lange an Ort und Stelle sich [A 222]aufzuhalten, bis man (seinen eignen und?) des Gespannes Mist daselbst zurückgelassen habe.
. Daß die Anbauweise der Cerealien eine in [299][A 222]Bezug auf die zu verwendenden Arbeitskräfte nach unsern Begriffen intensive war und stets geblieben ist, hat Rodbertus mit Recht hervorgehoben; es liegt das schon darin, daß der Reihenanbau üblich war
7)
[299]Der hiernach nötigen sorgfältigen Bestellungsweise wegen wird über die Nachteile der Sklavenarbeit gerade im Cerealienbau geklagt. Columella r. r. I, c. 7
16
Die zitierte Stelle findet sich Columella 1,7,6.
.
und hängt zusammen mit der großen Unvollkommenheit der landwirtschaftlichen Geräte: ist doch das Streichbrett am Pfluge niemals allgemein zur Herrschaft gelangt
8)
Für das Unterpflügen der Saat: „Tabellis additis ad vomerem simul et satum frumentum operiunt in porcis et sulcant fossas, quo pluvia aqua delabatur.“ Varro r. r. I, 23
17
Das Zitat bezieht sich auf Varro, res rust. 1,29.
.
und der antike Pflug nach Sombarts Beobachtungen in der Campagna noch heute im Gebrauch
9)
Auch beim Dreschen erhielt sich das Austreten durch das Vieh neben der von Vieh bewegten Dreschwalze und dem gezahnten Dreschbrett, Varro r. r. I, 52. Geschnitten wurde das Getreide durchweg mit der Sichel; das Mähen mit der Sense wird nicht erwähnt. Nach Varro I, 50 wurde es dabei mit der linken Hand gefaßt und durchgeschnitten, eine sehr langsame Art des Erntens. Oft schnitt man zuerst die Ähren und das Stroh später besonders ab.
. Die technische Seite des Betriebes ist bei den Cerealien, wie sich aus den scriptores r[ei] r[usticae] ergibt, stabil geblieben, und dies hängt mit dem Zurücktreten des Getreidebaues für den zu gewinnenden Reinertrag zusammen. Wenn nämlich soeben der Getreideanbau als Rückgrat des Wirtschaftsbetriebes bezeichnet wurde, so soll dies nur heißen, daß auch beiungünstigsten
b
[299]A: ungünstigsten,
geschäftlichen Konjunktionen und beim Großbetriebe der Anbau eines sehr großen Bruchteils des Areals mit Getreide im Interesse der Ernährung der familia unumgänglich war, zumal bei den vegetarischen Ernährungsverhältnissen des Altertums. Wenn wir die Etatsaufstellung von Cato über den Verbrauch der familia ansehen, so finden wir pro Arbeiter im Sommer 4½, im Winter [A 223]4 modii
14
Ca. 39,4 bzw. 35,0 l. (Vgl. zur Umrechnung Hultsch, Metrologie, S. 704).
Weizen per Monat und für die gefesselten Sklaven Brot in noch höherer Relation, daneben nur Treberwein und als Zukost (pulmentarium) oleae caducae, gelegentlich gesalzene Fische, sowie Öl und Salz, aber weder Käse, noch Hülsenfrüchte, noch Fleisch aufgeführt. Stellt man [300]damit zusammen, daß zu Columellas
10)
[A 223][300]Col. II, 4
25
Genauer: Columella 2,4 und 11,2. – Die Summe von 4 Tagewerken nach Columella 2,4,8, wo sich auch Einzelangaben zu den Arbeitsgängen beim Pflügen finden; doch stammen Webers Einzelzahlen für das Pflügen aus Columella 11,2,46.
.
Zeit pro jugerum
18
[300]Ca. 0,25 ha.
für die erste Umpflügung (proscindere) 2–3, für die zweite Furche (iterare) 1–2, für die dritte (tertiare) 1 und für die Saatfurche (lirare) per 2 jugera ½–1 Tagesarbeiten, insgesamt für das Pflügen allein pro jugerum in der Regel 4 Tagewerke gerechnet wurden, so daß für 6–7 jugera
19
Ca. 1,51–1,77 ha.
ein Arbeiter zu halten gewesen wäre
20
Weber macht seine Argumentation hier nicht deutlich. Bei Varro, res rust. 1,18,2 wird für 8 iugera Getreideland 1 Arbeiter, bei Columella an anderer Stelle (2,12,7) werden für 200 iugera Getreideland 10–13 Arbeiter gerechnet.
, daß zur gleichen Zeit pro jugerum 4–5 modii
21
Ca. 35,0–43,8 l.
Weizen gesät wurden (Colum. II, c. 9)
22
Die zitierte Stelle findet sich Columella 2,9,1–6.
, und man schwerlich mehr als das 3–4fache der Aussaat als Rohertrag wird rechnen dürfen, so ergibt sich, ohne daß man eine annähernd genaue Rechnung aufstellen könnte, daß der als Reinertrag bleibende Bruchteil jedenfalls nicht viel mehr als das betrug, was der Besitzer bedurfte, um die Arbeitskräfte zu ernähren, wenn er die kleinere Hälfte seines Besitzes mit Wein, Öl und Gartenbauprodukten bestellen wollte, da beispielsweise für 100 jugera
23
Ca. 25,23 ha.
Weinland nach Catos äußerst günstiger Rechnung
10a)
Auch Columella rechnet auf 7 jugera
26
Ca. 1,77 ha.
Wein einen ständigen und ausgebildeten Arbeiter l. III, c. 3
27
Die zitierte Stelle findet sich Columella 3,3,8.
.
16 ständige Arbeiter zu halten waren (Cato r. r. 10)
24
Die zitierte Stelle findet sich Cato, de agric. 11,1.
. Im übrigen ist ersichtlich schon bei Cato das Interesse an dem Getreidebau in den Hintergrund gedrängt zu Gunsten des Wein– und namentlich Ölbaus. Während die Buchführung über das Getreide nur nach Art eines Kassenbuches Eingang und Verwendungsart enthält, ist die ratio vinaria und olearia so eingerichtet, daß sie die Verkäufe, den Eingang des Kaufpreises, die restierenden Forderungen, die zum Verkauf vorhandenen Bestände aufweist (Cato r. r. 2). Während [A 224]ferner der Vertrieb des Öls sich nach dem [301]Preisstande richten soll, wird der Verkauf des Getreides und (damals auch noch) des Weines nicht als im regelmäßigen Lauf des Betriebes, sondern nur für den Fall des Vorhandenseins überflüssiger Bestände vorkommend und unter einer Rubrik mit dem Verkauf alter Inventarstücke, kranker und alter Sklaven behandelt
11)
[A 224][301]Cato r. r. 2.
. Der Verkauf scheint regelmäßig an Ort und Stelle im Wege der Auktion stattgefunden zu haben, an einen Vertrieb in die Ferne wird offenbar wenig gedacht. Zwar erwähnt Cato, daß es vorteilhaft sei, wenn das Meer, ein schiffbarer Fluß oder eine belebte Straße in der Nähe liege, aber letzteres mehr im Zusammenhang mit der Möglichkeit, Arbeiter zur Ernte heranzuziehen
13)
Cato1.
c
[301]A: I. Diese auch an anderen Stellen vorkommende Schreibung wurde im folgenden stillschweigend berichtigt.
. Ein Landtransport war in der That, sobald irgend beträchtliche Entfernungen in Frage kamen, nicht zu erschwingen
14)
Nach Varros Rechnung macht die Lage am Meere für die Höhe der Rente aus der Zucht von Luxus-Tafelartikeln gegenüber der Lage im Binnenland eine Differenz im Verhältnis von 5 : 1 aus (Varro r. r. III, 2)
29
Die zitierte Stelle findet sich Varro, res rust. 3,2,17.
, bei Massengütern mußte diese Differenz noch weit bedeutender sein.
, und Columella, der die Nähe des Meeres und großer Flüsse noch erwähnt als den Austausch der Rohprodukte gegen Waren erleichternd
28
[301]Vgl. Columella 1,2,3.
, hält die Nähe größerer Straßen, der Einquartierung und des Ungeziefers der Vagabunden wegen, für nicht erwünscht
15)
Columella I, 5
30
Die zitierte Stelle findet sich Columella 1,5,6 f., wo allerdings – 1,5,6 – nicht vom ‚Ungeziefer der Vagabunden‘, sondern vom Ungeziefer im Fall der Errichtung von Gebäuden nahe einem Sumpf die Rede ist. Vgl. damit noch die (offensichtlich nicht exakt überlieferte Stelle) in Webers Wirtschaftsgeschichte1, S. 186.
.
. Jedenfalls war der Getreidemarkt Roms, der natürliche für die italische Landwirtschaft, ihr verschlossen durch das auf dem Seewege von Staatswegen importierte Getreide. Dagegen waren die Lokalmärkte für diese auswärtigen Zufuhren unzugänglich und deshalb ein regelmäßiger, nicht großer, aber stetiger Absatz auch für Getreide der Landwirtschaft [A 225]gesichert. Man darf sich deshalb die viel besprochenen und im allgemeinen nicht abzu[302]leugnenden Wirkungen der auswärtigen Konkurrenz nicht zu akut vorstellen
31
[302]Die Vorbehalte gelten wohl in erster Linie Mommsen; vgl. ders., Römische Geschichte 18, S. 839–841 und 857.
. In großen Teilen des Binnenlandes werden die Verhältnisse stabil geblieben sein, die scriptores r[ei] r[usticae] gehen noch von der Voraussetzung eines bewußt gepflegten nachbarlichen Zusammenhaltens aus, es wird Wert auf anhaltend gute Beziehungen zu den Nachbarn gelegt, gegenseitige Aushilfe mit Ackergerät und Saatkorn versteht sich von selbst
16)
[A 225][302]Cato r. r. 5 und 142. Cato
33
Weber zitiert Cato, de agric. 5,3.
will die gegenseitige Aushilfe allerdings auf einen festen Kreis von Familien beschränkt wissen. Allein es wird doch Unterstützung durch die Nachbarn operis jumentis materia als regelmäßig erwähnt r. r. 4.
, und eine eigene Klage für das unentgeltliche Darlehen (mutuum)
32
Das mutuum wird erwähnt bei Cato, de agric. 5,3. Die Klage darauf (condictio certi) war Gegenstand von Webers erster These bei seiner Promotion. Vgl. Weber, Solidarhaftprinzip, S. 57.
hätte ohne diese Reste eines festeren nachbarlichen Verbandes nicht bestehen können.
Schicksale des Cerealienbaus. Öl- und Weinbau.Aber allerdings ist nicht zu bezweifeln, daß der Cerealienbau zur Stagnation verurteilt war, weil er eine geschäftliche Verwertung seitens des Produzenten nicht gestattete und selbst lokaler Marktartikel nur in bedingter Weise war. Das war um so wichtiger, als, bei dem intensiven Eindringen städtischer Gesichtspunkte in die agrarischen Verhältnisse, wie es die Art der Besiedelung und der Zusammenhang des politischen Lebens mit dem städtischen Markt mit sich brachte, außerdem aber, weil für die in Rom domizilierenden Gutsherren eine bare Geldrente dringendes Bedürfnis war, die Höhe der Grundrente sehr in den Vordergrund des Interesses treten mußte. Die Schriften Catos und der übrigen scriptores rei rusticae muten in gewisser Richtung ähnlich an wie etwa Thaers „Rationelle Landwirtschaft“, sie gehen davon aus, daß jemand als Kapitalanlage den Kauf eines Landgutes beabsichtigt, geben hierfür Ratschläge und erörtern dann, [A 226]immer in einer auf die Einführung von Dilettanten in die Praxis berechneten Weise, die Dinge, die ein angehender Landwirt wissen muß, um seinen villicus annähernd kontrollieren zu können
17)
[A 226] Die Anweisung Catos – r. r. 2 – über das mit dem villicus bei zeitweiligem Besuch auf dem Gut anzustellende Examen und die Art, wie der paterfamilias ihm dabei mit seiner Sachkunde zu imponieren vermöge, ist höchst charakteristisch.
. Die mangelnde Rentabilität des Cerealienbaues führte nun [303]schon zu Catos Zeit dazu, daß man Kapitalaufwendungen zu Meliorationszwecken auf den mit Getreide bebauten Acker zu machen möglichst vermied
18)
[303]Cato r. r. 1: scito … agrum … quamvis quaestuosus siet, si sumtuosus siet
35
Der Text Catos lautet: erit.
, relinquere
36
Der Text Catos lautet an dieser Stelle (auch in der von Weber benutzten Bipontina I, S. 10): relinqui.
non multum.
. Vielmehr verlegte man den Schwerpunkt in andere Zweige des Betriebes. Das bekannte immer stärkere Hervortreten des Wein– und Ölbaues wurde schon erwähnt
34
[303]Oben, S. 300.
. Daneben trat auch noch der Anbau von Hülsenfrüchten, Gartengewächsen und die Baumzucht in den Vordergrund
19)
Spargel bei Cato 161, Kohl 156 f. Hülsenfrüchte treten erst bei Columella (II, 10 f.) mehr in den Vordergrund. Ebenso werden Gartengewächse, auch Blumen, offenbar steigend produziert (Columella l. X). Verwendung des Samens an Baumschulen und umgekehrt überseeischer Bezug bei Varro I, 41. Eingehende Schilderung der Baumzucht findet sich schon bei Cato 40 f. (Pfropfen das[elbst], Okulieren bei Varro I, 40, Topfkultur bei Cato 52). In der Nähe von Städten findet sich bei Cato auch Holzzucht als rentabel (Brennholz) empfohlen (r. r. 7); daneben tritt die Kultur von Rohr und Weiden für Bau- und Korbflechtzwecke stark hervor (salictum als selbständige Kategorie von Acker r. r. 1).
. Das Eigentümliche des Wein- und Ölbaues gegenüber dem Ackerbau ist nun für die römische Zeit, daß er, um die neuerdings gebräuchliche Ausdrucksweise zu acceptieren, nicht Arbeits-, sondern Kapital-intensiv ist. Nach Columellas Rechnung sollen die Setzlinge und die sonstige Zurichtung per jugerum bei Wein das Doppelte des Grund und Bodens kosten
20)
Columella rechnet l. III, c. 3: Für 7 jugera
37
Ca. 1,77 ha.
Weinland [A 227]bedarf es eines vinitor, der damals, weil man ausgebildete Arbeiter nahm, nicht wie in republikanischer Zeit einen „noxius de lapide
38
Vgl. Columella 3,3,8: de lapide noxium, d. h. ‚einen Schurken vom Steinblock‘ (wo die Sklaven auf dem Sklavenmarkt ausgestellt waren).
, 6–8000 Sesterzen kostete. Dazu der Bodenpreis pro jugerum 1000 = 7000 Sest. Dazu ferner die vineae cum sua dote, d. h. „cum pedamentis et viminibus“, pro jugerum 2000 = 14 000 Sest. Macht zusammen 29 000 Sest., dazu Zwischenzinsen für die zwei Jahre, bis die vineae tragen, zu 6 %: 3480 Sest.; – gesamte Kapitalanlage 32 480 Sest. Um 6 % zu erzielen, müssen 1950 Sest. Reinertrag gewonnen werden. Mindestertrag pro jugerum 1 culleus (= 0,52 527 hl)
39
Muß lauten: 5,2527 hl. Weber fußt hier – mit einem Versehen in der Dezimalstelle – offenkundig auf den Angaben bei Hultsch, Griechische und römische Metrologie, S. 125 f.; vgl. auch ebd., S. 704 (1 Amphora = 26,263 I; 1 culleus = 20 amphorae = 5,2526 hl).
, Minimalpreis pro culleus damals 300 Sest., Ertrag [304]2100 Sest. Es ist bei dieser nicht uninteressanten und deshalb hier aufgenommenen Rechnung offenbar vorausgesetzt, daß der Unterhalt des vinitor und der nicht ständig beschäftigten Arbeiter – denn obwohl der Wein in Ranken gezogen wurde und nicht als Stöcke (Cato 32)[,] konnte doch ein Arbeiter nicht für 7 jugera reichen – durch das Ackerland zu beschaffen sei. Man schrieb dies, also dem Weinkonto nicht zur Last.
. Dagegen sind nicht mehr, son[A 227]dern nach den Zahlen, die Columella und Cato anführen, sogar etwas weniger Arbeiter als für den Getreide[304]bau auf gleicher Fläche nötig, und beim Ölbau stellt sich das Verhältnis, was die Arbeitskräfte angeht, sogar noch günstiger
21)
Für 240
42
Ca. 60,55 ha.
jugera Öl rechnet Cato 13, für 100
44
Ca. 25,23 ha.
jugera Wein 16 ständige Arbeiter. Der Öl- und Weinbau wurde plantagenartig mit dem Pfluge (Varro 1, 8), starker Düngung und in einer Art betrieben, daß in republikanischer Zeit die billigste Sklavenqualität dazu verwendet werden konnte (siehe unten)
45
Unten, S. 314 f.
.
. Diese Relationen
40
[304]Sie treffen hinsichtlich des Weinanbaus nur dann ungefähr zu, wenn man Webers eigenen Wert von 1 Arbeiter für 6–7 iugera Getreideland zugrunde legt (vgl. S. 300), nicht jedoch bei den Zahlen Catos (vgl. Webers Fußnote 21), Varros und Columellas (dazu vgl. S. 300, Anm. 20).
aber können sich im wesentlichen seit Cato bis Columella ebensowenig bedeutend geändert haben wie die Technik.
Wiesenkultur. Großweidebetrieb und villaticae pastiones. Ebenso liegt das Verhältnis bei intensiver Wiesenkultur, die bei Cato und noch mehr bei Varro in den Vordergrund tritt
22)
Die Rangfolge der praedia bei Cato ist (r. r. 1): vinea, hortus irriguus, salictum, oletum, pratum, campus frumentarius, silva caedua, arbustum, glandaria silva (Waldweide). Varro 1, 7 setzt bona prata, – die prata parata der majores
46
Bei Varro, res rust. 1,7,10 heißt es: antiqui.
(d. h. wohl genossenschaftlich berieselte Wiesen) [–] allem voran.
. Auch hier waren Kapitalinvestitionen in bedeutendem Umfange nötig, namentlich Bewässerungsanlagen, zu welchen dann aus den Aquädukten der Gemeinde Wasser [A 228]gegen Taxen stundenweise abgegeben wurde
23)
[A 228]C.I.L.,XIV,
d
[304]Fehlt in A; Bandnummer XIV, ergänzt.
3649
46a
Nicht einschlägig. Vgl. jedoch CIL VI 1261, VIII 4440.
. 3676 und öfter.
und die Legung der Röhren auf den limites ortsstatutarisch gestattet wurde. Da bei den früher erörterten
41
Oben, S. 189.
Eigentümlichkeiten des römischen Realkredits dauernde zinsbare Anlagen privater Kapitalien in Grundbesitz zu Meliorationszwecken nicht leicht möglich waren, so erforderte der Übergang zu diesen intensiven Kulturarten Barmittel, wie sie nur ein größerer Grundbesitzer zur Verfügung hatte. Ande[305]rerseits konnte man, um Arbeitskräfte und Kapital gleichzeitig zu sparen, zum Weidebetrieb übergehen. Auch dies aber läßt sich nur in der Form des Großbetriebes erreichen und ist auch thatsächlich geschehen, nur schwerlich in dem Umfang, wie gelegentlich
48
[305]Weber meint wahrscheinlich vor allem Mommsen: Römische Geschichte 18, S. 244 f., 838, 844 und 859; dass., Band 28, S. 74, sowie Band 38, S. 519. Vgl. noch oben die Einleitung, S. 36.
behauptet worden ist, denn thatsächlich sind nur Teile Italiens für eine solche Wirtschaftsweise geeignet, im Altertum namentlich Apulien, und wir finden dort und in den calles, den Triften in den mittelitalischen Gebirgsketten, in der That wandernde Hirten mit gewaltigen Viehherden, ganz wie noch heute
25)
[305]In der späteren Kaiserzeit entwickelten sie sich zu gefährlichen organisierten Räuberbanden. Tit. Cod. Th. IX, 29, 30, 31. Die allgemeinen Verhältnisse dieser Wanderherden ergibt Varros zweites Buch. Es kommen auf 80–100 Schafe 1, auf 50 Pferde 2 Personen. Pferdeherden wurden in Apulien, Eselherden ebendort des Transportes wegen gehalten. Die Esel standen aus diesem Grunde im Preise hoch, nach p. 207 (Bipont.)
52
Weber zitiert Varro, res rust. 3,2,7 (vgl. oben den Editorischen Bericht, S. 82).
pro Stück 40 000 Sest., das Fünffache eines geschulten Sklaven zu Columellas Zeit. Die Herden werden im Sommer beim Auftrieb auf den ager publicus dem publicanus profitiert behufs Erhebung der scriptura. Im Winter befinden sie sich in Apulien, welches demgemäß nach saltus aufgeteilt und assigniert ist, also in größeren, 800 jugera in älterer Zeit, 5000 später betragenden Komplexen. Auf derartigem Terrain waren die Kolonisationsversuche nach Art der Ackerbaukolonien durchweg vergebens geblieben. Auch der Kaiser besaß in Apulien saltus und große Wanderherden
57
Die Feststellung bezieht sich offenbar auf die im folgenden zitierte Inschrift CIL IX 2438 (auch bei Bruns, Fontes5, S. 217 f.) aus Saepinum (Samnium), die Pächter von Schafherden des Kaisers betrifft.
. Eine Inkommunalisierung der saltus hat wahrscheinlich zum großen Teil nicht statt[A 229]gefunden, vielmehr werden sie das größte außerhalb der Munizipalbezirke liegende Gebiet in Italien gewesen sein und haben deshalb wohl den Gutsbezirken überhaupt den Namen gegeben. Die Wanderhirten waren bewaffnet, standen unter magistri pecudis und waren überwiegend Sklaven. Cäsar versuchte durchzusetzen, daß ein Drittel der Arbeiter Freie sein sollten. Zum Kochen etc. wurde den Hirten ein Weib mitgegeben, die Hauptmahlzeit wurde gemeinsam unter dem magister eingenommen, die übrigen von jedem bei seiner Herde. Diese so organisierten Herden wurden, soweit sie im kaiserlichen Besitz waren, [306]an conductores als Ganzes vergeben. Cf. C.I.L.,IX,
e
[306]Fehlt in A; Bandnummer IX, ergänzt.
2438
, wo dem Magistrate von Saepinum das Unterlassen von Chikanen gegen die conductores aufgegeben wird. Im übrigen vgl. zum vorstehenden Varro l. c.
. End[A 229]lich konnte man in der [306]Nähe der Hauptstadt oder an guten Verkehrswegen dorthin speziell auf den hauptstädtischen Tafelluxus berechnete Dinge produzieren, und es finden sich in der That großartige Geflügelzüchtereien – sog. villaticae pastiones –, an welchen gewaltige Renten verdient wurden
26)
Cf. Varro r. r. l. III im Eingang und den ersten Kapiteln.
. Es tritt diese Entwickelung auch in den Quellen hervor, denn während Cato die Viehzucht noch in organischem Zusammenhang mit dem Ackerbau behandelt, nimmt bei Varro die res pecuaria bereits eine selbständige Stellung ein und wird demgemäß gesondert erörtert, und ebenso werden von ihm an die villaticae pastiones mit steigender Ausführlichkeit behandelt
62
D.h. bei Varro in einem besonderen Buch (res rust., Buch 3), bei Columella in zwei Büchern (8-9).
. Im übrigen aber zeigt die Technik der Bewirtschaftung nach den Schilderungen der scriptores rei rusticae in der Zeit Catos, Varros und Columellas keine wesentlichen Verschiedenheiten. Die Dimensionen der geschilderten Betriebe haben bei Columella gegen Cato allerdings wohl zugenommen. Die Wein- und Ölgewinnung, wie Cato sie schildert (r. r. 3)[,] steht noch etwa auf der Stufe der Bereitung des „Haustrunkes“ bei uns. Die beliebteste geschäftliche Verwertung der Öl- wie der Weinernte scheint der Verkauf der hängenden Früchte gewesen zu sein, und diese Art der Verwertung ist auch nach Columella noch [A 230]die Grundlage der Rentabilitätsberechnung; allein die ganz großen Betriebe besitzen ihre eigene Weinkelter und Ölpresse, ebenso wie sie sich ihre eigenen Handwerker halten. Man gewinnt meines Erachtens den bestimmten Eindruck, daß die Neigung, in dieser Weise die Deckung der Bedürfnisse der Wirtschaft in eigene Regie zu nehmen und das Produkt marktfertig herzustellen, bei den großen Betrieben im Wachsen ist – eine parallele Erscheinung zu der Beseitigung der Steuerpacht in der Staatsverwaltung –, auf die Gründe kommen wir noch zurück
64
Unten, S. 337, vgl. 347 f.
. –
[307]Groß- und Kleinwirtschaft.Es ist nun nicht unbestritten, wie wir uns diese großen Betriebe im übrigen zu denken haben, insbesondere ob thatsächlich nicht nur der Großbesitz, sondern auch die Großwirtschaft es gewesen ist – und eventuell in welcher Form –, die zu den eigentümlichen Rechtsbildungen der Kaiserzeit führte. Damit treten wir der Frage näher, welches Personal, selbständig und unselbständig, im landwirtschaftlichen Betriebe thätig war. Vor allem ist hier zu fragen: gab es einen lebensfähigen Stand selbstwirtschaftender Landwirte, unsren Bauern vergleichbar?
Sicher ist, daß der Stand der kleineren Eigentümer seit dem zweiten punischen Kriege in einer immerhin so starken Abnahme begriffen war, daß man gesetzgeberisch einzuschreiten sich bewogen fand. Diese Erscheinung hielt später an, statistisch ist ihr dank Mommsens Untersuchung auf Grund der Alimentartafeln nachzukommen, und diese ergeben eine Abnahme noch in der Zeit Trajans gegenüber derjenigen der Triumvirn. Die Abnahme ist langsamer in den gebirgigen Gegenden von Benevent, schneller in der Poebene
28)
Das für die Ligurer in Benevent bestimmte Kapital von ca. 400 000 Sest. verteilt sich auf 66, dasjenige der Velejaten von ca. 1 000 000 Sest. auf 52 Besitzer. In Benevent überwiegt noch [A 231]Besitz von bäuerlichem Umfang, in Veleja haben von den Bedachten nur die Hälfte unter 100 000 Sest., viele weit über den senatorischen Census an Besitz. Es finden sich große (inkommunalisierte) saltus im Schätzungswert von bis zu 1 250 000 Sest.
. Es bestätigt dies, was aus [A 231]den obigen
66
[307]Oben, S. 306.
Bemerkungen ohnehin zu entnehmen ist, daß die Nähe größerer Verkehrsstraßen die allgemeine Entwickelung beschleunigte. Mag nun das Ergebnis dieser Tendenz ein mehr oder weniger vollständiges gewesen sein, jedenfalls können wir in dem Stande der selbstwirtschaftenden kleineren Eigentümer nicht ein lebensfähiges Element der weiteren agrarischen Entwickelung erblicken. – Für die Fortentwickelung der Wirtschaftsweise kommen vielmehr gerade die Betriebe in Betracht, deren Umfang es dem Eigentümer ermöglichte, neben der villa rustica auf dem Lande noch eine villa urbana in der Stadt
67
Der Ausdruck ‚villa urbana‘ für ‚Stadthaus‘ bzw. ‚städtische Villa‘ erscheint problematisch, da damit regelmäßig das ‚Herrenhaus‘ eines Gutshofs (im Gegensatz zum Gesindehaus, villa rustica) bezeichnet wird (vgl. Columella 1,6,1; auch Cato, de agric. 4; dazu z. B. Mommsen, Römische Geschichte 18, S. 834).
zu besitzen, und den [308]von den Feldarbeiten nicht in Anspruch genommenen Teil des Jahres sich dort aufzuhalten. Diesen vielbeklagten Absentismus der Grundherren brachte der städtische Charakter der ganzen Besiedelung mit sich. Die politische Herrschaft der Grundaristokratie beruhte darauf, daß nur sie stetig in Rom am politischen Leben teilnahm. Solche Figuren, wie Cincinnatus bei Livius, sind Paradigmen und haben in praxi schwerlich je in großer Zahl bestanden. Daß dieser Absentismus, mehr aber noch die Benutzung der Grundstücke als Spekulationsobjekte und Mittel für Beteiligung an kapitalistischen Geschäften, dazu führten, daß die Stellung des Grundherrn die eines wesentlich nur die Geldrente verzehrenden, das Gut selten besuchenden, städtischen Kapitalisten war, geht aus den darauf bezüglichen Klagen Catos
72
Vgl. Cato, de agric. 1,4; 2,1 und 142, wo der Absentismus erwähnt, allerdings nicht beklagt wird.
und Varros
73
Vgl. Varro, res rust. 2,1,1–3. – Ausdrückliche Klagen über den Absentismus vor allem bei Columella, vgl. bes. 1, praef. 12–19 sowie 12, praef. 10.
hervor. Eine konstante eigene rationelle Wirtschaftsführung war von derartigen Grundbesitzern im allgemeinen nicht zu erwarten, es wird sich regelmäßig für sie um Ziehung einer festen Geldrente gehandelt haben, oft genug um bloßes momentanes Geldmachen.
[A 232]Die coloni der republikanischen Zeit. Vielversprechend scheint dagegen, bei der Identität der Bezeichnung für „Bauer“ und „Pächter“ – colonus – der mit diesem Ausdruck bezeichnete Stand zu sein; – sollten bei ihm die Eigenschaften eines sozial ins Gewicht fallenden Bauernstandes sich finden? – Dem steht nun zunächst schon die juristische Konstruktion des römischen Pachtrechtes entgegen
74
Wie eine bewußte Kritik an der Einseitigkeit der folgenden Darstellung (jedoch ohne Namensnennung) erscheinen die Ausführungen Meitzens über den in der Praxis milderen Charakter des römischen Pachtrechts in: ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 350 f.
. Nicht nur, daß der Pächter gegen Dritte überhaupt kein Rechtsmittel hat – auch nicht gegen gewaltsamen Angriff –, es fehlt ihm der possessorische Schutz auch gegen den dominus. Was nach unserm geltenden Recht kein noch so drakonisch gefaßter Mietskontrakt, welchen Hausbesitzervereine und ähnliche Interessentengruppen ersinnen mögen, erzielen kann: daß der Mieter zuerst räumen muß und dazu ohne Prozeß im Selbsthülfewege gezwungen werden kann, und dann seinen Schaden liquidieren darf, wenn er einen solchen und [309]sein Recht noch weiter zu wohnen nachweisen kann, das ist nicht nur für Mieter, sondern für Pächter im römischen Recht zum Prinzip erhoben. Man sage nicht, daß die Praxis selbstverständlich im Durchschnitt so nicht verfahren sei, – es ist jedenfalls das sicher, daß ein sozial bedeutsamer und selbstbewußter Stand sich einen solchen Rechtszustand nicht hätte gefallen lassen. Die staatlichen Domänenpächter sind zwar dem Staat gegenüber prekär gestellt, insofern sie nach Ablauf der Censusperiode beseitigt werden konnten und überhaupt nur administrativen Schutz genießen, im übrigen aber genießen sie den Schutz des locus in dem Umfange, wie er ursprünglich überhaupt nur bestand, nämlich possessorisch. Dies fehlte dem Privatpächter, und daß es ihm fehlte, zeigt deutlicher wie alles andre seine soziale Inferiorität und wirtschaftliche Schwäche. Es ist schon hieraus zu schließen, daß wir einen Stand von Großpächtern, wie er heute in Italien den Großeigentümern teilweise gegenübersteht, nicht vorauszusetzen haben. Cato
75
[309]Das folgende Zitat bezieht sich auf Columella; vgl. Anm. 76.
warnt eindringlich vor Pächtern, welche [A 233]nicht selbst ackern, sondern das Gut mit ihrer familia bewirtschaften wollen. Auch boten ja die Domänen für Kapitalisten in gewaltigstem Umfange Raum zur Anpachtung großer Komplexe und zur spekulativen Ausbeutung des Landes in einem Grade, wie ihn ein privater Eigentümer sich niemals hätte gefallen lassen können, während die in den Händen von Standesgenossen des manceps befindliche Domänenverwaltung dem Raubbau schwerlich scharf auf die Finger gesehen haben wird, mochte die lex censoria auch etwa Klauseln darüber enthalten. Im allgemeinen steht demgemäß den Großgrundbesitzern, wo sie überhaupt verpachten, ein Stand von Kleinpächtern gegenüber
29)
[A 233][309]Namentlich auch die dauernd, wie demnächst
77
Vgl. unten, S. 311 f.
zu erörtern sein wird, angesiedelten Colonen müssen überwiegend Kleinpächter gewesen sein, nicht mittlere und größere Wirte. Alle Erfahrungen (z. B. in Mecklenburg)
78
In Mecklenburg war der Gegensatz zwischen den relativ abgesicherten Bauern im Domanium (d. h. dem im unmittelbaren Besitz des regierenden Hauses befindlichen Land) und den rechtlich und sozial erheblich schlechter gestellten Bauern der ritterschaftlichen (gutsherrlichen) Territorien stark ausgeprägt, zumal seit der 1867 erfolgten Vererbpachtung aller Bauernstellen im Domanium. Vgl. dazu etwa Paasche, Hermann, Die rechtliche und wirthschaftliche Lage des Bauernstandes in Mecklenburg-Schwerin, in: Bäuerliche [310]Zustände in Deutschland, Band 3 (Schriften des Vereins für Socialpolitik 24). – Leipzig: Duncker & Humblot 1883, S. 327–381, besonders S. 327 f., 331, 344 und 348 f. Vgl. auch Webers Charakterisierung der Verhältnisse in Mecklenburg in: ders., Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (Schriften des Vereins für Socialpolitik 55). – Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. 698 f. und 762–767 (MWG I/3, S. 810 und 880–885).
sprechen dafür, daß die dauernde [310]Kolonisation durch Ansetzung großer Bauern nur durch den Staat als Domänenherrn oder ganz große Gutsherren, etwa vom Range des Fürsten Pleß
81
Der Grundbesitz des Fürsten Pleß in Oberschlesien (Hans Heinrich XI., 1833–1907) erreichte 51 000 ha. – Ganz ähnlich wie hier von der Möglichkeit einer großzügigen Agrarpolitik „nach Art etwa des Mecklenburgischen Domaniums“ bei einem ‚ganz großen Standesherrn‘ spricht Weber in: Deutschlands äußere und Preußens innere Politik. II. Die Nobilitierung der Kriegsgewinne, in: Frankfurter Zeitung, Nr. 59 vom 1. März 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 210).
, geschehen kann; Gutsherren von minderer Größe werden stets nur einen Häusler- und Kätnerstand zu schaffen in der Lage sein, mögen die Verhältnisse die Kolonisation noch so sehr erleichtern.
und, da die parzellenweise [310]Verpachtung großer Besitzungen damals wie heute eine relativ hohe Rente zu ergeben pflegt, war dies auch geschäftlich vorteilhaft. Vor allen Dingen aber gewährte die Parzellenverpachtung die Möglichkeit, eine stetige Grundrente zu erzielen, und dies mußte in der republikanischen und der früheren Kaiserzeit ein wesentlicher Gesichtspunkt sein, da der Ertrag auswärts – in Rom – verzehrt werden sollte. Wahrscheinlich aus diesem Grunde ist die Teilpacht zu einer so wenig durchgebildeten Entwickelung gelangt, – sie wird in den juristischen Quellen nur einmal und da in der Weise erwähnt, daß selbst die juristische Konstruktion – ob locatio, ob societas – zweifelhaft erscheint
80
Weber bezieht sich hier offenkundig auf die nur in seinem Literaturverzeichnis zu Kapitel IV erwähnte Arbeit von Waaser, Die Colonia partiaria.
. Wie der Grundbesitzer – sofern er nicht zu den ganz großen [A 234]gehörte – die Öl- und Weinernte hängend vergab, um eine feste Geldsumme in Händen zu haben, so schloß man mit den Colonen ab. Dem entsprach es, daß der Grundherr das instrumentum fundi lieferte, daß überhaupt dem colonus sehr wenig freie Hand in der Art der Gestaltung des Wirtschaftsbetriebes gelassen wurde: Zweck der Verpachtung war wesentlich, das Risiko von dem Herrn ab und auf den colonus überzuwälzen und dem Herrn einen wahrscheinlich niedrigen, aber festen Barertrag zu sichern. Das ganze Verhältnis wird denn auch aufgefaßt als eine Art und Weise, in welcher der Herr sein Gut bewirtschaftet
29a)
[A 234]Colum. 1, 7.
.
[311]Existenzbedingungen der Parzellenpacht.Darin lagen im wesentlichen schon die Keime der späteren Wandlung, welche mit den Änderungen in den ländlichen Arbeiterverhältnissen zusammenhängt. Wenn nämlich soeben von Parzellenverpachtung als einer jedenfalls sehr häufigen Form der Verwertung von Grundstücken gesprochen worden ist, so sollte damit nicht etwa gesagt werden, daß eine Zerschlagung des gesamten Besitztums in einzelne Pachtparzellen etwas Häufiges gewesen sein könnte. Auch das mag vorgekommen sein, namentlich wo der Großbesitz nicht geschlossen, sondern als Mengebesitz bestand, im allgemeinen aber wird von den scriptores rei rusticae durchweg die villa rustica mit dem villicus und einer mehr oder weniger umfangreichen familia als überall vorauszusetzender Mittelpunkt des Wirtschaftsbetriebes größerer Güter behandelt, und auch Columella spricht nur von der Vergebung der agri longinquiores
82
[311]Bei Columella lautet der Ausdruck: longinqui fundi (vgl. auch die Wiedergabe des Textes, unten S. 321, Webers Fußnote 56). – Weber hat dieses Versehen auch später in den „Agrarverhältnissen im Altertum“ nie ausgemerzt; vgl. ders., Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 15; dass.2, S. 81; dass.3, S. 167.
, der Außenländereien und Vorwerke, an coloni
30)
[311]Colum. l. c.
83
Weber zitiert Columella 1,7,6.
. Namentlich der Wein- und Ölbau befand sich wohl regelmäßig in eigener Regie des Grundherrn, diejenigen Teile des Betriebes also, welche spekulativ und geschäftlich verwertet zu werden am besten geeignet waren, während man die Bestellung des Ackerlandes, [A 235]welches viel Arbeitskraft erheischte und doch keine hohe Rente abwarf, dagegen relativ selbständig auf eigne Gefahr wirtschaftende kleine Wirte mit ihrer Familie ernähren konnte, an Colonen vergab
31)
[A 235]Allerdings behielt man auch hier die besseren Teile thunlichst in eigener Hand, da man aus ihnen selbst mehr herauswirtschaftete als die Rente von Colonen betrug (Col. l. c.)
84
Weber zitiert Columella 1,7,4.
. Im übrigen aber vergab man gerade den ager frumentarius, da hier der Colon am wenigsten durch etwaigen Raubbau schaden konnte, die Sklaven aber, bei der notwendigen sorgfältigen Bestellungsweise, sehr unwirtschaftlich verfuhren (Col. l. c.)
85
Weber zitiert Columella 1,7,6.
.
. Auch eine mäßige Geldrente konnten diese daneben erschwingen
32)
Sie konnten dies aus dem Grunde, weil sie den neuerdings von Sombart (sen.) zu [312]Ehren gebrachten „Kuhbauern“ am ähnlichsten sahen, die eigene und die Arbeitskraft ihrer Familie verwendeten, Arbeiter im allgemeinen nicht hielten, also keine festen Löhne zu zahlen, sondern bei ungünstiger Konjunktur nur selbst mit den Ihrigen sich „durchzuhungern“ hatten.
, denn die lokalen Märkte, welche einem Getreidehan[312]del im großen kein Feld boten, gaben dem bäuerlichen Marktverkehr wohl immer einen, wie schon früher
87
Oben, S. 301.
bemerkt, stetigen Absatz. Endlich kommt für die Existenzfähigkeit der Colonen trotz oder vielmehr gerade wegen ihrer unselbständigen wirtschaftlichen Stellung das Moment in Betracht, welches die Überlegenheit der Pacht gegenüber dem Kleineigentum unter gleichen Verhältnissen stets begründet hat und begründet: das eigene Interesse des Herrn an der Existenzfähigkeit der coloni gab diesen in schwierigen Zeiten einen gewissen Anhalt, die Stöße heftiger Krisen verteilten sich bei der Elastizität des Verhältnisses mehr auf den gesamten Betrieb des Gutes; andrerseits ließ sich mit dem gleichen kleinen Kapital bei Anpachtung eines Grundstückes, da man dann das dem Kleineigentümer fehlende Betriebskapital in der Hand behielt, mehr herauswirtschaften, und die Gefahr der Immobiliarverschuldung bei Erbfällen fiel weg: der Gutsherr setzte den ihm passend Scheinenden als Colonen an, meist wohl einen der Erben. –
[A 236]Die ländlichen Arbeiter. Welches war nun das Personal, mit welchem der Gutsherr das in seiner Regie befindliche Areal bewirtschaftete? Daß an eine Gutswirtschaft mit überwiegend freien Tagelöhnern nicht zu denken war, bedarf kaum der Hervorhebung. Der Betrieb mit Sklaven und mit infolge Verschuldung zur Zwangsarbeit addizierten Proletariern oder noxae causa oder durch Hingabe in mancipium in die familia eingetretenen Haussöhnen von Bürgern ist die durchaus herrschende Form des über den bäuerlichen hinausgehenden Betriebes, – daran lassen die scriptores rei rusticae durchaus keinen Zweifel zu. Allein die ausschließliche Verwendung von Sklaven hatte selbst bei einer auf Sklavenarbeit wesentlich gegründeten Betriebsweise schwere Nachteile. Zunächst die Kapitalverluste bei Todesfällen von Sklaven. Varro rät deshalb, an ungesunden [313]Stellen freie Arbeiter zu verwenden, da deren etwaige Erkrankung und Tod den Herren nicht zur Last falle. Ein noch wichtigeres Moment hängt mit einer elementaren und ganz allgemeinen Schwierigkeit der landwirtschaftlichen Arbeiterverhältnisse aller Zeiten zusammen: das Mißverhältnis zwischen dem Bedarf von Arbeitskräften zur Saat-, noch mehr aber zur Erntezeit und während des ganzen übrigen Jahres. Soviel Sklaven halten zu müssen, wie in der Erntezeit erforderlich waren, bedeutete eine monatelange Fütterung unbeschäftigter Arbeitskräfte. Man suchte sich zu Catos Zeit durch Vergebung der Wein- und Ölernte im ganzen an redemtores zu helfen. Ebenso vergab man Meliorationsarbeiten an politores (gegen Anteil an den zunächst erzeugten Früchten), auch die erstmalige Anpflanzung, die Aussaat und Ackerbestellung sind teilweise damals an Geschäftsleute vergeben worden
34)
[313]Politio (Cato r. r. 136) gegen des Ertrags bei gutem, bei schlechtem Acker. Vineam curandam an partiarius
2
[313]Bei Cato heißt es: Vineam curandam partiario.
eod. 137. Verdingung der Ölernte: Cato 145
3
Bezieht sich auf Cato, de agric. 144.
, – des Ölpressens 146
4
Bezieht sich auf Cato, de agric. 145.
, [A 237]Verkauf der Oliven am Baum eod.
5
Weber zitiert Cato, de agric. 146.
, Verkauf des Weins am Stock 147, – in Gefäßen nach der Kelter im großen 148 mit einem schroffen Fixgeschäft-Charakter des Verfahrens. Verkauf des pabulum hibernum auf der Wiese 149. Fructus ovium 150. Überall liefert der Herr einen Teil des Unterhalts der Arbeiter, ferner meist die nötigen Geräte, so z. B. auch bei Vergebung des Kalkbrennens an partiarius (Cato 16). Es ist ersichtlich, daß nur die Arbeitsleistung in dieser Form beschafft werden soll; nur weil der dominus die nötigen Arbeitskräfte nicht hielt, mußte er zu der für den Arbeiter günstigen Form der Verdingung gegen Anteil am Ertrag schreiten. Daß dem Arbeiter dabei nebenher Unterhalt zu gewähren ist, versteht sich meist von selbst; das diokletianische Edikt de pretiis rerum venalium zeigt, daß dies die Regel bei Beschäftigung freier Arbeiter war
6
Offenbar nach Mommsen, Edict Diocletians, S. 62.
.
· Befand man sich dabei [A 237]aber in der Zwangslage, die Ernte unbedingt losschlagen und für die Feldarbeit jeden Preis zahlen zu müssen, weil man selbst nicht ernten beziehungsweise arbeiten lassen konnte, so war das geschäftliche Ergebnis sicher ein ungünstiges. Die Getreideernte ferner, welche wenig geschäftliche Chancen bot, wurde man so nicht los und benötigte ihrer überdies zur Ernährung der familia. Also bedurfte man freier Arbeiter
34a)
Ganz entsprechend dem Bedarf nach „fremden“ Arbeitern neben den „eigenen“ bei unseren Großgrundbesitzern. Im Osten Preußens wird man diesen Bedarf auf ca. ¼ der ganzen Arbeiterschaft anschlagen dürfen.
, die denn auch, meist gegen eine nicht unbedeutende Beteiligung am Ertrag, engagiert wurden, und deshalb lobt [314]Cato Gegenden, welche „operariorum copia“ haben. Allein auf die Dauer war auch dies nicht durchzuführen. Je mehr die Frage der Höhe der baren Rente für den Gutsherrn in den Vordergrund trat, um so rücksichtsloser wurde die Ausbeutung der Arbeitskraft der Sklaven, des „sprechenden Inventariums“ (instrumentum vocale
34b)
[314]Im Gegensatz zu „instrumentum semivocale“ (dem Vieh) und „instrumentum mutum“ (dem toten Inventar).
), und deshalb auch um so hermetischer die Absperrung der Gutswirtschaften von der übrigen Welt
35)
Alle scriptores rei rusticae stimmen darin überein (cf. [A 238] Colum. 1, 8)
9
Weber zitiert Columella 1,8,7.
, daß der villicus sich thunlichst von Märkten, auch vom Verkehr mit der Umgegend fern halten solle, jedenfalls nur mit denen verkehren dürfe, mit welchen der Herr dies zulasse. Gäste sollen in die villa grundsätzlich nicht aufgenommen werden (Cato 5 und 142
10
Die Zitate finden sich bei Cato, de agric. 5,2 und 143,1.
, Varro 1, 16), die Sklaven die villa überhaupt nicht verlassen (Varro l. c.). Es ist dies wohl auch einer der Hauptgründe, weshalb man sich vom städtischen Handwerk allmählich durch Ausbildung eigener Handwerker zu emanzipieren suchte (Varro 1, 16).
. Man vermied unbedingt, sie mit freien [A 238]Arbeitern zusammenzubringen, solche überhaupt auf längere Zeit zu engagieren
36)
Cato r. r. 5: (Vilicus) operarium, mercenarium, politorem diutius eundem ne habeat die.
. Dazu kam, daß das Angebot freier Arbeitskräfte naturgemäß zurückgehen mußte. Außerhalb der Fälle besonderen Bedarfs, namentlich der Erntezeit, war neben den Sklaven für sie kein Raum im landwirtschaftlichen Betrieb, und ein städtisches Proletariat ist zu landwirtschaftlichen Arbeiten weder geneigt noch brauchbar
37)
Dies zeigt das Schicksal aller Nachfragen nach Arbeitskräften für das Land, welche in großstädtischen Asylen für Obdachlose und an ähnlichen Orten ausgehängt wurden, selbst unter Angebot des freien Transports zur Arbeitsstelle. Noch nicht 1 % der städtischen Arbeitslosen findet sich dazu bereit. Die spätere Kaiserzeit verfuhr energischer und überwies die Unbeschäftigten brevi manu den Gutsherren (siehe unten)
14
Unten, S. 334.
, – dies übrigens schwerlich zur Freude der letzteren.
. Die Folge war zunächst, wie gesagt, eine immer stärkere Ausbeutung der Sklavenarbeit. Man kaufte die billigsten Qualitäten von Sklaven, Verbrecher, noxii, um sie für den Wein- und Ölbau zu verwenden, wofür sich denn auch bei Columella [315]die physiologische Motivierung findet
38)
[315]Colum. 1, 9
15
[315]Weber zitiert Columella 1,9,4–5.
. Plerumque velocior animus est improborum hominum, quem desiderat hujus operis conditio. Non solum enim fortem, sed et acuminis strenui ministrum postulat. Ideoque vineta plurimum per alligatos excoluntur. Aus Anstandsrücksichten setzt er hinzu: Nihil tamen ejusdem agilitatis homo frugi non melius, quam nequam, faciet. Hoc interposui, ne quis existimet, in ea me opinione versari, qua malim per noxios quam per innocentes rura colere.
, diese Sorte Menschen [A 239]sei geistig im allgemeinen besonders geweckt, daher gerade für den Plantagenbau brauchbar, während der Cerealienbau gesetztes Temperament verlange. Columella empfiehlt ferner, die Sklaven grundsätzlich bis zur totalen Erschöpfung arbeiten zu lassen, da sie alsdann nachher nur noch an den Schlaf und nicht an andre Dinge denken
39)
[A 239]Colum. 1, 8 (p. 47 Bipont.)
16
Weber zitiert Columella 1,8,11.
.
. Man suchte auf die Erzeugung zahlreicher Kinder unter den Sklaven hinzuwirken. Ein festes Verhältnis, der Ehe entsprechend, ließ man demgemäß regelmäßig beim vilicus zu, beförderte resp. verlangte es bei diesem sogar
41)
Colum. 1, 8. Varro 1, 17
19
Weber zitiert Varro, res rust. 1,17,5.
. Die Aufseher „conjunctas conservas (habeant) e quibus habeant filios“. Sonst hat der männliche Sklave, des ungeregelten oder willkürlich geregelten geschlechtlichen Verkehrs wegen, keine filii, sondern nur die Sklavin, der denn auch die Aufziehung der von ihr erzeugten Kinder allein anheimfällt unddie
a
[315]Fehlt in A; die sinngemäß ergänzt.
Gegenstand der Prämiierung ist (Colum. l. c.)
21
Wie Anm. 17.
.
; im übrigen aber konnte, da die Sklaven kasernenartig untergebracht waren
42)
Die Behausung für das „instrumentum vocale“ befindet sich bei den Viehställen. Die Sklaven schlafen, soweit sie soluti sind, in „cellae meridiem
22
Bei Columella heißt es: meridiem aequinoctialem.
spectantes“, die gefesselten Sklaven im unterirdischen ergastulum („quam saluberrimum subterraneum ergastulum, plurimis, idque angustis, illustratum fenestris, atque a terra sic editis, ne manu contingi possint“). Der villicus wohnt neben der Thür der villa. Die Aufseher werden Einzelzellen nach Art unserer Verschläge für die Stubenältesten in den Kasernen gehabt haben (Colum. 1, 6)
24
Weber zitiert Columella 1,6,7.
. Die Mahlzeit wird gemeinsam circa larem familiae
25
Bei Columella heißt es: circa larem domini focumque familiarem.
eingenom[316]men, der villicus ißt an besonderem Tisch, aber so, daß er die Sklaven übersehen kann (Colum. 11, 1)
26
[316]Weber zitiert Columella 11,1,19.
.
, von festen contubernia im [316]allgemeinen nicht die Rede sein, sondern man setzte lediglich für die Weiber Prämien auf die Kinderzahl – zeitweilige Arbeitsfreiheit, eventuell sogar Freilassung
43)
Colum. 1, 8. Feminis quoque foecundioribus, quarum in sobole certus numerus honorari debet, otium nonnunquam et libertatem dedimus, cum complures natos educassent. Nam cui tres essent
28
Bei Columella heißt es: erant.
filii, vacatio, cui plures libertas quoque contingebat. Haec [A 240]enim justitia et cura patrisfamilias multum confert augendo patrimonio. Die Freilassung war eine anständige Form, sich der alternden und nicht mehr gebärenden Sklavin zu entledigen. Sonst suchte man Sklaven, die alt geworden waren, loszuschlagen (Cato 2). Im übrigen wird man altersschwache Sklaven wohl von jeher ebenso ausgesetzt haben, wie eigene und Sklavenkinder, wenn man sie nicht brauchen konnte (Cod. Just. 8, 151). Sie zu töten verbot Claudius (Suet. 25) und verfügte, daß die Aussetzung die Freiheit des Ausgesetzten herbeiführe.
– und überließ die Regelung des Ge[A 240]schlechtsverkehrs der freien Konkurrenz, natürlich unter zweckentsprechender Aufsicht des villicus. Ferner aber – dies ist ein wichtiger Punkt – mußte durch die Notwendigkeit, einen großen Teil der bei der Ernte notwendigen Arbeitskräfte ständig zu halten, die Tendenz gesteigert werden, thunlichst alle Bedürfnisse im eigenen Betriebe herzustellen und die Produkte marktfertig selbst herzustellen, da auf diese Weise die sonst überschüssigen Arbeitskräfte in den übrigen Monaten verwertet werden konnten. Entsprechend dem hellenistischen ἐργαστήριον
44)
Dasselbe kommt inschriftlich nicht selten vor als öffentliche und private Werkstätte (= fabrica bei Palladius)
29a
Vgl. unten, S. 337.
, auch als Art der Bodennutzung, so C.I.Gr. I, 1119, wo das Verbot der Düngung und Beackerung – κόπρον εἰσάγειν
30
CIG I,1119 (später auch in: IG IV: Inscriptiones Argolidis, hg. von Maximilian Fränkel. – Berlin: Georg Reimer 1902, Nr. 557): κόπρον ἐσ[άγειν]. Bei dem „Grundstück“ handelt es sich – wie später erkannt wurde, vgl. IG IV, ebd., – um das Gelände eines Heiligtums in Argos; die Inschrift enthält Bestimmungen zu dessen Schutz, hier das Verbot, dort Unrat zu hinterlassen bzw. eine Werkstatt zu errichten.
– eines Grundstückes neben dem Verbot, dort ein ἐργαστήριον zu haben, steht.
bestand von jeher das ergastulum auf den Gütern, in welchem die gefesselten Sklaven, Schuldner und noxii, arbeiteten und schliefen
45)
Die Prüfung der Festigkeit der Fesseln liegt dem villicus ob (Colum. 11, 1 )
31
Weber zitiert Columella 11,1,22.
.
und wo die andren Arreststrafen abbüßten
46)
Solche zuzudiktieren war Befugnis des villicus. Lösen soll sie grundsätzlich nur der [317]Herr selbst (Colum. 11, 1)
36
Wie Anm. 31.
. Ursprünglich wird das ergastulum wohl auch das Lazaret gewesen sein. Später wurden Kranke in das valetudinarium gebracht, woselbst die Kurmethode wohl ebenso wie in manchen militärischen Lazareten in Hunger und Einsperrung bestanden haben wird (Colum. 12, 1)
37
; der Fürsorge der contubernalis sollen sie, da dies zu bequem wäre, nicht überlassen werden
38
Vgl. Columella, ebd., von Weber allerdings mißverstanden: Die vilica soll einen kranken oder auch nur eine Krankheit vortäuschenden Sklaven, der der Aufmerksamkeit ihres contubernalis (d. h. des vilicus) entgangen ist, sofort in das valetudinarium schaffen, um ihm eine Erholungspause – unter Aufsicht – zu gewähren.
.
, ein meist unterirdisches Lokal mit Kellerfenstern. Daß die [317]Gefängnisarbeit“, welche [A 241]dort hergestellt wurde, nicht immer zufriedenstellend gewesen sein wird, läßt sich denken. Während aber Varro in seiner Jahreseinteilung die nicht auf das Bebauen des Landes bezüglichen Arbeiten nur wenig erwähnt, fordert Columella, daß die Wäsche durchweg auf dem Gut hergestellt werde, und Palladius hebt hervor, man müsse sich durch eigene Schmiede, Tischler, Küfer und Töpfer von der Stadt durchaus unabhängig machen
47)
[A 241]Pallad. 1, 6. Es ist bekannt, daß Augustus nur Gewebe eigener Herstellung trug (Suet. Aug. c. 73).
. Die Autarkie des „Oikos“, auf welche Rodbertus
34
Rodbertus, Römische Tributsteuern, bes. S. 343–355; auch z. B. S. 280 und 297–299.
in übrigens sehr geistvoller Ausführung den gesamten Gang der antiken Wirtschaftsgeschichte gründet, welche aber nach ihm mit der Kaiserzeit im Verschwinden begriffen sein müßte, war also auf den ländlichen Grundbesitzungen zum wesentlichen Teil erst Entwickelungsprodukt. Zu Catos Zeit steht im Vordergrund der Interessen die zweckmäßigste Art, den Betrieb von der Weiterverarbeitung des Produkts zu entlasten, im Wege der Arbeitsteilung diesen geschäftlichen Teil abzulösen, das Risiko auf Unternehmer abzuwälzen und selbst eine gesicherte Geldrente zu haben
48)
Noch Columella übernimmt tralatizisch von Varro
39
Der Bezug ist nicht deutlich. Wahrscheinlich meint Weber Cato; vgl. ders., De agric. 5,4: Ne quid emisse velit (sc. vilicus) insciente domino.
die Instruktion an den villicus, jedenfalls Geldmittel für den Herrn flüssig und in Bereitschaft zu halten, deshalb nicht das Geld des Herrn zu Ankäufen und geschäftlichen Operationen zu verwenden, sonst komme es vor, daß „ubi aeris numeratio exigitur
40
Dies der bei Weber zugrunde liegende Text der Bipontina II, S. 419. Die neueren Ausgaben lesen die zitierte Stelle (Columella 11,1,24): ubi nummum est numeratio.
, res pro nummis ostenditur“ (Colum. 11, 1).
. Cato gibt die einge[318]hendsten Vorschriften über die Art, wie dies erreicht werden könne. Später tritt dies in sehr augenfälliger Weise zurück und der eigene Betrieb in den Vordergrund. – Auf die Organisation kommen wir unten
42
[318]Unten, S. 345–348.
noch kurz zurück, – jedenfalls scheint mir die Möglichkeit einer zweckmäßigeren Ausnutzung der Arbeitskräfte der wesentliche Grund für die unzweifelhafte Übernahme von Aufgaben auf den gutsherrlichen Betrieb, welche bei fortschreiten[A 242]der Arbeitsteilung das städtische Gewerbe zu lösen hat. Allein dem eigentlichen Bedürfnis nach Erntearbeitern war doch auch dadurch nicht abgeholfen. Denn diese gewissermaßen industrielle Entwickelung forderte, sollte sie nicht mit Verlusten verknüpft sein, handwerksmäßig ausgebildete Sklaven, wie wir sie in der Kaiserzeit auch finden, dagegen war jenes rein landwirtschaftliche Bedürfnis auf billige ländliche Arbeitskräfte gerichtet.
Landwirtschaftliche Krisis zu Beginn der Kaiserzeit. Akut wurde nun aber diese Krisis durch die Ereignisse im Gefolge der Errichtung des Prinzipats. Der Zustand war erträglich gewesen, so lange auf dem Sklavenmarkt ein fortwährendes Angebot von Arbeitskräften infolge der Eroberungs- und Bürgerkriege vorhanden war. Mit dem Verzicht auf weitere Ausdehnung der Reichsgrenzen unter Augustus und Tiberius mußte eine merkliche Verminderung dieses Angebots, wenn nicht alsbald, so doch nach einiger Zeit und chronisch, eintreten. Daraus müssen sich nun zunächst unerträgliche Zustände für die Landwirtschaft entwickelt haben. Schon unter Augustus wurde geklagt, daß die Possessoren sich Arbeitskräfte durch Menschenraub verschafften. Augustus ließ infolgedessen die ergastula Italiens verzeichnen
49)
[A 242][318]Sueton. Aug. 32: rapti per agros viatores sine discrimine liberi servique ergastulis possessorum
b
[318]A: possessorem
opprimebantur
43
Bei Sueton heißt es: supprimebantur. Vgl. dazu oben den Editorischen Bericht, S. 71.
. Infolgedessen: ergastula recognovit.
. Unter Tiberius wiederholte sich die gleiche Klage: Touristen, ferner fahnenflüchtigen Gestellungspflichtigen werde aufgelauert, – wie die Raubritter, nur auf der Jagd nicht nach Gütern, sondern nach Arbeitskräften, scheinen die Possessoren an der Straße gelegen zu haben, – und Tiberius ordnete eine Revision aller italischen ergastula durch ad hoc bestellte curatores, – fast möchte man [319]die Bezeichnung „Fabrikinspektoren“
44
[319]Im 19. Jahrhundert wurden nach englischem Vorbild auch in Preußen und Deutschland zur Überwachung der Arbeiterschutzgesetzgebung Beamtenstellen für „Fabrikinspektoren“ eingerichtet. 1891, kurz vor dem Erscheinen der „Römischen Agrargeschichte“, wurde die Fabrikinspektion im Deutschen Reich zu einer umfassenderen „Gewerbeinspektion“ ausgebaut; vgl. Kähler, Wilhelm, Artikel „Gewerbeinspektion“ in: HdStW3 4, 1909, S. 986–993. Webers spätere erste Schülerin Else Jaffé-von Richthofen war „Fabrikinspektorin“ in Baden; vgl. Marianne Weber, Lebensbild1, S. 242. Sie hat über ein von Weber angeregtes, die Fabrikinspektion betreffendes Thema promoviert: von Richthofen, Elisabeth, Über die historischen Wandlungen in der Stellung der autoritären Parteien zur Arbeiterschutzgesetzgebung und die Motive dieser Wandlungen. – Heidelberg: K. Rössler 1901 [Diss. phil. Heidelberg].
anwenden – an
50)
[319]Suet. Tib. 8: curam administravit … repurgandorum tota Italia ergastulorum, quorum domini in invidiam venerant, quasi exceptos opprimerent
46
Bei Sueton heißt es: supprimerent. Vgl. dazu oben den Editorischen Bericht, S. 71.
, non solum viatores sed et quos sacramenti metus ad ejus modi latebras compulisset.
. Ein [A 243]befürchteter großer Sklavenaufstand wurde vor dem Entstehen unterdrückt (Tacit. Ann. IV, 27). Tiberius beabsichtigte überhaupt ein Einschreiten gegen die großen Sklavenbetriebe, aber da er bei dem passiven Widerstand des Senates gegen die Possessoren vorzugehen nicht wagte und da er positive Abhilfe zu schaffen sich außer stande fühlte, begnügte er sich, in einem Erlaß an den Senat die sozialen Zustände des Agrarwesens theoretisch in dunklem Licht zu schildern. Die Güterpreise scheinen damals in Italien stark gefallen und das Kreditbedürfnis ein großes gewesen zu sein, da der Senat unter Tiberius die foeneratores verpflichtete, ein Drittel
45
Tacitus, Annalen 6,17, spricht von zwei Dritteln. Vgl. dazu auch den Editorischen Bericht, S. 71.
ihres Kapitals in italischen Immobilien anzulegen
52)
Tacit. Ann. VI, 23
47
Das Zitat bezieht sich auf Tacitus, Annalen 6,17. Vgl. auch den Editorischen Bericht, S. 71.
. Unter Augustus hatte die Goldeinfuhr nach der Einnahme von Alexandrien ein allgemeines Steigen der Güterpreise herbeigeführt (Suet., Aug. 41).
. Schon Augustus gewährte nach dem Fall von Alexandrien unentgeltliche Darlehen an Grundbesitzer, und auch die trajanischen Alimentenstiftungen lassen bei der Niedrigkeit des Zinsfußes
54)
5%, in Veleja
48
Der möglicherweise niedrigere Zinssatz betrifft nicht Veleia, sondern die Ligures Baebiani (vgl. auch S. 254, Webers Fußnote 71, sowie S. 210, Anm. 15 f.).
vielleicht nur 2½%, wahrscheinlich aber auch 5%.
den gleichen Zweck erkennen. Die Krisis dieses Übergangs war also eine schwere. Allein auch andre Momente wirkten mit, eine Verlegung des Schwerpunkts in der Organisation des Betriebes herbeizuführen.
[320]Folgen. Entwickelung des Gutsbetriebes mit frohnpflichtigen Bauern.Die Befriedung des Reiches und die Beseitigung der Herrschaft der Aristokratie nahm dem Aufenthalt in Rom sein bisheriges politisches Interesse. Rein wirtschaftliche Interessen des Großgrundbesitzes mußten wieder mehr in den Vordergrund treten, ähnlich wie nach dem „Ewigen Landfrieden“
50
[320]Der im Zusammenhang der Reichsreform Maximilians I. 1495 auf einem Reichstag in Worms verkündete „Ewige Landfrieden“ untersagte die Fehde im gesamten Reich. Zu diesem Verbot einer kriegerischen Betätigung, das vor allem den Adel betraf, als Anstoß einer Entwicklung, die zur Hinwendung der Grundherren zu einer intensiveren eigenen Bewirtschaftung ihrer Güter seit dem frühen 16. Jahrhundert führte, vgl. Meitzen, Agrarpolitik3, S. 155, sowie (ausführlich) ders., Der Boden und die landwirthschaftlichen Verhältnisse des Preußischen Staates, Band 6. – Berlin: Paul Parey 1901, S. 162 f.
in Deutschland. Hier wie dort war nun die Begründung von Gutswirtschaften in dem Sinne des Ausdrucks, wie Knapp
51
Knapp, Bauernbefreiung 1, bes. S. 2–4.
ihn gebraucht, d. h. einer Kombination eines mit Arbeitern bewirtschafteten Gutshofes [A 244]mit frohndenden Bauern, die Folge
52
Vgl. Knapp, Bauernbefreiung 1, S. 37 ff.
. Die Colonen wurden, wie die gutsunterthänigen Bauern, zur Ergänzung der fehlenden Arbeitskräfte bei der Ernte mit Hand- und Spanndiensten herangezogen. In einem gewissen Grade ist dies wohl immer der Fall gewesen. Der römische Prekarist war wohl kein Pächter in unserm Sinn, sondern ein ländlicher Arbeiter, der vom Gutsherrn jederzeit kündbar mit einer Parzelle belehnt war, – wenigstens kann ich mir keinen andern einheitlichen wirtschaftlichen Zweck des Instituts denken, und daß dasselbe mit Hörigkeit und dergl[eichen] nicht notwendig zusammenhängt, ergibt sein Fortbestehen noch in der Zeit der klassischen Jurisprudenz
55)
[A 244][320]D. 10 de a[dquirenda] p[ossessione] 41, 2 (Ulpian) wird der Fall erörtert, daß jemand zuerst gepachtet, dann precario rogiert hat. Dabei handelt es sich wohl darum, daß ein kleiner Besitzer aufhört, gegen Zins und auf Kontrakt zu sitzen und statt dessen als jederzeit kündbarer Arbeiter sitzen bleibt. Entsprechend ist der Fall, daß kontraktlich ausgemacht ist, daß der Herr von Colonen keinen Zins fordern solle (D. 56 de pact[is])
53
. Auch hier kommt es nur auf die Arbeitsleistung der Kolonen an, sonst wüßte ich nicht, welchen Sinn das Geschäft hätte.
. Es ist das wohl die römische Form der Ansetzung von Häuslern. Daß nun in republikanischer Zeit die coloni gegen das Versprechen von Arbeitsleistungen angesetzt wurden, ist nicht überliefert, thatsächlich wird jedenfalls darauf gerechnet worden sein, daß ihre Kinder und auch sie selbst als Arbeitskräfte für den Gutsherrn eventuell zu haben sein würden. [321]Aber der Schwerpunkt lag damals in der gezahlten Pacht. Dagegen die rationellere Organisation des Gutsbetriebes, welche die Gutsherren, als für sie die Qualität als Landwirt in den Vordergrund trat, durchführten, beruhte nicht mehr in erster Linie auf der Absicht, eine Geldrente auswärts verzehren zu können. Columella bemerkt daher, man lege bei den Colonen auf die Arbeitsleistung (opus), nicht auf die Pacht, den Hauptwert
56)
[321]Die Stelle des Columella lautet in ihren wesentlichsten [A 245]Teilen (de r. r. I, 7)
55
Weber zitiert Columella 1,7,1–6, und zwar entsprechend der ‚Bipontina‘ ohne Unterteilung.
: Atque hi (scil. homines) vel coloni, vel servi sunt, soluti, aut vincti. Comiter agat (scil. dominus) cum colonis, facilemque se praebeat, et avarius opus exigat, quam pensiones: quoniam et minus id offendit, et tamen in universum magis prodest. Nam ubi sedulo colitur ager, plerumque compendium, nunquam (nisi si coeli major vis, aut praedonis incessit) detrimentum affert, eoque remissionem colonus petere non audet. Sed nec dominus in unaquaque re, cui colonum obligaverit, tenax esse juris sui debet, sicut in diebus pecuniarum, ut lignis et ceteris parvis accessionibus exigendis, quarum cura majorem molestiam, quam impensam rusticis affert … L. Volusium asseverantem audivi, patrisfamilias felicissimum fundum esse, qui colonos indigenas haberet, et tanquam in paterna possessione natos, jam inde a cunabulis longa familiaritate retineret … propter quod operam dandam esse, ut et rusticos, et eosdem assiduos colonos retineamus, cum aut nobismetipsis non licuerit, aut per domesticos colere non expedierit: quod tamen non evenit, nisi in his regionibus, quae gravitate coeli, solique sterilitate vastantur. Ceterum cum mediocris adest et salubritas, et terrae bonitas, nunquam non ex agro plus sua cuique cura reddidit, quam coloni: nunquam non etiam villici, nisi si maxima vel negligentia servi, vel rapacitas intervenit … In longinquis tamen fundis, in quos non est facilis excursus patrisfamilias, cum omne genus agri tolerabilius sit sub liberis colonis, quam sub villicis servis habere, tum praecipue frumentarium, quem minime (sicut vineas aut arbustum) colonus evertere potest, et maxime vexant servi.
. Daß es sich bei [A 245]diesem „opus“ um die Bestellung des erpachteten Landes des Colonen handeln sollte, ist möglich, daß es sich nur um das Pachtland handeln sollte, wenig wahrscheinlich; wahrscheinlicher ist, daß auch Scharwerk bei der Ernte und der Feldbestellung gemeint ist, was thatsächlich wohl darauf hinaus kam, daß die Pächter jeder einen bestimmten Teil des Herrenlandes mitzubestellen und abzuernten hatten. Es wäre dann das Verhältnis eine Kombination der Parzellenkleinpacht mit den Verdingungen von Teilen der Ackerbestellung und der Aberntung an redemtores, wie sie Cato kennt, nur daß jetzt der redemtor als Kleinpächter im thatsächlichen Abhängigkeitsverhältnis zum dominus steht und seine Ablöhnung in dem auf eigene [A 246]Rechnung von ihm bestellten Lande, für welches er Zins zahlt, besteht. Die Quellen ergeben m. E. mit Sicherheit, daß thatsächlich [322]die Entwicklung so wie eben angedeutet, verlaufen ist. Eine Stelle Columellas zeigt, daß die Colonen vom Gute aus mit Speise versorgt wurden
57)
[A 246][322]Colum. II, 9
57
Die zitierte Stelle findet sich bei Columella 2,9,17.
. Wenn es in der in voriger Note citierten Stelle heißt, daß der Colon, wenn der Acker gut trage, remissionem petere non audet, so scheint mir daraus hervorzugehen, daß von Bestellung des Feldes des Herrn die Rede ist. Trage dieses gut, so werde der Colon nicht wegen angeblichen Mißwachses auf seinem Feld Remission fordern.
, wie die Sklaven, – natürlich während der Zeit, wo sie für den Herrn zu arbeiten hatten, wie dies bei allen Arbeitern üblich war. Man konnte das Verhältnis vom geschäftlichen Standpunkte aus so auffassen, daß die Colonen als Arbeiter die Bestellung und Ernte des Herrenlandes zu besorgen übernahmen und ihr Lohn darin bestand, daß sie einen Teil der Ernte gegen ein Fixum behielten. Je nach den thatsächlichen Umständen mußte das Verhältnis seinem wirtschaftlichen Schwerpunkt nach schwanken zwischen dem Bestehen von dienstpflichtigen Bauernwirtschaften und von ansässigen Gutsarbeitern. Das von den Colonen zu bestellende Herrenland ist wahrscheinlich der Sinn des Ausdrucks „partes agrariae in einer Inschrift aus der Zeit des Kaisers Commodus, welche, von Mommsen in überzeugender und überraschender Weise ergänzt und interpretiert, das Bestehen von Gutswirtschaften in dem vorstehend angenommenen Sinn, d. h. einer organischen Verbindung einer centralen Eigenwirtschaft mit Dienstleistungen der (zunächst wirtschaftlich) unterthänigen coloni aufs deutlichste darthut. Es handelt sich um eine Beschwerde von coloni eines kaiserlichen saltus in Afrika über den Domänenpächter (conductor). Nach der Versicherung der Petenten
59)
Der conductor hat mit anderen im Bunde durchgesetzt, [A 247]daß Soldaten in den Gutsbezirk geschickt und die Colonen teils eingesperrt, teils, trotzdem sie römische Bürger waren, gepeitscht wurden
59
Sp. 2, Z. 9–16 der Inschrift. – Der folgende Text – ohne Kennzeichnung der Abkürzungen und ergänzten Teile durch Weber – nach der älteren Lesung bei Mommsen, Decret des Commodus, S. 387 f., obwohl verbesserte Fassungen bei Bruns, Fontes5, S. 228-230, sowie CIL VIII 10 570 – von Weber oben, S. 275, Fußnote 116 zitiert – bereits vorlagen.
: „Ita tota res compulit nos miserrimos homines iussum divinae providentiae tuae invocare. Et ideo rogamus, sacratissime Imperator, subvenias. Ut capite legis Hadrianae quod supra scriptum est, adscriptum
60
In der Inschrift heißt es (vgl. bereits Mommsen a. O.): ademptum.
est, ademptum sit jus etiam procuratoribus, nedum conductori, adversus colonos ampliandi partes agrarias aut [323]operarum praebitionem jugorumve: et ut se habent litterae procuratorum, quae sunt in tabulario tuo tractus Carthaginiensis, non amplius annuas quam binas aratorias, binas sartorias, binas messorias operas debeamus itque sine ulla controversia sit, utpote cum in aere incisa et ab omnibus omnino undique versum vicinis visa perpetua in hodiernum forma praescriptum[,]tum
c
[323]Fehlt in A; tum aus der Vorlage ergänzt.
et procuratorum litteris, quas supra scripsimus.“ Sie, die von ihrer Hände Arbeit lebten, kämen gegen den reichen conductor, der den Prokuratoren persönlich nahestehe, nicht auf.
hat der Pächter sie mißhandelt und zu [A 247] Dien[323]sten gezwungen, zu denen sie nach dem für die Verhältnisse des Gutes maßgebenden Statut, einer lex Hadriana, nicht verpflichtet waren. Nach derselben waren ihre Dienste bemessen auf zwei Tagewerke beim Pflügen, zwei in der Saat- und ebensoviele in der Erntezeit, und zwar Hand- und Spanndienste. Der Pächter hat nun die „partes agrariae“ ausgedehnt, d. h. m. E.
61
[323]Mommsen, Decret des Commodus, S. 402, erklärte die partes agrariae als „Ackerfronden“ bzw. „Hand- und Spanndienste“; nach heutiger Auffassung handelte es sich dabei um die Abgabenquoten der coloni.
das in unmittelbarer Verwaltung befindliche Herrenland erweitert und neues umgebrochen. Das gleiche haben die deutschen Gutsherren in der Reformationszeit gethan und dann beansprucht, daß die dienstpflichtigen Bauern dies erweiterte Areal ebenso wie bisher das geringere mitbestellen und abernten sollten
62
Vgl. Knapp, Bauernbefreiung 1, S. 37 ff.
. Auch in unserm Falle war der Versuch einer Vermehrung der Hand- und Spanndienste die natürliche Folge dieses Vorgehens. Der Zusammenhang der Parzellenpacht mit dem Bedürfnis der Gutsbetriebe nach Arbeitskräften in der Saat- und Erntezeit scheint mir aus der Inschrift mit überzeugender Deutlichkeit hervorzugehen.
Diese Organisation in Gutswirtschaften mit frohndenden Colonen, welche eine angemessene Lösung der ländlichen Arbeiterfrage enthielt, ist nun anscheinend die [A 248]normale auf allen größeren Grundbesitzungen der Kaiserzeit. In den Rechtsquellen finden wir stets, daß mehrere coloni einem conductor, actor, procurator des Gutsherrn gegenüberstehen, daß neben dieser Mehrzahl von coloni eine familia von Sklaven sich auf dem Gute unter Leitung des conductor bezw. actor befindet und daß eine aus den Rechtsquellen nicht in allen Einzelheiten ersichtliche Abhängigkeit der coloni gegenüber [324]der Gutsherrschaft besteht
60)
[A 248][324]Die Ansetzung der coloni erfolgt, wie D. 9, § 3 locati
65
ergibt, auf Grund einer für das Gut einheitlichen lex locationis (dieser entspricht die lex censoria der älteren Zeit bei den Staatsgroßpächtern, die lex Hadriana bei dem kaiserlichen saltus Burunitanus), sie bilden eine Art Gemeinschaft, eine colonia (D. 24, § 4 eod.). Ihnen gegenüber steht der Großpächter, conductor, mit seiner Sklaven-familia (D. 11 pr. eod.), oder der procurator des Herrn (D. 21 de pign[oribus] 20, 1)
68
Aus Scaevola.
. An coloni ist demgemäß nur ein Theil des Gutes vergeben, den übrigen Teil bewirtschaftet der actor des Herrn mit dessen Sklaven (D. 32 de pign[oribus]). Die reliqua colonorum, die Pachtrückstände, können daher in gewisser Weise als Pertinenz des fundus aufgefaßt werden, wenn sie dies auch im strengen Rechtssinn nicht sind (D. 78, § 3 de legat[is] III). Die Colonen und Sklaven werden nebeneinander als zwei verschiedene Kategorien von Insassen des Gutes angesehen (D. 91.
71
Aus Papinian.
101
72
Aus Scaevola.
eod.; D. 10, § 4 de usu et hab[itatione] 7, 8). Der colonus gilt als eine den Wert des Grundstückes vermehrende Zubehör desselben bei Käufen, ebenso wie ein Sklave (D. 49 pr. de a[ctionibus]e[mpti]
d
[324]A: c.
v[enditi]
). Die Anknüpfung an die früher
74
Oben, S. 226 f.
erwähnten Afterpächter der auf langfristigen Kontrakt sitzenden mancipes bei den praedia publica ergibt D. 53 locati. Die conductores der kaiserlichen Güter sitzen dagegen in der Regel auf kürzere Kontrakte, de jure auf fünf Jahre, was auch bei den coloni vorkommt (D. 24, § 2 locati). Gelegentlich kommt eine Konfundierung der Ausdrücke vor, so daß „colonus“ von dem Ganzpächter gesagt wird: D. 19, § 2 locati; D. 27, § 9, § 11 ad l[egem] Aquil[iam]. Es sind das aber offenbar fundi, welche überhaupt nicht in der Weise von Gutswirtschaften organisiert sind, und keinesfalls handelt es sich um Gutsherrschaften in dem weiter
79
Unten, S. 362 ff.
zu besprechenden Sinn. Die Konfundierung der gutsherrlichen mit den freien Colonen bewirkt die Unklarheit der Quellenstellen. – Wie außer vielen anderen Stellen D. 19, § 2 locati cit. zeigt, ergibt die [A 249] Lokation stets ein an das englische joint business
80
Quelle Webers für den (hier nicht rechtstechnischen) Begriff ist offenbar Nasse, Agrarische Zustände in England, S. 138: „[…] in England beschränkt sich herkömmlicher Weise der Grundeigenthümer nicht auf Verpachtung seines Landes und Einziehen des Pachtzinses, sondern befindet sich, wie ein Zeuge aussagte, gewissermaßen in einer Art von Erwerbsgesellschaft (joint business) mit seinen Pächtern.“ Vgl. auch Webers spätere Bezugnahme darauf in WuG1, S. 457.
erinnerndes Gemeinschaftsverhältnis des Herrn mit seinem Pächter. Daß hier[325]nach die Einzelgestaltung je nach den wirtschaftlichen Machtverhältnissen geradezu zahllose Möglichkeiten der Gestaltung bot, ist klar. Wir besprechen hier diejenige Bildung, welche die relativ größte politische und wirtschaftliche Übermacht des Grundherrn enthält und wo also das Pachtverhältnis ein verschleiertes Arbeitsverhältnis ist. Als Verpflichtung zum Bebauen des locierten Landes (siehe den Text) wird der Colonat D. 25, § 3 locati und D. 32 eod. (von Julian, während die sonst citierten Stellen von Scävola, Papinian, Ulpian und Paulus sind) aufgefaßt. Demgemäß hat nach D. 24, § 2 locati
84
der Herr das Recht, wenn der colonus das Gut vor Ablauf des Kontraktes verläßt, sofort, ohne abzuwarten, ob ein sonstiger Exmissionsgrund oder Nichtzahlung des Pachtzinses eintritt, gegen den colonus zu klagen. Worauf? wird nicht gesagt. Offenbar aber auf Leistung des Interesses, weil das Pachtgut nicht, wie es kontraktlich festgestellt war, bestellt ist. Daneben wird in § 3 eod. das von dem colonus zu leistende opus erwähnt, wegen dessen ebenfalls die Klage gegeben wird. Die Bestellung des Herrenlandes und des Pachtgutes stehen sich hier also gleich, nur wird als Regel vorausgesetzt, daß den Herrn die Art der Bestellung des Pachtgutes erst bei Ablauf des Kontrakts etwas angeht. Überdies kann der Herr natürlich das Pachtgut anderweit vergeben. Dies verhält sich zu der späteren Rückführung des colonus so, wie die anderweitige Vergebung von Gütern säumiger navicularii zu deren zwangsweiser Zurückführung. Ersteres ist die zivilrechtliche, letzteres die administrative Form des Zwanges. Daß der colonus freier Gutsarbeiter im Gegensatz zum unfreien, dem Sklaven, ist, zeigt u. a. auch D. 16 de in rem v[erso] 15, 3, wo der Fall, daß einem Sklaven nach Analogie der freien Pacht ein Grundstück gegen Zins lociert ist, behandelt wird. In der That: sobald der Sklave aus der villa rustica heraus in ein eigenes Haus gesetzt wurde, mußte er gleichartig mit den Kolonen behandelt werden.
. – Es ist klar, daß bei dieser Lage [A 249]der Sache das Verhältnis des colonus zum Gute, welches, solange der reine Pachtcharakter im Vordergrund stand, naturgemäß als Übertragung des Rechtes zur Fruchtziehung gegen Entgelt aufgefaßt wurde, jetzt umgekehrt, ohne prinzipielle Änderung der rechtlichen Behandlung, doch da, wo die Verwendung der Arbeitskraft des [325]colonus für das Herrenland das Hauptinteresse für [A 250]den Gutsherrn bildete, geradezu als Übernahme der Pflicht zur Bestellung des eigenen und des Herrenlandes gegen Verleihung einer Parzelle zu mäßigem Pachtzins gefaßt wurde, wie dies im wesentlichen schon von Columella in der citierten Stelle geschieht. Thatsächlich sind die Colonen erblich auf dem Gute sitzende, zwischen kleinen Bauern und Tagelöhnern ungefähr die Mitte haltende, abhängige Landwirte
61)
[A 250]Die thatsächliche Erblichkeit ist etwas so Selbstverständliches, daß D. 7, § 11 comm[uni] divid[undo]
86
die Unanwendbarkeit der Teilungsklage auf das Pachtrecht besonders erörtert wird. Die vielbesprochene l. 112 de legat[is] I
87
über die Ungültigkeit des Legats von inquilini ohne die praedia, quibus adhaerent, bezieht sich auf die alsbald
88
Unten, S. 362 ff.
zu besprechenden Verhältnisse der Gutsbezirke. Auf die inschriftlich in Italien vorkommenden langjährigen coloni hat Mommsen in dem gedachten
89
Vgl. S. 322.
Aufsatz über den saltus Burunitanus hingewiesen.
. Das wichtigste ist nun aber, daß dieser Sachlage auf einem Teil gerade der größten Gutskomplexe auch ein rechtlich sichergestelltes Gewaltverhältnis des Gutsherrn über die Einsassen des Gutes ent[326]sprach. Um dies darzulegen, Bedarfes eines Rückblickes auf die Art, wie die verschiedenen Kategorien der Großbetriebe entstanden waren und welchen rechtlichen Besitzkategorien sie angehörten.
Rechtslage der Gutsherrschaften. Die älteste Form sind die früher
91
[326]Oben, S. 215 f., 218 f., 235 f.
besprochenen Possessionen auf dem ager publicus. Daß dieselben einen Großbetrieb mit Sklaven darstellen, unterliegt keinem Zweifel, daneben scheint, wie oben
92
Oben, S. 320.
schon bemerkt, mittelst Vergebungen precario ein widerruflich ansässiger Häuslerstand existiert zu haben. Die Possessionen waren unzweifelhaft die für die Aristokratie praktisch wichtigste Form des Grundbesitzes, Der possessor, der außerdem noch einige Komplexe von ager privatus, genügend, um ihn in die erste Censusklasse zu bringen, besaß, wird auf das Getriebe in den Tribusversammlungen in der „guten alten Zeit“ vor Gracchus
93
D.h.: Tiberius Gracchus (133 v. Chr.).
mit ähnlichen Empfin[A 251]dungen geblickt haben, wie etwa heute ein Rittergutsbesitzer, der im Dorf einige Hufen besitzt oder mit den Hüfnern im Gemenge liegt. Daß der Ausschluß der Possessionen vom Zivilrecht
61a)
[A 251][326]Das Zivilrecht nahm davon nur als von possessorisch geschützten, thatsächlich bestehenden Gewaltverhältnissen Notiz, und dieser scharfe Gegensatz des Hufenrechts gegen den „locus“ erklärt m. E. die Zuspitzung des Gegensatzes zwischen dinglichem Recht und Besitz. Daß die Zwiespaltigkeit des „pro herede“ und „pro possessore“ possidere bei der Erbschaftsklage der gleichen Duplizität der Besitzstände in Verbindung mit der präjudiziellen Natur des Prozesses entsprungen ist, kann hier nur angedeutet werden.
und damit von zahlreichen legislatorischen Belästigungen und der Steuerumlage wohl nicht als privilegium odiosum empfunden wurde, braucht nicht gesagt zu werden. Erst als die gerade deshalb als revolutionär empfundene gracchische Bewegung gezeigt hatte, daß die Hüfner unter Umständen doch lästig werden könnten, wenn sie das mobile Kapital auf ihre Seite zögen, führte man die Possessionen, ohne daß dies als Umwälzung erschien, in ager privatus über. Fundi excepti. Nun haben wir im vorigen Kapitel
94
Der Hinweis bezieht sich auf das zweite Kapitel.
gesehen
95
Oben, S. 153 f.
, daß von diesen Possessionen ein Teil bei der Organisation Italiens in Munizipien und insbesondere bei den Assignationen als fundi excepti außerhalb der Gemeindeverbände blieben – wie die Agrimensoren es [327]ausdrücken: in agro publico populi Romani
96
[327]Bei den Agrimensoren (Hyginus Gromaticus) heißt es: in solo populi Romani; vgl. den Text in Webers Fußnote 62.
, was hier heißen soll, daß sie nur der centralen Verwaltungs- und Jurisdiktionsinstanz unterstanden
62)
[327]Sic. Flaccus, p. 157, 7. Inscribuntur quaedam „excepta“, quae aut sibi reservavit auctor divisionis et assignationis, aut alii concessit. Hygin p. 197, 10: excepti sunt fundi bene meritorum, ut in totum privati juris essent, nec ullam coloniae munificentiam deberent, et essent in solo populi Romani, – d. h. außerhalb des munizipalen Jurisdiktionsbezirks. Inschriftlich kommen zwei wenigstens nach gewissen Richtungen eximierte fundi in dem Dekret des Augustus über den Aquädukt von Venafrum (C.I.L., X, 4842) vor. Frontin p. 36, 16
100
Das folgende Zitat stammt aus Frontin, S. 33,16 Lachmann.
: Prima … condicio possidendi haec est ac per Italiam, ubi nullus ager est tributarius, sed aut [A 252] colonicus etc. … aut alicujus … saltus privati. Über die controversia de territorio siehe voriges Kapitel
101
Oben, S. 268, vgl. auch Kap. I, S. 153.
. Auch C. Th. 18 de lustr[ali] coll[atione] 13, 1 unterscheidet für Afrika territoria und civitates.
. Eine [A 252]wichtige Kategorie dieser Art waren vor allen Dingen die Güter des Kaisers selbst, welche dieser sicher schon damals – für später ist es quellenmäßig bezeugt – soweit möglich von Gemeindeverbänden eximierte
63)
Die saltus Caesaris führen controversiae de territorio, cf. die früher citierte Stelle p. 53, Lachm. Claudius suchte (Suet., Claud. 12) für die kaiserlichen Güter das Marktrecht beim Senat nach.
. Die gleichen Kategorien fanden sich in noch größerem Umfang in den Provinzen, die kaiserlichen Güter daselbst sind teils emphyteutische, teils fundi dominici
97
Dieser Ausdruck für das ,Krongut‘ bzw. das mit dem Kaisertum als solchem verbundene Grundeigentum ist nicht belegt; die übliche Bezeichnung lautet ‚fundi rei privatae‘. Weber hat vielleicht an die Formulierung ‚dominici coloni et patrimoniales‘ in Cod. Iust. 3,26,7 (zitiert bei Mommsen, Decret des Commodus, S. 394, Anm. 3) gedacht.
(fiskalische), teils fundi patrimoniales (Schatullgüter), alle aber unterstehen nur der unmittelbaren Verwaltung kaiserlicher Beamter, nicht den Munizipien. Daneben gab es dort, wie wir früher
98
Oben, S. 225 ff.
sahen, in Großpacht langfristig vergebene Staatsdomänen, auch Domänen, welche auf Lustralperioden verpachtet wurden. Beide werden durchaus in der Regel keinem Gemeindeverbande eingegliedert worden sein, da sie ager publicus waren und dieser nur, wenn er nicht anderweit vergeben war, den Gemeinden konzediert wurde. Stipendiarii. Domänenpächter. Ferner sahen wir
99
Oben, S. 265 ff.
, daß wahrscheinlich die stipendiarii in Afrika eine ähnliche Stellung nicht inkommu[328]nalisierter Güter einnahmen, und die großen Erbpächter des ager privatus vectigalisque werden nicht ungünstiger behandelt worden sein. Alle diese Kategorien von Besitzständen hatten, wie früher
103
[328]Oben, S. 294.
hervorgehoben, die Tendenz, in eine einzige der possessores zu verschmelzen. Die Domänen- und die fiskalischen Gutspächter setzten wiederholt durch, daß ihre Pachtrente fixiert wurde und daß die Regenten ihnen ebenso den dauernden Besitz ihrer Güter zusagten, wie die fränkischen Könige [A 253]ihren Lehensmannen; zeitweise wurde wieder versucht, das Prinzip der lustralen Neuvergebung im Lizitationswege durchzusetzen
65)
[A 253]C. Th. 1 de vectig[alibus] 4, 12
107
Weber zitiert Cod. Theod. 4,12 Gothofredus–Ritter = 4,13 Mommsen-Krüger (lizitationsweise Neuvergebung auf mindestens drei Jahre).
.
, um bald wieder aufgegeben zu werden. Die stipendiarii und die sonstigen eximierten Privaten wurden dann der jugatio unterworfen; sie hatten die Steuersumme für ihren gesamten Gutsbezirk nebst dem Betrage der capitatio von denjenigen Personen innerhalb des Bezirks, welche dieser unterlagen, zu entrichten
66)
C. Th. 14 de annon[a] et trib[utis] 11, 1. Dagegen sollen nach dieser Konstitution die Colonen, wenn sie außerdem ein noch so kleines Stück Land besitzen, wegen dieses durch den gewöhnlichen exactor zur Steuer herangezogen werden. Dies ist aber schwerlich so geblieben, nach Analogie von C. Th. 1 ne col[onus] insc[io] dom[ino] 5, 11.
.
Rechtslage der Eingesessenen der Gutsbezirke. Stellt man sich vor, wie die Rechtsstellung der Eingesessenen derartiger Bezirke, insbesondere der coloni, sich gestalten mußte, so ist zunächst klar, daß bei allen staatlichen Pachtgütern ein Verfahren im ordentlichen Rechtsgang zwischen ihnen und dem conductor nicht möglich war, soweit es sich um Leistungspflichten der coloni handelte. Der Domänenpächter stand ebensowenig in einem kontraktlichen Verhältnis zu den coloni, wie der publicanus. Soweit die mancipes, welche die Agrimensoren
104
Vgl. S. 226.
erwähnen, Afterpächter angesetzt hatten, waren nach Ablauf der Pachtperiode die vorhandenen derartigen Kleinpächter zu staatlichen coloni geworden. Die Großpächter hatten vom Staat oder Fiskus ursprünglich auf Grund der lex censoria, [329]später auf Grund ähnlicher leges, welche, wie die lex Hadriana in dem inschriftlich erhaltenen Falle des afrikanischen saltus, dann in Erz oder Stein als Ortsstatut auf den Äckern aufgestellt zu werden pflegten und auch die Verpflichtungen der Colonen enthielten, gepachtet; überlasteten sie die Colonen und verlangten mehr, als ihnen zukam, so fand in älterer Zeit günstigstenfalls ein Administrativverfahren mit Reku[A 254]peratoren
67)
[A 254][329]Wie zwischen den publicani und den Zehntpflichtigen.
, in der Kaiserzeit wohl stets nur die administrative Beschwerde an die Domänenbehörden, in letzter Instanz den Kaiser, statt. Die Frohndienste der Colonen werden daher in der citierten afrikanischen Inschrift, wie Mommsen
109
hervorgehoben hat, durchaus analog den Frohnden, welche von Gemeinden umgelegt wurden, z. B. in Genetiva, behandelt als Leistungen quasi öffentlichen Charakters, welche dem conductor qua Obrigkeit zukommen. Daß auch alle Rechtsstreitigkeiten über das Besitzrecht am Colonengut administrativ zu erledigen waren, ergibt sich aus den Ausführungen in Kap. III
110
. Ob er eine Übertragung des Pachtverhältnisses an einen andern zulassen wollte, war natürlich Sache des conductor. Ebenso lagen die Verhältnisse in den Bezirken der stipendiarii in Afrika nach den Ausführungen im vorigen Kapitel
111
Oben, S. 268 f.
. Der Besitzer war hier Obrigkeit und nur ein administratives Eingreifen des Statthalters möglich. Da endlich, wo, wie in den fundi excepti in Italien und auf den großen Erbpächterstellen des ager privatus vectigalisque in Afrika, die coloni wirklich nur Pächter des Besitzers waren, fehlte jedenfalls eine munizipale Justizbehörde und war nur ein Anrufen der höheren, zunächst wohl nur der Zentralinstanzen in Rom möglich. Die spätere Kaiserzeit hat das allgemein ausgeglichen und den Colonen das Anrufen der ordentlichen Richter gegen den Herrn unter Vorbehalten gestattet, insbesondere auch in dem Fall, daß der Herr den hergebrachten Zins der Kolonen steigerte. Also auch hier wurden ursprünglich staatliche und ursprünglich private Pächter in einen Topf geworfen, was dem Großpächter der Domä[330]nen gegen den staatlichen Kleinpächter nicht gestattet wurde – Steigerung des Pachtzinses –, auch den andern [A 255] Possessoren untersagt. Noch in einer andern Beziehung wurde nivelliert, – hier aber zu Ungunsten der Colonen. Es wurde schon mehrfach hervorgehoben
114
[330]Vgl. S. 153 mit Anm. 46.
, daß ungeteilter Besitz anscheinend nicht notwendig zum Bestehen eines extrema linea vermessenen Gutsbezirkes
70)
[A 255][330]Daß der saltus Burunitanus der mehrgedachten
115
Oben, S. 275, 322 f. und 329.
afrikanischen Inschrift wahrscheinlich vermessen war, ergibt die Bezugnahme auf das tabularium principis
116
Vgl. Mommsen, Decret des Commodus, S. 388, Sp. 3, Z. 10 (ebenso Bruns, Fontes5, S. 229).
und die forma
117
Mommsen, ebd., Sp. 3, Z. 16 (Bruns, ebd., S. 229).
, – in diesem Fall die Beiakten, welche die näheren Bestimmungen enthielten.
gehörte. Jedenfalls konnte es in stipendiären Gutsbezirken und auch bei fundi excepti vorkommen, daß ein Colon auch Grundbesitz zu Eigentum erwarb. Darüber nun, ob er diesen Besitz beliebig veräußern dürfe, sind vermutlich später, als das Unterthänigkeitsverhältnis bereits festgewurzelt bestand, Zweifel entstanden, die dahin entschieden wurden, daß dies unzulässig
71)
C. Th. 1 ne col[onus] insc[io] dom[ino] 5, 11 (von Valentinian und Valens): „non dubium est quin non liceat“
119
Der Text lautet vollständig: Non dubium est colonis arva quae subigunt usque adeo alienandi ius non esse, ut et si quae propria habeant, inconsultis atque ignorantibus patronis in alteros transferre non liceat.
.
, der eigentümliche Besitz also bezüglich der Handänderung dem ursprünglichen Pachtbesitz gleichgestellt wurde, offenbar weil die Leistungen des Colonen als auf seinem gesamten Grundbesitz ruhende Last nach Art der Dekurionenlasten und ähnlicher behandeltwurden
f
[330]A: wurde
72)
C. Th. 2 de pign[oribus]
120
So Gothofredus-Ritter; Mommsen-Krüger: de pigneribus.
2, 30 verbot die Belastung des Grundstückes des Herrn mit Hypotheken durch servus, procurator, colonus, actor, conductor, und C. Th. 1 quod jussu
g
A: jussa
2, 31
verfügt, daß die Aufnahme eines Darlehens durch die gleichen Personen den Herrn nicht verpflichte. Offenbar handelt es sich um Verwirrung, die dadurch entstand, daß eigentümliches Land der Colonen und erpachtetes Herrenland nicht scharf geschieden wurden.
.
Origo und administrative Rückführung.Auch nach einer andern Richtung trat eine der Behandlung der Dekurionen und ähnlicher zu öffentlichen Lasten Verpflichteter analoge Gestaltung des Verhältnisses naturgemäß ein. Die Gemeindeangehörigkeit mit allen ihren Konsequenzen knüpfte sich an die origo des Reichs[331]angehörigen. Beim colonus war dieser Heimatsort der Gutsbezirk, in welchem er „originarius“ war. Alle andern [A 256]Gemeinden konnten sich seiner, wenn er lästig wurde, entledigen. Nun finden wir aber auch, daß die Freizügigkeit von Personen, die zu öffentlichen Leistungen verpflichtet waren, in der Kaiserzeit praktisch noch stärker beschränkt war. In gewisser Weise war dies immer der Fall gewesen. Gegen Senatoren, welche den Sitzungen fern blieben, ging man bekanntlich mit pignoris capio vor. Die Anwendung direkten Zwanges durch Zuführung zur Sitzung hätte man wohl mehr für unpassend und unpraktikabel, als für gesetzlich unzulässig gehalten. In der Kaiserzeit hat man nun allgemein auch hier die administrative Realexekution an die Stelle des indirekten Zwanges gesetzt. Daß das allgemeine Bewußtsein zur Zeit der Abfassung des Lukas-Evangeliums
h
[331]DV; A: Matthäus-Evangeliums
es für zulässig hielt, daß im Interesse des Census die Provinzialen genötigt wurden, sich an ihre origo zu begeben, ergibt dessen Erzählung vom Census des Augustus. Zu Ulpians
2
Vgl. Webers Fußnote 73.
Zeit war kein Zweifel, daß die Dekurionen zwangsweise in die Gemeinde, welcher sie der origo nach angehörten, zurückgeführt werden konnten. Wenn ferner Gemeinden darum stritten, untereinander oder mit Gutsbezirken, ob ein Grundstück und die darauf befindlichen Personen in ihr Territorium gehören und also bei ihnen steuer- und gestellungspflichtig seien, so wurde dies mittelst der controversia de territorio im Administrativverfahren erledigt. Schon zu Ulpians Zeit sprach man dabei von einer „vindicatio incolarum“
4
Vgl. Dig. 50,1,37 pr. (Callistratus): De iure omnium incolarum, quos quaeque civitates sibi vindicant usw.
. Es versteht sich, daß bei gutsunterthänigen Colonen nicht anders als mit den Dekurionen verfahren wurde, sofern sie mit einer öffentlichen oder quasiöffentlichen Pflicht, z. B. Frohnden, im Rückstand waren. Sie wurden im administrativen Wege an ihre origo zurückgeführt
73)
[A 256][331]Revocare ad originem bei Curialen D. 1 de decurionibus 50, 2 (Ulpian). C. Th. 16 de agent[ibus]
i
A: agror
in r[ebus] 6, 27
. Daher curiales originales C. Th. 96 de decur[ionibus] 12, 1. Rücksendung von metallarii an ihre origo C. Th. 15 de metallar[iis]
5
Der Titel Cod. Theod. 10,19 lautet: De metallis et metallariis.
10, 19. Den admini[A 257]strativen Charakter des Verfahrens ergibt die Fassung der l. 1
k
In einer Teilauflage von A: I
de decur[ionibus]
cit. Daß das Verfahren auch bei den coloni ursprünglich administrativ war, ergibt die ganze Fassung [332]der Stellen, die davon handeln, ebenso[,] daß es sich dabei um das restituere origini des Verwaltungsrechtes handelt: C. Th. 1 de fugit[ivis] col[onis] 5, 9. Auch hier ist dann das administrative Verfahren nach den für das persönliche Standesrecht und das Privatrecht geltenden Normen gestaltet worden, so bezüglich der Wirkungen der Ehe mit Angehörigen anderer Gemeinden, – denn es mußte die Gemeindeangehörigkeit bezw. Gutsangehörigkeit geregelt werden. Sehr natürlich war es, daß dabei das Sklavenrecht zur Analogie herangezogen wurde. Wäre unsere Staatsgewalt schwächer und die Freizügigkeit beschränkt, so würden wir mit unseren Gutsbezirken genau dieselben Erfahrungen machen, namentlich auch die, daß privatrechtliche Verpflichtungen gegen den Gutsherrn als Landwirt und öffentlichrechtliche gegen ihn als Obrigkeit nicht dauernd geschieden werden könnten – wovon bei frohnpflichtigen Bauern, wie in den römischen Gutsbezirken, vollends keine Rede sein konnte. Die administrative Herkunft der Regulierung des Verhältnisses bei Ehen zeigt auch C. Th. 1 de inquil[inis] et col[onis] 5, 10, namentlich in der Bestimmung, daß derjenige, welcher zur Herausgabe der colona verpflichtet ist, sich durch Stellung einer vicaria davon befreien kann, und in der Altersgrenze. Im übrigen cf. Nov. Valent. l. II, tit. 9, ferner Cod. Just. un. de col[onis] Palaest[inis] 11, 50 – wo die „lex a majoribus constituta“ mit der lex Hadriana des afrikanischen saltus zusammenzustellen ist, sowie Tit. 11, 51 u. 52 und über die ganze Materie Tit. Cod. Just. 11, 47. Die mehrfach vorkommenden „inquilini“ sind „Einlieger“, d. h. nicht als Colonen angesetzte, aber ortsangehörige Eingesessene des Gutsbezirkes, wesentlich wohl Nachkommen von coloni. Cod. Just. 13 de agric[olis] 11, 47 bemerkt deshalb, daß, was die Frage der Rückführung an die origo angehe, beide Kategorien gleich zu behandeln seien.
. Als nun in der [332]diokle[A 257]tianischen Zeit der Unterschied zwischen Zivilprozeß und Administrativverfahren ineinander floß, wurde daraus eine „vindicatio“, und wenn die Kurien der Gemeinden ihre Stadträte mit der Eigentumsklage wie das liebe Vieh verfolgten, so mußte sich der Colon die gleiche juristische Behandlung um so mehr gefallen lassen. Endlich wurde dann das Interdictum Utrubi auf die Colonen wie auf die Sklaven angewendet, und es tritt auch darin [A 258]wieder der Charakter der Colonen als ländlicher angesiedelter Gutsarbeiter deutlich hervor
74)
[A 258]C. Th. 1 utrubi 4, 23. Der bonae fidei possessor soll zunächst zurückerstatten, dann soll die „causa originis et proprietatis“ verhandelt werden.
. Er „gehöre“ dem Gutsherrn, wurde nun unbedenklich gesagt
75)
C. Th. 2 si vag[um] pet[atur mancipium] 10, 12 „cujus se esse profitetur“.
, und in der That entsprach dem das reale Verhältnis, denn die Gutsunterthänigkeit war nunmehr fertig
76)
Es war deshalb nur eine Versetzung in eine andere Kategorie von Gutsunterthanen [333]nach den Anschauungen der Zeit, wenn nach C. Th. 1 de fugit[ivis] col[onis] 5, 9 flüchtige Colonen Sklaven werden sollten, um nun, wie die Stelle es ausdrückt, die officia, quae liberis congruunt, d. h. denen auch freie Gutsunterthanen sich unterziehen mußten, als Sklaven zu verrichten. Wie die curiales in Nov.Major.
l
[333]A: major.
4, 1
als servi
16
Zu dieser von Weber bevorzugten Lesart vgl. oben, S. 284, Anm. 50.
curiae
17
Im Text heißt es: rei publicae; vgl. auch oben, S. 284, Webers Fußnote 134.
bezeichnet wurden und die Nichtanwendbarkeit der Tortur auf sie in C. Th. 39 de decur[ionibus] 12, 1 besonders verfügt wurde, so sind die coloni „servi terrae“
m
In A folgt: (C. Th. 26 de annon. 11, 1) Vgl. die folgende Anmerkung.
.
.
[333]Die Möglichkeit dieser realen Zurückführung war von wesentlichem Interesse für die Gutsherren namentlich auch deshalb, weil sie für den Steuersatz des Colonen hafteten. Dieser – Grund- und Kopfsteuer – wurde ihrer eigenen jugatio im Censusregister zugeschrieben (adscribere)
77)
Adscribere wird stets – C. Th. 26 de annon[a] 11, 1;
n
Fehlt in A; C. Th. 26 de annon. 11, 1 ist eine Belegstelle für adscribere.
C. Th. 3 de extr[aordinariis] et
19
Im Cod. Theod. heißt es: sive.
sord[idis] mun[eribus] 11, 16; C. Th. 51 de decur[ionibus] 12, 1; C. Th. 7 de censu 13, 10
20
Im Cod. Theod. 13,10,7 heißt es: subscripti.
; C. Th. 34 de op[eribus] publ[icis] 15, 1; C. Th. 2
21
Kein Beleg für adscribere in der von Weber angegebenen Bedeutung.
, 3
22
Enthält keinen Beleg für adscribere.
de aquaed[uctu] 15, 2; C. Th. 2 sine censu 11, 3 (servi adscripti
23
Im Cod. Theod. heißt es: mancipia adscripta.
censibus) – von Notierung der Leistungen und der Steuerlast der Possessoren und Dekurionen im Censusregister gebraucht.
, und hießen die Colonen danach adscripticii. Ebenso traf den Gutsherrn wie die Gemeinden die Verpflichtung, die auf ihn entfallenden Rekrutenkontingente zu gestellen, es wurde dies als eine das Gut belastende Realverpflichtung aufgefaßt, und die Gutsherren suchten davon Befreiungen zu erlangen, was ihnen teilweise gegen Geldrenten gelang
78)
C. Th. 1 qui a praeb[itione] tiron[um] 11, 18, nach dem Beispiele [A 259]der kaiserlichen Güter, welche davon seit C. Th. 2 de tiron[ibus] 7, 13 frei waren. Adäration bei den Senatoren C. Th. 13 eod.
. Die Kopfsteuerpflicht scheint für [A 259]die provinzialen Colonen allgemein bestehen geblieben zu sein, sie heißen hiernach censiti und gehören damit in die in ihren bürgerlichen Rechten geminderte Klasse von Provinzialen, welchen diese Qualifikation zukam
79)
Die Kopfsteuerfreiheit derjenigen Subalternen, welche, um die Tortur auf sie anwenden zu können, in die Klasse der censiti gesetzt wurden, wird besonders verfügt C. Th. 3 de numerar[iis] 8, 1.
.
[334] Gutsherrlicher Colonat und freier Colonat.Es ist klar, daß damit alle wesentlichen äußeren Züge des als „Colonat“ bekannten Rechtsverhältnisses gegeben sind. Daß dies Verhältnis gerade auf den Gutsbezirken seinen Sitz hatte, erklärt es, daß wir in den Rechtsquellen der Kaiserzeit daneben das gewöhnliche Pachtverhältnis freier Zeitpächter finden. Daß die Eigentümlichkeiten des gutsunterthänigen Colonats von den Juristen fast nicht berührt werden, hat seinen Grund in dem administrativen Charakter der für diese speziell geltenden Normen. Vielleicht ist auch der Rechtszustand damals noch ein in der Praxis mannigfach schwankender gewesen und sind deshalb die betreffenden Partien in der Kompilation nicht verwertet.
Analoge Verhältnisse. Kastelle. Barbarenansiedelungen.Dem Colonat gleichartig sind eine Reihe von andern Organisationen behandelt worden. So sind offenbar die Eingesessenen der castella in Afrika gutsunterthänige Colonen gewesen, verpflichtet zu Frohnden und unterstellt einem kaiserlichen Spezialbeamten
80)
[334]Severus Alexander baut 234 p. C. „per colonos ejusdem castelli“ – des Cast[ellum] Dianense in Mauretanien – eine Mauer, also mit deren Frohnden. (C.I.L., VIII, 8701. Cf. 8702. 8710. 8777.)
. Vor allem aber sind Barbaren in den Grenzprovinzen zu Colonatsrecht angesiedelt worden. Die Scyren verteilte Honorius nach ihrer Unterwerfung unter Gutsherren als Colonen
81)
Gesetz des Honorius und Theodosius v. Jahre 409. C. Th. V, 4, l. 3
25
= Cod. Theod. 5,6,3 Mommsen-Krüger. Das Zitat beruht auf der von Weber sonst nie benutzten Ausgabe von Gustav Hänel (1842); er hat es jedoch offenbar lediglich aus Marquardt, Römische Staatsverwaltung 22, S. 241, Anm. 2, übernommen (worauf auch der direkte Anklang an die Formulierung ebd., S. 241, wonach die Skiren „als coloni unter die Possessores vertheilt wurden“, verweist). Vgl. noch oben den Editorischen Bericht, S. 84, Anm. 15.
: Scyras … imperio nostro subegimus. Ideoque damus omnibus copiam, ex praedicta gente hominum agros proprios [A 260]frequentandi, ita ut omnes sciant, susceptos non alio jure quam colonatus apud se futuros.
, ebenso [A 260]wie man Arbeitsscheue den Gutsherren zur Verwendung zuwies. Schon früher mag ähnlich verfahren worden sein. Mommsen führt den Ursprung des Colonats auf Barbarenansiedelungen des Marc Aurel zurück, und man kann geneigt sein, die laeti in Gallien als Colonen zu qualifizieren. Indessen scheint mir der wesentliche Unterschied hier doch vorzuliegen, daß die laeti und die als Ganzes angesiedelten Barbarenstämme, soviel wir wissen, nicht einem Gutsverbande als hörige Bauern angehören, sondern Lehenbesitzer sind. Es scheint mir durchaus [335]möglich, daß die Barbarenansiedelungen die allgemeine Tendenz der dinglichen Radizierung persönlicher öffentlicher Pflichten ganz wesentlich gestärkt haben, aber ich glaube, daß das Rechtsverhältnis der Colonen auch ohne sie rechts- und wirtschaftshistorisch erklärt werden kann. Jedenfalls werden die angesetzten Barbaren, die gentiles, von den Colonen in den Quellen geschieden und haben erstere ihre besonderen persönlichen Standesrechte.
Rechtslage der Possessionen. Die Rechtsstellung des Gutsherrn gegenüber den Colonen hatte durchaus den Charakter einer obrigkeitlichen. Die Polizeigewalt im allgemeinen muß ihnen zugestanden haben, auf Grund derselben hat der conductor des saltus Burunitanus seine Colonen geprügelt etc. Claudius ließ sich vom Senat für seine Güter allgemein das Marktrecht verleihen, womit die Marktpolizei jedenfalls verknüpft war und der Gutsherr auch in die Lage kam, über Qualität der Ware, Inhalt der Qualitäts- und Hauptmängelangaben des Verkäufers der Ware beim Vieh- und Menschenhandel, nach Art der Aedilen Bestimmungen zu treffen. In gleicher Weise wurde die Marktgerechtigkeit auch an private Gutsherren verliehen (C.I.L. VIII, 270). Die Gutsherren haben kraft dieser [A 261]ihrer Polizeigewalt es sich herausgenommen, ihre Hintersassen geeignet erscheinenden Falls ebenso in das ergastulum zu sperren wie die Sklaven, bis die kaiserliche Gesetzgebung gegen die carceres privati einschritt und sie als Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates und crimen laesae majestatis zu beseitigen suchte. Ebenso bestand ersichtlich Streit zwischen den staatlichen Verwaltungsbehörden und den Verwaltern der eximierten Bezirke über die Zulässigkeit von Amtshandlungen der ersteren auf den Territorien des Gutsbezirks. Die Gutsverwaltungen verlangten, daß Verfolgungen von Verbrechern und sonstige notwendige Maßnahmen auf ihrem Gebiet nur durch Requisition zu erfolgen hätten
84)
C. Th. 11 de jurisd[ictione] 2, 1. Die actores strebten überhaupt nach Emanzipation von allen höheren Instanzen. Dagegen C. Th. 1 eod.
, mit andern Worten, sie nahmen das in Anspruch, was man im Frankenreich mit „Immunität“ zu bezeichnen pflegte. Dem wurde von den Kaisern entgegengetreten. Andrerseits setzten die Gutsherren es aber zum Teile durch, [336]daß Prozesse gegen ihre Hintersassen, und zwar Zivil- und Strafprozesse, grundsätzlich unter Zuziehung der Gutsherrschaft zu verhandeln waren. Der Gutsherr gestellte den Colonen dem Gericht und stand ihm zur Seite
85)
[336]C. Th. de actor[ibus] 10, 4
28
[336]Das Zitat bezieht sich auf Cod. Theod. 10,4,3.
von kaiserlichen Hintersassen. Daß aber die privaten Grundherren das Gleiche erstrebten und wohl auch erreichten, zeigen die energischen Verfügungen gegen die patrocinia und diejenigen, welche, teils um der Gestellungspflicht zu entgehen, teils überhaupt um den Schutz des Gutsherrn zu genießen, sich auf den Gutsbezirken ansässig machten oder dessen Gutsherrlichkeit über sich anerkannten. C. Th. 1, 2 de patroc[iniis] vic[orum] 11, 24; C. Th. 5, 6 eod.; C. Th. 21 de lustr[ali] coll[atione] 13, 1; C. Th. 146 de decur[ionibus]12, 1 (gegen Dekurionen, die „sub umbram potentium“ fliehen). Cod. Just. 1, § 1 ut nemo 11, 53 wird von dem Verhältnis der Ausdruck „clientela“ gebraucht. Cf. D. 1, § 1 de fugit[ivis] 11, 4.
. Es war das bei der Exemtion der Gutsbezirke von den munizipalen Gerichtssprengeln [A 262]eine ganz von selbst sich ergebende Entwickelung. Die Aushebung ferner ebenso wie die Steuerverwaltung hatte es nur mit der Gutsherrschaft zu thun; der Gutsherr führte seinerseits die Censuslisten seines Bezirks, trieb die Steuer bei und hatte das Exekutionsrecht
86)
[A 262]D. 52 pr. d[e] a[ctionibus]e[mpti]
o
[336]A: o.
v[enditi]
30
, wo ein conductor saltus wegen Steuerrückständen das Gut versteigert. Der Gutsherr pflegte Sklaven und Colonen seines Bezirks mit Wahrnehmung dieser obrigkeitlichen Funktionen zu betrauen, weshalb Cod. Just. 3 de tabular[iis] 10, 69 bestimmt, daß er für dieselben haften solle.
. Die Folge war, daß die Provinzialen massenhaft aus den Städten, welche nach dem Erlöschen der Gladiatorenspiele und dem Erlahmen des Interesses an den Cliquenkämpfen in den Gemeinden, welche sich nunmehr nur innerhalb der politisch allein herrschenden Dekurionenfamilien abspielten, und mit dem Abnehmen der Bedeutung der städtischen Märkte infolge der Organisation des industriellen Betriebes auf den Possessionen, ihre Anziehungskraft verloren hatten, unter die schützende Hand der großen Possessoren zu flüchten begannen
87)
Siehe die Stellen in Note 85.
. Der Possessor hatte ein Interesse daran, seine Hintersassen und die Arbeitskräfte seines Gutes vor Aushebung thunlichst zu bewahren, überhaupt sie existenzfähig zu erhalten und ihnen also nur aufzubürden, was sie tragen konnten. Man entging auf den Possessionen der staatlichen Steuerorganisation, welche einen großen Teil der städtischen Einwohnerschaft und gerade deren leistungsfähigste Elemente [337]wie eine Art staatlicher Subalterner dem Verwaltungsorganismus eingegliedert hatte und die gewerbliche Produktion teils verstaatlicht, teils ihr eine Art Amtscharakter aufgeprägt und sie unter scharfe Aufsicht gestellt hatte. Die Kapitalbildung muß im allgemeinen in denjenigen Provinzen, welche nicht, wie die Grenzländer, noch in kolonisatorischem Aufschwung begriffen waren, in hohem Grade erschwert gewesen sein, [A 263]der Autarkie der Possessionen und der Verstaatlichung großer Gewerbszeige, darunter namentlich der Lebensmittelversorgung, wegen. Da nun auch der Eintritt in den höheren Militärdienst den Dekurionen grundsätzlich verweigert wurde, so boten die Städte in der That relativ geringe oder meist geradezu keine Aussicht für den besser gestellten Bürger, in die Höhe zu kommen. Dies steigerte bei den Grundbesitzern, besonders den Dekurionen, die Neigung, sich den Städten überhaupt fernzuhalten. Es wurde schon oben berührt
32
[337]Oben, S. 320.
, daß der Beginn der Kaiserzeit durch das Fortfallen der politischen Aussichten der Aristokratie dazu führte, daß der Gutsherr wieder zum Landwirt wurde. Schon Columella empfiehlt, auf dem Lande eine komfortable Einrichtung zu schaffen, welche auch einen dauernden Aufenthalt der gutsherrlichen Familie gestattete
88)
[A 263][337]Colum. 1, 4[,] cf. 1, 6.
. Bei Palladius wird das Vorhandensein des praetorium
89)
Pallad. 1, 8. 1, 33. Der Misthaufen soll ihm nicht zu nahe gebracht werden.
– Palais – und gesondert daneben der fabrica
90)
– Wirtschaftshof – als regelmäßig vorausgesetzt. In der späteren Kaiserzeit tritt ganz allgemein die Erscheinung auf, daß die Possessoren Gemälde, Möbel, Marmorgetäfel, überhaupt Schmuck aus ihren städtischen Häusern entfernen und in ihre Landsitze übertrugen, die städtischen Häuser überhaupt teilweise ganz abbrachen
91)
Schon l. col. Genet. c. 75. Eph. epigr. III, p. 91 f.[;]
34
Die zitierte Stelle findet sich bei Mommsen, Legis coloniae Genetivae c. LXI-LXXXV, S. 95, vgl. dazu Mommsen, ebd., S. 111 f.
C.I.L., X, 1401 (Senatuskonsult vom Jahre 44/46). Gegen das Fortbringen des Schmuckes der Wohnungen auf das Land Cod. Just. 6 de aedif[iciis] priv[atis] 8, 10. Gegen den Aufenthalt von Leuten höheren Ranges auf dem Lande C. Th. tit. VI, 4
35
Weber denkt offenbar an Stellen wie Cod. Theod. 6,4,3; 6,4,6; 6,4,7 und 6,4,11.
.
. Namentlich auch die Dekurionen suchten in dieser Weise eine Abgliederung ihrer Besitzungen vom Municipalverband vorzubereiten. Die Ge[338]setzgebung und die Ortsstatuten schritten schon in der [A 264]früheren Kaiserzeit hiergegen ein, verboten das Abbrechen städtischer Gebäude oder von Gebäuden überhaupt ohne Erlaubnis der Behörden und ebenso die Entfernung der Meublements aus den städtischen Häusern der Possessoren. Allein die Entwickelung der Abbröckelung der Städte war eine außerordentlich starke. Dem steht nicht entgegen, daß es Städte gab, deren Bevölkerungszahl und materieller Wohlstand im Zunehmen begriffen war, z. B. Mailand, welches an dem Knotenpunkt der Straßen nach den in starker kolonisatorischer Bevölkerungszunahme und steigender Intensität des Anbaues befindlichen Grenzprovinzen lag, daß überhaupt in diesen Grenzprovinzen eine steigende städtische Entwickelung stattfand. In Gallien kam der Rückschlag in naturalwirtschaftliche Zustände mit Überwiegen des agrarischen Elementes zum Teil erst unter den Merovingern. Aber die central wirkende Tendenz ist im Reiche und den alten Provinzen schon in der späteren Kaiserzeit die oben geschilderte. Man kann versucht sein, ihre Parole dahin zu formulieren: „Landluft macht frei“, und es hat ein halbes Jahrtausend gedauert, ehe die Zeit reif war für die entgegengesetzte Losung. In beiden Fällen war eine Freiheit in unserm individualistischen Sinn
36
[338]Vgl. hierzu und zum folgenden Webers Schilderung des „individualistischen“ Freiheitsstrebens der zeitgenössischen Landarbeiter, in: ders., Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (wie S. 45, Anm. 7), S. 797 f. (MWG I/3, S. 919 f.).
nicht das, was der unter den Schutz der Possessoren als Colon flüchtende Städter oder der in die Stadt als Pfahlbürger zuziehende ländliche Hörige zu finden hoffen durfte
37
Vgl. auch WuG1, S. 528: „In den mittel- und nordeuropäischen Städten entstand der bekannte Grundsatz: ‚Stadtluft macht frei‘, – d. h. nach einer verschieden großen, stets aber relativ kurzen Frist verlor der Herr eines Sklaven oder Hörigen das Recht, ihn als Gewaltunterworfenen in Anspruch zu nehmen."
. Sondern es kommt bei diesen säkularen Hebungs- und Senkungserscheinungen darauf an, welche Begriffe der Einzelne sich von „Freiheit“ machte und wovon er frei sein wollte, vor allem aber, wo die Zukunft der Entwickelung und die Hoffnung auf eine nach der Vorstellung der Zeit lebenswerte Existenz lag. In der Zeit des Niedergangs des römischen Reiches aber gehörte die Zukunft der Entwickelung den Grundherrschaften.
Wir sehen aus den Quellen, daß gutsherrliche coloni und solche, bei denen ein solches „gutsherrlich-bäuerliches [A 265]Verhältnis“, um in [339]der Sprache unserer
38
[339]D.h.: preußischen.
Agrargesetze
39
Zu dem Ausdruck „gutsherrlich-bäuerliches Verhältnis“, der in der preußischen Reform-Agrargesetzgebung des 19. Jahrhunderts, besonders seit dem maßgeblich von Albrecht Thaer formulierten ‚Edikt vom 14. September 1811 wegen Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse‘ üblich war, vgl. u. a. Knapp, Bauernbefreiung 1, S. 227, sowie dass., Band 2, S. 448 und 456.
zu reden, nicht bestand, bei denen also die Beziehung zum Grundherrn eine rein kontraktliche war, nebeneinander existierten, die letzteren außerhalb der Gutsbezirke. Nun wurde aber in Kap. III erwähnt, daß die Steuerhaftung der Dekurionen dazu führte, daß man die städtischen Territorien vielfach in Despotien zerlegte, diesen Despotien die kleineren Eigentümer zuschlug und von jedem der Dekurionen die Steuern seiner Despotie, also diejenige von seinem unter eigener Wirtschaft befindlichen Land, von den zugeschlagenen Kleinbesitzern und den Colonen erhob und damit die zur Despotie gehörigen Steuerpflichtigen thatsächlich mediatisierte
92)
[A 265][339]C. Th. 2 de exact[ionibus] 11, 7 (Konstantin im Jahre 319): Kein decurio soll belangt werden, außer für seinen Tribut und den seiner coloni und tributarii, nicht aber „pro alio decurione vel territorio“. An sich bestand die Gesamthaftung und konnte man einen Dekurionen herausgreifen und für die ganze Steuersumme der Gemeinde haftbar machen, wie dies auch nach D. 5 de cens[ibus] 50, 15 vorkam. Nunmehr wurde das Stadtgebiet in Despotien (territoria) zerschlagen, und jeder Dekurio haftete für sein territorium. Das stimmt mit den früher (Kap. III) angeführten Katasterfragmenten. Die πάροικοι daselbst sind schwerlich nur coloni, der Ausdruck kommt auf einer böotischen Inschrift aus der Zeit Marc Aurels ebenfalls vor (C.J.Gr. 1625)
42
CIG 1625 aus Akraiphiai (= IG VII: Inscriptiones Graecae Megaridis, Oropiae, Boeotiae, hg. von Wilhelm Dittenberger. – Berlin: Georg Reimer 1892, Nr. 2712). Die Inschrift wurde von Boeckh (CIG I, S. 789) in die Zeit Marc Aurels datiert, stammt jedoch tatsächlich, wie sich später ergab (vgl. IG VII, ebd.), aus der Zeit Neros.
. Dort hat jemand gespendet an πολείταις καὶ παροίκοις καὶ ἐκτημένοις
43
CIG 1625, Z. 45 (vollständigere Fassung in IG VII, a. O., Z. 64 f., vgl. ebd., Z. 13 f.).
. Schwerlich sind hier πάροικοι Colonen, vielmehr die nicht als Dekurionen (πολεῖται) immediatsteuerpflichtigen Einwohner, wie C.I.G. 2906 bestätigt, wo von πάροικοι, die Epheben waren, die Rede ist. Die πάροικοι sind vielmehr Passivbürger, also wahrscheinlich dasselbe, was der Ausdruck tributarius bezeichnet, und dieser wird (s. o.)
45
Oben, S. 285.
neben colonus und in Beziehung auf munizipale Steuern genannt. Mir scheint, wie früher
46
Oben, S. 285.
schon gesagt, daß darunter die zur Despotie geschlagenen kleineren Besitzer, die eben deshalb nicht possessores sind, gemeint sind, womit C. Th. 2 si vag[um] pet[atur mancipium] 10, 12 stimmen würde. Auf die Tribut[340]pflicht an den Herrn wird, wie ein Blick in die Quellen zeigt, bei dem ganzen Verhältnis der coloni ein so großes Gewicht gelegt, daß die annähernde Identifikation aller adscripticii mit den coloni nicht wunderbar ist. Der Ausdruck colonus wird überhaupt ge[A 266]legentlich auch für solche Gutsunterthanen gebraucht, welche nicht ansässig sind (C. Th. 4 de extr[aordinariis] et
48
Im Text des Titels heißt es: sive.
sord[idis]
p
[340]A: sod.
mun[eribus] 11, 14
49
‚De extraordinariis sive sordidis muneribus‘ entspricht dem Titel 11,16 des Cod. Theod. Die Stelle 11,16,4 bietet jedoch keinen Beleg für die Angabe im Text; gemeint ist offenbar Cod. Theod. 11,1,14.
und Gothofredus dazu). – Auf jene nicht qua coloni, sondern nur infolge ihrer Zuschlagung zu der Despotie eines possessor quasi mediatisierten Steuerpflichtigen scheint sich mir die übrigens unklare und wohl korrupte Konstitution des C. Just. 2 in q[uibus] c[ausis] col[oni censiti dominos accusare possunt] 11, 49 zu beziehen. Sie spricht von coloni censibus dumtaxat adscripti und davon, daß die tributa sie zu subjecti machen, und verfügt, daß sie ebenso wie die Colonen nicht zur Klage gegen den Herrn berechtigt sein sollen, sondern nur in den besonderen, bei den coloni zugelassenen Fällen außerordentliche Rechtshilfe erlangen. Hiernach scheint also die Nivellierung der bloßen adscripticii mit den coloni Zweck des Gesetzes. Die folgende Partie desselben wäre dann von Tribonian, zu dessen Zeit von der Differenz längst keine Rede mehr war, interpoliert, indem er geglaubt hätte, die Stelle rede von Sklaven.
. [A 266]Die „tributarii“ sind dieser Stand [340]der Hintersassen von Possessoren. Der Possessorenstand hob sich so scharf als besonderer Stand der immediaten steuerpflichtigen Grundbesitzer ab. Die Zugehörigkeit zur städtischen Kurie konnte als eine Grundlast der inkommunalisierten Possessoren gelten, welche die Befreiung derselben z. B. von der Verpflichtung, Rekruten von ihren Gütern zu stellen, motivierte. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß diese Entwickelung lokal in sehr verschiedenem Grade zur Durchführung gelangte, teilweise in den Anfängen blieb, ebenso wie seinerzeit das cäsarianische Ideal einer Organisation des ganzen Reiches in Municipalbezirken. Will man die Tendenzen der Entwickelung, immer unter dem Vorbehalt, daß sie eben nur Tendenzen sind und daß der Grad ihrer Durchführung ein lokal verschiedener ist, sie ganz rein überhaupt vielleicht nirgends realisiert erscheinen, also in Idealbildern
47
[340]Vgl. dazu oben die Einleitung, S. 51 f.
, formulieren, so kann man, glaube ich, ohne allzu große Kühnheit sagen: Der Gedanke Cäsars war vielleicht [A 267]ursprünglich gewesen, das Reich als eine Kombina[341]tion von in der Selbstverwaltung autonomen Municipien mit von diesen zu leistenden Matrikularbeiträgen zu organisieren
51a
[341]Weber denkt an die sog. lex lulia municipalis; vgl. dazu oben, S. 141, Anm. 2a.
, die Kaiserzeit hatte die Selbstverwaltung allmählich vernichtet, und die Municipien sollten normalerweise die Verwaltungsbezirke des Reiches sein. Thatsächlich aber war über das Reich ein Netz von Grundherrschaften ausgebreitet, auf welchem die Municipien, ohne unentbehrliche Mittelpunkte des gewerblichen Lebens oder der Kapitalbildung und auch ohne unentbehrliche Marktorte zu sein, also im Grunde nur als Schröpfköpfe im Interesse der staatlichen Steuerverwaltung saßen
52
Vgl. die nahezu gleichlautende Formulierung bei Weber, Untergang der antiken Kultur, S. 75: „Aber die ökonomische Unterlage der breiten Masse der römischen Städte schwand immer mehr: sie saßen wie Schröpfköpfe im Interesse des geldbedürftigen staatlichen Verwaltungsapparats auf einem Untergrund, der sich mit einem Netz von Grundherrschaften überzogen hatte.“
.
Innere Organisation der Gutsherrschaften. Wir haben nun noch die inneren Verhältnisse der Possessionen einer Betrachtung zu unterwerfen. Die Possessoren verwalten, das haben wir schon gesehen
53
Bisher nicht ausgeführt, actores jedoch oben, S. 323 f., erwähnt.
, die Gutsbezirke durch Beamte, welche den Municipalbeamten nachgebildet sind. Der villicus findet sich zwar auch in der Kaiserzeit noch als Leiter der Gutswirtschaft
95)
[A 267][341]C.I.L.,V,
q
[341]In A folgt: 90. CIL V 90 ist jedoch eine Belegstelle für actor, nicht für villicus. Vgl. das Folgende.
878. 7739; X, 1561. 1746. 4917.
, aber neben ihn und wie es scheint thatsächlich an seine Stelle ist der „actor“ getreten, entsprechend dem gleichnamigen Municipalbeamten, schon durch seinen Namen andeutend, daß er mit Amtsgeschäften, quasi-staatlichen Verwaltungsgeschäften, betraut ist, wie das auch die Quellen ergeben
97)
Siehe die weiter unten citierte Stelle. Der actor steht bei Columella 1, 7
55
Weber zitiert Columella 1,7,7.
neben der familia.
. Ebenso wie der villicus ist er im allgemeinen Sklave. Bei großen Verwaltungen ist ihm übergeordnet oder an seiner Stelle vorhanden der procurator, den kaiserlichen Beamten gleichen [342]Namens nachgebildet, er ist Freigelassener. Diese Personen haben die allgemeinen Verwaltungsgeschäfte zu erledigen und die Listen zu führen, sie werden ganz den staatlichen [A 268]und kaiserlichen Verwaltungsbeamten gleich behandelt
99)
[A 268][342]C.I.L., X, 3910: Jemand, der sonst öffentlicher Beamter war, ist „praefectus“ eines (allerdings sehr bedeutenden) Privaten geworden. Das entspricht offenbar dem Fall, daß heute jemand aus dem staatlichen in standesherrlichen Forstdienst tritt. Die Bezeichnung „praefectus“ deutet damals sicherlich auf Amtsgeschäfte. Bei Varro 1, 17 sind die praefecti der Gutswirtschaft ständige Aufseher unter dem villicus, aber Sklaven, jedoch im allgemeinen in monogamischen Verhältnissen. „Procuratores“ finden sich bei Varro (3, 6) für das aviarium, bei Columella (9, 9)
57
Die zitierte Stelle findet sich bei Columella 9,9,2.
für die Bienenzucht, also damals noch in rein wirtschaftlicher Funktion.
; für die Kassenführung steht ihnen auf großen, zumal den kaiserlichen, Gütern ein dispensator zur Seite, der Sklave zu sein pflegt, für die Listenführung ein tabularius. Über die Übergriffe dieses Gutsbeamten wird mehrfach geklagt, wohl meist aus den gleichen Gründen wie in der afrikanischen Beschwerde. Die Lage der Colonen muß namentlich auf den eximierten Privatherrschaften zunächst vielfach eine prekäre gewesen sein. Wir sahen
56
[342]Oben, S. 330–332.
, daß sie thatsächlich an die Scholle gebunden, d. h. in erster Linie nicht in der Lage waren, vom Gutsbezirk abzuziehen. Indessen diese Beschränkung der Freizügigkeit wird in der Regel kaum als Last empfunden worden sein, da Freizügigkeit hier nur die Bedeutung der Möglichkeit, auf das bewirtschaftete Gut zu verzichten, hatte und deshalb kaum als wertvolles Recht empfunden worden wäre. Viel wichtiger war für sie die Frage, ob sie auch gegen den Willen des Herrn an die Scholle gebunden sein sollten, so daß dieser sie nicht, wie gewöhnliche freie Pächter, kündigen bezw. nach Ablauf irgend einer Pachtzeit in der Rente steigern dürfte. Daß ein Eingesessener eines Gutsbezirkes nicht ohne weiteres aus [A 269]demselben entfernt werden konnte, ist klar, da keine Gemeinde zu seiner Aufnahme verpflichtet war. Praktisch bedeutet die Frage also: ob der Gutsherr seine Bauern „legen“ und in Tagelöhner verwandeln bezw. ihnen ihre Grundstücke nehmen und an andre vergeben konnte. Klar ist, daß im Erbfall die Möglichkeit für den Gutsherrn, [343]einzugreifen und die Übernahme des Gutes zu bestimmen, eine sehr arbiträre war. Im übrigen sahen wir in Kap. III
59
[343]Oben, S. 238.
, daß die lex agraria im Interesse der afrikanischen Domänenpächter resp. zehntpflichtigen Possessoren verbot, daß durch lex censoria die Pacht etc. erhöht werde. Die leges censoriae bei den Domänenverpachtungen der mancipes haben sicher ebenso das Maximum der Leistungen, welche der Groß- von den Kleinpächtern fordern dürfte, enthalten, wie dies bei den kaiserlichen Pachtgütern der Fall war, und ebenso wird über die Zulässigkeit der Entsetzung von Colonen darin Bestimmung getroffen worden sein. So verfügte eine Instruktion Konstantins an die Domänenverwaltungen von Sizilien, Sardinien und Korsika (C. Th., [de] comm[uni] div[idundo] 2, 25), daß bei Teilungen von fundi patrimoniales und emphyteuticarii die agnatio
60
Agnatio‘ (vgl. Glossar, unten, S. 384) bezeichnet hier allgemein die (Bluts-)Verwandtschaft bzw. Familienzugehörigkeit.
der Sklaven zusammenbleiben und nicht willkürlich auseinandergerissen werden solle. Aus dieser rein instruktionellen und auf Sklaven bezüglichen Verfügung hat Tribonian die bekannte auf „coloni adscripticiae condicionis“ bezügliche Konstitution (C.I. 11 comm[uni] div[idundo]
61
Der Titel von Cod. Iust. 3,38 lautet: Communia utriusque iudicii tam familiae erciscundae quam communi dividundo.
3, 38) gemacht und die Verfügung ganz allgemein auf private Possessoren bezogen. Von Privaten war ursprünglich in der Verfügung gar keine Rede. Auf diese bezog sich vielmehr die Konstitution des Konstantinus
62
Die zitierte Konstitution stammt von Constantius II. aus dem Jahre 357 n. Chr.
(C.I. 2 de agric[olis] 11, 47), worin verboten wird, daß jemand, der ein Gut verkauft, die coloni zurückbehält und anderwärts verwendet. Ein solches Verbot wäre nach Zivilrecht und auch nach Verwaltungsrecht an sich gar nicht nötig gewesen, – da ja die gutsunterthänigen Colonen an das Gut als ihre origo gefesselt waren, – wenn nicht die [A 270]Verquickung von Privat- und Verwaltungsrecht schon zu der Auffassung geführt hätte, die Colonen gehörten dem Herrn in privatrechtlichem Sinn eigentümlich. Ebensolche mißbräuchliche Anwendung des Sklavenrechtes war der Versuch, Colonen als Personen wie Sklaven zu veräußern. Da sie zum Gut grundsätzlich nur als Einwohner gehörten, konnte davon juristisch keine Rede sein. Nun suchte man aber Konfusion in das Verhältnis zu [344]bringen, indem man kleine Parzellen des Gutes veräußerte und mit diesen Parzellen die Hoheit und Verfügung über die Colonen mit übergehen ließ und so die Colonen thatsächlich veräußerlich zu machen suchte
103)
[A 270][344]Schwierigkeiten ähnlicher Art entstehen noch heute bei Teilungen von Gütern, welche Gutsbezirke bilden, bei uns
68
Weber spricht von Preußen.
. Die praktische Behandlung ist dabei in den einzelnen Provinzen eine verschiedene.
. Dem wurde entgegengetreten, und C. Just. 7 l. c. dehnt dies Verbot aus auf die servi rustici adscripticiae condicionis
65
Der ebd. (Anm. 64) verwendete Begriff lautet: rustici censitique servi. Der Terminus ‚adscripticia condicio‘ begegnet – für sich – mehrfach im Cod. Iust., u. a. auch in dem hier zitierten Titel: 11,48(47),22–24 Krüger.
, d. h. diejenigen, welche in der Censusliste der Grundherrschaft besonders mit einem Steuersatz aufgeführt waren. Es sollen coloni und diese praktisch den coloni angenäherten Sklaven pro rata mit übergehen. Ein Verbot, coloni zu depossedieren, enthalten sonst die Quellen nicht ausdrücklich. Allein allerdings scheint man einen administrativen Schutz des bestehenden Bauernlandes für zulässig erachtet zu haben, da man eine Art außerordentlichen Verfahrens gegen Versuche des Grundherrn, den Colonen zu steigern, zuließ
104)
Es handelt sich nicht um einen Zivilprozeß, sondern um ein „facinus comprobare“, auch soll ein beliebiger judex angerufen werden dürfen, – natürlich, da ja im Gutsbezirk eine ordentliche Justizbehörde nicht bestand und also der Instanzengang zweifelhaft sein mußte.
. Das Eingreifen kann nur ein arbiträres gewesen sein, so etwa, wie man es sich bei Gutsherrschaften der stipendiarii z. B. nach dem im Kap. III
66
Oben, S. 268 f.
Gesagten wahrscheinlich immer gestattet hat und [A 271]stammt vielleicht daher. Bei Todesfällen wird dem Herrn die Möglichkeit, den geeigneten unter den Erben in die Stelle einzusetzen, nicht haben beschnitten werden können, die übrigen wurden dann „inquilini“. Wie weit thatsächlich der „Bauernschutz“ in den privaten Gutsbezirken gegangen ist, wissen wir nicht. Übrigens war er im allgemeinen wohl nicht notwendig zur Erhaltung der coloni, da der dominus selbst, wie dargelegt
67
Oben, S. 312.
, an der Erhaltung von auf eigne Kosten und Risiko lebenden und wirtschaftenden Gutsunterthanen, die ihm in der Saat- und Erntezeit als Arbeiter zur Verfügung standen, ein Interesse hatte. – Der Grad der Selbständigkeit der Colonen [345]und ihre allgemeine Lage wird sehr verschieden gewesen sein, und vielleicht ist darnach auch die Besiedelungsweise des Gutes eine verschiedene gewesen. In Afrika lagen – allerdings wohl auch mit Rücksicht auf die Angriffe der Wüstenstämme – die vici der plebeji, d. h., da es sich um stipendiarii handelt, aller Eingesessenen, Colonen, Handwerker, Kaufleute, dicht um das Palais „in modum munitionum“, wie die Agrimensoren in der früher citierten Stelle sagen. Das wird auch da der Fall gewesen sein, wo die coloni durch Evolution aus den Sklaven hervorgegangen sind, und wo sie also in erster Linie Arbeiter sind, welche in der Weise unter strenger Aufsicht des Gutsinspektors, actor, villicus, stehen, wie dies Columella voraussetzt, namentlich wenn ihre Beköstigung meist vom Gut aus besorgt werden mußte
72
Weber bezieht sich offenbar auf die Stelle Columella 2,9,17; vgl. oben, S. 322 mit Anm. 57.
, weil die Frohntage die freien Tage überwogen
105)
[A 271][345]In Gallien scheint, worauf mich Herr Geh. Rat Meitzen
75
Vgl. auch Meitzen, Ansiedelung1, S. 307, und, zurückhaltender, ders., Siedelung und Agrarwesen 1, S. 521.
aufmerksam machte, eine Umsiedlung in der Weise stattgefunden zu haben, daß die Colonen sich dorfweise um die Gutshöfe gruppierten und die Flur in Gewannen umgelegt wurde. Dies kann m. E. nur den Sinn haben, daß die Gutsherren Sklaven nicht mehr in beträchtlichem Umfang hielten, daher nun die ganze Flur nur mit scharwerkenden Colonen bestellten, also diese günstiger, nämlich so wie frohnpflichtige Bauern, stellen mußten, die Um[A 272]legung als Dorf [346]nach Art der Hufenverfassung von den Colonen verlangt wurde und deshalb die Neuaufteilung erfolgte, bei welcher andererseits der Gutsherr seine Hintersassen aus militärischen Gründen näher heranzog. Doch liegt dies nach der deutschen Kolonisation
79
Mit „deutscher Kolonisation“ bezeichnet Weber die Ansiedlung im 5./6. Jahrhundert n. Chr. im Gefolge der Völkerwanderung.
und gehört deshalb nicht hierher.
. Columella nimmt sonst als [A 272]das Regelmäßige an, daß die Colonen auf den Außenländereien ihren Sitz haben
73
Vgl. S. 311.
. Es wird sich deshalb kaum etwas Allgemeines über die Stellung der coloni zum Gutsherrn, den thatsächlich bestehenden Grad von Abhängigkeit und die sozialen Verhältnisse der coloni sagen lassen. Die glebae adscriptio enthielt jedenfalls keine Verschlechterung ihrer Lage, soweit sie überhaupt etwas Neues enthielt.
Schicksale des ländlichen Arbeiterstandes. Dagegen lassen sich wenigstens einige allgemeine Züge einer Entwickelung in den Verhältnissen der Sklaven konstatieren. Wir haben oben
74
Oben, S. 315.
gesehen, daß die Organisation des Sklavenbetriebes auf dessen Höhepunkt – im Anfang der Kaiserzeit – eine streng militärische war. Die Sklaven [346]schliefen kaserniert, aßen gemeinsam,von
a
[346]A: vom
monogamischen geschlechtlichen Verhältnissen kann im allgemeinen nicht die Rede gewesen sein. Dekurienweise hatten sie des Morgens anzutreten, wurden vom villicus und der villica gemustert und dann zur Arbeit geführt in Gruppen von 3–10, unter Aufsicht von „Antreibern“ (monitores). Die Einteilung geschieht nach Körperkräften – zum Ackern die längsten, zum Weinbau die kleinsten
107)
Colum. 1, 9
81
Weber zitiert Columella 1,9,2–4.
.
, – ferner wurden zum Wein- und Ölbau, wie früher
76
[346]Oben, S. 314 f.
erörtert, billige und angeblich meist gefesselte Sklaven verwendet. – Die Kleidung des Sklaven hat derselbe, wie in unsren Kasernen, an dem ihm bestimmten Platz aufzubewahren. Er erhielt jedes Jahr eine tunica, alle zwei Jahre eine saga (Cato 59), daneben hat er für den Gebrauch bei der Arbeit Flickröcke (centones). Monatlich zweimal ist Appell
108)
Colum. 11, 1
82
Weber zitiert Columella 11,1,21.
.
· Festtags[A 273]garnituren hat der Sklave „auf Kammer“ zu geben an die villica. Diese hat die gemeinsame Küche unter sich, ebenso das lanificium, in welchem die Sklavinnen den Bedarf an Kleidung herstellen, und das valetudinarium (Lazarett)
109)
[A 273]Colum. 12, 1
83
Das Zitat findet sich bei Columella 12,3,1–8.
.
. Über den gewöhnlichen Sklaven steht, wie gesagt
77
, der villicus, meist ein auf dem Gut aufgewachsener Sklave, später die actores. Letztere werden bei Columella als solche erwähnt, die bessere Kleider tragen (12,3)
78
Weber zitiert Columella 12,3,6.
. Sie leben monogamisch, werden gelegentlich zu Tisch gezogen
110)
Colum. 1, 8
84
= Columella 1,8,4–5. (Mißverständnis Webers: Der vilicus bzw. actor soll seinerseits einen fleißigen Sklaven an einem Festtag an seinen Tisch laden; vgl. auch Columella 11,1,10.)
.
und haben pecu[347]lium zur Mitweide
85
[347]Peculium als Mitweide: vgl. Varro, res rust. 1,2,17 sowie 1,17,7. Das peculium speziell eines actor (oder vilicus) wird bei Columella bzw. den Agrarschriftstellern nicht erwähnt; Varro, res rust. 1,2,17 spricht von „servi“ allgemein. – Weber, Untergang der antiken Kultur, S. 65, ebenso ders., Agrarverhältnisse im Altertum1, S. 15, dass.2, S. 81, vertritt die Auffassung, daß nach den Agrarschriftstellern überhaupt nur der vilicus ein peculium habe. Allgemein zum peculium der ländlichen Sklaven vgl. Varro, res rust. 1,2,17.
. Das Gleiche gilt von den praefecti der Sklavenabteilungen, auch sie leben monogamisch und haben peculium, – beides pflegt parallel zu gehen. Je mehr nun die Sklavenzufuhr versiegte, je mehr also gerade die ländlichen Sklaven sich aus sich selbst ergänzen mußten und damit die Fluktuation der Sklavenbevölkerung auf dem Lande nachließ, desto fester mußten die Gliederungen der Sklaven sich ausprägen. Wir finden bei Columella magistri officiorum erwähnt, die Sklaven also nicht nur rein „korporalschaftsweise“ in classes, decuriae, gegliedert, sondern auch nach den officia, den Arten der Arbeitsleistungen. Das hängt mit der gesteigerten Sorgfalt der Technik zusammen. Wir finden bei den früheren, Cato, Varro, meist nur die Hirten nach den zu hütenden Tieren geschieden, alle andern als „operarii“ zusammengeworfen. Columella aber erwähnt, daß man neuerdings Gewicht darauf legen müsse, z. B. für den Weinbau, für welchen man bis dahin die billigsten Kräfte verwendet habe, gelernte vinearii
89
Das Wort lautet: vinitores (vgl. auch S. 304, Webers Fußnote 20).
zu bekommen, welche dann natürlich dauernd in dieser Branche blieben. Noch schärfer mußte die Scheidung werden, [A 274]als man auf den größeren Gütern eigne Handwerker zu organisieren begann. Columella erwähnt noch, daß die fabri meist gekaufte Sklaven seien
114)
– vielleicht aus größeren Lehranstalten, wahrscheinlich aber von städti[348]schen Meistern
115)
[348]Häufig sind in den Rechtsquellen
96
Erhalten sind sog. Lehrlingsverträge (für Sklaven und Freie) nur auf ägyptischen Papyri; in „den Rechtsquellen“ finden sich nur wiederholte Hinweise auf Ausbildungsverhältnisse als solche (für Sklaven z. B. Dig. 6,1,31; 17,1,26,8; 19,2,13,3; 32,65,3; 33,7,19).
die Kontrakte über Ausbildung von Sklaven im Handwerk.
. Später dagegen, schon zuPalladius’
b
[348]A: Palladins
Zeit, zog man sich, wie oben erwähnt
94
[348]Oben, S. 317.
, die Handwerker auf den Gütern selbst. Die Organisation der späteren Zeit schied dann scharf zwischen den ländlichen Arbeiterabteilungen – officia – und den Handwerkerabteilungen – artificia
116)
D. 65 de Iegat[is] 3
97
: Beim Übergang eines Sklaven aus dem officium zum artificium erlischt wegen Veränderung des Objekts das Legat an denselben. Die scharfe Scheidung der familia rustica und urbana ist älter, für später vergl. D. 99 pr. de legat[is] 3; D. 10, § 4 de usu et habit[atione] 7, 8. In republikanischer Zeit schickte man die unbrauchbaren Subjekte aus der fam[ilia] urbana aufs Land
99
Weber hat hier offenkundig Stellen im Auge wie Horaz, Satiren 2,7,117 f., wo dem Sklaven Davus als empfindliche Strafe angedroht wird, er müsse als Feldsklave auf das sabinische Gut des Dichters.
, das änderte sich später, und Columella will grundsätzlich die fam[ilia] rustica höher gestellt wissen (Colum. 1, 8)
100
Die zitierte Stelle findet sich bei Columella 1,8,1–2.
.
. Die Zugehörigkeit zu beiden war jedenfalls wohl, sobald die Loslösung aus dem Sklavenkasernement sich vollzogen hatte, und das ist sicher bei den Handwerkern zuerst der Fall gewesen, eine thatsächlich erbliche. Die Loslösung vom gemeinsamen Haushalt in der villa rustica ist überhaupt das entscheidende Entwickelungsmoment. Bei den Gutsbeamten, den „officiales“, ist sie, wie gesagt
95
Oben, S. 346 f.
, zu Columellas Zeit vollzogen, sie leben monogamisch und haben ein peculium. Schon in der früheren Kaiserzeit kommen Ehen zwischen ihnen und Freien vor, die der Gutsherrschaft angehörigen Personen fühlen sich, soweit sie eben in dieser Weise abgegliedert sind vom Gutshofe, als ein Stand, die Freilassung ist nur eine Aszension innerhalb desselben
117)
Ehe von Sklaven mit Freien C.I.L., X, 4319. 5297. 6336. 7685. Villicus und libertus dedizieren C.I.L., II, 1980. Liberti et officiales C.I.L., X, 6332. Monogamische Verhältnisse [A 275]bei actores: C.I.L., V, 90. 1939; XII, 2250. Festes contubernium bei gewöhnlichen Sklaven C.I.L., V, 2625. 3560. 7060. Die servi dispensatores sind oft wohlhabende Leute [349](Henzen 6651)
106
Orelli-Henzen III 6651; der gleiche Text auch CIL VI,2 (Inscriptiones urbis Romae, hg. von Eugen Bormann, Wilhelm Henzen, Christian Hülsen, pars [II]. – Berlin: Georg Reimer 1882), Nr. 5197. Weber zitiert diese Inschrift offenkundig nur nach dem Zitat bei Mommsen a. O. (CIL V,1, S. 15, zu Nr. 83).
, und der Grund, weshalb sie nicht freigelassen werden, nach Mommsens Vermutung (C.I.L., V, 83), daß man sie, als Kassenbeamte, der Folter wollte unterwerfen können. Wäre das feste contubernium zur Zeit der klassischen Jurisprudenz bereits die Regel gewesen, so würde die Anerkennung schon damals eine weitergehende gewesen sein, als in der bekannten „servilis cognatio“.
. Die sittli[349]che Bedeutung [A 275]dieser Entwickelung braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden. Man muß sich vergegenwärtigen, daß in der antiken Welt zu Beginn der Kaiserzeit Bebels Ideal der rechtlichen Konstruktion der Ehe
101
[349]D.h.: der „freien Ehe“ als eines nicht staatlich sanktionierten und jederzeit von beiden Seiten auflösbaren Verhältnisses. Vgl. Bebel, Die Frau und der Sozialismus, S. 337 (auch bereits dass.8, S. 192). Siehe auch S. 298, Anm. 10.
in den oberen Ständen de facto, allgemein de jure verwirklicht war
102
Seit der frühen Kaiserzeit setzte sich die römische „freie Ehe“ immer mehr durch, bei der die Frau nicht der Gewalt (manus) des Ehemannes unterworfen war und bei der u. a. auch Gütertrennung sowie die freie Ehescheidung seitens beider Partner bestand. Vgl. auch die späteren Ausführungen Webers, WuG1, S. 207 und 428.
. Die Konsequenzen sind bekannt
103
D.h.: die angebliche Sittenlosigkeit in den ‚oberen Ständen‘.
. Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die Zusammenhänge dieser wirtschaftlichen Entwickelung mit dem Einfluß des christlichen Ehe-Ideals zu würdigen
104
Den Ausführungen über die Entwicklung der Ehe dürfte das Werk von Lecky, History of European Morals, zugrundeliegen. Zur Emanzipation der Frau in Rom, der unbeschränkten Freiheit der Ehescheidung, ihren Folgen sowie zum christlichen Einfluß vgl. die deutsche Ausgabe: Lecky, Sittengeschichte Europas, Band 1, S. 253–257 und 263–265. (Weber nennt dieses Buch in seinem gedruckten „Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine (‚theoretische‘) Nationalökonomie“ von 1898, S. 9; Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz.)
. Aber das liegt wohl auf der Hand, daß die Abgliederung der Sklavenexistenzen vom Gutshaushalt ein Moment tiefer innerer Gesundung war, welches mit dem Zurücksinken der „oberen Zehntausend“ in jahrhundertelange Barbarei keineswegs zu teuer erkauft ward
105
Vgl. dazu auch Weber, Untergang der antiken Kultur, S. 67 f. und 74. Ebd., S. 76, ist in fast gleicher Weise die Rede von einem „gewaltigen Gesundungsprozeß“, wobei gleichzeitig „die raffiniert gebildete Aristokratie des Altertums zur Barbarei herab[sank]“.
. Äußerlich war, wie bemerkt, die Etablierung eigener bäuerlicher Wirtschaften durch die Sklaven, wie sie mit dem Teurerwerden der Arbeitskräfte und der deshalb geringeren Rentabilität der eigenen Bewirtschaftung des Landes durch den Gutsherrn in den Vordergrund trat, das Ergebnis der agrarischen Entwickelung der Kaiserzeit. Die Entwickelung ging dann [350]naturgemäß dahin, daß aus den kasernierten Sklaven in eigener Behausung monogamisch lebende „Lassiten
107
[350]Lassit ist nach der Definition bei Knapp, Bauernbefreiung 1, S. 17, ein Bauer mit eingeschränktem Nutzungsrecht an fremden Grundstücken, deren Eigentümer er Dienste und Abgaben schuldete.
– um eine moderne Analogie zu gebrauchen – wurden. Die Rechtsstellung gegenüber dem Herrn zeigte gleichfalls die Tendenz, zu einer Emanzipation von dessen Wirtschaft gegen Leistung einer festen Rente zu führen. Die Quellen unterscheiden den Fall, daß ein Sklave gegen [A 276]feste Rente auf einer Gutsparzelle sitzt, von dem, daß er sie „fide dominica
117a)
[A 276][350]D. 20 § 1 de instructo 33, 7 (Scävola). Jemand hat einen fundus nebst instrumentum legiert, – „quaesitum est, an Stichus servus, qui praedium unum ex hiscoluit
c
[350]A: colonit
…debeatur. Respondit, si non fide dominica, sed mercede, ut extranei coloni solent, fundum coluisset, non deberi. Dagegen D. 18 § 44
109
Das Zitat stammt aus § 4.
eod.
(Paulus): Quum de vilico quaereretur, et an instrumento inesset, et dubitaretur, Scaevola consultus respondit, si non pensionis certa quantitate, sed fide dominica coleretur, deberi. – Die erste Stelle spricht davon, daß die „dotes colonorum“ mit legiert sind, also das diesen zur selbständigen Bewirtschaftung ihrer Parzellen übergebene Inventar. Nichts zeigt deutlicher, daß die Colonen hier einfach den eigenen Betrieb durch Sklaven ersetzen, daß auch dieser Sklavenbetrieb die Tendenz hatte, sich in selbständige Parzellenbetriebe, von denen der Gutsherr feste Renten zieht, aufzulösen. Sobald dann im weiteren Entwickelungsgang (s. weiter im Text)
110
Unten, S. 352.
anderweitige politische Inanspruchnahme dem Herrn die eigne Wirtschaftsleitung unmöglich machte, mußte auch die Emanzipation der „fide dominica“ arbeitenden Sklavenwirtschaften sich vollziehen, und nur die politische Abhängigkeit, Hörigkeit, blieb zurück.
, d. h. für Rechnung des Gutsherrn, bewirtschaftet. Im letzteren Fall gehört er zum Inventar, im ersteren nicht. Das Verhältnis dieser „fides dominica“ zu dem Verhältnis „in truste dominica
108
Qui in truste dominica est: Umschreibung der – vornehmen – Angehörigen der merowingischen Königsgefolgschaft (Antrustionen) in der lex Salica aus dem Beginn des 6. Jahrhunderts n. Chr. Bei diesem problematischen Vergleich faßt Weber, entsprechend einer älteren Meinung, trustis nicht als ‚Gefolgschaft‘, sondern als ‚fides‘ auf.
im fränkischen Eroberungsgebiet zu erörtern, ist hier nicht der Ort. Die Annäherung der Sklaven an die Colonen, d. h. die Verwandlung der ländlichen Arbeiter in Bauern, ist aber eine der wichtigsten und zweifellosesten Thatsachen der Geschichte der römischen Kaiserzeit.
In den ersten Jahrhunderten n. Chr. schließen die Sklaven sich bereits in gildenartigen Verbänden, collegia, zusammen, deren Zweck teils der einer Unterstützungs- und Begräbniskasse, teils außerdem enger persönlicher und geselliger Zusammenschluß [351]ist
118)
[351]Auf den kaiserlichen Gütern bei Puteoli waren die Sklaven und liberti nach Mommsen zu C.I.L.,X,
d
[351]Fehlt in A; Bandnummer X, ergänzt.
1746–48
112
Erläuterungen von Mommsen, in: CIL X, S. 213.
als collegium mit ordo und decuriones organisiert. Auf der villa Bauli findet sich C.I.L., X, 1747 ein collegium Baulanorum, auch ordo Bau[A 277]lanorum. Ebenso finden sich anscheinend (nach Mommsen) C.I.L., X, 1748 decuriones villae Lucullanae. C.I.L., X, 1746 kauft der villicus der familia von Bauli eine Grabstätte. Cf. die britannische Inschrift C.I.L., VII, 572 (collegium conservorum) und das collegium familiae publicae C.I.L., X, 4856. In dem Statut C.I.L., XIV, 2112 setzen die Gildebrüder Konventionalstrafen auf gegenseitige opprobria (cf. C.I.L., II, 27). Den Genossen wird ein Begräbnis ausgerichtet auf Kosten des collegium, den zugehörigen Sklaven ein imaginäres, wenn der Herr den Körper nicht hergibt. Die collegia auf den puteolanischen Gütern sind jedenfalls die offizielle, den Gemeindeverband nachahmende Organisation der familia.
, die aber über[A 277]haupt den Beginn einer spontanen Organisation der familia darstellen.
Schon früh hat der römische Grundherr seinen Handwerkern auch das Arbeiten „für den Markt“ gestattet, oder vielmehr, dies war vielfach eine Quelle des Gewinnstes für ihn und Zweck der Ausbildung der Sklaven als Handwerker. In den Städten hatte er Verkaufsbuden, welche er durch Haussöhne und Sklaven als Institoren verwaltete
118a)
Am geeignetsten zum Vergleich sind wohl die in gleicher Lage befindlichen russischen Obrok-Leute
113
Dies waren (bis zur Bauernbefreiung 1861) Leibeigene, die mit Erlaubnis des adligen Herrn dessen Gut verlassen und unter Entrichtung einer jährlichen Abgabe (russisch: obrók) andernorts ein Gewerbe betreiben bzw. arbeiten durften. Quelle Webers sind offenbar die Ausführungen über die „auswärtigen Obrokleute, wie wir sie nennen wollen“, in Knapp, Leibeigenschaft im östlichen Deutschland, S. 237 f.
.
. Teilweise gestattete er diesen auch den Geschäftsbetrieb für eigene Rechnung. Auf die damit zusammenhängenden Rechtsinstitute der sogen[annten] adjektizischen Klagen kann hier nicht noch eingegangen werden. Zu den Konsequenzen, welche im Mittelalter eintraten, der Emanzipation der hörigen Handwerker
111
[351]Hier und im folgenden spielt Weber offenkundig auf die damals einflußreiche, heute jedoch aufgegebene „hofrechtliche Theorie“ bzw. die These vom unfreien, grundherrschaftlichen Ursprung der mittelalterlichen städtischen Handwerkerzünfte an, die – z. B. – auch von Heusler, Institutionen des Deutschen Privatrechts 1, S. 299, vertreten wurde. Zu Webers späterer Stellung dazu vgl. Weber, Altgermanische Sozialverfassung, S. 433, sowie vor allem seine Wirtschaftsgeschichte1, S. 125 f. und 133 ff.
, führte dieser Zustand damals nicht. Die wesentliche Differenz gegen die Verhältnisse der mittelalterlichen gutshörigen Handwerker liegt in dem geschäftlichen Sinn der Grundherren des Altertums, welcher nie ganz erloschen ist und darin den Grund seines fortdauernden Bestehens hat, daß die kaiserliche Staatsverwaltung durch besoldete [352]Beamte und mit stehendem Heer über den Possessoren stand. Sie mußte erst zerfallen und die überall ihrer Natur nach auseinanderstrebenden lokalen grundherrlichen Gewalten auf eigne Füße [A 278]und Gefahr gestellt sein, – dann kam der Zeitpunkt, wo die Possessoren in ihren Werkstätten sich Waffen schmieden ließen
114
[352]Vgl. die sehr ähnliche Formulierung bei Weber, Untergang der antiken Kultur, S. 74: „Ja, – wenn der Kaiser ihnen [d. h.: den Possessoren] gesagt hätte: ‚wohlan, laßt eure Kolonen euch Waffen schmieden, setzt euch zu Pferde und schützt mit mir die Scholle, von der ihr lebt‘ – dies hätten sie ökonomisch leisten können. Aber damit wäre man eben schon im Mittelalter und beim Feudalheer gewesen.“
, und die Autarkie der Grundherrschaften diese als die einzig möglichen Zellen der Neuorganisation territorialer Gewalten erscheinen ließ, wo dafür aber dem Gutsherren die Leitung der wirtschaftlichen und gewerblichen Entwickelung entglitt und die politische Bedeutung des Grundbesitzes für ihn wieder in den Vordergrund trat, während die gewerbliche Entwickelung nun von den hörigen Handwerkern selbst in die Hand genommen wurde.
Schluß. Das Nationalgefühl hatte die Republik durch Konstitution des orbis terrarum als Gruppenverband von Munizipalgemeinden bewußt vernichtet. Den Lokalpatriotismus der städtischen Gemeinschaften hatte dann der weitere Verlauf der Kaiserzeit als psychologisch wirksames Moment beseitigt. Der Gedanke des Weltbürgertums hatte seiner Natur nach nicht als politisches, sondern als religiöses Agens Wurzel gefaßt und Früchte getragen. Der überdies verspätete und mit fiskalischen Verwaltungsnöten verquickte Versuch seiner Übertragung aus dem Gebiete des Ideals in die Praxis
115
Zu einem derartigen Versuch kam es mit der allgemeinen Bürgerrechtsverleihung unter Caracalla (constitutio Antoniniana) 212 n. Chr.
wurde gekreuzt durch die Mediatisierung der größeren Hälfte der Reichseinwohner in den Gutsbezirken und in staatlichen Zwangsorganisationen. Nur die Scholle unter seinen Füßen, die er bebaute, hatte der Bewohner des römischen Weltreichs wiedergewonnen, sie begann wieder seinen Gedanken- und Interessenkreis erschöpfend zu umfassen. Es bedurfte nur des Zerfalls des Reiches in Territorial- und Lokalgewalten, um eine neue Entwickelung zu gestatten, bei welcher dann auch die alte Einheit des Reiches, als sie nicht mehr als kaiserlicher Steuer- und Verwaltungsorganismus, sondern als Idealbild der Welteinheit den Menschen gegenübertrat, ihre Wirkungen entfalten konnte.
[353] [A 279]

Anhang. Die Inschrift von Arausio C.I.L., XII, 1244 (cf. Additamenta eod.
1
[353]= CIL XII, S. 824.
)

Das Original des wichtigsten oben links stehenden Fragments der nachstehend wiedergegebenen Inschrift
2
Das Folgende erfordert etwas ausführlichere Erläuterungen, da die Funde umfangreicher weiterer Bruchstücke die Kenntnis der „Katasterinschriften“ von Arausio (Orange) auf eine neue Grundlage gestellt haben. Man kennt jetzt drei verschiedene Kataster- bzw. Limitationssysteme in Arausio, wobei die Inschriften jeweils dem Nachweis der an die Kolonie zu entrichtenden Bodenabgaben dienten. Vgl. Piganiol, André, Les documents cadastraux de la colonie romaine d’Orange (XVIe supplément à „Gallia“). – Paris: Centre National de la Recherche Scientifique 1962. Die seinerzeit allein bekannten, von Weber behandelten Fragmente gehören zum ‚mittleren‘, ungefähr aus der Zeit Trajans stammenden Kataster „B“. Die (quadratischen) Centurien von B umfassen jeweils 200 iugera (nicht 240, wie Weber meinte; vgl. oben, S. 128, und unten, S. 360, Anlage I,1).
, aus zwei Bruchstücken zusammengesetzt, ist im Besitz des Herrn Professor Hirschfeld und war mir durch dessen Güte zugänglich. Ich habe nur der Maßverhältnisse wegen, welche das Corp. Inscr. nicht wiedergibt, das Fragment hier nach einer Abzeichnung abgedruckt, welche also im übrigen nicht eine exakte Reproduktion enthält. Letzteres schien kein Bedürfnis, da die Lesung sicher ist. Das zweite, rechts daneben stehende Fragment aus den Additamenten des Corp. Inscr. hat Herrn Prof. Hirschfeld nur im Abklatsch vorgelegen. Die Maßverhältnisse sind mir nicht bekannt. Mir scheint es, wenn dieselben dazu stimmen, höchst wahrscheinlich
4
Dies sowie die Tatsache, daß damit eine Centurie als Ganzes gewonnen war (vgl. Anm. 7), was Hirschfeld entgangen war, hat Weber als erster erkannt. Vgl. auch Piganiol, S. 11.
, daß das Fragment in die Lücke des ersteren, rechts unten, gehört. Die Lesung am oberen Rande ist schwerlich sicher. Ich habe jedoch das Stück nicht eingefügt
6
Die Einfügung ist dann z. B. vorgenommen bei Mommsen, Zum römischen Bodenrecht, in: Hermes, Band 27, 1892, S. 104, sowie bei Meitzen, Siedelung und Agrarwesen 1, S. 291, Fig. 41.
, da ich mich von seinen Maßen nicht habe persönlich überzeugen können. Ist aber die [354]gedachte Kombination richtig, so lautet die Inschrift der dann fast ganz erhaltenen Centurie
7
[354]Zur Erleichterung des Verständnisses folgt die Inschrift (= Fragment B 107 bei Piganiol, S. 154–156; Abbildung Tat. VIII, Il C) in möglichst übersichtlicher Anordnung nach heutiger Lesung ({ } = Korrektur von Steinmetz versehen):
s(inistra) d(ecumanum) X, c(itra) k(ardinem) X.
ex tr(ibutario) XII, col(oniae) X {C}/VIII.
{S}ol(vunt):
Varius/Calid(us) XX,a(era) IIX, 𐆖/ X
XVI n(ova), a(era) II, {𐆖} II
Ap/puleia Paulla/ XLII,/ a(era) IIX, 𐆖 XXI
XVI n(ova), /a(era) II, 𐆖II
Valer(ius) Se/cundus IV, a(era) IIX, 𐆖/II
Die Centurie enthält außer der Lokalisierung im Limitationssystem – s(inistra) decumani) X, c(itra) k(ardinem) X; vgl. dazu oben, S. 111 f. – offenbar folgende Angaben: a) Zahl der iugera des grundsteuerfrei assignierten Bodens (ex tributario) der Centurie und Zahl der in ihr der Kolonie verbliebenen und von dieser als ager vectigalis genutzten iugera. Bei letzterer ist XGVIII offensichtlich ein Fehler des Steinmetzen für XCVIII, eine Zahl, von der (nach dem Erscheinen der Römischen Agrargeschichte) zuerst Meitzen entdeckt hat, daß sie sich aus der Addition der iugera der einzelnen Besitzer ergibt (20+16+42+16+4); vgl. Mommsen (wie Anm. 6), S. 106, Anm. 3. Da die Gesamtzahl der in der Centurie enthaltenen iugera 200 betragen muß, ist auch bei den ‚ΧΙI‘ iugera tributfreien Bodens Verschreibung des Steinmetzen für CII anzunehmen, vgl. Piganiol, S. 156. b) Namen der drei Inhaber der agri vectigales in der Centurie. Auf jeden Namen folgen dabei die Anzahl der iugera, der Abgabensatz pro iugerum in Assen, a(era), sowie die sich aus der Multiplikation beider ergebende Gesamtsumme in Denaren (𐆖 = Denar; 16 As = 1 Denar), wobei bei den beiden ersten Besitzern noch unterschieden wird zwischen gewöhnlichem, mit 8 As pro iugerum belastetem, und neuerschlossenem Land, n(ova), wofür nur 2 As pro iugerum zu entrichten waren. Vgl. Piganiol, S. 156, der das einleitende col als Fehler des Steinmetzen für sol(vunt) erklärt.
: S. D. X. C. K. X. Ex tr. XII.
8
Wohl Fehler des Steinmetzen für CII; vgl. Anm. 7.
col. XCVIII. (XC. VIII.?)
9
Anders als Hirschfeld und Mommsen (CIL a. O.) hat sich Weber durch die fehlerhafte Schreibung der Inschrift (XGVIII) nicht beirren lassen. Zu lesen ist: XCVIII (über das Zeilenende hinweg; vgl. Anm. 7).
Colvarius (col.
10
Wohl Versehen des Steinmetzen für sol(vunt); vgl. Anm. 7.
Varius?) Calid. XX. a. IIX. 𐆖. XXVI.
11
Zu lesen ist bei Varius Calidus: X, XVI; vgl. Anm. 7.
n. a. II. [A 280]XII.
12
Offenbar Versehen des Steinmetzen für X; vgl. Anm. 7.
Appuleja Paulla XLII. a. IIX. 𐆖.
13
Unklar ist, warum Weber im folgenden und auf der Zeichnung (Anlage I, 1, unten, S. 360) die ganze zweite Zeile des rechten unteren, Appuleia Paulla betreffenden Fragments (XXI, XVI n.) nur durch Punkte angedeutet bzw. weggelassen hat, obwohl diese im CIL-Nachtrag (CIL XII, S. 824) einwandfrei wiedergegeben war.
. . . . a. II. XII.
14
So CIL a. O. Es muß jedoch heißen: 𐆖 II; vgl. Anm. 7 sowie die Wiedergabe der Inschrift bei Piganiol, S. 155 sowie Tafeln VIII und IIC.
Valer. Secundus IV. a. IIX. 𐆖. II. (Allerdings ist auffa[355]lend
15
[355]Daß Z. 7 der Centurie lediglich die Zahl XLII (auf dem linken Fragment) enthält, hängt mit dem im folgenden erwähnten Querstreifen zusammen, dessen Verlauf, wie die genaue Einpassung ergibt, rechts keinen Platz mehr ließ.
, daß auf dem Bruchstück links unterhalb des Querstreifens eine Zeile mehr ist als rechts.) Die Seiten des Rechtecks verhalten sich wie 6 : 5 (14 : 11,6 cm), d. h. wie 24 : 20, wohl nicht zufällig, sondern absichtlich, da eine Änderung dieses Kartennetzes das Bild des Aquäduktes verschoben hätte. Denn daß der Querstreifen ein solcher ist, scheint mir nach den Inschriftsresten links unten kaum fraglich
16
Nach Piganiol, S. 155 f., dürfte es sich eher um eine Straße handeln.
. Das dritte Fragment
17
= B 118 bei Piganiol, S. 168.
, das unten stehende, hat in das Corp. Inscr. nur nach einer früheren Edition aufgenommen werden können, die Lesung scheint korrupt zu sein
18
Zur Lesung und Erklärung vgl. Piganiol a. O.
. – Die wenigen versuchten Ergänzungen rechtfertigen sich wohl von selbst. Der Schrift nach kann die Inschrift der guten Kaiserzeit angehören: da die formae aber auf Erz und Linnen hergestellt waren, ist sie nur Kopie und kann das Original erheblich älter sein
19
Vgl. Anm. 2.
. Bei der Interpretation, deren Gelingen von größter Wichtigkeit wäre für die Steuerverhältnisse und die ganze Aufteilungsart der Kolonien in den Provinzen, ist das dreimalige Wiederkehren des a. IIX.
20
Das Folgende ist heute überholt; vgl. Anm. 2 und 7.
besonders zu beachten. Gäbe es einen mit a beginnenden Namen eines 10 jugera umfassenden Flächenmaßes, so würde das damit stimmen, daß die Centuria offenbar die von Nipsus erwähnte von 240 jugera
22
Vgl. dazu oben Anm. 2.
ist, welche auf steuerbarem Boden (Nipsus bezeichnet diesen einfach mit „ager scamnatus“) vorkommt. Die Zusammenrechnung derjenigen Zahlen, welche nicht mit vorhergehendem a. oder 𐆖 in Verbindung stehen, ergibt 20 + 12 + 42 + 12 + 4 = 90, also, wenn die Zahl in der zweiten Reihe XC hieße und die VIII der nächsten Linie zum folgenden col. gehört, diese. Vielleicht bedeutet das a. IIX. die Fruchtquote (octava) vom Ackerlande, woneben dann das durch die Zahlen hinter dem Denar-Zeichen ausgedrückte feste vectigal treten würde, und a. II. (arvum secundum?) das eine (XII =) duodecima oder auch keine Steuern [A 281]zahlende mindere Land. Daß das a. „asses“ aufzulö[356]sen sei, hält Mommsen
23
[356]Mommsen, in: CIL XII, S. 157, zu Nr. 1244; im Prinzip als richtig erwiesen, vgl. Anm. 7.
für möglich. Sehr wahrscheinlich ist es wohl immerhin nicht. Jedenfalls möchte ich die zuerst nach den Namen folgenden Zahlen auf den modus agri der Personen beziehen
24
Dies hat Weber (gegen Mommsen, CIL a. O.) richtig vermutet.
. Es zeigt sich in dem linken Centurienfragment, daß deren Landlose durch mehrere Centurien gehen. Die Eingangswendung ergänzt Mommsen: ex tributario (scil. agro) redactus in colonicum
25
Mommsen, CIL a. O. – Dies bezieht sich nur auf das untere Fragment (2) von Anlage I. Tatsächlich ist dort jeweils gemeint: ex tributario . . . (Zahl der iugera), Tricastinis redditi inculti. . . (Zahl der iugera); vgl. Piganiol, S. 168, zu B 118.
, so daß es sich um den Fall handeln würde, welchen Hygin p. 203 f. behandelte: Umlegung steuerbaren Ackers in römische Vermessungsformen. Daß dabei die Lose verschieden groß gewesen sein müssen, ist klar. Es wird aber überhaupt, das scheint jedenfalls aus den Zahlenangaben der Inschrift hervorzugehen, auf die Bonität Rücksicht genommen
26
Das Folgende beruht auf Webers z. T. hinfälligem Verständnis der Inschrift. Doch steht fest, daß in der Centurie tatsächlich Boden unterschiedlicher Qualität und Belastung aufgeführt war, vgl. Anm. 7.
(Calidus hat XX und XXVI Den[are] vectigal, Secundus IV und II Denare). Der Zweck der Kopie ist ebenso dunkel
27
Zum Zweck der Inschrift vgl. Anm. 2.
, wie alles, was vorstehend zur Interpretation bemerkt wurde, zweifelhaft ist.

[357][A 282]Litteratur
1
[357]Um den Erläuterungsapparat nicht zu sehr zu belasten, bleibt außer kleineren, von Weber vorgenommenen orthographischen Veränderungen bei einzelnen Titeln auch unberücksichtigt, daß Weber oft nur die erste oder überhaupt nur eine von ihm im Text zitierte Seite einer Arbeit angibt. Die vollständigen bibliographischen Nachweise sind in jedem Fall dem Verzeichnis der von Weber benutzten Literatur unten, S. 370 ff., zu entnehmen.

[360][A [285]]Anlage I.

Fragmente einer Flurkarte
1
Vgl. dazu oben S. 353, Anm. 7. Die beiden Skizzen der Anlage I sind auf 80 % verkleinert gegebenüber A.
von Arausio. C.I.L. XIII
2
Die Inschriften stammen aus CIL XII.
1244 und Addit[amenta]
3
Addit[amenta] (= CIL XII, S. 824).
)
4
Bei den von Weber angegebenen (und für Nr. 1 und 2 geltenden) Himmelsrichtungen sind nach heutiger Kenntnis jeweils ‚Nord‘ und ‚Süd‘ sowie ‚Ost‘ und ‚West‘ miteinander zu vertauschen. Vgl. auch Piganol (wie oben, S. 353, Anm. 2), S. 45. – Im rechten Fragment ist die erste, einwandfrei lesbare Zeile unterhalb des Streifens offenbar übersehen; vgl. CIL a. O. sowie oben, S. 354, Anm. 13.
5
Es handelt sich um Centurien von 20 × 20 actus = 200 iugera, vgl. oben, S. 353, Anm. 2.
6
Zur Lesung vgl. oben, S. 356, Anm. 25.

[361][A [287]]Anlage II.

Aufmessung des ager vectigalis nach Hygin (de lim. const. p. 204).
7
Vgl. dazu oben, S. 177–119.