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Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[643]Anhang I: Manuskriptfragment

Editorische Vorbemerkung

Bei dem überlieferten dreiseitigen Manuskriptfragment (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446, Bl. 12–14 (A)) handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Art Vorfassung oder Vorlage für einzelne Passagen des ersten Typoskripteinschubs in den späteren § 2 der „Entwicklungsbedingungen des Rechts“. Die Texte stimmen weitgehend überein, sind aber nicht identisch. Abweichungen und Textumstellungen kommen vor. Die Blätter sind von Weber eigenhändig paginiert, Blatt 12 ursprünglich als „13“, Blatt 13 ursprünglich als „12“. Auf Seite 12 ist unten rechts eine Allonge angeklebt. Die Rückseiten weisen z. T. Notizen von fremder Hand (Marianne Weber und Johannes Winckelmann) auf. Zur Orientierung werden neben der Originalpaginierung die Parallelstellen der „Entwicklungsbedingungen des Rechts“ als MWG-Seitenzählung in kleinerer Schrifttype am äußeren Seitenrand mitgeführt.

Manuskriptfragment
N
Keine Überschrift in MWG-Druckfassung; in MWG digital hinzugefügt.

[A 12]bedingten gegenüber den Status-Contrakten den immerhin relativ stark zweckrationalen, auf feste Begrenzung der aus der Vereinbarung folgenden Rechte und Pflichten gerichteten Charakter des Prozeßvertrags. [S. 327]Der Prozeß selbst aber bot, je festere Formen er annahm, desto mehr Anlässe zur Entwicklung von Rechtsgeschäften
a
[643] obligatorischen Handlungen > Rechtsgeschäften
, welche promissorischen, Contrakts-„Obligationen“ schaffenden Charakter hatten. Dahin gehört vor Allem die Sicherheitsleistung
b
Prozeßbürgschaft > Sicherheitsleistung
der Prozeßpartei dem Prozeßgegner gegenüber.
c
In A folgt: 〈Der primitive Prozeß ist durchweg ein Prozeß, 〈um „Schuld“ [??]〉 die die Behauptung 〈schuldhaften Hand〉〉
Der Prozeß wollte die Selbsthülfe abwenden. Aber er selbst begann
d
beginnt > begann
formal in vielen Rechten
e
regelmäßig > oft > regelmäßig > in vielen Rechten
mit Akten der Selbsthilfe. Durch
f
In A folgt: 〈eigenmächtige Pfandnahme schafft sich der 〈Gläubiger〉 Berechtigte Sicherheit. Durch〉
„manus injectio“, eventuell, im Fall des Widerstands, „[??]“ schleppt der altrömische Kläger den Verklagten vor Gericht. Er läßt ihn auch vor Gericht nur los, nachdem ihm Sicherheit gegeben ist, daß er sich [644]der
g
[644] In A folgt: 〈geforderten〉
Sühne, sollte der Richter ihn schuldig finden, nicht entziehen werde. In milderen Formen findet sich Ähnliches ursprünglich überall. Stets richtet sich die Selbsthülfe des Klägers gegen die Person des [S. 328]Gegners. Denn die Klage gründet sich ja zunächst durchweg auf die Behauptung nicht nur objektiv unrechtmäßigen Handelns des Gegners, sondern schuldhafter
h
schuldhaft unrechtmäßigen, ein Deli > schuldhafter
Verletzung des eigenen Rechts durch
i
In A folgt: 〈Delikt des Gegners. Der Verklagte „schuldet“ 〈Genu〉 dafür Sühne und er wird zunächst als〉
Frevel des Verklagten, für welchen er mit seiner Person einzustehen habe. Die Sicherheit, welche der Verklagte zu leisten hat, um bis zur Erledigung des Prozesses unbehelligt zu bleiben, leistet er durch einen Bürgen (im römischen Recht: sponsor) oder durch Pfand. Beide Rechtsinstitute tauchen im Prozeß zuerst als Rechtsgeschäfte, welche überhaupt Rechtszwang zur eventuellen Folge haben, auf. An Stelle der Bürgschaft eines Dritten wird später dem Verklagten unter gewissen Umständen gestattet,
j
In A folgt: 〈„Selbstbürge“, 〈zu〉 〈also〉 sein eignes „Pfand“ also, zu sein.〉
selbst die Erfüllung des Urteils zuzusagen. Die rechtliche Auffassung ist dann aber die: daß er nun sein eigner „Bürge“ (sponsor) sei, ebenso wie die älteste juristische Form
k
Alternative Lesung: ältesten juristischen Formen
eines „freien“ Arbeitsvertrags
l
In A folgt: 〈in Babylon und〉
in den Rechtsquellen des Orients und Occidents ein „Selbstverkauf“ in die befristete Sklaverei ist
m
war > ist
, statt des (normalen) Verkaufs durch Vater oder Herr. Die ältesten rein auf Vertrag gegründeten Schuld-Obligationen sind Übernahmen der Rechtsformen
n
Übertragungen > Übernahmen der Rechtsformen
prozessualer Vorgänge in das außerprozessuale Rechtsleben. Ganz ebenso steht es aber mit der deutschrechtlichen Entwicklung. Pfand- oder Geisel-Stellung sind die einzigen Mittel, Schulden zu kontrahieren, nicht nur ökonomisch, sondern grad dem Rechtsformalismus nach. Die „Bürgschaft“[,] aus welcher hier wie dort die „Selbstbürgschaft[] abgeleitet wurde, lehnte sich aber für das Rechtsdenken zwanglos an die persönliche solidarische Mithaftung der Sippe und der Hausgenossen für die Schuld ihrer Genossen an. Das „Pfand“ aber, die zweite Form der Sicherheitsleistung für künftig fällige Verpflichtungen, ist zunächst
o
In A folgt: 〈eine 〈Besitz〉 Verfügung über eine Hingabe von Sachgütern, also〉
im römischen wie im deutschen Recht entweder genommenes Pfand (Exekutionspfand) [S. 329]oder Pfandbestellung, um der persönlichen Klage und Exekutions[645]haftung zu entgehen (also nicht, wie heute, eine „Sicherheit“ für eine daneben bestehende „Forderung“). Vielmehr enthält es, beim bestellten Pfand, eine Besitzverfügung über Sachgüter, welche, so lange
p
[645] wenn > so lange
die gesicherte Schuld nicht abgetragen wird, rechtmäßigen, sobald
q
wenn > sobald
sie aber rechtzeitig abgetragen worden ist
r
wird > worden ist
, unrechtmäßigen Besitz des Gläubigers an dem trotzdem nicht zurückgegebenen Pfand und im letzteren Fall einen Frevel
s
ein Delikt > einen Frevel
desselben gegen den früheren Schuldner ergiebt; es fügte sich also dem dem Rechtsdenken geläufigen
t
A: 〈Rechtsdenken〉 an 〈dem Gedanken〉 das 〈übliche alte〉 dem Rechtsdenken geläufige
Schema der ältesten Klagegründe: entweder thätliche Verletzung der Person oder thätliche Verletzung ihres Besitzes, ebenfalls relativ zwanglos ein. Teils direkt an die übliche Art der Exekution, teils an die aus dem Prozeß stammende Geiselstellung
a
den Pfandgedanken > die aus dem Prozeß stammende Geiselstellung
lehnte sich endlich das ebenfalls sehr universell verbreitete Rechtsgeschäft
b
A: 〈universelle〉 universell verbreitete 〈Institut〉 Rechtsgeschäft
des bedingten Selbstverkaufs in die Schuldknechtschaft
c
Schuld > Knechtschaft > Schuldknechtschaft
an[.]
d
In A folgt das gestrichene Einfügungszeichen, danach: 〈die〉 Der dazugehörige Text am Rand ist nicht gestrichen: (im römischen Recht freilich war das „nexum“ in die 〈Formen des〉 dort ursprünglich einzige privatrechtliche Zweck-Contrakt-Form eines Geschäfts per aes et libram gekleidet)
Der Leib des Schuldners selbst war
e
ist > war
hier das Pfand des Gläubigers und verfiel diesem endgültig zu rechtmäßigem Besitz, wenn die Schuld nicht gezahlt wurde. Die Schuldhaftung aus Kontrakten war aber überhaupt
f
ist > war aber überhaupt
, ebenso wie die Rache- und Sühnehaftung
g
A: 〈Schuldhaft〉 Rache- und Sühnehaftung 〈aus Delikten〉
, aus der sie stammt oder an die sie anknüpft, ursprünglich nicht nur eine in unsrem Sinn „persönliche“ Haftung, sondern eine Haftung des Schuldners mit seiner physischen Person und nur mit dieser. Einen Zugriff auf den Besitz des Schuldners auf Grund eines Schuldurteils gab
h
gibt > gab
es ursprünglich überhaupt nicht. Sondern der [S. 330]Gläubiger konnte sich nur an die Person des Verurteilten halten, wenn dieser nicht zahlte. Er tötet ihn oder setzt ihn als Geisel
i
Pfand > Geisel
in Gefangenschaft, behält ihn als Schuldknecht, verkauft ihn als Sklaven, mehrere Gläubiger mögen
j
dürfen > mögen
ihn „in Stücke schneiden“, wie die XII Tafeln anheimstellen. Oder der Gläubiger setzt sich in das Haus des Schuldners,
N
Komma fehlt in A und in MWG-Druckfassung; in MWG digital hinzugefügt.
und dieser muß ihn bewirten (Einlager) – schon ein Übergang zur Vermögenshaftung. Diese selbst [646]aber stellt sich sehr zögernd daneben ein,
N
Komma fehlt in A und in MWG-Druckfassung; in MWG digital hinzugefügt.
und die Personalhaft als Folge der Zahlungsunfähigkeit ist bei uns erst im 19. Jahrhundert, in Rom im Verlauf des Ständekampfes, verschwunden. Die ältesten rein obligatorischen Kontrakte, das nexum und die stipulatio der Römer, die wadiatio der Germanen, bedeuteten jedenfalls, wie wir sahen[,] die freiwillige Unterwerfung unter eine (für künfig versprochene) Vermögensleistung, um der sofortigen streng persönlichen Haftbarmachung zu entgehen. Aber wenn sie nicht erfüllt wurde, war ursprünglich wiederum nur der Rückgriff auf die Person selbst die Folge
k
[646] möglich > die Folge
. Alle ursprünglichen Kontrakte sind Besitzwechselkontrakte. Daher waren auch alle
l
A: alle alle Wortdopplung zur Anschlußmarkierung nach vorangehender Texterweiterung auf einer Seitenallonge.
Rechtsgeschäfte, welche wirklich alte Formen der kontraktlichen Schuldhaftung, namentlich der überall [S. 331]besonders streng formalen Geldschuldhaftung, repräsentierten, stets mit einem
m
A: Geldschuldhaftung, 〈begründeten〉 repräsentierten, 〈waren also Realgeschäfte〉 stets mit einem 〈〈Han〉 〈Besitzwechsel〉 Besitzübertragungsakten oder einem entsprechenden Symbol〉
rechtsförmlichen Besitzübertragungs-Symbol verbunden. Manche
n
ursprünglich [??] [??] haben manche > Manche
von diesen Symboliken haben zweifellos auf magischen Vorstellungen beruht. Dauernd aber blieb maßgebend, daß das
o
A: das das Wortdopplung zur Anschlußmarkierung nach vorangehender Texterweiterung auf dem Seitenrand.
Rechtsdenken zunächst als rechtlich relevant keine „unsichtbaren“ Thatbestände nach Art der nur obligationsmäßigen
p
In A folgt: 〈〈Rechtsvorgänge〉 〈Vorgänge〉 Tatbestände 〈kennt〉 kannte〉
Verbindlichkeiten kennt, sondern nur „Frevel“, und das sind Verletzungen gegen die Götter oder gegen Leib und Leben oder endlich Frevel gegen den sichtbaren Besitzstand. Ein „Vertrag“, der rechtlich relevant
q
bindend > rechtlich relevant
sein soll, mußte daher
r
In A folgt: 〈zunächst〉
normalerweise eine Verfügung über sichtbare Güter oder das Symbol solcher und zwar eine Besitzverfügung enthalten oder doch so gedeutet werden können. [A 13] War
s
Ist > War
dies der Fall, so konnte er im Verlauf der Entwicklung die allerverschiedensten Inhalte einbeziehen
a
annehmen > einbeziehen
. Alle nicht in jene Formen zu kleidenden Geschäfte waren zunächst nur als Bargeschäfte
b
In A folgt: 〈gültig aber〉
rechtswirksam oder allenfalls so und insoweit, daß ein Angeld als Teilleistung gegeben wurde, welches den Gesinnungswandel des Versprechenden ausschloß.
c
im Fall der Nichteinhaltung des Vertrages verfiel.
ca
verfiel. > verfallen blieb.
> den Gesinnungswandel des Versprechenden ausschloß.
Es [647]hat sich daraus das in sehr vielen
d
[647] fast allen > sehr vielen
Rechten urwüchsige Prinzip: daß nur entgeltliche Zweckcontrakte dauernd bindend seien, entwickelt. Diese Vorstellung hat so nachhaltig gewirkt, daß noch zu Ende des Mittelalters
e
Beginn der Neuzeit > Ende des Mittelalters
(15. Jahrhundert[,] offiziell seit Heinrich VIII[.]) die englische Lehre von der „consideration“ der Thatsache, wenn auch nicht der Form nach, an jenes sinnliche Bedürfnis anknüpfte: Wo ein reales „Entgelt“[,] sei es auch nur ein Scheinentgelt, real gezahlt worden ist, da kann der Contrakt fast jeden nicht rechtlich verpön[S. 332]ten
f
untersagten > verpönten
Inhalt annehmen, er ist gültig, auch wenn es ohne jene Voraussetzung keinerlei Rechtsschema gäbe, dem er entspräche. Die in ihrem Sinn vielbestrittenen Zwölftafelsätze über die Manzipationsgeschäfte (si nexum faciet mancipiumve, uti lingua nuncupassit, ita jus esto) waren doch wohl der Sache nach
g
sind > waren doch wohl der Sache nach
eine, freilich wesentlich primitivere Sanktionierung einer materialen Verfügungsfreiheit von allerdings begrenzterer Entwicklungsfähigkeit unter
h
In A folgt: 〈der Innehaltung〉
einer dem Prinzip nach ähnlichen formalen Voraussetzung.
i
In A folgt ein Einfügungszeichen mit der gestrichenen Randbemerkung: 〈[??]〉
Neben der Entwicklung der aus dem rechtsförmlichen Geldgeschäft einerseits, den Prozeßbürgschaften andrerseits
j
A: 〈Barkauf〉 Geldgeschäft einerseits, den 〈Prozeßsicherungen〉 Prozeßbürgschaften 〈und〉 andrerseits
übernommenen Schemata haben sich die Bedürfnisse des Rechtslebens noch einer dritten
k
In A folgt: 〈– an sich 〈sehr〉 naheliegenden –〉
Möglichkeit bedient, dem „Zweck-Contrakt“ die Garantie des staatlichen Rechtszwangs zu verschaffen: künstlich neue Contraktklagen
l
Contrakt-Typen > Contraktpflichten > Contraktklagen
aus den Deliktsklagen zu entwickeln.
m
In A folgt: 〈Die Sühneschuld war ja, nachdem die Höhe der mit Zurückdrängung der Blutfehde obligatorisch gewordenen Sühne je nach der Art der Verletzung durch zwingende Norm tarifiert war, 〈die allgemeinste〉 eine spezifische Form einer direkt rechtlich begrenzten 〈Form der〉 Schuld.〉 Es folgt der Einschub am Rand: 〈Neben diesen Normen des Volksrechts schuf aber das 〈〈Königsgericht kraft〉 〈Königsre〉 〈Amtsrecht〉 Königsrecht〉 imperium der Fürsten oder Magistrate immer weitere durch Geldzahlungen zu büßende 〈Fo〉 Arten von Freveln sowohl dem politischen Herrn wie privaten Interessenten gegenüber. Gelang [??] es, 〈[??]〉 Anschluß an die gestrichene Haupttextzeile: 〈überhaupt [??]〉 〈Alle Schu〉 〈und des〉 〈Es genügte,〉 die Nichterfüllung 〈eines〉 bestimmter Versprechungen als Frevel zu qualifizieren, so war das nach〉 Textfortsetzung am Rand: 〈Zunehmend 〈konnte〉 entstand daher die Vorstellung: 〈entstehen:〉〉
Das ist selbst in technisch schon hochentwickelten Rechten wie dem englischen auf der Höhe des Mittelalters noch geschehen. Die ökonomische Rationalisierung des Rechts
n
Rechtsgangs > Rechts
begünstigte die Entste[648]hung der Vorstellung: daß die Sühnehaftung nicht sowohl Abkauf der Rache, wie Ersatz des Schadens sei. Nichterfüllung eines Contrakts konnte nun ebenfalls als sühnepflichtige Schädigung
o
[648] Schädigung > sühnepflichtige Schädigung
qualifiziert werden. Die Anwaltspraxis und die Rechtsprechung der königlichen Gerichte in England nun qualifizierte (seit dem 13[.] Jahrhundert) zunehmend die Nichterfüllung von immer mehr Contrakten als einen „trespass“ und schuf jenen dadurch Rechtsschutz (namentlich mittelst des writ of assumpsit), ähnlich wie (frei[S. 333]lich in technisch andrer Art) die prätorische Rechtspraxis der Römer zunächst durch die Erstreckung der Diebstahlsklage, dann aber durch den Dolus-Begriff den Rechtsschutz weit über das ursprüngliche Gebiet ausdehnte. [[S. 339]]Der heute wenigstens grundsätzlich bestehende Zustand endlich: daß jeder beliebige Inhalt eines Vertrags zwischen den Parteien „Recht“ schafft und daß besondre Formen dabei nur insoweit erforderlich sind, als das Recht dies, aus Zweckmäßigkeitsgründen – insbesondre um der Rechtssicherheit (eindeutigen Beweisbarkeit des Rechts) willen – zwingend vorschreibt, ist überall erst sehr spät erreicht worden, in Rom durch die allmälige Internationalisierung des Rechts, in der Neuzeit durch den Einfluß der gemeinrechtlichen Doktrin und der Handelsbedürfnisse. Wenn nun trotz dieser späten generell bestehenden „Vertragsfreiheit“ die andren Gesetzgebungen sich durchweg nicht mit der Feststellung: daß man, vorbehaltlich besondrer Einschränkungen, prinzipiell gültig vereinbaren
p
abmachen > gültig vereinbaren
könne[,]
N
Komma fehlt in A und MWG-Druckfassung; in MWG digital hinzugefügt.
was immer man wolle, begnügen, sondern durch zahlreiche spezielle Ermächtigungssätze einzelne Typen von Vereinbarungen speziell derart regeln,
q
A: regelt,
daß die gesetzlichen Folgen überall da eintreten, wo die Parteien nicht erkennbar etwas Andres vereinbart haben, so sind für diese umfassende Schaffung nur „dispositiven“ Rechts
r
dafür > für diese umfassende Schaffung nur „dispositiven“ Rechts
zwar zunächst und im Allgemeinen reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte entscheidend: die Parteien denken in aller Regel nicht daran, alle möglicherweise relevanten Punkte wirklich ausdrücklich zu regeln und abgesehen davon entspricht es auch ihrer Bequemlichkeit, sich an feste und erprobte[,] vor Allem auch: allgemein bekannte Typen von Contrakten halten zu können. Ohne solche wäre ein moderner Rechtsverkehr faktisch kaum möglich. Aber damit ist die Bedeutung der [649]Ermächtigungsnormen und der „Vertragsfreiheit“ bei weitem nicht erschöpft. Sie können
s
[649]A: kann
vielmehr eine ganz prinzipiell andere Bedeutung haben. [A 14][[S. 333]]Mit der Schaffung klagbarer und ihrem Inhalt nach frei zu differenzierender Contraktsforderungen ist noch lange nicht derjenige Rechtszustand
a
diejenige Form > derjenige Rechtszustand
erreicht, welchen ein entwickelter rein geschäftlicher Verkehr erfordert. Jeder rationale „Betrieb“ insbesondere bedarf der Möglichkeit, durch Stellvertreter – solche für den Einzelfall sowohl wie dauernd Angestellte – vertragsmäßig Rechte zu erwerben und Verpflichtungen einzugehen. Und ein entwickelter Verkehr bedarf darüber hinaus der Übertragbarkeit der Forderungsrechte und zwar einer leichten und für den Erwerber rechtssicheren, die Nachprüfung der Berechtigung des Rechtsvorgängers ersparenden Übertragbarkeit. Wie die heutigen[,]
b
diese > die heutigen
für den modernen Kapitalismus ganz unentbehrlichen Rechtsinstitutionen sich entwickelt haben, wird an anderer Stelle erörtert (G. Leist in Buch II
c
V > II
dieses Werks). Hier sei nur kurz des Verhaltens der frühen Vergangenheit dazu gedacht. Die „direkte“ Stellvertretung bei Rechtsgeschäften hat aber von den antiken Rechten das römische Recht, im Gegensatz [S. 334]zum griechischen, dem sie wohlbekannt war, für die Eingehung von Obligationen
d
In A folgt: 〈außer [??]〉 〈zum mindesten im jus civile nahezu ausgeschlossen, außer für den E〉
fast unmöglich gemacht. Offenbar ermöglichte dieser
e
diese
, in der Hauptsache erst im prätorischen Recht und auch von diesem nur begrenzt
f
mäßig > und auch von diesem nur begrenzt
modifizierte Rechtszustand, der mit dem Rechtsformalismus der civilrechtlichen Klage zusammenhing, die Verwendung von Sklaven in den eigentlich kapitalistischen Betrieben,
g
In A folgt: 〈und daneben 〈die〉 den einseitig 〈an Staats-〉 an Contrakten mit dem Staat orientierten Socie〉
für welche sie weitgehend anerkannt war. Vollends eine Zession der Forderungsrechte kannte[,] infolge des strikt persönlichen Charakters der obligatorischen Beziehung, weder das antik römische noch das germanische Recht. Im römischen Recht ist erst sehr spät durch Vermittlung der indirekten Stellvertretung (Procuratur) ein Ersatz geschaffen worden. Ein hinlänglich starkes praktisches Bedürfnis bestand für die Cessibilität
h
dafür > für die Cessibilität
bis an die Schwelle der Gegenwart in der That nur für diejenigen Forderungsrechte, welche Gegenstand regelmäßigen Umsatzes waren oder direkt dem Zweck der Übermittlung von [650]Ansprüchen
i
[650] Leistungsansprüchen > Ansprüchen
an Dritte dienten. Für diese Bedürfnisse wurde die „Commerzialisierung“ durch die Order- und Inhaber-Papiere geschaffen, welche sowohl für die Übertragung von [S. 335]Forderungen, speziell Geldforderungen[,] wie die Übertragung von Verfügungsgewalten über Handelsgut und über Anteilrechte an Handelsgesellschaften funktionieren[.] Sie sind dem römischen Recht durchaus unbekannt. Es ist noch heute unsicher, ob[,] wie Goldschmidt annimmt, irgendwelche von den hellenistischen und ebenso ob, wie Kohler glaubt, schon gewisse
j
A: die > schon die > schon gewisse
in Hammurabi’s Zeit hinaufreichende babylonische auf den Inhaber lautenden Urkunden
k
A: hinaufreichenden babylonischen 〈Inhaberurkunden〉 auf den Inhaber lautenden Urkunden
„echte“[,] d. h. das Recht selbst übertragende Inhaberpapiere waren, jedenfalls aber ermöglichten sie auch als möglicherweise bloße „Legitimationspapiere“ faktisch die Zahlung an und durch Dritte in einer Art direkt, wie sie das offizielle römische Recht nur durch indirekte Mittel möglich machen konnte.
l
indirekt zu erzielen vermochte > durch indirekte Mittel möglich machen konnte
Das klassische
m
antike > klassische
römische Recht kannte eigentliche „Dispositiv“-
N
MWG: „Dispostiv“-; Korrektur in MWG digital.
-Beurkundung
n
Urkunden > Beurkundung
(wenn man nicht den „Litteralkontrakt“, die Bankiersbuchung, so nennen will)
o
A: will,
gar nicht. Für das hellenistische [S. 336]und spätrömische Recht ist vielleicht auch unter Einwirkung des staatlichen Registerzwangs, der wesentlich fiskalischen Steuerzwecken diente, die im Orient von ältester Zeit her
p
In A folgt: 〈übliche〉
entwickelte[,] in den hellenischen und hellenistischen Städten im Publizitätsinteresse durch zwei den Römern unbekannte Institute
q
öffentliche Register > zwei den Römern unbekannte Institute
: „Gerichtsmerker“ und später Notare, gehandhabte Urkundentechnik zur obligatorischen Beurkundung gewisser Geschäfte und zu eigentlich wertpapierähnlichen Erscheinungen fortgeschritten[.] Aber erst das Urkun[S. 337]denwesen der nachrömischen
r
germanischen > nachrömischen
Zeit, seit dem 7. Jahrhundert, brachte im Occident eine Fortentwicklung der spätrömischen Urkundenpraxis, welche vielleicht durch die starke Einwanderung orientalischer, besonders syrischer, Händler
s
A: 〈syrisch-hellenische〉 Einwanderung orientalischer, besonders syrischer, 〈Einwanderung〉 Händler
in dieser Zeit befördert wurde. Dann freilich hat sich die Urkunde als „Rechtsträger“[,] sowohl als Order- wie als Inhaberpapier[,] ungemein rasch entwickelt, überraschenderweise [651]also grade in einer Zeit, deren Verkehrsintensität wir uns, verglichen mit der klassischen Antike,
a
[651] Kaiserzeit, > klassischen Antike,
als äußerst begrenzt vorzustellen haben. Die Rechtstechnik scheint also hier, wie sonst oft, ihre eigenen Wege gegangen zu sein. Das Entscheidende war dabei freilich wohl, daß jetzt, nach Fortfall des Einheitsrechts, die Interessenten der Verkehrsmittelpunkte und ihre nur technisch geschulten Notare die Entwicklung bestimmten, überhaupt das Notariat der einzige juristische Träger des
b
A: Träger juristische Im Kontext mehrere Streichungen.
Verkehrsrechts wurde. Dabei haben nun[,] wie schon angedeutet, im Urkundenwesen grade die irrationalen Denkformen des germanischen Rechts die Entwicklung begünstigt. Die Urkunde wurde als eine Art von Fetisch behandelt, dessen rechtsförmliche Übergabe, zunächst vor Zeugen, spezifische Rechtswirkungen ebenso hervorbringen konnte, wie andre ursprünglich halb animistisch aufgefaßte
c
spezifische > ursprünglich halb animistisch aufgefaßte
Symbole: der Gerwurf und die festuca des germanischen, das dieser letzteren entsprechende bukannu des babylonischen
d
islamitischen > babylonischen
Rechts. Nicht [S. 338]mit der beschriebenen Urkunde, sondern mit dem unbeschriebenen Pergament wurde ursprünglich
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A: Nicht 〈die beschriebene〉 mit der beschriebenen Urkunde, sondern 〈das unbeschriebene〉 mit dem unbeschriebenen Pergament wurde 〈feierlich angefaßt und tradiert〉 ursprünglich
von den Beteiligten die symbolische Traditionshandlung vorgenommen und dann erst wurde es beschrieben. Und während das italienische Recht schon des frühen Mittelalters den Urkundenbeweis sehr stark begünstigt, kannte ihn das englische Recht noch lange Zeit nicht und spielt dort das Siegel die entscheidende rechtsbegründende Rolle. Die Entwicklung der Wertpapiertypen [S. 339]des modernen Handelsrechts
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modernen Urkundentypen > Wertpapiertypen des modernen Handelsrechts
aber ist zum erheblichen Teil unter arabischer Mitwirkung, infolge teils commerzieller teils administrativer Bedürfnisse, im Verlauf des Mittelalters vor sich gegangen. Der antik römische Handel hat sich anscheinend ohne diese wichtigen und heute unentbehrlichen technischen Mittel behelfen müssen.