[191][B 1][A 3][WuG1 368] I.bB: I. 〈§[Spatium]〉 〈§[Spatium]〉 Hinzufügung der Querstriche der römischen Ziffer von fremder Hand. Die Wirtschaft und die Ordnungen.a[191] a–a Fehlt in A.
B: I. 〈§[Spatium]〉 〈§[Spatium]〉 Hinzufügung der Querstriche der römischen Ziffer von fremder Hand.
[191] a–a Fehlt in A.
1.cB: 〈§ 1〉. Rechtsordnung und Wirtschaftsordnunga1a1–a1 Fehlt in A.
B: 〈§ 1〉.
a1–a1 Fehlt in A.
Wenn von „Recht“
d
, „Rechtsordnung“, „Rechtssatz“ die Rede ist, so muß besonders streng auf die Unterscheidung juristischer und soziologischer BetrachtungsweiseAnführungszeichen in A.
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geachtet werden. Die erstere fragt: was als Recht ideell gilt. Das will sagen: welche Bedeutung, und dies wiederum[191] Diese methodologische Differenz zieht sich in unterschiedlichen Nuancierungen durch das Webersche Werk. Sie steht im Zusammenhang der neukantianisch beeinflußten Methodendiskussion in Rechtswissenschaft und Nationalökonomie; vgl. Weber, Roscher und Knies II, S. 132, Anm. 2; Weber, Objektivität, S. 74; Weber, Überwindung, bes. S. 138, Anm. 13; Verhandlungen 1910, S. 268–270, 324–330; Weber, Kategorien, S. 263 f.
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heißt: welcher normative Sinn[,] einem als Rechtsnorm auftretenden sprachlichen Gebilde logisch richtiger Weise zukommen sollte. Die letztere dagegen fragt: was innerhalb einer Gemeinschaft faktisch um deswillen geschieht, weil die Chance besteht, daß am GemeinschaftshandelnFehlt in A.
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beteiligte Menschen, darunter insbesondere solche, in deren Händen ein sozial relevantes Maß von faktischem Einfluß auf dieses Gemeinschaftshandeln liegt, bestimmte Ordnungen als geltend subjektiv ansehen und praktisch behandeln, also ihr eigenes Handeln an ihnen orientieren. – Max Weber greift hier wie im folgenden offenkundig auf die Terminologie des ursprünglich als methodologische Einleitung seines Grundriß-Beitrags gedachten, dann aber separat veröffentlichten Aufsatzes „Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie“ zurück (vgl. Weber, Kategorien, S. 253, Fn. 1). Kategorien, S. 265, definiert er: „Von ,Gemeinschaftshandeln‘ wollen wir da sprechen, wo menschliches Handeln subjektiv sinnhaft auf das Verhalten anderer Menschen bezogen wird“, und zwar „ein entweder 1. historisch beobachtetes oder 2. ein theoretisch, als objektiv ,möglich‘ oder ,wahrscheinlich‘ konstruiertes Sichverhalten anderer Einzelner“ (ebd., S. 266).
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Darnach bestimmt sich auch die prinzipielle Beziehung zwischen Recht und Wirtschaft.Gedankenstrich fehlt in A.
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Die Formulierung entspricht dem im Stoffverteilungsplan von 1910 unter „4. Wirtschaft und Gesellschaft“ vorgesehenen Gliederungspunkt „a) Wirtschaft und Recht (prinzipielles Verhältnis […])“ (abgedr. in: MWG II/6, S. 766–774, hier S. 768). Weber hat das Verhältnis von Wirtschaft und Recht sachlich bereits in seiner Besprechung von Rudolf Stammlers Buch „Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Ge[192]schichtsauffassung“ thematisiert. Die Resultate seiner Kritik (vgl. Weber, Überwindung) liegen auch seinem Diskussionsbeitrag zu Andreas Voigts Vortrag „Wirtschaft und Recht“ auf dem ersten Deutschen Soziologentag 1910 zugrunde; vgl. Voigt, Vortrag (wie oben, S. 13, Anm. 55); Webers Ausführungen dazu in: ders., Diskussionsbeitrag I (wie oben, S. 16, Anm. 69). Noch in der Vorbemerkung zu den „Soziologischen Grundbegriffen“, WuG1, S. 1 (MWG I/23), heißt es über die Stammler-Kritik, daß sie „die Grundlagen des Nachfolgenden vielfach schon enthielt“.
[192]Die juristische, genauer: die rechtsdogmatische, Betrachtung stellt sich die Aufgabe: Sätze, deren Inhalt sich als eine Ordnung darstellt, welche
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für das Verhalten eines irgend wie bezeichneten Kreises von Menschen maßgebend sein soll, auf ihren richtigen[192]A: Rechtsanordnung von etwas darstellt, was
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Sinn und das heißt: auf die Tatbestände, welche ihr[,] und die Art,Fehlt in A.
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wie sie ihr unterliegen, zu untersuchen. Dabei verfährt sie dergestalt, daß sie die verschiedenen einzelnen Sätze jener Art, ausgehend von ihrer unbezweifelten empirischen GeltungsartA: die ihr und
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, in ihrem logisch richtigen Sinn derart zu bestimmen trachtet, daß sie dadurch in ein logisch in sich widerspruchsloses System gebracht werden. Der handschriftlich eingezogene Begriff wird im neukantianischen Umfeld verwendet. Heinrich Rickert spricht bei der Gegenüberstellung unterschiedlicher (formaler) „Geltungsarten“ von Begriffen der „beschreibenden“ bzw. „erklärenden“ Naturwissenschaften (vgl. ders., Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1902, bes. S. 138, 144). Emil Lask bezeichnet damit die „Rechtswirklichkeit“ als Gegenstand der empirischen Wissenschaft (vgl. ders., Rechtsphilosophie, in: Die Philosophie im Beginn des 20. Jahrhunderts (Festschrift für Kuno Fischer, hg. von Wilhelm Windelband), 2., verb. und erw. Aufl. – Heidelberg: Karl Winter 1967, S. 269–317, hier S. 273).
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Dies System ist die „Rechtsordnung“ im juristischen Sinn des Wortes. –A: Sätze, welche sich in jener Art auf das Verhalten jenes Kreises von Menschen beziehen, in ein logisch widerspruchsloses System zu bringen suchen.
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Die Sozialökonomik dagegenGedankenstrich fehlt in A.
l
betrachtet dasjenige tatsächliche Handeln der Menschen, welches durch die Notwendigkeit der Orientierung am „wirtschaftlichen Sachverhalt“Fehlt in A.
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bedingt ist, in seinen tatsächlichen Zusammenhängen. Die durch die Art des Interessenausgleichs jeweils einverständnismäßigA: Notwendigkeit, Vorsorge für den materiellen Güterbedarf zu treffen,
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entstandene Verteilung der faktischenFehlt in A; B: durch Sitte oder > einverständnismäßig
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Verfügungsgewalt über Güter und ökonomische [B 2][A 4]DiensteFehlt in A.
p
und die Art, wie beide kraft jener aufAuf der Rückseite des Blattes A 4/B 2 steht die Notiz Max Webers (wiederholt am linken Blattrand in transkribierter Form von Johannes Winckelmann): Nicht alles „Recht“, was // Apparat macht // auch aus Zweckmäßigkeit Apparat // R[echt]: nur deshalb weil Norm verletzt.
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Ein[193]verständnisIn B folgt: 〈Sitte oder〉
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ruhenden faktischen Verfügungsgewalt dem gemeinten Sinn nach[193] Weber, Kategorien, S. 279, definiert als „Einverständnis“ „den Tatbestand […], daß ein an Erwartungen des Verhaltens Anderer orientiertes Handeln um deswillen eine empirisch ,geltende‘ Chance hat, diese Erwartungen erfüllt zu sehen, weil die Wahrscheinlichkeit objektiv besteht: daß diese anderen jene Erwartungen trotz des Fehlens einer Vereinbarung als sinnhaft ,gültig‘ für ihr Verhalten praktisch behandeln werden.“
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faktisch verwendet werden, nennen wir „Wirtschaftsordnung“. Es liegt auf der Hand, daß beide Betrachtungsweisen sich gänzlich heterogene Probleme stellen und ihre „Objekte“A: dieser Verfügungsgewalt
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direkt gar nicht in Berührung miteinander geraten können, daß die ideelle[193] Fehlt in A.
b
„Rechtsordnung“ der RechtstheorieB: ideell gelten sollend > ideelle
a
direkt mit dem Kosmos des faktischen wirtschaftlichen Handelns nichts zu schaffen hat, da beide in verschiedenen Ebenen liegen: die eine in der des ideellen Geltensollens, die andere in der des realen Geschehens. Wenn nun trotzdem Wirtschafts- und Rechtsordnung in höchst intimen Beziehungen zueinander stehen[,] so ist eben diese letztere dabei nicht in juristischem, sondern in soziologischem Sinne verstanden: als empirische Geltung. Der Sinn [WuG1 369] des Wortes „Rechtsordnung“ ändert sich dann völlig. Sie bedeutet dann nicht einen Kosmos logisch als „richtig“ erschließbarer Normen, sondern einen Komplex von faktischen Bestimmungsgründen realen menschlichen Handelns. Dies bedarf der näheren Interpretation.A: Rechtsordnung des Juristen
d
In B folgt die Satzanweisung Max Webers: Absatz
c
A: verstanden. Sie ist dann nicht ein Kosmos logisch erschlossener Normen, sondern ein Komplex von faktischen Bestimmungsgründen realen menschlichen Handelns.
Daß irgend welche
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Menschen sich in einer bestimmten Art verhalten, weil sie diesFehlt in A.
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als durch Rechtssätze so vorgeschrieben ansehen, ist allerdings eineA: diese
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wesentliche Komponente des realen empirischen Inslebentretens und auch des Fortbestandes einer „Rechtsordnung“. Aber natürlich – wie das früher über die Bedeutung der „Existenz“ rationaler Ordnungen Gesagte ergiebtA: die
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– gehört keineswegs dazu: daß alle oder auch nur die Mehrzahl der an jenem Verhalten Beteiligten dies Verhalten aus jenem Motiv heraus einschlagen. Siehe Weber, Kategorien, S. 292–294, bes. S. 293.
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Das pflegt vielmehr niemals der Fall zu sein. Die breiten Schichten der Beteiligten verhalten sich der Rechts[194]ordnung entsprechend, entweder, weil die Umwelt dies billigt und das Gegenteil mißbilligt[,] oder nur aus dumpfer Gewohntheit an die als Sitte eingelebten Regelmäßigkeiten des Lebens, nicht aber aus einer als Rechtspflicht gefühlten Obödienz. Wäre diese letztere Haltung universell, dann würde allerdingsA: der realen empirischen Existenz einer Rechtsordnung. Aber keineswegs gehört dazu: daß alle an jenem Verhalten Beteiligten dies gerade aus jenem Motiv einschlagen,
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das Recht seinen subjektiven Charakter als solches gänzlich einbüßen und subjektiv als bloße Sitte beachtet werden. So lange objektiv die Chance bestehtB: 〈Die Masse〉 Die breiten Schichten der 〈[sonst]〉 Beteiligten 〈befolgen〉 verhalten sich 〈[aber]〉 der Rechtsord[194]nung entsprechend, entweder, weil die Umwelt dies billigt und das Gegenteil mißbilligt 〈(„Konvention“)〉 oder nur aus dumpfer Gewohntheit an die 〈mit unter dem Einfluß〉 als Sitte eingelebten Regelmäßigkeiten des Lebens, 〈als Sitte oder „Conven〉 nicht aber aus einer als 〈Pflicht gefühlten〉 Rechtspflicht gefühlten Obödienz 〈gegen ihre Regeln oder auch aus bloßer Convention〉. Wäre 〈allerdings〉 diese letztere 〈Attitüde〉 Haltung universell, dann würde 〈„Convention“ sowohl wie 〈das〉 „Recht“ subjektiv 〈seinen〉 ihren〉 allerdings
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, daß der Zwangsapparat gegebenenfalls jene Normen erzwingt, so würden sie uns dennoch als „Recht“ gelten müssen.Fehlt in B; besteht sinngemäß ergänzt.
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In B folgt: 〈(wie etwa die neuerdings zur Berühmtheit gelangte preußische Kabinettsorder〉
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Der Text steht auf einem Papierstück am linken unteren Blattrand. Darunter befindet sich – überwiegend verdeckt – der gestrichene Text: B: 〈Wir werden von einer „Rechtsordnung“ nur 〈da〉 soweit reden, 〈wo〉 als irgend welche Menschen, und zwar solche, welche das Gemeinschaftshandeln in einem sozial relevanten Maß thatsächlich in seinem Ablauf beeinflussen, ihrem Inhalt deshalb nachleben und dadurch das Handeln andrer in die gleiche Richtung lenken, weil sie ihnen als verbindliche Rechtsordnung gilt.〉
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Unnötig ist ebenfalls – nach dem früher GesagtenFehlt in A.
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–, daß alle,[194] Siehe Weber, Kategorien, S. 267; vgl. auch Weber, Überwindung, S. 142 f.
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welche die Überzeugung von einer bestimmten Art der NormiertheitB: alle 〈oder die Mehrzahl,〉 Zuordnung der Streichung unsicher.
p
B: Ordnung > Art der Normiertheit
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eines bestimmten Handelns durch einen Rechtssatz teilen, dem nun auch wirklich immer nachleben.A: Ebensowenig: daß alle, welche die Überzeugung von jener Angeordnetheit
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In B folgt: 〈Das ist ebenfalls niemals der Fall, und da nach unsrer Begriffsbestimmung nur die Thatsache eines „Orientierens“ des eignen Handelns überhaupt an einer Ordnung, nicht aber deren „Befolgen“ über ihre Geltung entscheidet, auch hier nicht nötig.〉
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DasIn A folgt: Sondern lediglich: daß Menschen sich bereit halten, durch geeignete Mittel ein Gemeinschaftshandeln in diejenigen Bahnen zu wenden, welche jenen Rechtssätzen entspricht, und daß dies ihnen in einem sozial relevanten Maße tatsächlich gelingt. Die Mittel dazu können verschieden geartet sein. In B zunächst überarbeitet, dann Passage gestrichen: 〈Sondern lediglich das für unsre [Betrachtung] entscheidende[Merkmal] 〈ist:〉 einer Rechtsordnung [??] ist, für den Normalfall: daß Menschen sich bereit halten, nötigenfalls durch geeignete Mittel ein Gemeinschaftshandeln in diejenigen Bahnen zu lenken, welche 〈ihrer (subjektiven) Deutung jener〉 einer bestimmten Durchschnittsdeutung von „Rechtssätze“ entspricht, und daß dies ihnen in Fällen, wo es nötig wird, in einem sozial relevanten Maße auch tatsächlich durchschnittlich gelingt. 〈Dies zu erreichen〉 Die Mittel, dies zu erreichen, können dabei verschieden geartet sein.〉
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ist ebenfalls nie der Fallt-t(bis S. 196: eintreten.) Die Rückseite der Allonge enthält das Siegel des Soziologischen [195]Instituts der Universität München, vgl. den Editorischen Bericht, oben, S. 140.
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und, [195]da nach unsrer allgemeinen Definitionr-r(bis S. 198: Entwicklungsstufen.) Fehlt in A.
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die Thatsache einer „Orientiertheit“ des Handelns an einer Ordnung, nicht aber: deren „Befolgen“, über die „Geltung“ entscheidet, nicht nötig. „Recht“ ist für uns eine „Ordnung“ mit gewissen spezifischen Garantien für die Chance ihrer empirischen Geltung. Und zwar soll unter „garantiertem objektivem Recht“[195] Siehe Weber, Kategorien, S. 267.
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B: Recht“, 〈als der spezifisch höchstgarantierten Form des Rechts,〉
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der Fall verstanden werden: daß die Garantie in dem Bestehen eines „Zwangsapparats“ im früher definierten Sinn besteht Die Bestimmung des „garantierten Rechtes“ durch das Merkmal des „Zwangsapparates“ greift die von Jellinek in seiner „Soziallehre“ des Staates erörterte Rechtsgarantienlehre auf (vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 334–337, 788–791). Dabei richtet sich Jellineks Argument gegen die Zwangstheoretiker seiner Disziplin, gegen die er die Sozialgarantien des Rechts ins Feld führt.
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–, also einer oder mehrerer sich eigens zur Durchsetzung Weber führt in: Kategorien, S. 271, über den „Zwangsapparat“ aus: „In der Vereinbarung der Ordnung (,Satzung‘) haben im idealtypischen Rationalitätsfall die vergesellschaftet Handelnden subjektiv eindeutig auch ausbedungen: […] ob und welche Vereinsorgane und unter welchen Bedingungen und durch welche Mittel sie auf die Innehaltung der vereinbarten Ordnung hinzuwirken sich bereit halten sollen (,Zwangsapparat‘).“ – Die „mechanistische“ Metaphorik findet als Ausläufer des Positivismus ihren Weg auch in die Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts: so sieht namentlich Ihering in der „staatlichen Zwangsmaschine“ den Garanten und Vollender des Rechts (ders., Zweck im Recht I, Kap. 7 und 8: Die sociale Mechanik oder die Hebel der socialen Bewegung, S. 93 ff. und S. 307–329, hier S. 327). Karl Binding registriert das Fehlen des „Zwangsapparates“ für eine ganze Anzahl subjektiver Rechte und solche zusammenfassender Gesetze und spricht von einem „Apparat von Zwangskräften“ (vgl. ders., Der Rechtszwang. Nach einem Vortrage gehalten zu Wien in der Juristischen Gesellschaft am 17. Mai 1888, in: ders., Die Normen und ihre Übertretung. Eine Untersuchung über die rechtmäßige Handlung und die Arten des Delikts, Band 1: Normen und Strafgesetze, 2. Aufl. – Leipzig: Wilhelm Engelmann 1890, S. 483–504, hier S. 493, 504 (hinfort: Binding, Rechtszwang)).
a
der Ordnung durch speziell dafür vorgesehene ZwangsmittelB: Durchführung > Durchsetzung
b
(Rechtszwang) bereit haltender Personen.B: Mittel > Zwangsmittel
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B: Personen besteht.
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Die Zwangsmittel können psychischer oder physischer Art, direkt oder indirekt wirkend sein, sich im Einzelfall gegen die an der Einverständnisgemeinschaft Vor dem Hintergrund der juristischen Kontroverse zwischen „Imperativtheoretikern“ und „Zwangstheoretikern“ des Rechtes – so die Unterscheidung bei Kelsen, Hauptprobleme (wie oben, S. 20, Anm. 9) – weist sich Webers empirisch-soziologischer Rechtsbegriff als Variante der Zwangstheorie aus.
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oder Vergesellschaftung, dem Verband oder der Anstalt, Die durch „Einverständnishandeln“ konstituierte Gemeinschaft nennt Weber, Kategorien, S. 285 f., „Einverständnisgemeinschaft“.
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für welche die Ordnung (empirisch) gilt, Betei[196]ligten oder auch nach außen richten. Sie sind die „Rechtsordnungen“ der betreffenden Vergemeinschaftung. Bei weitem nicht alle Ordnungen, welche einverständnismäßig für eine Vergemeinschaftung gelten, sind – wie später zu erörtern Weber bedient sich („Verband“ und „Anstalt“) der in: Kategorien, S. 266 ff., spezifisch soziologisch gewendeten juristischen Begrifflichkeit.
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– „Rechtsordnungen“. Auch nicht alles[196] Siehe unten, S. 210 ff.
d
geordnete „Organhandeln“ der den Zwangsapparat einer Vergemeinschaftung bildenden Personen geht[196]B: Alles
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auf Rechtszwang. Sondern nur jenesAlternative Lesung: ruht
f
wollen wir darunter begreifen, dessen geltenderB: jenes,
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Sinn dahin geht: die Befolgung einer Ordnung durchzusetzen lediglich als solche, also rein formal um deswillen, weil sie als verbindlich geltendB: durchschnittlich gemeinter > geltender
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in Anspruch genommen wird, nicht aber – dem geltenden Sinn nach – je nach Zweckmäßigkeits- oder anderen materialen Bedingungen. Es versteht sich, daß die Durchsetzung der Geltung einer Ordnung faktisch im Einzelfall durch die allermannigfachsten Motive bedingt sein kann: als garantiertes „Recht“ wollen wir sie aber nur da bezeichnen, wo die Chance besteht, es werde gegebenenfalls „um ihrer selbst willen“ Zwang, „Rechtszwang“, eintreten.B: empirisch verbindlich gilt > verbindlich geltend
t
t(ab S. 194: Das)–t Die Rückseite der Allonge enthält das Siegel des Soziologischen Instituts der Universität München, vgl. den Editorischen Gesamtbericht, oben, S. 140.
Nicht jedes (objektive) „Recht“ ist – wie wir noch mehrfach
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sehen werdenB: später > noch mehrfach
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– „garantiertes“ Recht. Wir wollen von Recht – „indirekt garantiertem“ oder „ungarantiertem“ Recht – auch überall da sprechen, wo die Bedeutung der Geltung einer Norm darin besteht: daß Siehe z. B. unten, S. 233 ff.
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die Art der Orientierung des Handelns an ihr überhaupt irgend welche „Rechtsfolgen“ hat. Das heißt: wo irgendwelche andren Normen gelten, welche an die „Befolgung“ oder „Verletzung“ jener ersten bestimmte[,] ihrerseits durch Rechtszwang garantierte Chancen eines EinverständnishandelnsIn B folgt: 〈nach einer geltend garantierten Regel sie 〈„Rech〉 ihre Berecht〉
k
B: des Handelns > eines Einverständnishandelns
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knüpfen. Zum „Einverständnis“ vgl. oben, S. 193, Anm. 5. „Einverständnishandeln“ gilt Weber, Kategorien, S. 278 f., entsprechend als „Inbegriff vom Gemeinschaftshandeln, welches und soweit es in einer durch Orientierung an solchen ,Einverständnis‘-Chancen bedingten Art abläuft […]“.
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Wir werden diesen für ein sehr breites Gebiet des Rechtsle[197]bens zutreffenden [WuG1 370]Fall gelegentlich durch Beispiele zu illustrieren haben,In B folgt: 〈(wie z. B. bei den „Naturalobligationen“ des römischen Rechts.〉
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wollen aber zur Vereinfachung a potiori[,] wenn von „Recht“ geredet wird, an direkt durch Rechtszwang garantierte Normen denken. – Bei weitem nicht jedes garantierte (objektive) Recht ist ferner durch „Gewalt“ (Inaussichtstehen von physischem Zwang) garantiert.[197] Siehe z. B. unten, S. 203 ff., 233 ff., 235.
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Diese[197] In B folgt: 〈A potiori wollen wir aber an diesen Fall denken.〉
o
oder gar die der heutigen Prozeßtechnik angehörige Art der Geltendmachung von Privatrechtsansprüchen: „Klage“ vor einem „Gericht“ mit darauf folgender Zwangsvollstreckung[,] ist uns nicht das soziologisch entscheidende Merkmal des Rechts oder auch nur des „garantierten Rechts“In B geht voraus: 〈Keineswegs ist 〈immer〉 für uns die Möglichkeit eventuellen physischen Zwangs und keineswegs die uns von〉
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. Das Gebiet des heutigen sogenannten „öffentlichen“ Rechts, das heißt: der Normen für das Organhandeln und für das anstaltsbezogene Handeln in der Staatsanstalt[,]In B folgt: 〈im Gegensatz zur „Convention“.〉
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kennt heute zahlreiche subjektive Rechte und objektive Rechtsnormen[,] gegen deren Verletzung nur im Weg einer „Beschwerde“ oder nur durch Remonstration von dazu berufenen Vgl. hierzu den soziologischen Abgrenzungsversuch unten, S. 274 f.
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Personenkreisen ein Zwangsapparat in Bewegung gesetzt werden kann, sehr oft ein solcher, dem jedes Mittel eventuellen physischen Zwangs gänzlich fehlt.In B folgt: 〈〈Körperschaften〉 〈oder〉 Verbänden, z. B. parlamentarischen 〈und ähnlichen〉 Körperschaften, oder [??] durch sonstige geltend gemacht werden können, also in gleicher Art, wie〉
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In B folgt die gestrichene Passage: 〈〈Den〉 Die 〈Grenzfall〉 Grenze zur bloßen „Convention“ bildet schließlich der Fall: daß für 〈einen subjektiven Anspruch oder〉 eine 〈objektive Regel〉 Norm 〈direkt〉 die Garantie eines Zwangsapparats überhaupt nicht 〈die〉 direkt in Aussicht steht, daß vielmehr nur an 〈die〉 ihre Verletzung 〈kraft [??] Folgen〉 durch 〈Normen〉 geltende Normen Folgen geknüpft sind, für welche 〈ihrerseits〉 an irgend einem Punkt 〈durch den Eintritt〉 die Garantie eines Zwangsapparats 〈zur Consequenz haben.〉 eintritt 〈, z. B. die Ungültigkeit [dieser]〉. Erläßt heute ein konstitutioneller Monarch Verordnungen, ohne 〈Gegenzeichnung eines Ministers〉 einen Minister ernannt zu haben, der sie gegenzeichnet, so ist die Folge: daß der Zwangsapparat der Gerichte dem, der sich auf sie beruft, nicht zur Seite […] [seinem] Gegner: deshalb ist die and[…]〉 Der Text verläuft in die Reißkante der Allonge, vgl. oben, textkritische Anm. n.
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Die Dies ist ein wesentliches Argument der innerjuristischen Kritiker der sog. Zwangstheorie des Rechts; vgl. u. a. Jellinek, System, S. 197, 350, und Binding, Rechtszwang (wie oben, S. 195, Anm. 10), S. 487 f., 491 f., 493.
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Frage, ob dann ein [198]garantiertes „Recht“ vorliegt[,] entscheidet sich für die Soziologie darnach, ob der Zwangsapparat für diese nicht gewaltsame Ausübung von Rechtszwang geordnet ist und ob er faktisch ein solches Gewicht besitzt, daß durchschnittlich eine Chance: dieB: 〈Für〉 die
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geltende Norm werde infolge jenes Rechtszwangs Nachachtung finden, in praktisch relevantem Maße besteht[.][198]B: Chance 〈besteht〉: 〈〈das als Recht in〉 Anspruch 〈Genommene werde 〈nach〉 durchschnittlich mit derartiger Sicherheit 〈erledigt〉 Berücksichtigung finden daß von der empirisch […]〉 die Der Text verläuft in die Reißkante der Allonge, vgl. oben, S. 197, textkritische Anm. n.
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Heute ist der gewaltsame Rechtszwang Monopol der Staatsanstalt.Der Text befindet sich auf einer ursprünglich an Blatt A 8/B 6 (unten, S. 218 f., textkritische Anm. u) befestigten, dort abgerissenen und nach Blatt A 4/B 2 transferierten Allonge. Der Wortlaut der Allongenrückseite, bei dem es sich um ein Brieffragment oder einen Briefentwurf handelt, ist abgedruckt im Anhang zum Editorischen Bericht, oben, S. 190. Von dieser Allonge ist außerdem ein Papierstück abgerissen und an Blatt A 5/B 3 befestigt worden, vgl. unten, S. 201, Anm. r.
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In bezug auf den gewaltsamen Rechtszwang gelten heute alle andren, einen solchen ausübenden Vergemeinschaftungen als heteronom und meist auch heterokephal.[198] Die begriffliche Bestimmung des Staates als Anstalt verweist auf den in: Weber, Kategorien, S. 287, definierten Anstaltsbegriff. Weber verwendet hier die in der zeitgenössischen öffentlich-rechtlichen Diskussion umstrittene Anstaltstheorie des Staates für seinen soziologischen Staatsbegriff.
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Dies ist aber eine Eigenart bestimmter Entwicklungsstufen. Nach Weber, Kategorien, S. 273, fallen Heteronomie der Orientierung an einer vorrangigen Ordnung und organschaftliche heterokephale Bestimmtheit nicht zusammen.
r
Von „staatlichem“[,] das heißt: staatlich garantiertem, Recht wollen wir da und insoweit sprechen, als die Garantie dafür[,] der Rechtszwang[,] durch die spezifischen[,] im Normalfall also: direkt physischen Zwangsmittel der politischen Gemeinschaft geübt wird.r(ab S. 194: Das ist ebenfalls nie der Fall)-r Fehlt in A.
a
Im Sinne des „staatlichen“ Rechts bedeutet also das empirische Bestehen eines „Rechts[B 3][A 5]satzes“: daß für den Fall des Eintritts bestimmter Ereignisse auf Grund eines EinverständnissesA: Von staatlichem Recht wollen wir da sprechen, wo die Garantie dafür in den spezifischen Mitteln der politischen Gemeinschaft liegt.
aa
B: 〈liegt, alle andren Schöpfungen von Gemeinschaften also, welche „Ordnungen“ schaffen, der 〈staatli〉 politischen Gewalt gegenüber heteronom und – soweit wenigstens physischer Zwang in Betracht kommt, – auch heterokephal sind.〉
b
mit Wahrscheinlichkeit darauf gezählt werden kann, daß ein Verbandshandeln von Organen des politischen VerbandsFehlt in A.
d
B: der politischen Anstalt > des politischen Verbands
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ein[199]tritt, welches durch die bloße Thatsache, daß es eventuell in Aussicht steht, Als Verbandshandeln definiert Weber, Kategorien, S. 288, ein Einverständnishandeln, „bei welchem 1. die Zurechnung des Einzelnen zur Teilnahme einverständnismäßig ohne sein eigenes darauf zweckrational gerichtetes Zutun erfolgt und bei welchem ferner 2. trotz des Fehlens einer darauf abgezweckten gesatzten Ordnung dennoch jeweils bestimmte Personen (Gewalthaber) einverständnismäßig wirksame Ordnungen [199]für das Handeln der einverständnismäßig zum Verband gerechneten Beteiligten erlassen, wenn ferner 3. sie selbst oder andere Personen sich zur eventuellen Ausübung von physischem oder psychischem, wie immer geartetem, Zwang gegen einverständniswidrig sich verhaltende Teilnehmer bereit halten.“
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geeignet ist, den aus jenem Rechtssatz, nach der gangbaren Art seiner Deutung, zu entnehmenden Anordnungen Nachachtung oder[,] wo dies unmöglich geworden ist, „Genugthuung“ und „Entschädigung“A: Gemeinschaftshandeln der politischen Gemeinschaft eintritt, welches
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zu verschaffen. Jenes Ereignis, an welches sich diese Folge: der staatliche Rechtszwang[,] knüpft, kann[199] Fehlt in A.
f
in einem bestimmten menschlichen Verhalten (Vertragsschluß, Vertragsverletzung, Delikt) bestehen. DochA: Folgen knüpfen, kann insbesondere auch
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ist dies nur ein Sonderfall. Denn auch z. B. für den Fall des Steigens eines Flusses über einen bestimmten Pegelstand kann kraft empirisch geltender RechtssätzeA: bestehen, doch
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die Anwendung der spezifischen Zwangsmittel der politischen Gewalt gegen Personen und Sachen in Aussicht stehen. GanzA: Rechtssatzes
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und gar nicht zum Begriffe der Geltung eines „Rechtssatzes“ in diesem normalen Sinnei-i(bis S. 201: bei Seite.) Fehlt in A. In A folgt neuer Absatz.
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gehört: daß etwa diejenigen, welche sich der Ordnung, die er enthält, fügen, dies vorwiegend oder auch nur überhaupt um deswillen thun, weil ein Zwangsapparat (im erörterten Sinn) dafür zur Verfügung steht.B: eines in diesem normalen Sinne „Rechtssatzes“
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Davon ist – wie bald noch zu erörtern Zum „Zwangsapparat“ siehe oben, S. 195, Anm. 10. Für die Geltung einer Norm als „Rechtssatz“ ist nach Kelsen, dem Vertreter einer rein formalen Rechtstheorie, der Rechtszwang als subjektives Motiv der Rechtsbefolgung entscheidend: „Subjektiv kann jedoch nur jene Norm als befolgt erachtet werden, deren spezifische Garantien das Motiv des Handelns (resp. des Unterlassens, wenn ein Gegenmotiv zu überwinden war) gebildet haben“ (ders., Hauptprobleme (wie oben, S. 20, Anm. 9), S. 220). Einer sozialen Garantienlehre im Sinne Jellineks bedarf Kelsens Rechtsgeltungsbegriff somit nicht (vgl. ebd., S. 222 ff.).
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– keine Rede[.] Vielmehr können die Motive der Fügsamkeit gegenüber dem Rechtssatz die denkbar verschiedensten sein. In ihrer Mehrzahl haben sie – je nachdem – mehr utilitarischen oder mehr ethischen oder subjektiv conventionellen, die Mißbilligung der Umwelt scheuenden Charakter. Die jeweils vorwaltende Art dieser Motive ist von sehr großer Wichtigkeit für die Geltungsart und die Geltungschancen des Rechts selbst. Aber für [200]seinen formalen soziologischen Begriff Siehe unten, S. 210 ff.
k
, so wie wir ihn verwenden wollen, sind diese psychologischen Thatbestände irrelevant, es kommt vielmehr – beim garantierten Recht – nur drauf an, daß eine hinlänglich starke Chance des Eingreifens eines[200]B: seinen Begriff > seinen formalen soziologischen Begriff
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eigens hierauf eingestellten Personenkreises auch in Fällen, wo nur der Thatbestand der Normverletzung rein als solcher vorliegt, also auf Grund der Geltendmachung lediglich dieses formalen Anlasses thatsächlich besteht.In B folgt: ⟨(Zwangsapparats)⟩
m
In B folgt die Satzanweisung Max Webers: (Absatz!)
[WuG1 371]Durch das empirische „Gelten“ einer Ordnung
n
als eines „Rechtssatzes“ werden die Interessen der Einzelnen in mannigfachem Sinn berührt. Insbesondre können Einzelpersonen daraus berechenbare Chancen erwachsen, ökonomische Güter in ihrer Verfügung zu behalten oder künftig, unter bestimmten Voraussetzungen, die Verfügung über solche zu erwerben.B: Durch ⟨die Garantie⟩ das
na
⟨staatlichen⟩ empirische „Gelten“ einer ⟨objektiven⟩ OrdnungB: der > das
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Solche Chancen zu eröffnen oder zu sichern[,] ist bei gesatztem Recht naturgemäß normalerweise der Zweck, den die eine Rechtsnorm Vereinbarenden oder Oktroyierenden[200] Dies betont v.a. Eugen von Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirthschaftlichen Güterlehre. Kritische Studie. – Innsbruck: Wagnersche Universitätsbuchhandlung 1881 (hinfort: Böhm-Bawerk, Rechte), S. 42 f.: „Der wirthschaftliche Gehalt der Rechte beruht auf der Mithilfe der Rechtsorgane des Staates zur Erlangung und Behauptung der physischen Gewalt über Güter, und die Rechte selbst sind ein durch die Gesellschaftsorganisation hervorgerufenes Erforderniss und zugleich ein Bestandtheil der vollen ökonomischen Verfügungsgewalt über Güter.“ Weiterhin handelt er über alle jene „loseren Rechte, die auf einen künftigen Gütererwerb gehen“ (ebd., S. 76–98, hier S. 78).
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B: die Schöpfer einer Rechtsnorm > die eine Rechtsnorm Vereinbarenden oder Oktroyierenden
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damit verbinden. Die Art der Zuwendung der Chance aber kann doppelten Charakter haben. Entweder sie ist bloße „Reflexwirkung“ Als theoretisch alternative Entstehungsgründe „neuer Anstalts-Satzungen“ behandelt Weber, Kategorien, S. 289, „autonome ,Vereinbarung‘“ einerseits und „,Oktroyierung‘“.
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der empirischen Geltung der Norm: [201]der einverständnismäßig geltende Sinn dieser geht nicht dahin, dem Einzelnen die thatsächlich ihm zufallenden Chancen zu garantieren. Oder umgekehrt, der einverständnismäßig geltende Sinn der Norm geht grade dahin, dem Einzelnen eine solche Garantie: ein „subjektives Recht“, zu geben. Daß Jemand kraft staatlicher Rechtsordnung ein Der Gedanke der rechtlichen Reflexwirkung wurde besonders in der Diskussion um die Rechtsnatur der subjektiv-öffentlichen Rechte vorgetragen. Diese werden einerseits als aus objektivem Recht – im Gemeininteresse – folgende Erweiterung der geschützten individuellen Rechtssphäre ohne dahingehende Anspruchsverleihung mit entsprechender Rechtsgarantie (daher nur als „Reflex“) gedeutet. Dem steht andererseits die Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts als rechtsgeschützte individuelle Interessensphäre gegenüber. Zuerst klar formuliert hat den Begriff des Rechtsreflexes wohl Rudolph Ihering, Römisches Recht III, S. 339 mit Anm. 445, sowie [201]ders., Die Reflexwirkungen oder die Rückwirkung rechtlicher Thatsachen auf dritte Personen, in: Jahrbücher für Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Band 10, 1871, S. 245–354. Systematisch behandelt hat das Reflexrecht für das Gebiet des öffentlichen Rechts Jellinek, System, Kapitel VI: Reflexrecht und subjektives Recht, S. 67–81. Vgl. auch unten, S. 275, mit Anm. 4.
p
(subjektives) „Recht“ hat, bedeutet also im Normalfall, den wir hier zunächst zu Grunde legen, für die soziologische Betrachtung: er hat die durch den einverständnismäßig geltenden Sinn einer Rechtsnorm faktisch garantierte Chance, für bestimmte (ideelle oder materielle) Interessen die Hülfe eines dafür bereit stehenden „Zwangsapparats“ zu erlangen; die Hülfe besteht, im Normalfall wenigstens, darin, daß bestimmte Personen sich dafür bereithalten, falls jemand sich in den dafür üblichen Formen an sie wendet und geltend macht, daß ein „Rechtssatz“ ihm jene Hülfeleistung garantiere[201]B: ein staatlich garantiertes > kraft staatlicher Rechtsordnung ein
q
, sieB: jene Hülfeleistung gebiete > ihm jene Hülfeleistung garantiere
r
zu leisten. Und zwar rein infolge jener „Geltung“, ohne Rücksicht darauf, ob bloße Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen[,] und auch nicht nach freiem Belieben, aus Gnade oder Willkür. Rechtsgeltung besteht, wo die Rechtshülfe in diesem Sinn des Worts in einem relevanten Maße funktioniert, sei es auch ohne alle physischen oder andre drastischen Zwangsmittel. Oder (ungarantiertes Recht) wenn ihre Mißachtung (z. B. die Nichtachtung von Wahlrechten bei Wahlen) kraft einer empirisch geltenden Norm Rechtsfolgen (z. B. Ungültigkeit einer Wahl) hat, für deren Durchführung eine entsprechende Instanz mit Rechtszwang besteht.In B folgt: 〈rein um jener Geltung halber⟩
s
Wir lassen die nur in Form von „Reflexwirkungen“ gewährten Chancen hier der Einfachheit halber zunächst ganz bei Seite.Der Text befindet sich auf einem ausgerissenen Papierstück, das zu einer ursprünglich an Blatt A 8/B 6 (unten, S. 218, textkritische Anm. u) befestigten, dann nach Blatt A 4/B 2 (oben, S. 197, textkritische Anm. n) transferierten Allonge gehörte. Der Wortlaut der Allongenrückseite, bei dem es sich um ein Brieffragment oder einen Briefentwurf handelt, ist abgedruckt im Anhang zum Editorischen Bericht, oben, S. 190.
i
Ein subjektives Recht im „staatlichen“ [202]Sinn des Worts stehti(ab S. 199: Ganz und gar)–i Fehlt in A.
a
unter der Garantie der Machtmittel der politischen Gewalt. Wo andere Zwangsmittel einer andren als[202] In A folgt: also
b
der politischen Gewalt in Aussicht stehen – z. B. die einer hierokratischen Gewalt – und die Garantie eines „Rechtes“A: als physische Zwangsmittel
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bilden, soll von „außerstaatlichem“ RechtA: und die Garantie des subjektiven Rechtes
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gesprochen werden, dessen verschiedene Kategorien zu erörtern hier[202] Max Weber setzt hier den soziologischen gegen den staatsrechtlichen Rechtsbegriff, wonach alles Recht staatliches, staatlich verliehenes bzw. staatlich anerkanntes Recht ist; Rechtszwang ist dann notwendigerweise staatlicher Rechtszwang; vgl. z. B. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 179–181, 256 f., 264, 427 ff.; ders., Der Kampf des alten mit dem neuen Recht. Prorektoratsrede gehalten am 22. November 1907, in: ders., Ausgewählte Schriften und Reden, Band 1. – Berlin: O. Häring 1911, S. 392–427, hier S. 400.
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nicht die Aufgabe ist. Hier ist zunächst nur dran zu erinnern, daß es auch nicht gewaltsameA: jetzt
e
Zwangsmittel gibt, welche mit der gleichen oder unter Umständen mit stärkerer Gewalt wirken wie jene. Die Androhung eines Ausschlusses aus einem Verband, eines Boykotts oder ähnlicher Mittel und ebenso das InaussichtstellenA: nur festzustellen, daß es auch nicht physische
f
diesseitiger magisch bedingter Vorteile oder Unannehmlichkeiten oder jenseitiger Belohnungen oder Strafen für den Fall eines bestimmten Verhaltens wirken unter gegebenen Culturbedingungen häufig – für ziemlich große Gebiete: regelmäßig –A: Das Inaussichtstehen
g
sehr viel sicherer, als der in seinen Funktionen nicht immer berechenbare politische Zwangsapparat.A: ein bestimmtes Verhalten wirkt häufig
h
DerA: gesicherte politische Gewaltapparat.
i
gewaltsame Rechtszwang durch die Zwangsapparate der politischen Gemeinschaft hat sehr häufig gegenüber den Zwangsmitteln andrer, z. B. religiöser Mächtei-i(bis S. 204: selbstredend abgelehnt,) Fehlt in A.
j
den Kürzeren gezogen, und überhaupt ist es durchaus Frage des Einzelfalls, wie weit sich ihre faktische Tragweite erstreckt. Sie bleiben als „Rechtszwang“ in ihrer soziologischen Realität trotzdem bestehen, solange ihre Machtmittel eine sozial relevante Wirkung ausüben. Davon, daß ein „Staat“ nur dann und da „bestehe“, wo die Zwangsmittel der politischen Gemeinschaft faktisch gegenüber jeder andren die stärkeren sind, weiß die Soziologie nichts[.]B: hierokratischen Zwangsmitteln > religiöser Mächte
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Das „Kirchenrecht“ ist „Recht“ auch [203]da, wo es mit dem „staatlichen“ Recht in Conflikt gerät, was wieder und wieder der Fall gewesen ist und z. B. bei der katholischen – aber auch bei andren – Kirche Die Formulierung greift einerseits den antisubtanzialistischen Duktus auf, mit dem Weber den „Staat“ definiert als „Komplex menschlicher Beziehungen, Normen und normbestimmter Verhältnisse“ (Weber, Objektivität, S. 38, 74) oder einfach „nur ein [203]Ablauf von menschlichem Handeln besonderer Art“ (Weber, Kategorien, S. 265); zum anderen wird erneut die Differenz zum juristischen Staatsbegriff betont, als dessen wesentliches Begriffsmerkmal in der Literatur vielfach das Rechtszwangsmonopol erscheint; vgl. oben, S. 202, Anm. 28.
k
dem modernen Staat gegenüber unvermeidlich immer wieder geschehen wird. [WuG1 372]Die slawische „Zadruga“ in Österreich entbehrte nicht etwa nur der staatlichen Rechtsgarantie,[203]B: Kirchen
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sondern ihre Ordnungen standen zum Teil sogar im Widerspruch mit dem offiziellen Recht. Da das sie constituierende Einverständnishandeln für seine Ordnungen einen eignen Zwangsapparat besitzt, stellen diese letzteren dennoch „Recht“ dar, welches nur im Fall der Anrufung des staatlichen Zwangsapparats von diesem nicht anerkannt, sondern zerbrochen wurde. Besonders außerhalb des europäisch-kontinentalen Die österreichischen Gesetze von 1874 für Kroatien und 1880 für die Militärgrenze verbieten die Bildung neuer Hauskommunionen. Vgl. unten, S. 437 mit Anm. 17.
l
Rechtskreises ist es andrerseits gar nichts Seltenes, daß das moderne staatliche RechtB: deutschen > europäisch-kontinentalen
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auch die Normen andrer Verbände ausdrücklich als „gültig“ behandelt und konkrete Entscheidungen dieser überprüft. So schützt das amerikanische Recht vielfach die „label“ der Gewerkschaften,B: der moderne Staat > das moderne staatliche Recht
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normiert die Bedingungen, unter denen ein Wahlkandidat einer Partei In vielen amerikanischen Bundesstaaten war im Rahmen des Markenschutzrechtes durch Gesetz u. a. den Gewerkschaften das Recht zugestanden, Warenzeichen für die von ihren Mitgliedern verfertigten Produkte registrieren zu lassen. Diesen „labels“ als Produktmarken und Wettbewerbsinstrument der Gewerkschaften wuchs damit Rechtsschutz gegen unbefugte Nachahmung oder Verwendung zu; vgl. Freund, Ernst, Das öffentliche Recht der Vereinigten Staaten von Amerika (Das öffentliche Recht der Gegenwart, hg. von Georg Jellinek, Paul Laband und Robert Piloty, Band 12). – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1911, S. 275, 290 (hinfort: Freund, Öffentliches Recht); Heckel, Max von, „Verrufserklärung (Boykott)“, in: HdStW3, Band 8, 1911, S. 271–277, hier S. 275; Stieda, Wilhelm, „Arbeitseinstellungen“ (Einleitung), in: HdStW3, Band 1, 1909, S. 918–927, hier S. 922.
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als „gültig“ aufgestellt zu betrachten ist; greift der engli[204]sche Richter auf Anrufen in die Gerichtsbarkeit der Clubs ein, Die über das Institut des Wahlbeamtentums den beiden großen amerikanischen Parteien zukommende entscheidende Rolle bei der Ämterbesetzung (Patronage- bzw. „spoils“-System) führte zur gesetzlichen Regelung des innerparteilichen Verfahrens der Kandidatenaufstellung („primary law“): vgl. hierzu Freund, Öffentliches Recht (wie oben, Anm. 31), S. 82 f., der weitere gesetzliche Erfordernisse für die gültige Kandidatenaufstellung anführt, etwa: schriftliche Annahmeerklärung der Kandidatur durch den Kandidaten, Vorschriften über die formale Gestaltung der Stimmzettel etc. Ähnlich be[204]schreibt Hatschek den Sachverhalt (vgl. Hatschek, Julius, Das Polizeirecht der Vereinigten Staaten, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 31, 1910, S. 67–101 (Teil I); Band 32, 1911, S. 432–495 (Teil II), hier Teil II, S. 476 f.).
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untersucht selbst der deutsche Richter in Beleidigungsprozessen die „Commentmäßigkeit“ der Ablehnung einer Forderung zum Zweikampf, obwohl doch dieser gesetzlich verboten ist Nach Julius Hatschek, Englisches Staatsrecht I, S. 68 f., sind die „Clubs“ als Vereinigungen zu geselligen, speziell politischen Zwecken den Vereinen ohne Rechtspersönlichkeit, d. h. ohne Korporationsrechte zuzurechnen. Soweit der Klub rechtlich als Resultat eines Vertrages begriffen wird, bestehen Rechtsschutzgarantien ihm oder seinen Mitgliedern gegenüber aus dieser vertraglichen Rechtsnatur.
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usw. Die Herausforderung zum Zweikampf (§ 201 RStGB), die Annahme der Forderung (§ 201 RStGB) und die Durchführung des Zweikampfs (§ 205 RStGB) bilden die Straftatbestände des sog. Zweikampfverbrechens. Im Falle der Anstrengung einer Beleidigungsklage durch den Förderer wegen der Ablehnung einer Forderung (oder durch den Geforderten nach Ehrabsprechung infolge seiner Ablehnung) muß der Richter zur Tatbestandsklärung die Frage der Kommentmäßigkeit der Ablehnung prüfen; vgl. dazu: Kohlrausch, Eduard, Zweikampf (Abschnitt 15 des II. Teiles des RStGB), in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform, hg. auf Anregung des Reichs-Justizamts von Karl Birkmeyer (u. a.), Besonderer Teil, Band 3. – Berlin: Liebmann 1906, S. 126–146, hier S. 144; Binding, Karl, Der Zweikampf und das Gesetz. Vortrag gehalten in der Gehe-Stiftung zu Dresden, 2. Dezember 1905, 2. und 3. Aufl. 1909, in: ders., Die Ehre. Der Zweikampf. Zwei Vorträge, neue Aufl. – Leipzig: Duncker & Humblot 1909, S. 39–75, hier S. 66 f. (hinfort: Binding, Zweikampf).
n
Wir gehen hier in die Casuistik: inwieweit dadurch jene Ordnungen zu „staatlichem Recht“ werden, nicht ein. Aus all diesen Gründen, außerdem aber aus der hier festgehaltenen Terminologie heraus, wird es von uns selbstredend abgelehnt,[204] In B folgt: ⟨Den „Rechts“-Charakter des „Kirchenrechts“ bestreitet in der Praxis wenigstens, Niemand, weil es staatlich wenigstens teilweise⟩
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wenn man von „Recht“ nur da spricht, wo kraft Garantie der politischen Gewalt Rechtszwangi(ab S. 202: Der gewaltsame Rechtszwang)–i Fehlt in A.
o
in Aussicht steht. Dazu besteht für uns kein praktischer Anlaß. Wir wollen vielmehrA: Zuweilen spricht man von Recht nur da, wo die Hilfe der politischen Gewalt
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überall da von „Rechtsordnung“ sprechen, wo die Anwendung irgend welcher, physischer oder psychischer, Zwangsmittel in Aussicht steht, die von einem Zwangsapparat, d. h. von einer oder mehreren Personen ausgeübt wird, welche sich zu diesem Behuf [B 4][A 6]fürFehlt in A.
q
den Fall des Eintritts des betreffenden Tatbestandes bereit halten, wo also eine spezifische Art der [205]Vergesellschaftung zum Zweck des „Rechtszwanges“ existiert. Der BesitzLinker Rand oben, handschriftlicher Vermerk von fremder Hand: Für den Drucker: Von Zeile 4 an einschieben. Es wurde Zeile 4–19 u[nd] angeklebter Satz offenbar vergessen
qa
. Doppelte Unterstreichung.
r
eines solchen Apparats für die Ausübung physischen Zwanges war nicht immer ein Monopol der politischen Gemeinschaft. Für psychischen Zwang besteht ein solches Monopol – wie die Bedeutung des nur kirchlich garantierten Rechts zeigt – auch heute nicht. Es wurde ferner schon gesagt[205] r-r(S. 208) Fehlt in A.
s
,B: Wir werden bald einmal [??] sehen > Es wurde ferner schon gesagt
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daß direkte Garantie objektiven Rechts und subjektiver Rechte durch einen Zwangsapparat nur[205] Siehe oben, S. 196.
t
einen Fall des Bestehens von „Recht“ und „Rechten“ bildet. Selbst innerhalb dieses engeren GebietsIn B folgt: ⟨den begrifflichen [??] [??] Normalfall bildet des⟩
u
aber kann der Zwangsapparat sehr verschieden geartet sein[.]B: Normengebiets > Gebiets
a
Im Grenzfall kann er in der einverständnismäßig geltenden Chance der Zwangshilfe jedes an einer Vergemeinschaftung Beteiligten im Fall der Bedrohung einer geltenden OrdnungIn B folgt: ⟨Er ⟨muß keineswegs⟩ wird heute normalerweise durch „Organe“ der Staatsanstalt gestellt. Aber dies ist begrifflich nicht notwendig der Fall.⟩
b
bestehen[.] Als „Zwangsapparat“ kann er alsdann freilich nur in dem Fall noch gelten, wenn die Art der Verbindlichkeit zu dieser Zwangshilfe fest geordnet ist.B: eines „Rechts“ eines Andren > einer geltenden Ordnung
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Der Zwangsapparat und die Art des Zwanges kann auch bei Rechten, welche die politische Anstalt durch ihre Organe verbürgt, außerdem durch die Zwangsmittel von Interessentenverbänden verstärkt werden: die scharfen Zwangsmaßregeln der Creditoren- und Hausbesitzerverbände: organisierter Credit- bzw[.] Wohnungs-Boykott (schwarze Listen) gegen unzuverlässige Schuldner[,] wirken oft stärker als die Chance der gerichtlichen Klage. Und natürlich kann sich dieser Zwang auch auf staatlich gar nicht garantierte Ansprüche erstrecken: dann sind diese trotzdem subjektive Rechte So z. B. im Fall der Fehdehilfe- und Blutrachepflicht der Sippengenossen bei Verletzung oder Tötung eines von ihnen; vgl. unten, S. 206.
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, nur mit andren Gewalten. Das Recht der Staatsanstalt stellt sich Zwangsmitteln andrer Verbände nicht selten in den Weg: so macht die englische „libel act“ schwarze Listen durch Ausschluß des Wahrheitsbeweises unmöglich.B: Recht > subjektive Ans > subjektive Rechte
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Aber nicht immer mit Erfolg. Die [206]auf dem „Ehrenkodex“ des Duells als Mittel des Streitaustrages In der Libel-Gesetzgebung spiegelt sich zum guten Teil die Entwicklung der englischen Pressefreiheit. Regelungsgegenstand sind durch die Presse bzw. Presseveröffentlichungen begangene (verleumderische) Schmähungen (sog. „libel“). Der Straftatbestand unterlag historisch variierenden Rechtsauffassungen. Zwar wurde im 18. [206]Jahrhundert der Einwand der Wahrheit von den Gerichten gewöhnlich verworfen, nach dem Ausspruch von Lord Mansfield: „The greater the truth, the greater the libel“ (zit. nach Fischel, Eduard, Die Verfassung Englands. – Berlin: Ferdinand Schneider 1862, S. 85). Seit der Fox Libel Act von 1792 wurde allerdings der Beweis der Wahrheit gesetzlich straffrei gestellt, wenn die Publikation im Interesse des Allgemeinwohls, durch faire und genaue Berichterstattung und (erkennbar) ohne böswillige Absicht erfolgte; vgl. ebd., S. 84 f.; Hatschek, Englisches Staatsrecht II, S. 552 f.; Abdruck der Fox Libel Act in: Hatschek, Julius, Das Staatsrecht des vereinigten Königreichs Großbritannien-Irland (Das öffentliche Recht der Gegenwart, hg. von Max Huber, Georg Jellinek, Paul Laband, Robert Piloty, Band 25). – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 299 f.
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beruhenden[,] dem Wesen nach meist ständischen Verbände und GruppenIn welchem Ausmaß Weber diesen Ehrenkodex für sich selbst als verbindlich ansah, ist in den Prozeß-Korrespondenzen zu seinen Auseinandersetzungen mit Arnold Ruge, Julius Ferdinand Wollf und Otto Bandmann sowie mit Adolf Koch ebenso ausgiebig dokumentiert (vgl. MWG II/7, Einleitung, S. 5–9 und passim) wie in dem im Kontext des GdS ausgetragenen Streit mit Bernhard Harms (vgl. MWG II/8, Einleitung, S. 3 und passim).
d
mit ihren Zwangsmitteln: im Wesentlichen Ehrengerichte und Boykott, sind im Allgemeinen die stärkeren und erzwingen meist mit spezifischem Nachdruck (als „Ehrenschulden“) grade staatsanstaltlich nicht geschützte oder perhorreszierte, aber für ihre Gemeinschaftszwecke unentbehrliche Verbindlichkeiten (Spielschulden, Duellpflicht)[.][206]B: Gemeinschaften > Verbände und Gruppen
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Die Staatsanstalt hat vor ihnen teilweise die Segel gestrichen. Es ist zwar juristisch schief, wenn das Verlangen gestellt wird, ein spezifisch besondertes Delikt, wie der Zweikampf, solle einfach als [WuG1 373]„Totschlagsversuch“ oder als „Körperverletzung“ bestraft werden – Delikte, deren Merkmale es nicht teilt –; So wird beispielsweise im deutschen Recht durch Spiel oder Wette eine klagbare Forderung zivilrechtlich nicht begründet (§ 762 Abs. 1 BGB) und ist die im Ehrenkodex einzelner ständischer Gruppen verankerte Duellpflicht strafrechtlich allgemein (also nicht als Sonderdelikt) sanktioniert (§§ 201 ff. RStGB).
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aber die Thatsache bleibt bestehen, daß die Zweikampf[207]bereitschaft, trotz des Strafgesetzes, in Deutschland für den Offizier noch heute staatliche Rechtspflicht ist, weil staatliche Rechtsfolgen an ihr Fehlen geknüpft sind. In diesem Sinne hatte sich besonders der Strafrechtsdogmatiker Karl Binding mit dem Hinweis auf die einer „Duellmystik“ (so Binding, Zweikampf (wie oben, S. 204, Anm. 34), S. 56) unterliegende „Schablonenhaftigkeit“ und „Oberflächlichkeit“ gegen die Qualifizierung des Zweikampfes als eines Sonderdelikts gewendet: „Was sich unter der Form des Zweikampfes vollzieht, ist bald Begehung vollendeten oder versuchten Mordes oder Totschlags, bald fahrlässige Tötung, bald vollendete oder versuchte Körperverletzung […]“ (die Zitate: Binding, Karl, Zweikampf und Ehrengericht, in: Deutsche Juristen-Zeitung, Jg. 2, 1897, S. 2–9, hier S. 4). Ein erster großer Fortschritt wäre daher „die vollständige Beseitigung des Zweikampfverbrechens und die Unterstellung der Zweikämpfe unter die Strafgesetze über Tötung und Körperverletzung“ (ebd., S. 5); vgl. Binding, Zweikampf (wie oben, S. 204, Anm. 34), S. 69, und ähnlich Merkel, Adolf, „Zweikampf“, in: Rechtslexicon, hg. [207]von Franz von Holtzendorff, Band 2. – Leipzig: Duncker & Humblot 1871, S. 720–723, hier S. 722.
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Anders steht es außerhalb des Offizierstandes. Das typische Rechtszwangsmittel „privater“ Gemeinschaften gegen renitente Mitglieder ist der Ausschluß aus dem Verband und seinen materiellen oder ideellen Vorteilen. Bei Berufsverbänden von Ärzten und Anwälten ebenso wie bei geselligen und politischen Clubs ist es die ultima ratio. Der moderne politische Verband hat sehr vielfach die Controlle dieser Zwangsmittel usurpiert. So ist den Ärzten und Anwälten jenes äußerste Mittel auch bei uns abgesprochen, Gemeint ist die Entlassung aus dem Militärdienst. Sie folgt aus der (textgleichen) Einleitung zu den beiden kaiserlichen „Verordnung[en] über die Ehrengerichte der Offiziere im Preußischen Heere [und in der Kaiserlichen Marine] vom 2. Mai 1874 [und 2. Nov. 1875], in der der deutsche Kaiser erklärt: „Denn einen Offizier, welcher im Stande ist, die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde ich ebensowenig in Meinem Heere (Meiner Marine) dulden, wie einen Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß“ (zit. nach: Strafrecht und Strafprozeß für Heer und Marine des Deutschen Reiches, hg. von W. L. Solms, 2., verm. und verb. Aufl. – Berlin: H. W. Müller 1883, S. 462).
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in England die Die rechtlich verfaßten Standesorganisationen der Ärzte (vgl. „Verordnung, die Errichtung einer ärztlichen Standesvertretung betreffend“ vom 25. Mai 1887, in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1887, Nr. 1 bis einschl. 39, bes. § 5) und Rechtsanwälte (vgl. §§ 62 ff., bes. § 63 in Verbindung mit § 90 RO (1910)) sehen für die Ausübung der Disziplinargewalt besondere Ehrengerichte vor, deren Entscheidungen auf Ausschluß aus dem Verband richterlicher Prüfung unterliegen.
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Überprüfung des Ausschlusses aus Clubs,[207] In B folgt: ⟨gerichtliche⟩
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in Amerika selbst für politische Parteien, Nach Hatschek, Englisches Staatsrecht I, S. 68, kann eine gerichtliche Überprüfung des Ausschlusses allerdings nur stattfinden, soweit sich hieran negative Vermögenswirkungen knüpfen. Anderenfalls „ziehen sich die Gerichte zurück und verweigern jede Einmischung, da der Club nur sozialen Charakter habe und die Mitglieder die geeignetsten Richter hierfür seien“.
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ferner die Prüfung der Rechtmäßigkeit der „label“-Führung Das amerikanische „primary law“, das den einzelnen Parteimitgliedern gewisse innerparteiliche Partizipationsrechte speziell bei der Kandidatenaufstellung garantiert, bestimmt zugleich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in Fragen der Parteizugehörigkeit; vgl. dazu Hatschek, Julius, Allgemeines Staatsrecht, auf rechtsvergleichender Grundlage, Teil 2: Das Recht der modernen Demokratie (Sammlung Göschen). – Leipzig: Göschen 1909, S. 67–69 (hinfort: Hatschek, Staatsrecht); Freund, Öffentliches Recht (wie oben, S. 203, Anm. 31), S. 82.
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auf Anrufung den staatlichen Gerichten zugewiesen. Dieser [208]Kampf zwischen den Zwangsmitteln verschiedener Verbände ist so alt wie das Recht. Er hat in der Vergangenheit sehr oft nicht mit dem Siege der Gemeint sind die oben, S. 203, erwähnten „Label“ der von gewerkschaftlich orga[208]nisierten Arbeitern gefertigten Produkte. Soweit diese in den meisten Bundesstaaten gegen unbefugte Nachahmung oder Verwendung gesetzlich geschützt sind, obliegt die Überprüfung der „Label“-Führung auf Antrag den staatlichen Gerichten; vgl. Freund, Öffentliches Recht (wie oben, S. 203, Anm. 31), S. 290.
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Zwangsmittel des politischen Verbands geendet, und auch heut ist dies nicht immer der Fall. So ist eine Handhabe, die Unterbietungs-Concurrenz gegen einen Kartellbrüchigen[208] In B folgt: ⟨staatlichen⟩
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zu unterbinden, heut nicht gegeben. Ebenso sind die schwarzen Listen der Börsenhändler gegen solche, die den Differenzeinwand erheben, Der Verfolgung der anerkannten Kartellzwecke (Preis-, Produktions- und Absatzregulierung) dienen ggf. die Sanktionsmittel gegen vertragsbrüchige Kartellmitglieder: Konventionalstrafen, Kontrolle, Preisherabsetzung („Unterbietungskonkurrenz“). Für die prinzipiell gerade gegen die „Unterbietungskonkurrenz“ gerichtete Kartellgründung ist diese als Kampfmaßnahme regelmäßig nur kurzfristig praktikabel; vgl. dazu: Liefmann, Robert, Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle). Ihr Wesen und ihre Bedeutung (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der badischen Hochschulen, hg. von Carl Johannes Fuchs, Heinrich Herkner, Gerhart von Schulze-Gävernitz, Max Weber, Heft 1). – Freiburg i. Br., Leipzig, Tübingen: J.C.B. Mohr 1897, S. 57–70, 184–186 (hinfort: Liefmann, Unternehmerverbände); ders., Kartelle und Trusts und die Weiterbildung der volkswirtschaftlichen Organisationen, 5., erw. und verb. Aufl. – Stuttgart: Moritz 1922, S. 45 ff., 258–274 (hinfort: Liefmann, Kartelle).
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bei uns nicht antastbar, während im Mittelalter die entsprechenden Statutenbestimmungen der Kaufleute gegen die Anrufung der geistlichen Gegen Klagen auf Zahlung von Schulden aus Termingeschäften konnte der Differenzeinwand geltend gemacht werden. Der Beklagte behauptete damit, es habe sich bei dem fraglichen Geschäft nicht um einen rechtsverbindlichen Kaufvertrag gehandelt, sondern um ein Differenzgeschäft. In Differenzgeschäften ist nicht die Effektiverfüllung, sondern die Zahlung der Kursdifferenz zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem Erfüllungstermin vereinbart. Das Differenzgeschäft ist nach § 764 in Verbindung mit § 762 Abs. 1 BGB nicht klagbar.
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Gerichte sicher kanonischrechtlich nichtig warenIn B folgt: ⟨Wucher⟩
h
, dennoch aber fortbestanden. Und auch da muß das staatliche Recht heut die Zwangsmacht der Verbände weitgehend dulden, wo sie nicht nur gegen Mitglieder, sondern auch oder gerade gegen Außenstehende sich wendet und diese ihren Normen zu unterwerfen trachtet (Kartelle nicht nur gegen Mitglieder, sondern gegen solche, die sie zum Eintritt zu zwingen beabsichtigen. Gläubigerverbände gegen Schuldner und Miether).B: strafbar war > nichtig waren
r
r(ab S. 205: Der Besitz)–r Fehlt in A.
Es stellt einen wichtigen solchen Grenzfall des soziologischen [209]Begriffs von zwangsgarantiertem „Recht“ dar, wenn seine
i
Garanten nicht, wie in den modernen politischen (und ebenso den[,] eignes „Recht“ anwendenden religiösen) Gemeinschaften durchweg, den Charakter eines „Richters“ oder anderen „Organs“, also prinzipiell eines nichtA: Grenzfall des soziologischen Begriffs von Rechtsordnung dar, wenn ihre
k
durch „persönliche“ Beziehungen mit dem Prätendenten des subjektiven Rechts verknüpften[,] sondern eines „unparteiischen“ und persönlichB: prinzipiell eines nicht und zwar prinzipiell wohl,
l
„uninteressierten“ DrittenB: sachlich > persönlich
m
haben, sondern wenn gradeB: Rechtskundigen > Dritten
j
umgekehrt nur die durch bestimmte nahe persönliche Beziehungen mit dem[209]A: Gemeinschaften, den Charakter eines Richters oder anderen Funktionärs, also eines durch keinerlei persönliche Beziehungen mit den Prätendenten des subjektiven Rechts verknüpften Teilhabers einer Gemeinschaft haben, sondern wenn
n
Rechtsprätendenten verknüpften Genossen, alsoFehlt in A.
o
z. B. seine „Sippe“, ihm die Zwangsmittel zur Verfügung halten und wenn also, wie der „Krieg“ im modernen Völkerrecht, so hier die „Rache“ und „Fehde“ des Interessenten und seiner BlutsfreundeFehlt in A.
p
die einzige oder normale Form zwangsweiser Geltendmachung subjektiver Rechte ist. In diesem Fall besteht das subjektive „Recht“ des oder der einzelnen für die soziologische Betrachtung lediglich vermögeA: Fehde und Privatrache
pa
B: ⟨„Rache“⟩
q
der Chance, daß die Sippengenossen ihrer (primär ursprünglichA: in
s
durch die Scheu vor dem Zorn übersinnlicher Autoritäten garantierten)Fehlt in A.
r
Pflicht der Fehdehilfe und Blutrache nachkommen und daß sie auch die Macht besitzen, einem prätendierten Recht Nachdruck, wenn auch nicht notwendig endgültigen Sieg, zu verleihen. –Klammern fehlen in A.
a
Den Sachverhalt: daß die „Beziehungen“, das heißt: das aktuelle oder potentielle Handeln konkreter oder nach Merkmalen konkret angebbarer Personen[,]In B folgt: ⟨Ein konkretes Einverständnis ⟨⟨oder ei⟩ ist⟩ soll „Rechtsverhältnis heißen,⟩
b
den Inhalt subjektiver Rechte bilden,In B folgt: ⟨⟨durch geltende ⟨Nor⟩ Normen⟩ derart durch den Inhalt ⟨durch⟩ subjektiver Rechte als ⟨geregelt⟩ geordnet gilt, daß dafür die Chance der Garantie eines Zwangsapparats besteht,⟩
c
wollen wir die Existenz eines „Rechtsverhältnisses“ zwischen den betreffenden Personen nennen. Sein Inhalt an subjektiven Rechten kann je nach dem stattflndenden faktischen Handeln wechseln. In diesem Sinne kann auch ein konkreter „Staat“ als „Rechtsverhältnis“ bezeichnet werden,B: bildet,
48
auch dann, wenn (im theoretischen Grenzfall) der Herr[210]scher allein als subjektiv – zum Befehlen – berechtigt gilt und also die Chancen aller andren Einzelnen nur als Reflexe seiner „Reglements“ bestehen.[209] Unterschiedliche Varianten der Lehre vom Staat als Rechtsverhältnis finden sich [210]bei: Loening, Edgar, „Der Staat“, in: HdStW3, Band 7, 1909, S. 692–727, hier S. 702 ff. (hinfort: Loening, Staat); Hänel, Albert, Deutsches Staatsrecht (Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft, hg. von Karl Binding, Abt. 5, Teil 1), Band 1. – Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. 96–102 (hinfort: Hänel, Staatsrecht); Schmidt, Bruno, Der Staat. Eine öffentlich-rechtliche Studie (Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen, hg. von Georg Jellinek und Georg Meyer, Bd. I. 6). – Leipzig: Duncker & Humblot 1896, S. 94 ff., bes. 107, und Bierling, Ernst Rudolf, Juristische Prinzipienlehre, Band 1. – Freiburg i. Br., Leipzig, Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1894, S. 309 ff., bes. 312 ff. Loening etwa begreift den Staat als „reales Rechtsverhältnis“ zwischen dem Herrscher und den Beherrschten, in dem beide Seiten „Rechte und Pflichten gegeneinander haben“ (Loening, Staat, S. 702 f.), das Herrschaftsverhältnis als einheitliches „Grundverhältnis, aus dem sich einzelne Rechtsverhältnisse in unbeschränkter Zahl entwickeln können“ (ebd., S. 703), „das auf der Vorstellung seiner Notwendigkeit beruht und […] den Schutz und die Beförderung der Interessen der Beherrschten zu seinem Zweck hat“ (ebd., S. 708). – Nach Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 167, Anm. 1, wurde die Theorie erstmals in England infolge des dort unentwickelten Körperschaftsbegriffs formuliert. So habe namentlich Blackstone zwischen privaten und öffentlichen Rechtsverhältnissen unterschieden und staatsrechlich ausschließlich Verhältnisse zwischen Obrigkeit und Volk beschrieben. Jellinek kritisiert diese Staatstheorie – soweit sie sich als juristische begreift – gerade auch, weil sie das soziale mit dem juristischen Element des Staates konfundiere (vgl. ebd., S. 167 f., Anm. 3).
t
Fehlt in A.
49
Vgl. auch unten, S. 275 f., 306 f., 561.
[WuG1 374] 2. Rechtsordnung, Convention und Sittea[210] Fehlt in A.
[210] Fehlt in A.
Ein Gebiet, in welches die Rechtsordnung in lückenloser Stufenleiter übergeht, ist dasjenige der „Konvention“ und weiterhin – was wir begrifflich davon scheiden wollen – der „Sitte“.
50
Wir wollen [211]unter „Sitte“ den Fall eines typisch gleichmäßigen Verhaltens verstehen, welches lediglich durch seine „Gewohntheit“ und unreflektierte „Nachahmung“ in den überkommenen Geleisen gehalten wird, ein „Massenhandeln“ Entgegen der Differenzierung von „Konvention“ und „Sitte“ werden in der zeitgenössischen Literatur – wie auch von Weber in der älteren Textschicht („Sitte und Konvention. Wir wollen darunter den Fall verstehen, […]“) – die Begriffe überwiegend synonym verwendet. Häufig gelten sie als vom Recht verschiedene soziale Normen; vgl. z. B. Mayer, Max Ernst, Rechtsnormen und Kulturnormen. – Breslau: Schletter'sche Buchhandlung 1903, S. 103 f. (hinfort: Mayer, Rechtsnormen); Ihering, Zweck im Recht II (wie oben, S. 45, Anm. 100), S. 245 f., 282; Wundt, Wilhelm, Ethik. Eine Untersuchung der Tatsachen und Gesetze des sittlichen Lebens, Band 1, 3., umgearb. Aufl. – Stuttgart: Ferdinand Enke 1903, S. 127, 129, 131–138 (hinfort: Wundt, Ethik).
51
also, dessen Fortsetzung dem Einzelnen von niemandem in irgend einem Sinn „zugemuthet“ wird.[211] Zur Abgrenzung des „Gemeinschaftshandelns“ vom „Massenhandeln“ und zu den Formen des Massenhandelns vgl. Weber, Kategorien, S. 277 f. – Die Rolle der („unwillkürlichen“) Nachahmung und der Gewohnheit bei der Entstehung und Ausbreitung von Sitte betonen z. B. Jaspers, Karl, Allgemeine Psychopathologie. Ein Leitfaden für Studierende. – Berlin: Springer 1913, S. 165, 170 (hinfort: Jaspers, Psychopathologie); Ihering, Zweck im Recht II (wie oben, S. 45, Anm. 100), S. 246, Wundt, Ethik (wie oben, S. 210, Anm. 50), S. 134, 127, 128.
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Unter „Convention“ wollen wir dagegen den Fall verstehen, daß auf ein bestimmtes Verhalten zwar eine Hinwirkung stattfindet, aber durch keinerlei physischen oder psychischen Zwang, und überhaupt zum mindesten normalerweise und unmittelbar durch gar keine andere Reaktion als durch die bloße In der zeitgenössischen Literatur ist der Begriff der „Sitte“ hingegen normativ bestimmt. Als „verpflichtende Gewohnheit“ (Ihering) unterscheidet sich die Sitte von der bloßen Faktizität bei Gewohnheit und Brauch (vgl. etwa Ihering, Zweck im Recht II (wie oben, S. 45, Anm. 100), S. 23 f., 57, 230 f., 243, 246; Wundt, Ethik (wie oben, S. 210, Anm. 50), S. 131 f., 111 f.; Mayer, Rechtsnormen (wie oben, S. 210, Anm. 50), S. 103), während sie bei Puchta Folge der rechtlichen Überzeugungen eines Volkes ist (vgl. Puchta, Georg Friedrich, Das Gewohnheitsrecht, 2 Bände. – Erlangen: Palm 1828, 1837 (hinfort: Puchta, Gewohnheitsrecht I und II), hier ders., Gewohnheitsrecht I, S. 169). Aus der soziologischen Diskussion über „Sitte“ vgl. bes. Tönnies, Sitte (wie oben, S. 44, Anm. 99). In einem Brief an Ferdinand Tönnies vom 28. August 1909 teilt Weber mit, daß er „das Büchlein“ mit „großem Interesse und Belehrung“ gelesen habe (MWG II/6, S. 237–239, hier S. 237).
b
Billigung oder Mißbilligung eines Kreises von Menschen, welche eine spezifische „Umwelt“ des Handelnden bilden. Streng zu scheiden ist die „Konvention“ von dem Fall des „Gewohnheitsrechts“. Diesen wenig brauchbaren Begriff selbst kritisieren wir hier nicht.A: Sitte und
ba
Konvention. Wir wollen darunter den Fall verstehen, daß auf ein bestimmtes Verhalten durch keinerlei physischen oder psychischen Zwang, sondern zum mindesten unmittelbar durch nichts anderes als dieB: ⟨Sitte oder⟩
53
Die Geltung [212]als Gewohnheitsrecht soll nach der üblichen Terminologie ja grade die Chance bedeuten, daß für die Realisierung einer nicht kraft Satzung, sondern nur kraft Einverständnis geltenden Norm ein Zwangsapparat sich einsetzen wird. Weber geht im § 3 des Textes „Die Entwicklungsbedingungen des Recht“, unten, S. 430–433, näher auf Begriff und Lehre des Gewohnheitsrechts ein. – Die neuzeitliche Lehre vom Gewohnheitsrecht geht auf die historische Rechtsschule des 19. Jahrhunderts zurück. Letztere hatte in der Frage nach dem Geltungsgrund dieses Rechts eine Reihe sich widerstreitender Auffassungen hervorgebracht, die Ernst Zitelmann als Gestattungs-, Willens- und Überzeugungstheorien unterscheidet (vgl. ders., Gewohnheitsrecht (wie oben, S. 73, Anm. 1) S. 375 ff.). Varianten der Puchta-Savingnyschen Überzeugungstheorie, in denen die allgemeine „Rechtsüberzeugung“ den Grund des Gewohnheitsrechts ausmacht, beherrschten noch am Ende des 19. Jahrhunderts das Feld der Gewohnheitsrechtslehre. Gegen sie richtete sich die Kritik u. a. Zitelmanns, [212]Gewohnheitsrecht, S. 412 ff., der an die Stelle der „Überzeugung“ die Vorstellung von der Geltung des Rechts setzt; vgl. auch: Oertmann, Paul, Rechtsordnung und Verkehrssitte, insbesondere nach bürgerlichem Recht. Zugleich ein Beitrag zu den Lehren von der Auslegung der Rechtsgeschäfte und von der Revision. – Leipzig: A. Deichert 1914, S. 17 f. (hinfort: Oertmann, Rechtsordnung).
54
Bei der Convention dagegen fehlt gerade der „Zwangsapparat“: der (wenigstens relativ) fest abgegrenzte Umkreis von So weist Oertmann, Rechtsordnung (wie oben, S. 211 f., Anm. 53), S. 18, – im Anschluß an Zitelmann (vgl. ders., Gewohnheitsrecht (wie oben, S. 73, Anm. 1), S. 455, 459, 463 f.) – darauf hin, daß die für den Gewohnheitsrechtssatz konstitutive „tatsächliche Übung“ nicht die tatsächliche regelmäßige Befolgung des Satzes durch das „Volk“ erfordere, sondern sich auf die Übung der „Organe der politischen Gemeinschaft“ beziehe. Ähnlich resümiert Zitelmann, Gewohnheitsrecht, S. 464, „daß die Macht der dauernden Thatsachen es ist, welches dem Gewohnheitsrecht Geltung verschafft […], nur das bisher schon ein Satz als Rechtssatz da, wo er Anwendung zu finden hatte, auch wirklich angewendet worden ist, nur dies ist nöthig.“
c
Menschen, welche sich für die spezielle Aufgabe des Rechtszwangs (bedient sich dieser nun auch nur „psychischer“ Mittel)[211]A: die Umwelt des Handelnden bilden, reagiert wird. Es fehlen also in diesem Fall die
d
ein [B 5][A 7]für allemal bereit halten. Schon der Thatbestand der bloßen nackten conventionsfreien „Sitte“ kann auch ökonomisch von weittragender Bedeutung sein. Der ökonomische Bedürfnisstand insbesondre, die Grundlage aller „Wirtschaft“, ist in der umfassendsten Weise durch bloße „Sitte“ bestimmt, welche der Einzelne, in gewissem Umfang wenigstens[,] ohne irgend welche Mißbilligung zu finden, abschütteln könnte, der er aber sich faktisch meist sehr schwer entzieht und deren Alterationen gewöhnlich nur langsam, auf dem Wege der Nachahmung irgend einer andren „Sitte“ eines andren Menschenkreises sich vollziehen. Wir sahen schon[212] Fehlt in A.
f
,B: sahen früher > werden ferner sehen > sahen schon
55
daß Siehe Weber, Gemeinschaften, MWG I/22-1, S. 171–173.
g
Gemeinsamkeiten bloßer „Sitten“ für die Entstehung sozialer Verkehrsgemeinschaften und für das Connubium wichtig werden können und daß sie auch einen gewissen, allerdings in seiner Tragweite schwer bestimmbaren, Einschuß in die Bildung vonIn B folgt: ⟨ethnische⟩
h
„ethnischen“ Gemeinsamkeitsgefühlen zu geben pflegen und dadurch gemeinschaftsbildend wirken kön[213]nen. Vor Allem aber ist die Innehaltung des faktisch „gewohnten“ Gewordenen als solchenIn B folgt: ⟨⟨Gemeinschaft-⟩ Gemeinschaften und politischen Gemeinschaften⟩
i
ein so überaus starkes Element alles Handelns und folglich auch alles Gemeinschaftshandelns, daß der Rechtszwang da, wo er aus einer „Sitte“ (z. B. durch Berufung auf das „Übliche“) eine „Rechtspflicht“ macht, ihrer Wirksamkeit oft fast nichts hinzufügt und, wo er sich gegen sie wendet, sehr oft in dem Versuch, das faktische Handeln zu beeinflussen, gescheitert ist.[213]B: „Gewohnten“, Anerzogenen > „gewohnten“ Gewordenen als solchen
e
Erst recht aber kann der Thatbestand der „Convention“[,]Fehlt in A.
j
da der einzelne in unzähligenA: Trotzdem kann dieser Tatbestand,
k
Lebensbeziehungen auf durchaus freiwilliges,A, B: unzählichen
l
durch keinerlei diesseitige oder jenseitige Autorität garantiertes, Entgegenkommen seiner Umwelt angewiesen ist, für sein Verhalten oftA, B: freiwilligen,
m
weit bestimmender werden, als die Existenz eines Rechtszwangsapparates.Fehlt in A.
n
A: speziellen Zwangsapparates. In B folgt die Satzanweisung Max Webers: Absatz In A weiter ohne Absatz: Der Übergang zur
na
Rechtsordnung wird von diesem Zustand ausIn B folgt: ⟨zu ⟨einer – staatlichen –⟩ einer – politisch oder religiös garantierten –⟩
nb
leicht vollzogen. In B folgt: ⟨formell⟩
Der Übergang
o
von bloßer „Sitte“ zur „Konvention“ ist natürlich gänzlich flüssig. Je weiter rückwärts, desto umfassender ist die Art des Handelns und speziell auch des Gemeinschaftshandelns ausschließlich durch die Eingestelltheit auf das „Gewohnte“ rein als solches bestimmt, und scheinen Abweichungen davon ähnlich beunruhigend auf den Durchschnittsmenscheno-o(bis S. 217: gegen Rentitente.) Fehlt in A.
p
zu wirken wie Störungen organischer Funktionen und hierdurch garantiert zu sein. Der Fort[WuG1 375]schrittIn B folgt: psychisch ganz ähnlich
q
von hier zu demB: Übergang > Fortschritt
r
zunächst zweifellos vage und dumpf empfundenen „Einverständnis“-Charakter des Gemeinschaftshandelns, d. h. zur Conzeption einer „Verbindlichkeit“B: der
s
bestimmter gewohnter Arten des Handelns[,] ist nach Umfang und Inhalt des Gebiets, das er ergreift, heute aus den Arbeiten der EthnographieB: „Pflicht“ > „Verbindlichkeit“
56
meist höchst unbestimmt erkennbar und kümmert uns [214]deshalb hier nicht. Es wäre absolut Frage der Terminologie und Zweckmäßigkeit[213] Die zeitgenössische Ethnologie stand in engem disziplinären Zusammenhang mit der Geographie, deren „Ethnographie“ genanntes Spezialgebiet sie insbesondere in der Schule Friedrich Ratzels repräsentierte. Rechts- und religionsethnologische Forschungsergebnisse betrachtete Weber mit Skepsis. Die rechtsethnologischen Arbeiten Hermann Albert Posts werden von Weber immerhin ebenso erwähnt, wie diejenigen Josef Kohlers, vgl. zu Kohler: unten, S. 335 und S. 650; zu Post: Weber, Die Stadt, MWG I/22-5, S. 108.
t
, in welchem Stadium dieses Prozesses man dann die subjektive Conzeption einer „Rechtspflicht“ annehmen will. Objektiv gab es die Chance des faktischen Eintritts gewaltsamen Reagierens gegen bestimmte Arten des Handelns, wie bei den Thieren, so bei den Menschen von jeher, ohne daß man aber im Mindesten behaupten könnte: daß in solchen Fällen subjektiv so etwas wie eine „Einverständnisgeltung“ vorliege oder überhaupt ein deutlich erfaßter[214]B: des Einzelfalls und der Willkür > der Terminologie und Zweckmäßigkeit
u
„gemeinter Sinn“ des betreffenden Handelns. Rudimente einer „Pflicht“-Conzeption bestimmen das Verhalten mancher HaustiereB: subjektiv > [klar] > deutlich erfaßter
57
in vielleicht größerem Umfang als das eines „Urmenschen“ – wenn wir diesen höchst bedenklichen Begriff hier einmal als in diesem Fall unmißverständlich zulassen. Wir kennen aber die subjektiven Vorgänge im „Urmenschen“ nicht, und mit den stets wiederkehrenden Redensarten[214] Zu den Tiergesellschaften und der Frage, ob ihr Verhalten durch „Regeln“ bestimmt sei, vgl. Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 94 f.
58
von der angeblichen absoluten Urtümlichkeit oder gar „Apriorität“ des „Rechts“ oder der „Convention“ kann keine empirische Soziologie etwas anfangen. Nicht weil eine „Regel“ oder „Ordnung“ als „verbindlich“ gilt, zeigt das Sichverhalten des „Urmenschen“ nach außen, insbesondere zu seinesgleichen, faktische „Regelmäßigkeiten“, sondern umgekehrt: an die von uns in ihrer psychophysischen Realität hinzunehmenden, organisch bedingten Regelmäßigkeiten knüpft sich die Conzeption „verbindlicher Regeln“ an. Dies richtet sich – wie auch die vielfach fast wortgleichen Ausführungen in: Weber, Nachtrag, S. 374 ff., 378 ff., zeigen – gegen Stammler, Wirtschaft und Recht, bes. Fünftes Buch: Das Recht des Rechtes, S. 477–630. Stammler konstruiert einen begrifflichen Gegensatz zwischen „isoliertem Naturzustand“ des Menschen und „sozialem Leben unter äußeren Regeln“ und leitet daraus Folgerungen mit empirischem Geltungsanspruch ab (vgl. ebd., S. 77–111). Andererseits soll nach Stammler der Begriff des Rechts nicht apriori bestimmt werden (vgl. ebd., S. 485).
59
Daß die innere seelische „Eingestelltheit“ auf jene Regelmäßigkeiten fühlbare „Hemmungen“ gegen Neuerungen in sich schließt – Auf diesen Zusammenhang von psychophysischer Realität und Rechtsgenese macht namentlich Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 338, 352, aufmerksam.
a
wie Jeder das auch heute in seinem Alltag an sich erfahren kann –[,] das, müssen wir annehmen, ist für den Glauben an jene „Verbind[215]lichkeit“ eine sehr starke Stütze. Wir fragen bei diesem Anlaß: Wie entstehen in dieser Welt der Eingestelltheit auf das „Regelmäßige“ als das „Geltende“ irgendwelche „Neuerungen“? Von außen her: durch Änderung der äußeren Lebensbedingungen, das ist kein Zweifel. Aber diese geben nicht die geringste Gewähr, daß nicht der Untergang des Lebens statt einer Neuordnung ihnen antwortet; und vor Allem sind sie keineswegs die unentbehrliche, grade bei vielen höchst weittragenden Fällen von Neuordnungen nicht einmal eine mitwirkende Bedingung. Sondern nach allen Erfahrungen der Ethnologie scheint die wichtigste Quelle der Neuordnung der EinflußB: schließt,–
b
von Individuen zu sein, welche bestimmt gearteter „abnormer“ (vom Standpunkt der heutigen Therapie nicht selten – aber auch: nicht etwa immer oder regelmäßig – als „pathologisch“ gewertheter)[215] In B folgt: ⟨„abnormer“⟩
60
Erlebnisse und, durch diese, bedingter Einflüsse auf Andre fähig sind.[215] Gegenstand der psychopathologischen Forschung sollte nach Jaspers, Psychopathologie (wie oben, S. 211, Anm. 51), bes. S. 299 ff., nicht nur der Einfluß sozialer und kultureller Faktoren auf die Einzelpsyche und die psychischen Wechselwirkungen der Gruppenmitglieder, sondern auch umgekehrt die Wirkung „abnormer Seelenerscheinungen“ auf die Gesellschaft sein. Das besondere Interesse der Psychopathologie gelte daher den der „Durchschnittserfahrung“ und „gewöhnlichen Menschenkenntnis“ häufig geradezu unverständlichen Denk- und Handlungsweisen außergewöhnlicher Persönlichkeiten (vgl. ebd., S. 310).
61
Wir sprechen hier nicht von der Art, wie die infolge ihrer „Abnormität“ als „neu“ erscheinenden Erlebnisse entstehen, sondern von der Art ihrer Wirkung. Diese Einflüsse, welche die „Trägheit“ des Gewohnten überwinden, können auf verschiedenem psychologischem Wege vor sich gehen. Zwei Formen in ihrer, bei allen Übergängen, Gegensätzlichkeit terminologisch klar herausgehoben zu haben, ist ein Verdienst von Hellpach. So sieht z. B. Otto Stoll in der Kategorie der „Suggestion“ den Schlüssel zum Verständnis der kulturgeschichtlichen Rolle, „welche einzelne an der Grenze der psychischen Norm stehende Menschen, nicht gestützt durch äußere Machtmittel, einzig auf dem Wege der suggestiven Beeinflussung zu spielen vermochten […]“ (Stoll, Otto, Suggestion und Hypnotismus in der Völkerpsychologie, 2., umgearb. und verm. Aufl. – Leipzig: Veit & Co. 1904, S. 723; hinfort: Stoll, Suggestion). Auch Wundt stellt auf den „übermächtige[n] Einfluß Einzelner“ bei der Ausdifferenzierung der Gebiete des Rechts, der Sittlichkeit und der Sitte i.e.S. aus der vorher ungeschiedenen Sitte ab (vgl. Wundt, Wilhelm, Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte, Band 1, Teil 1. – Leipzig: Wilhelm Engelmann 1900, S. 25).
62
Die eine ist: plötzliche Erweckung der Vorstellung eines [216]Handelns des Beeinflußten als eines „gesollten“, durch drastisch wirkende Mittel: „Eingebung“. Die andre: Miterleben Weber nimmt hier Bezug auf Willy Hellpachs Klassifikation der Verbreitungsmodi [216]sozial- und völker- bzw. „gemeinschaftspathologischer“ Erscheinungen in: ders., Die geistigen Epidemien. Neben den Formen der „Eingebung“ und „Einfühlung“ nennt Hellpach die „Einredung“ (vgl. ebd., S. 31). „Eingebung“ stelle sich immer gleich dar als „Verwirklichung irgend eines seelischen Erlebnisses durch die Erweckung der bloßen Vorstellung von diesem Erlebnis“ (ebd., S. 36) und auf frühem kognitivem Entwicklungsniveau als ein Stück „seelischer Kausalität: die bloße Vorstellung einer Sache ist der Anfang ihrer Verwirklichung“ (ebd., S. 38). „Einfühlung“ wird bei Hellpach bestimmt als „das Miterleben eines seelischen Zustandes durch die einfache Wahrnehmung dieses Zustandes“ (ebd., S. 32), als „das elementare Mit- und Nacherleben fremder Seelenzustände bei der Wahrnehmung von deren Ausdruck“ (ebd., S. 33).
c
eignen inneren Verhaltens des Beeinflussenden durch die Beeinflußten: „Einfühlung“. Die Art des durch diese Vermittlung entstehenden Handelns kann im Einzelfall die allerverschiedenste sein. Sehr häufig[216]B: Mitfühlenlassen > Miterleben
d
aber entsteht ein auf den Beeinflussenden und sein Erleben bezogenes massenhaftes „Gemeinschaftshandeln“, aus dem sich dann „Einverständnisse“ entsprechenden Inhalts entwickeln können. Sind diese den äußeren Lebensbedingungen „angepaßt“, so überdauern sie. Die Wirkungen von „Einfühlung“ und namentlich „Eingebung“ – meist unter dem vieldeutigen Namen „Suggestion“ zusammengefaßt –B: regelmäßig > häufig
63
gehören zu den Hauptquellen der Durchsetzung von faktischen Neuerungen, deren „Einübung“ als Regelmäßigkeiten dann bald wieder das Gefühl der „Verbindlichkeit“ [WuG1 376]stützt, von dem sie – eventuell – begleitet sind. Jenes „Verbindlichkeitsgefühl“ selbst aber kann – sobald auch nur die Rudimente einer solchen sinnhaften Conzeption An dieser Stelle ist der (möglicherweise über Willy Hellpach vermittelte) kritische Bezug auf die besonders von Otto Stoll propagierte Auffassung der „Suggestion“ als des universellen Schlüssels zum Verständnis vielfältiger sozialpathologischer Erscheinungen wahrscheinlich (vgl. das Resümee Stolls, Suggestion (wie oben, S. 215, Anm. 61), S. 723). Hellpach fordert dagegen eine Aufschlüsselung des Sammelbegriffs der „Suggestion“ in die Übertragungsformen der Eingebung, Einfühlung und Einredung, deren je eigenartiges Zusammenwirken ein Verständnis der Einzelerscheinungen erst ermögliche (vgl. ders., Die geistigen Epidemien, S. 43 ff., 67, 69, 70, 74, 94).
e
vorhanden sind – unzweifelhaft auch bei Neuerungen als das originäre und primäre auftreten, insbesondre als ein psychologischer Bestandteil der „Eingebung“. Es ist verwirrend, wenn als primärer und grundlegender Vorgang die „Nachahmung“ eines neuartigen Verhaltens als Weg seiner [217]Verbreitung angesehen wird.B: Sinnconzeption > sinnhaften Conzeption
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Diese ist gewiß von ganz außerordentlicher Wichtigkeit. Aber sie ist in der Regel sekundär und immer nur ein Spezialfall. Es ist doch nicht eine „Nachahmung“ des Menschen, wenn der Hund – sein ältester Gefährte – sich sein Verhalten von ihm „eingeben“ läßt. Genau so aber ist in einem sehr breiten Umkreis von Fällen die Beziehung zwischen Beeinflussenden und Beeinflußten geartet. In andren dürfte sie sich mehr dem Typus der „Einfühlung“, in noch anderen dem der „Nachahmung“ – der zweckrationalen oder[217] Diese Bemerkung richtet sich vermutlich gegen Gabriel Tarde, der in der „Nachahmung“ die treibende Kraft des gesamten Gemeinschaftslebens ausmacht (ders., Les lois de l’imitation: étude sociologique. – Paris: Félix Alcan 1890 (hinfort: Tarde, Lois de l’imitation)). Prinzipielle Kritik am exzessiven Gebrauch des Begriffs der Nachahmung übt auch Hellpach, Die geistigen Epidemien, S. 43, der sich explizit gegen Tarde ausspricht. Die mit „Eingebung“, „Einfühlung“ und „Einredung“ gefundenen theoretischen Instrumente zur Analyse charakteristisch neuartigen oder abweichenden Sozialverhaltens erübrigten zugleich den Rückgriff auf „Suggestion“ und „Nachahmung“ (vgl. ebd., S. 46; ähnlich: Jaspers, Psychopathologie (wie oben, S. 211, Anm. 2), S. 165, Anm. 1).
f
der „massenpsychologisch“ bewirkten[217] In B folgt: ⟨durch bloßes „Beispiel“⟩
65
– annähern. In jedem Fall aber befindet sich die entstehende Neuerung dann am meisten auf dem Wege dazu, „Einverständnis“ und schließlich „Recht“ entstehen zu lassen, wenn eine nachhaltige „Eingebung“ oder eine intensive „Einfühlung“ ihre Quelle war. Sie schafft dann „Convention“ oder, unter Umständen, direkt einverständnismäßiges Zwangshandeln gegen Renitente. Vgl. Weber, Kategorien, S. 278: „,Nachahmung‘ kann bloßes ,massenbedingtes‘ Sichverhalten oder mehr ein am Verhalten des Nachgeahmten im Sinn der ,Nachbildung‘ orientiertes Handeln sein. Und dies wiederum mehr wegen einer – zweckrationalen oder andern – Schätzung des Wertes des nachgeahmten Handelns an sich, oder nur in sinnhafter Bezogenheit auf Erwartungen […].“
o
Aus der „Convention“,o(ab S. 213: Der Übergang)–o Fehlt in A.
g
der Billigung oder Mißbilligung der Umwelt heraus entwickelt sich nach aller historischen Erfahrung, solange religiöser Glaube stark ist, immer wieder die Hoffnung und Vorstellung, daß auch die übersinnlichen Mächte jenes von der UmweltA: Denn aus
h
gebilligte oder mißbilligte Verhalten belohnen und bestrafen werden. Weiterhin – in geeigneten Fällen –A: Sitte
i
die Annahme, daß nicht nur der Nächstbeteiligte, sondern auch seine Umwelt unter der Rache jener übersinnlichen Gewalten zu leiden haben könnte,A: werden, weiterhin
k
[218]also diese, entweder Jeder Einzelne oder durch einen Zwangsapparat eines VerbandesB: könnten,
l
[,] zu reagieren habe. Oder die infolge stets wiederholter Innehaltung einer bestimmten Art von Handeln erwachsende Vorstellung der speziellen Ordnungsgaranten, daß es sich schon jetzt nicht nur um eine Sitte oder Convention,[218]B: der Gemeinschaft > eines Verbandes
j
sondern um eine zu erzwingende Rechtspflicht handle: eine derart praktisch geltende Norm nennt man Gewohnheitsrecht[.]A: könnten und weiterhin entweder die Vorstellung der speziellen Ordnungsgaranten, daß es sich nicht nur um eine Sitte,
66
Oder schließlich das rational erwogene Verlangen von Interessenten, daß die[218] Soweit hier Weber beim Begriff des Gewohnheitsrechts nicht auf die Rechtsüberzeugung des „Volkes“ (wie z. B. Puchta, Gewohnheitsrecht I (wie oben, S. 211, Anm. 52), S. 147), sondern auf den Geltungsglauben der Ordnungsgaranten abstellt; vgl. Zitelmann, Gewohnheitsrecht (wie oben, S. 73, Anm. 1), S. 463 f. Auch für Oertmann, Rechtsordnung (wie oben, S. 211 f., Anm. 53), S. 18, ist die Übung der Organe des politischen Verbandes entscheidend. In Kelsens Lehre vom staatlichen Ursprung des Rechts gilt dieser Maßstab auch für das Gewohnheitsrecht (vgl. ders., Hauptprobleme (wie oben, S. 20, Anm. 9), S. 36, 49 ff.).
n
conventionelle oder auch die gewohnheitsrechtliche Pflicht, um sie gegen Erschütterungen zu sichern,In B folgt: ⟨Sitte⟩ ⟨Conv⟩
m
ausdrücklich unter die Garantie eines Zwangsapparates gestellt, also ein gesatztes RechtA: handle (Gewohnheitsrecht) oder das Verlangen der Beteiligten, daß sie als solche auch
p
werde.B: „Recht“ > gesatztes Recht
o
Vor allem gleitet erfahrungsgemäß auf dem Gebiet der internen Gewaltverteilung zwischen den „Organen“ eines anstaltsmäßigen ZweckverbandesA: gestellt werde.
q
fortwährend der Inhalt von nur konventionell garantierten Regeln des VerhaltensA: politischen Gewaltorganisation
r
in das Gebiet des rechtlich geforderten und garantierten hinüber: die Entwicklung der englischen „Verfassung“ ist ein Hauptbeispiel dafür.A: konventionellen Regeln
67
Und endlich kann jede Auflehnung gegen die Convention Besonders Hatschek, Konventionalregeln (wie oben, S. 49, Anm. 16), S. 4, 10, sieht die Verfassungswirklichkeit der englischen parlamentarischen Demokratie durchgehend von Regeln beherrscht, die er im Anschluß an den englischen Sprachgebrauch „Konventionalregeln“ nennt und als gegenüber dem Recht „unterwertige“ Normen (ebd., S. 67), an anderer Stelle als „soziale Normen“ (ebd., S. 29) bezeichnet; vgl. auch: Hatschek, Englisches Staatsrecht I, S. 543 f.; II, S. 41–45; ders., Staatsrecht (wie oben, S. 207, Anm. 44), S. 105–118, bes. S. 106 f.
s
dazu führen, daß die Umwelt gegen den Rebellen von ihren zwangsmäßig garantiertenA: Sitte
t
subjektiven Rechten einen ihm lästigen [219]Gebrauch macht, z. B. der Hausherr gegen jemanden, der die rein konventionellen Regeln des geselligen Zusammenseins verletzt, von seinem Hausrecht, der Kriegsherr gegen Verletzungen des Ehrenkodex vom Recht der Dienstentlassung. Dann ist die [B 6][A 8]KonventionalregelFehlt in A.
u
tatsächlich indirekt durch Zwangsmittel gestützt.Auf der Rückseite des rechten unteren Randes von Blatt A 8/B 6 ist der Blattstreifen einer ursprünglich hier angebrachten, dann nach Blatt A 4/B 2 (vgl. oben, S. 197, Anm. n) transferierten Allonge stehengeblieben; der Wortlaut der Allongenrückseite, bei dem es sich um ein Brieffragment oder einen Briefentwurf handelt, ist abge[219]druckt im Anhang zum Editorischen Bericht, oben, S. 190.
a
A: garantiert.
68
Der Unterschied vom „ungarantierten Recht“[219] Kritisierter Bezugspunkt ist hier offenbar die von Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 121–124, 124–127, 479–482, vertretene Lehre von den Konventionalregeln; vgl. unten, S. 222. Die Geltung der Konventionalregel setzt nach Stammlers Auffassung – im Unterschied zur Rechtsregel – begriffslogisch die Einwilligung der ihr Unterstellten voraus, an deren Verletzung sich daher keine Zwangsmittel anschlössen. In deutlicher Abgrenzung gegen Stammler, zugleich aber nur als „Konventionalregeln des Rechts“ im Unterschied zu „Konventionalregeln auf anderen Gebieten gesellschaftlicher Gemeinäußerungen (Sprache, Religion, Sitte)“, analysiert Hatschek, Konventionalregeln (wie oben, S. 49, Anm. 16), S. 34 f. und S. 67, S. 4, Anm. 2, und S. 35, Anm. 1 (gegen Stammler), die „Konventionalregeln“ im Sinne vorrechtlicher Normen auf dem Gebiet des Rechts.
c
beruht dann darin, daß der Eintritt dieser Zwangsmittel zwar eventuelle faktische, aber nicht „Rechtsfolge“ der Conventionsverletzung ist: das „Hausrecht“ hat der Hausherr rechtlich ohnehin, während ein direkt garantieloser Rechtssatz seine Bedeutung als solcher dadurch empfängt, daß seine Nichtachtung irgendwie kraft einer garantierten „Rechtsnorm“ Folgen hat[.] Wo andrerseits ein Rechtssatz auf die „guten Sitten“, d. h. auf billigenswerthe Conventionen, Bezug nimmt, ist die Innehaltung der conventionellen Pflichten zugleich Rechtspflicht (indirekt garantiertes Recht) geworden[.]B: vom ⟨nicht garan⟩ ⟨„ungarantierten“⟩ ⟨„indirekt garantierten“⟩ „ungarantierten Recht“
b
Es existieren fernerFehlt in A.
d
in nicht ganz geringer Zahl solche Zwischenbildungen, wie etwa die s. Z. in der Provence mit „Gerichtsbarkeit“ in erotischen Dingen betrauten „Liebeshöfe“ der Trobadors, ferner der „Richter“ in seiner ursprünglichen, [WuG1 377]schiedsrichterlichen,Fehlt in A.
e
nur Vermittelung zwischen den Fehdeparteien übernehmenden, gegebenenfallsA: mit Gerichtsbarkeit in erotischen Dingen betrauten Liebeshöfe der Trobadors die Ehrengerichte in Sachen des Ehrenkodex, der Richter in seiner ursprünglichen,
f
einen Wahrspruch abgebenden, aber jeder eigenenA: evt.
g
Zwangsgewalt entbehrenden Stellung oder etwaA: besonderen
h
heute die internationalen „Schiedsgerichte“. In solchen Fällen ist aus der [220]rein amorphen Billigung oder Mißbilligung der Umwelt ein autoritär formuliertes Gebieten, VerbietenFehlt in A.
j
und Erlauben geworden, also ein conkret organisierter psychischer ZwangB: Verbieten,
k
,B: psychischer Zwangsapparat > conkret organisierter psychischer Zwang
i
und man wird in solchen Fällen daher wenigstens dann von „Recht“ sprechen, wenn es sich nicht – wie bei den „Liebeshöfen“ – um bloßes Spiel handelt und wenn hinter dem Urteil mehr als nur die unmaßgebliche Ansicht des Urteilenden steht, also zum Mindesten die irgendwie von einem Apparat von Personen getrageneA: Schiedsgerichte, deren Urteile lediglich an die Mißbilligung oder die Selbsthilfe appellieren können. Immerhin ist in solchen Fällen aus der amorphen Billigung oder Mißbilligung ein autoritär formuliertes Gebieten oder Verbieten geworden, also ein psy[220]chischer Zwang, für dessen Ausübung sich bestimmte Personen bereit halten,
m
Boykott-„Selbsthilfe“ (der Sippe oder des verletzten Staats) als normale Folge zu erwarten ist,B: organisierte > von einem Apparat von Personen getragene
l
wie in den beiden zuletzt genannten Fällen. Für den BegriffA: hinter dem Urteil wenigstens die Zwangsgewalt der Selbsthilfe als normale Folge steht,
n
der „Convention“n-n(bis S. 222: des Einverständnishandelns.) Fehlt in A.
p
ist nach unserer Begriffsbestimmung In B folgt: ⟨wie für den des „Rechts“⟩
69
nicht genügend, daß ein Handeln[220] Zu Webers Begriffsbestimmung von „Convention“ siehe oben, S. 211.
q
bestimmter Art überhaupt, sei es auch von noch so vielen Einzelnen, „gebilligt“, ein entgegengesetztes „mißbilligt“ wird, sondern: daß in einer „spezifischen Umwelt“ – worunter natürlich nicht eine örtliche Umwelt gemeint ist – des Handelnden die Chance einer solchen Stellungnahme bestehe. Das heißt: es muß irgend ein Merkmal angebbar sein, welches den betreffenden Umkreis von Personen, der diese „Umwelt“ ausmacht, begrenzt, sei jenes nun beruflicher, verwandtschaftlicher, nachbarschaftlicher, ständischer, ethnischer, religiöser, politischer oder welcher Art immer und sei die Zugehörigkeit eine [221]noch so labile. Dagegen ist für die Convention in unsrem Sinn nicht Voraussetzung, daß jener Umkreis einen „Verband“ (in unsrem Sinne)B: eine Handlung > ein Handeln
70
bildet; das Gegenteil ist vielmehr grade bei ihr sehr häufig[.] Die Geltung von „Recht“ in unsrem Sinne ist dagegen, weil es nach unsrer Definition einen „Zwangsapparat“ voraussetzt,[221] Vgl. die entsprechende Herleitung des Verbandskonzepts in Weber, Kategorien, S. 288 f. Hier ist entscheidend die begriffsnotwendige Bereitschaft des Verbandes „Zwang gegen einverständniswidrig sich verhaltende Teilnehmer“ auszuüben (ebd., S. 288).
71
stets ein Bestandteil eines (aktuellen oder potentiellen) „Verbandshandelns“ – was, wie wir wissen, Siehe oben, S. 199 f.
72
natürlich nicht etwa bedeutet, daß lediglich „Verbandshandeln“ (oder selbst nur: lediglich „Gemeinschaftshandeln“) durch den Verband rechtlich geregelt: „verbandsgeregeltes“ Handeln Siehe oben, S. 197 ff.
73
wird. In diesem Sinn kann man den „Verband“ als „Träger“ des Rechts bezeichnen. Weber, Kategorien, S. 289, unterscheidet „verbandsbezogenes“ und „verbandsgeregeltes“ Handeln.
o
Andrerseits(S. 221) Der Wortlaut der Allongenrückseite, bei dem es sich um ein Brieffragment oder einen Briefentwurf handelt, ist abgedruckt im Anhang zum Editorischen Bericht, oben, S. 190. Am linken Rand wurde im unteren Drittel der Allonge ein Papierstück abgerissen. – Der Wortlaut des Randtextes von Blatt A 8/B 6, der durch die am linken Blattrand angebrachte Allonge überklebt wurde, konnte mit Hilfe eines Wasserzeichenlesers gelesen werden (ohne Varianten, nicht mehr lesbare Stellen in eckigen Klammern): „Recht“ – so kann man das bisher Gesagte auch zusammenfassen – soll zwar unserer Betrachtung normalerweise als mit „Herrschaft“ im Sinn einer real sich Geltung verschaffenden Befehlsgewalt verbunden gelten, also mit einem [Gewalthaber] [,] welcher [Rechtszwang durch einen] Zwangsapparat übt. [Es] kann auch – wie in dem erwähnten Fall – andre als herrschaftliche [Struktur] haben: dann spielten [andre –] wir wer[den sehen welche – Faktoren eine Rolle. Dennoch handelt es sich um] Recht! Dahin gehört sowohl der [auf] die Rechte der eignen Sippe gerichtete wie der nur durch die Kriegs[-]Selbsthilfe des Staats oder nur durch die Entscheidungen von Schiedsgerichten oder nur durch diplomatische [Vertret]ung garantierte völkerrechtliche Anspruch.
r
aber ist Gemeinschaftshandeln, Einverständnis- oder Gesellschaftshandeln, Verbandshandeln, Anstaltshandeln – welches ja seinerseits schon nur[210] In B geht voraus: ⟨Das menschliche⟩
s
einen Ausschnitt aus dem soziologisch relevanten Geschehen, Sichverhalten, Handeln darstellt –Von fremder Hand mehrfach gestrichen.
t
außerordentlich weit davon entfernt, sich subjektiv nur an „Rechtsregeln“ im hier angenommenen Sinn des Worts zu orientieren, wie wir immer wieder an Beispielen sehen werden. Wenn man unter der „Ordnung“ eines Verbandes alle thatsächlich feststellbaren Regelmäßigkeiten des Sichverhaltens versteht, welche für den faktischen Verlauf des ihn constituierenden oder von ihm beeinflußten Gemeinschaftshandelns charakteristisch oderIn B folgt: ist
a
als Bedingung wesentlich sind, dann ist diese „Ordnung“B: und > oder
b
nur zum verschwindenden Teil die Folge der Orientierung an „Rechtsregeln“. Soweit sie überhaupt bewußt an „Regeln“ orientiert sind –B: ist der ⟨die ungeheure Überzahl aller⟩ ⟨überwiegende Teil⟩ diese
ba
⟨Handelns⟩ „Ordnung“B: dieses > diese
c
und nicht bloßer dumpfer „Gewöhnung“ entspringen –[,] sind es teils solche der „Sitte“ und „Convention“, teils aber, und sehr oft gänzlich überwiegend, Maximen sub[222]jektiv zweckrationalenB: sind, –
d
Handelns im eignen Interesse jedes der daran Beteiligten, auf dessen Wirksamkeit der oder die Andren zählen und oft auch ohne Weiteres, sehr häufig aber überdies noch kraft spezieller, aber nicht rechtszwanggeschützter, Vergesellschaftungen oder EinverständnisseB: der Zweckmäßigkeit persönlichen > subjektiv zweckrationalen
e
objektiv zählen können. Die Chance des Rechtszwangs, welche, wie schon erwähnt,[222]B: Abmachungen > Vergesellschaftungen oder Einverständnisse
74
das[222] Siehe oben, S. 199.
f
„rechtmäßige“ Verhalten des Handelnden nur in geringem Grad bestimmt, steht als eventuelle Garantie auch objektiv nur hinter einem Bruchteil des thatsächlichen Ablaufs des Einverständnishandelns.In B folgt: ⟨subjektive⟩
n
n(ab S. 220: Für den Begriff)–n Fehlt in A.
Ersichtlich
h
ist für die Soziologie der Übergang von bloßer „Sitte“ zu „Convention“ und von dieser zum „Recht“ flüssig.In B geht die Satzanweisung Max Webers voraus: Absatz!
g
A, ohne Absatz: Im Übrigen ist der Übergang ersichtlich flüssig.
1. Es ist sogar
i
außerhalb der soziologischen Betrachtungsweise unrichtig, wenn der Unterschied von „Recht“ und „Sittlichkeit“ darin gesucht wird, daß die Rechtsnorm „äußeres“ Verhalten und nur dies, die sittliche Norm dagegen „nur“ die Gesinnung reguliere.i-i(bis S. 238: universelle „Form“.) In B steht am linken Rand quer zum Text die Satzanweisung Max Webers: Setzer: und dreimal Petit (doppelt unterstrichen). Auf den Folgeseiten seitenweise mit bzw. ohne Unterstreichung oder Ausrufungszeichen wiederholt.
75
[WuG1 378]Das Recht behandelt die Art der Gesinnung, aus der ein Handeln resultiert, zwar keinswegs immer als relevant, und es gibt und gab Rechtssätze und ganze Rechtsordnungen, welche Rechtsfolgen, auch Strafen[,] Diese Unterscheidung von „innen“ und „außen“ richtet sich wohl in erster Linie gegen die von Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 98 f., 379–385, neukantianisch formulierte Differenz von „Legalität“ und „Moralität“ (vgl. auch: Stammler, Rudolf, Die Lehre vom richtigen Rechte. – Berlin: J. Guttentag 1902, S. 76, 82 f., 87 ff., 90 ff., 52 f., 57; hinfort: Stammler, Richtiges Recht; ders., „Recht“, in: HdStW3, Band 7, 1911, S. 31–46, hier S. 31, 41; hinfort: Stammler, Recht). So sagt Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 379–380: „Von dem Standpunkte des Unterworfenen aus ist das Gebot des Rechtes heteronom: Es tritt von außen her an ihn heran und bedeutet eine bedingte Vorschrift seines Verhaltens. Dagegen wendet sich die […] Sittenlehre an ihn, den Angeredeten, als autonom Wollenden: Sie will ihm nur helfen, die rechte Gesinnung zu haben, gemessen und bestimmt nach unbedingt geltender Anweisung.“
j
nur an den äußeren Kausalzusammenhang knüpfen. Aber dies ist nicht im mindesten das Normale. Rechtsfolgen knüpfen sich an die „bona“ oder „mala fides“, die „Absicht“ oder die aus dem Gesinnungstatbestand zu ermittelnde „Ehrlosigkeit“ eines VerhaltensA: Rechtsordnungen, welche die Rache oder Strafe
k
und an zahlreiche andere rein gesinnungs[223]mäßige Tatbestände. Und die „sittlichen“ Gebote richten sich ja gerade darauf, daß die als Bestandteil der „Gesinnung“ faktisch ebenfallsA: bei einem Verhalten
l
vorhandenen normwidrigen Gelüste im praktischen Handeln, also in etwas normalerweise[223] Fehlt in A.
m
[B 7][A 9]sich äußerlich Realisierendem,Am linken unteren Rand findet sich neben einer durch eine Allonge überklebten Texterweiterung auf dem linken Seitenrand der Vermerk Max Webers: ⟨cf Seitenblatt rechts!⟩. Der Vermerk bezieht sich auf die ursprünglich hier befestigte, dann abgetrennte und nach Blatt A 4/B 2, oben, S. 197, transferierte Allonge; vgl. auch oben, S. 219, textkritische Anm. u.
o
„überwunden“ werden.B: realisierenden,
76
Die normative Betrachtung hätte[223] Ähnlich kritisiert schon Hermann Kantorowicz den Versuch Stammlers, die Lehre vom „Richtigen Recht“ von allen Bezügen zu ethisch-religiösen Vorstellungen begrifflich abzutrennen, und deshalb die wirkliche Differenz von Sittlichkeit und Recht zu verfehlen: „Sie [die Sozialphilosophie, Hg.] hat es mit der Moral als einem sozialen Phänomen zu tun, und da lehrt uns die Geschichte aller Völker, daß ihre Moralvorschriften allerdings die Gesinnung regeln wollen; aber – und da steckt eben der Trugschluß – nicht nur die Gesinnung, sondern stets ein bestimmtes äußeres Verhalten (Tun oder Unterlassung), aus einer bestimmten Gesinnung heraus (Liebe oder Pflichtgefühl) vorschreiben“ (ders., Lehre vom Richtigen Recht (wie oben, S. 43, Anm. 92)).
n
für die Unterscheidung von Sittlichkeit und Recht gewiß nicht von „äußerlich“ und „innerlich“, sondern von den Unterschieden der normativen Dignität beider auszugehen. Für die soziologische Betrachtung aber ist normalerweise „sittlich“ mit aus „religiösen Gründen“ oder kraft „Konvention“ geltend identisch. Als eine im Gegensatz dazu „ausschließlich“ ethische Norm könnte ihr nur die subjektive Vorstellung von einem abstrakten, aus letzten Axiomen des Geltenden zu entfaltenden Maßstab des Sichverhaltens gelten, sofern diese VorstellungA: äußerlich sich realisierenden, überwunden werden. Für die normative Betrachtung steht jedenfalls
p
praktische Bedeutung für das Handeln gewinnt. In oft weitgehendem Maße haben derartige Vorstellungen in der That reale Bedeutung gehabt. Sie waren aber überall, wo dies der Fall war,A: die Art der normativen Dignität beider im Vordergrund. Für die soziologische Betrachtung aber ist im Prinzip „sittlich“ mit religiös oder konventionell geltend identisch, eine ausschließlich sittliche Norm aber die subjektive Vorstellung von einem abstrakten, aus letzten Axiomen des ethisch Geltenden zu entfaltenden Maßstab des Sichverhaltens, sofern er Anführungszeichen in A.
q
ein relativ junges Produkt philosophischer Denkarbeit. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart sind in der Realität des Alltags „sittliche Gebote“ im Gegensatz zu „Rechtsgeboten“, soziologisch betrachtet[,] normalerweise entweder religiös [224]oder konventionell bedingte Maximen des Verhaltens und ist ihreA: Dies ist
r
Grenze gegenüber dem Recht flüssig. Es gibt kein sozialA: In aller Vergangenheit und in der Realität des Alltags sind sittliche Gebote im Gegensatz zu Rechtsgeboten entweder religiös oder konventionell bedingt und die
t
wichtiges „sittliches“ Gebot, welches nicht irgend einmal irgendwo einB: praktisch > sozial
s
Rechtsgebot gewesen wäre. [224]A: durchaus kein wichtiges sittliches Gebot, welches nicht einmal
2. Ganz unbrauchbar ist Stammlers Scheidung der „Konvention“ von der Rechtsnorm darnach:
a
ob die Erfüllung der Norm in den freienDoppelpunkt fehlt in A.
b
Willen des Einzelnen gestellt sei oder nicht.Fehlt in A.
77
Es ist unrichtig, daß die Erfüllung konventioneller „Pflichten“, z. B. einer gesellschaftlichen Anstandsregel, dem Einzelnen nicht „zugemutet“, ihre Nichterfüllung nur die Folge des dadurch ipso facto herbeigeführten freiwilligen[,] jederzeit freistehenden Ausscheidens aus einer freiwilligen Vergesellschaftung zur Folge habe.[224] Stammler trifft seine Unterscheidung nach dem Sinn des Geltungsanspruchs: „Das Recht will als Zwangsangebot über dem einzelnen gelten, ohne Rücksicht auf dessen Zustimmung und Anerkennung, – die Konventionalregel gilt nach ihrem eigenen Sinne lediglich zufolge der Einwilligung der Unterstellten“ (ders., Wirtschaft und Recht, S. 477; vgl. auch ebd., S. 124 f., passim; ders., Richtiges Recht (wie oben, S. 222, Anm. 75), S. 235 f.; ders., Recht (wie oben, S. 222, Anm. 75), S. 35).
78
Zugestanden, Nach Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 543, besteht darin die Rolle der Konventionalregel dahin bestimmt, „frei gebildete Genossenschaften“ zu ermöglichen, „wobei ein jeder über seine Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft selbst bestimmen soll. Er gehe frei die Konvention ein und löse sie in eigener Entschließung wieder, – die vertragsmäßige Übereinkunft ist es, nach der er sich zu richten gedenkt, so lange sie besteht, die er allererst eingehen muß und die er in unbedingter Schrankenlosigkeit jederzeit durch neue Willenserklärung außer Kraft setzen kann.“ Und aus dem voluntaristischen Charakter der „Konventionalgemeinschaft“ auf nur bedingte fehlende Verbindlichkeit schließend: „Solange er der Vereinigung angehört, unterliegt er jenen Normen; allein ob er dazugehöre, das beantwortet sich in jedem Augenblicke neu nach seiner eigenen Entschließung“ (ebd., S. 479).
c
daß es Normen dieses Charakters gebe – aber keineswegs nur auf dem Boden der „Konvention“, sondern auch des Rechts (die „clausula rebus sic stantibus“ hat faktisch oft diesen Sinn) [–], so findet jedenfallsA: Zugegeben,
d
das, was Stammlers eigene SoziologieA: geben könne, so findet
79
als Konventionalregeln von den Rechtsnormen scheiden muß, ganz gewiß nicht in derartigem seinen Schwerpunkt. Nicht nur eine theoretisch kon[225]struierbare anarchistische Gesellschaft, deren „Theorie“ und „Kritik“ Stammler mit Hilfe seiner scholastischen Stammlers Buch behandelt einerseits sowohl sozialphilosophische als auch empirisch-sozialwissenschaftliche Fragestellungen und beansprucht doch andererseits v.a. eine eigenständige sozialwissenschaftliche („teleologische“) Betrachtungsweise des „sozialen Lebens“, neben einer rein naturwissenschaftlich-technischen bzw. (juristisch-)dogmatischen, zu begründen. Vgl. dazu insbesondere: Stammler, Wirtschaft und Recht, Zweites Buch: Der Gegenstand der Sozialwissenschaft, S. 75–158.
e
Begriffe entwickelt hat,[225]A: Gesellschaft, deren Theorie Stammler mit Hilfe seiner schiefen
80
sondern zahlreiche in der realen Welt existierende Vergesellschaftungen verzichten auf den Rechtscharakter ihrer conventionellen Ordnungen einfach[225] Stammler sucht nachzuweisen, daß die Konstruktion einer „anarchistischen Gesellschaft“ als „Konventionalgemeinschaft“ unter der Hand doch wieder Rechtszwang und damit Herrschaft über Menschen einführen müsse; vgl. Stammler, Rudolf, Die Theorie des Anarchismus. – Berlin: O. Häring 1894, bes. S. 42 f.; ders., Wirtschaft und Recht, bes. S. 551–555; ders., Recht (wie oben, S. 222, Anm. 75), S. 37 f.
f
deshalb, weil angenommen wird: die bloße Tatsache der sozialen Mißbilligung [B 8][A 10]ihrer Verletzung mit ihren oft höchst realen indirektenA: Ordnungen
g
Konsequenzen für den Verletzenden werde und müsse als Sanktion genügen. Rechtsordnung und konventionelle Ordnung sind also für die Soziologie –Fehlt in A.
i
B: Soziologie, –
h
auch ganz abgesehen von den selbstverständlichen Übergangserscheinungen –A: also,
k
keinswegs grundsätzliche Gegensätze,B: Übergangserscheinungen, –
81
da auch die Konvention teils durch psychischen, teils sogar[,] wenigstens indirekt[,] durch physischen Zwang gestützt ist. Stammler hingegen behauptet den exklusiven Begriffsgegensatz von „konventionaler“ und „rechtlicher“ Regelung „sozialen Lebens“. Er folgert daraus nicht nur die Unmöglichkeit eines „begrifflichen Übergangs“ von der einen Regelungsform einer Gemeinschaft zur anderen, sondern darüber hinaus die Unmöglichkeit von empirischen Entwicklungen solcher Art, für die sich ganz entsprechend auch keine historischen Beispiele anführen ließen (vgl. ders., Wirtschaft und Recht, S. 543, 550, 552).
j
Sie scheiden sich nur in der soziologischen Struktur des Zwanges durch das Fehlen der eigens für die Handhabung der Zwangsgewalt sich bereit haltenden Menschen (des „Zwangsapparats“: „Priester“, „Richter“, „Polizei“, „Militär“ usw.).A: Übergangserscheinungen da auch die Konvention teils psychischen, teils indirekt physischen Zwang entfaltet, keinswegs grundsätzliche Gegensätze.
m
In B folgt die Satzanweisung Max Webers: Absatz
l
A: Priester, Schiedsrichter, Richter, Polizei, Militär usw.).
Vor Allem aber geht bei Stammler zunächst die ideelle, vom Rechtsdogmatiker oder Ethiker wissenschaftlich deduzierbare „Geltung“ einer „Norm“ mit der
o
zum Objekt einer empirischen Betrachtung zu machenden realen Beeinflussung des empirischen Handelns durch Vorstellungen vom Gelten von Normen durcheinander. Und weiterhin dann gar noch die normative „Geregeltheit“ eines Verhaltens durch Regeln, welche als „geltensollend“ von [226]einer Vielheit von Menschen faktisch behandelt werden, mit den faktischen Regelmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens.In B folgt: ⟨praktischen⟩
82
Beides ist begrifflich streng zu scheiden.[226] Weber wirft dem sich selbst in der kantischen Tradition sehenden Stammler durchgängig eine unzulässige Vermischung logisch heterogener Sachverhalte vor, für den Fall des Regelbegriffs im Allgemeinen, dann speziell für die „Rechtsregel“ in: Weber, Überwindung, S. 120 ff., 137 ff., sowie in: Weber, Nachtrag, S. 369 ff. Der Bezug geht dabei insbesondere auf Stammler, Wirtschaft und Recht. Zweites Buch: Der Gegenstand der Sozialwissenschaft, S. 75 ff. Kernpunkt der Kritik ist Stammlers Versuch, den Begriff des sozialen Lebens als „eigene[n] Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung“ an den Begriff der Regel zu binden (ebd., S. 77), indem als entscheidendes Kriterium „die von Menschen herrührende Regelung ihres Verkehrs und Miteinanderlebens“ (ebd., S. 83) angesehen und „soziales Leben“ als „äußerlich geregeltes Zusammenleben von Menschen“ bestimmt wird (ebd., S. 84).
p
[226] In B folgt die Satzanweisung Max Webers: (Absatz) B: scheiden, ⟨gerade weil in der Realität das Eine ursächliche Componente des Andren werden kann.⟩ Es folgt die gestrichene Satzanweisung Max Webers: ⟨(Absatz!⟩
n
Fehlt in A.
Konventionelle Regeln sind
q
normalerweise der Weg, auf welchemIn B folgt: ⟨sehr häufig⟩
r
bloß faktische Regelmäßigkeiten des Handelns: bloße „Sitte“ also[,] in die Form verbindlicher, meist zunächstA, B: welchen
s
durch psychischen Zwang garantierter,A: Handelns in die Form verbindlicher und zunächst meist
t
„Normen“ überführt werden: der Traditionsbildung. Schon die bloße Tatsache der regelmäßigen Wiederkehr von Vorgängen, und zwarKomma fehlt in A.
a
sowohl von Naturereignissen wie von organisch oder durch unreflektierte Nachahmung oder Anpassung an die äußeren Lebensumstände bedingten Handlungen[,] verhilft diesen Vorgängen äußerst leichtFehlt in A.
b
zur Dignität von etwas normativ Gebotenem, mag es sich um den von göttlichen Mächten vorgeschriebenen gewohnten Gang der Gestirne oder etwa der Nilüberschwemmung oder [WuG1 379]um die gewohnte Art der Entlohnung von rechtlich bedingungslos der Gewalt des Herrn überlieferten unfreien Arbeitskräften handeln. Sobald die Konvention sich der Regelmäßigkeiten des Handelns bemächtigt hat, aus einem „Massenhandeln“ also ein „Einverständnishandeln“Fehlt in A.
d
geworden istB: „Gemeinschaftshandeln“ > „Einverständnishandeln“
e
– denn das ist ja die Bedeutung des Vorgangs, in unsere Terminologie übersetzt –[,]B: ist,
83
wollen wir von „Tradition“ sprechen. Schon die bloße Zum „Einverständnishandeln“ siehe Weber, Kategorien, S. 279–286.
c
Eingeübtheit der gewohnten Art des Handelns [227]und die Eingestelltheit auf die Erhaltung dieser Gewöhnung, erst recht aber die Tradition, wirkt, wie immer wieder gesagt werden muß, im ganzen stärker auf den Fortbestand auchA: dieser Regelmäßigkeiten bemächtigt hat, wollen wir von Traditionen sprechen. Die
f
einer durch Satzung entstandenen, eingelebten, Rechtsordnung als die Reflexion auf die zu gewärtigenden Zwangsmittel und andere Folgen, zumal[227]A: Weiterhaltung dieser Gewöhnung wirkt im ganzen stärker auch auf den Fortbestand
g
diese mindestens einem Teil der nach der „Norm“A: Folgen. Zumal
h
Handelnden gar nicht bekannt zu sein pflegen. Der Übergang von der bloßen dumpf hingenommenen [B 9][A 11]Gewöhnung an ein HandelnA: darnach
i
zur Aneignung der bewußten Maxime normgemäßen HandelnsFehlt in A.
j
ist überall flüssig. Wie derartA, B: Handeln
k
die bloße faktische Regelmäßigkeit eines Handelns sittliche und Rechtsüberzeugungen entsprechenden Inhalts zur Entstehung bringt, soFehlt in A.
l
läßt andererseits der Umstand, daß physische und psychische Zwangsmittel ein bestimmtes Verhalten oktroyieren, faktische Gewöhnungen und dadurch Regelmäßigkeiten des Handelns entstehen.A: entstehen
m
A: Handelns. Und zwar nicht nur solche, welche durch jene Zwangsmittel herbeigeführt werden sollten, sondern ungemein häufig auch andere, weder beabsichtigte noch den Urhebern der Rechtsordnung willkommene
84
[227] Vgl. die sinnentsprechenden Ausführungen bei Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 337–342.
Das Recht und die Konvention
n
sind als Ursache und Wirkung verflochten in das Mit-, Neben- und Gegeneinanderhandeln der Menschen. Es ist gröblichA: Konventionen
p
irreführend, wenn man es – wie Stammler thutFehlt in A.
85
– Weber bezieht sich auf die von Stammler, Wirtschaft und Recht, zugrunde gelegte Unterscheidung von „Form“ und „Inhalt“; vgl. insbes. Zweites Buch, Zweiter Abschnitt: Die Form des sozialen Lebens, S. 112–130, und Dritter Abschnitt: Die Materie des sozialen Lebens, S. 131–158.
q
dem „Inhalt“ dieses Handelns (der „Materie“ desselben)Fehlt in A.
r
als dessen „Form“ gegenüberstellt.Fehlt in A.
o
Vielmehr ist der Glaube an das rechtliche oder konventionelle Gebotensein eines bestimmten Verhaltens,Auf Zeilenhöhe dieses Satzes steht am linken Rand die gestrichene Notiz Max Webers: B: ⟨Nur ein Teil der „Ordnungen“, welche einverständnismäßig gelten, ist Recht oder Convention.⟩
s
soziologisch angesehen, zunächst nur ein Superadditum, welches dem GradeIn A folgt: oder
t
von Wahrscheinlichkeit, mit welchem der Handelnde auf bestimmte Folgen seines Handelns zählen kann, hinzugefügt wird. Die ökonomische Theorie wenigstensA: Maße
a
sieht daher von der Analyse des Charakters der Normen [228]zunächst mit RechtA: Begriffsbildung
b
gänzlich ab.[228] Fehlt in A.
86
Daß jemand etwas „besitzt“, bedeutet für sie lediglich: er kann darauf zählen, daß seiner faktischen Verfügung darüber seitens anderer nichts in den Weg gelegt wird. Warum diese gegenseitige Respektierung der Verfügungsmacht stattfindet, ob mit Rücksicht auf eine konventionelle oder Rechtsnorm oder aus irgend welchen Erwägungen des eigenen Vorteils seitens aller Beteiligten, ist ihr primär[228] Während Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 184, meint: „Bei allen nationalökonomischen Untersuchungen, also allen Betrachtungen der Volkswirtschaft in sozialer Erwägung, liegt ganz unvermeidlich eine bestimmte rechtliche (oder konventionale) Regelung in dem Sinne zu grunde, daß diese konkrete rechtliche Normierung die logische Bedingung des betreffenden nationalökonomischen Begriffes und Satzes ist; und in dem Augenblicke, da man diese bestimmte, jeweils notgedrungen vorausgesetzte Regelung in Gedanken entfernt, wird der erwähnte nationalökonomische Begriff und Lehrsatz völlig in sich zusammenfallen.“ Ebd., S. 209, spricht Stammler demgemäß von dem „irrigen Glauben mancher Nationalökonomen an eine Unabhängigkeit ihrer Lehre von ganz bestimmt gegebener Rechtsordnung“; vgl. ders., Richtiges Recht (wie oben, S. 222, Anm. 75), S. 240 ff.; ders., Recht (ebd.), S. 40 f.
c
gleichgültig. Daß jemand einem anderen ein Gut „schuldet“, bedeutet soziologisch: das Bestehen der Chance, daß der eine der durch einen bestimmten Vorgang: Versprechen, schuldhafte SchädigungA: an sich
e
oder was immer, nach dem üblichen Verlauf der Dinge begründeten Erwartung des anderen:B: Verschulden > schuldhafte Schädigung
d
er werde diesem zu einem bestimmten Zeitpunkt jenes GutA: etwas schuldet, bedeutet das Bestehen der Chance: daß der eine die Erwartung des anderen,
f
in die faktische Verfügung geben, entsprechen werde. [B 10][A 12]Aus welchen psychologischen Motiven dies geschieht, ist für die Ökonomik primärFehlt in A.
g
gleichgültig. Daß Güter „getauscht“ werden, bedeutet: daß nach VereinbarungA: Warum dies geschieht, ist begrifflich
h
das eine aus der faktischen Verfügung des einen in die des anderen um deswillen gegeben wird, weil nach dem vom ersteren gemeinten Sinn das andere aus der Verfügung des anderen in die des einen überführt wird oder werden soll.Fehlt in A.
i
Die am Schuldverhältnis oder am Tausch BeteiligtenA: daß das andere in die Verfügung des andern [sic!] gegeben wird.
j
hegen jeder die Erwartung, daß der andere Teil sich in einer der eigenenA, B: beteiligten
k
Absicht entsprechenden Art verhalten werde.A: ihrer
l
Irgend eine außerhalb ihrer beiderseitigen Personen liegende „Ordnung“, welche dies garantiert, anbefiehlt, durch einen Zwangsapparat oder [229]durch soziale Mißbilligung erzwingt, ist dabei begrifflich weder notwendig vorhanden, noch auch ist die subjektive Anerkennung irgend welcher Norm als „verbindlich“ oder der Glaube daran, daß der Gegenpart dies tue, bei den Beteiligten irgendwie notwendig vorausgesetzt. Denn der Tauschende kannA, B: werden.
m
sich z. B. beim Tausch auf das der Neigung zum Bruch des Versprechens entgegenwirkende egoistische Interesse des Gegenparts an der künftigen Fortsetzung von Tauschbeziehungen mit ihm[229]A: diese können
n
verlassen (wie dies in plastischer Deutlichkeit beim sogenannten „stummen Tausch“ mit wilden Völkerschaften und übrigens im allerweitesten Umfang in jedem modernen Geschäftsverkehr, speziell der Börse,Fehlt in A.
o
geschieht) oder auf irgend welche anderen dahin wirkenden Motive.A: beim sogenannten stummen Tausch mit wilden Völkerschaften
p
Der Tatbestand liegt im Fall reiner ZweckrationalitätA: Motive.
q
so, daß jeder der Beteiligten darauf zählt und normalerweise mit Wahrscheinlichkeit darauf zählen kann:A: also auch hier
s
B: kann;
r
der Gegenpart werde sich so verhalten, ,,als ob“ er eine Norm des Inhalts: daß man das gegebene Versprechen „halten“ müsse, als für sich „verbindlich“ anerkenne.A: zählt:
87
Begrifflich genügt das völlig.[229] Den Sachverhalt verhandelt Weber bereits bei den Ausführungen zur „Norm-Maxime“ in: Weber, Überwindung, S. 129 f., Fn. 10, sowie Weber, Nachtrag, S. 377 f., schließlich im Zuge der Einführung der Kategorie des „Einverständnishandelns“ in: Weber, Kategorien, S. 275 ff. Die philosophische Seite der Problematik ist behandelt bei Vaihinger, Hans, Die Philosophie des Als ob: System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus, mit einem Anhang über Kant und Nietzsche. – Berlin: Reuther & Reichard 1911.
t
Aber selbstverständlich ist es von unter UmständenA: verbindlich anerkenne.
a
großer faktischer Tragweite[,] ob die Beteiligten für jenes Zählen auf ein solchesA: sehr
b
Verhalten des Gegenparts Garantien besitzen: 1) dadurch, daß der subjektive Glaube an die objektiveA: das
c
Geltung solcher Normen tatsächlich in ihrer Umwelt verbreitet ist (Einverständnis),Fehlt in A.
e
2) noch weiter dadurch, daß die Rücksicht auf soziale Billigung oder Mißbilligung eine konventionelle oder die Existenz eines Zwangsapparats eine „Rechtsgarantie“ schafft. Ohne die Rechtsgarantie ist ein gesicherter privaterB: (Konvention), > (Einverständnis in Form der Konvention), > (Einverständnis),
d
wirtschaftlicher Verkehr moderner Art zwar nicht einfach „undenk[230]bar“.A: ist (Garantie der Konvention), 2) dadurch, daß die Existenz eines Zwangsapparats diese Garantie zur Rechtsgarantie steigert. Ohne diese Basis ist heute ein gesicherter
f
A: unmöglich: es haben | ; B: einfach ⟨durchweg⟩ „undenkbar“; ⟨⟨und⟩ ja es kann ihnen [230]unter Umständen sogar die Konventionalgarantie fehlen⟩
88
[B 11][A 13]Im Gegenteil fällt [WuG1 380]es bei der Mehrzahl aller geschäftlichen Transaktionen Niemandem ein, an die Frage der Klagbarkeit auch nur zu denken. Und die Börsenabschlüsse[230] Dies aber meint Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 206: „Aber die rechtliche Regelung des Verkehrs ist nicht ein materielles Bedürfnis, ohne dessen Befriedigung das soziale System der Privatwirtschaft auch noch bestehen könnte, nur mangelhaft und geringwertiger; sondern sie ist die notwendige Erkenntnisbedingung, ohne welche eine sozialökonomische Untersuchung formal überhaupt gar nicht möglich ist.“
h
z. B. spielenB: der Börsenverkehr > die Börsenabschlüsse
i
sich auf der Börse selbst zwischen den Berufshändlern in Formen ab, welche in einer ganz überwältigenden Mehrzahl der Fälle jeden „Beweis“ bei BöswilligkeitB: spielt
j
gradezu ausschließen: mündlich oder durch Zeichen und Notizen im (eignen) Notizbuch.B: Böswilligkeit,
89
Es kommt praktisch gleichwohl nicht vor, daß eine Bestreitung versucht wird. Ebenso gibt es Verbände, die rein ökonomische Zwecke verfolgen und deren Ordnungen dennoch des staatlichen Rechtsschutzes ganz oder fast ganz entbehren. Gewisse Kategorien von „Kartellen“ gehörten s. Z. dahin; Zu Webers Sicht der Börse vgl. seine Börsenschriften in: MWG I/5. Zur Disziplin der Börsenbesucher besonders ebd., Einleitung, S. 32 f.
90
besonders oft lag andrerseits die Sache so, daß auch die getroffenen[,] an sich gültigen privatrechtlichen Abreden Staatliche Versuche, das Kartellwesen zivil-, straf-, oder verwaltungsrechtlich zu regeln, setzten erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein. Zuerst in England erreichten Arbeiter- und Unternehmerkoalitionen rechtliche Anerkennung, ohne allerdings in den Genuß des staatlichen Rechtsschutzes zu gelangen. Einzelne nordamerikanische Bundesstaaten hingegen stellten die Koalitionen unter strafrechtliche Bestimmungen und sanktionierten ihre Verabredungen als „conspiracy“. Der Versuch einer verwaltungsrechtlichen Regelung im Wege eines Anzeige- und Zustimmungsvorbehaltes der Regierung gegenüber Kartellbeschlüssen scheiterte in Österreich. Der beschleunigte Kartellierungsprozeß Ende des 19. Jahrhunderts führte jedoch zunehmend zur gesetzgeberischen Anerkennung der wirtschaftspolitischen Realität der Kartelle, deren vertragliche Abreden nun als zivilrechtlich bindend galten, wenn sie nicht – in Deutschland – gegen die „guten Sitten“ verstießen oder – generell – offenkundig gemeinwohlschädigend wirkten. Vgl. z. B. Kleinwächter, Friedrich von, „Kartelle“, in: HdStW3, Band 5, 1910, S. 792–798, hier S. 796 f.
k
jedenfalls mit Auflösung des Verbands dahinfielen, weil dann kein formal legitimierter Kläger mehr da war. Hier war also dieser Verband mit seinem Zwangsapparat Träger eines „Rechts“, welchem der gewaltsame Rechtszwang gänzlich fehlte oder nur so lange er bestand zur Seite stand. Den Kartellverträgen fehlte aber oft, aus Gründen, welche in der eigenartigen inneren Haltung der [231]Beteiligten lagen, selbst eine wirksame Conventionalgarantie,B: geschaffenen privatrechtlichen Garantien > getroffenen an sich gültigen privatrechtlichen Abreden
g
und[231] Fehlt in A.
l
die betreffenden Vergesellschaftungen funktionierten dennoch lange Zeit höchst wirksam infolge des convergierenden Interesses aller Beteiligten. In A geht voraus: z. B. zahlreiche Kartellverträge existiert, bei denen aus technischen Gründen die Rechtsgarantie fehlte
91
– Aber natürlich ist trotzdem die gewaltsame, speziell die staatliche[231] Gegen vertragsbrüchige Kartellmitglieder richteten sich die in den Kartellverträgen schließlich vereinbarten erheblichen Konventionalstrafen (vor allem in Form von Solawechseln über sehr hohe Beträge). Derartige Konventionalstrafen waren in den Statuten der älteren Verbände – wie z. B. dem ersten Verband der rheinisch-westfälischen Kohlezechen von 1877 – noch nicht vorgesehen, wurden jedoch im Laufe der weiteren Kartellentwicklung üblich. Darüber hinaus wurden neben den genannten Konventionalstrafen häufig Unterbietungskonkurrenz und der Einsatz von (zur Büchereinsicht und Rechnungsprüfung befugten) Kontrolleuren vertraglich geregelt; vgl. z. B. Liefmann, Unternehmerverbände (wie oben, S. 231, Anm. 91), S. 57 ff., 69 f.
n
Rechtsgarantie selbst für solche Bildungen nicht gleichgültig.In B folgt: die
m
Der Tauschverkehr ist heute ganz überwiegend zwangsrechtlichA: dennoch. Aber allerdings ist ein solcher Verkehr
ma
sicherlich nicht in der Art möglich, wie er sich tatsächlich gestaltet hat.B: ⟨wäre ohne „staatliche“ Rechtsgarantie ⟨ein Verkehr moderner Art⟩ der moderne GüterVerkehr⟩
o
garantiert. Es wird normalerweise beabsichtigt, durch den Tauschakt subjektive „Rechte“, also,A: rechtlich
p
soziologisch ausgedrückt: die Chance der Unterstützung des staatlichen Zwangsapparats für Verfügungsgewalten, zu erwerben. Die „wirtschaftlichen Güter“A: Rechte, d. h.
92
sind heute normalerweise zugleich legitim erworbene subjektive Rechte, „Wirtschaftliche Güter“ sind für Weber die mit konkreten Sachgütern oder menschlicher Arbeit für den wirtschaftenden Menschen verbundenen Nutzleistungen zum Zweck wirtschaftlicher Vorsorge. Begrifflich davon unterschieden sind zum einen die für die Befriedigung irgendwelcher – auch zukünftiger – Bedürfnisse in Frage kommenden „freien Güter“, zum anderen – im Anschluß an Böhm-Bawerk, Rechte (wie oben, S. 200, Anm. 25), S. 76–98, 124–147 – die als Quelle gegenwärtiger oder künftiger Verfügungsgewalt über Nutzleistungen geltenden „Rechte“ und „Verhältnisse“; vgl. Weber, Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie, S. 30.
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die „Wirtschaftsordnung“ baut [232]ihren Kosmos aus diesem Material. Dennoch besteht auch heute nicht die Gesamtheit der Tauschobjekte daraus. Auch solche Vgl. die klassische Formulierung Böhm-Bawerks zur Theorie der Verfügungsrechte, daß „die Rechte nie Güter für sich (sind), sondern […] die Form, welche die allgemeine Bedingung jeder Gutsqualität: ,Verfügungsmacht über das Ding‘ in der rechtlich organisierten Gesellschaft anzunehmen oder doch mit zu erfordern pflegt“ (ders., Rechte (wie oben, S. 200, Anm. 25), S. 122; vgl. auch ebd., S. 41–44, 46 f., 119–122).
q
ökonomische Chancen, welche nicht durch die Rechtsordnung garantiert sind und deren Garantierung sie sogarA: Aber wenn demgemäß auch die Wirtschaftsordnung überwiegend zugleich einen Kosmos erworbener Rechte darstellt, so doch nicht ihre Gesamtheit. Auch
r
grundsätzlich ablehnt, sind Gegenstände des Tauschverkehrs[,] und zwar nicht etwa eines „illegitimen“[,] sondern eines ganz legitimen[232] Fehlt in A.
s
Tauschverkehrs. Dahin gehört z. B. die entgeltliche Übertragung der „Kundschaft“ eines Geschäftsmannes. Der Verkauf einer Kundschaft hat zur privatrechtlichen Folge normalerweise heute nur bestimmte Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer:A: illegitimen
u
daß er sich gewisser Handlungen enthalte, eventuell auch andre („Einführung“ des Käufers) leiste.B: Verkäufers gegen den Käufer:
94
Aber er[232] Der gängigen handelsrechtlichen Literatur gilt die Kundschaft als rein „wirtschaftliches Gut“, das einem gewissen Rechtsschutz durch die Regeln über den unlauteren Wettbewerb unterliegt. Auf die Veräußerung – mit oder ohne die gewerbliche Unternehmung – finden die Regeln des Kaufes (§ 433 BGB) entsprechende Anwendung. Der Veräußerer hat für das Vorhandensein (nicht das weitere Verbleiben) der bezeichneten Kunden einzustehen, sich weiteren geschäftlichen Verkehrs mit seinen früheren Kunden zu enthalten und sonstige störende Einwirkung auf den Geschäftsverkehr des Käufers mit der (neuen) Kundschaft zu unterlassen; vgl. etwa Staub’s Kommentar zum Handelsgesetzbuch, bearb. von Heinrich Koenige, Albert Pinner, Felix Bondi, 11. Auflage (unveränderter Nachdruck der 10. Aufl. 1919), Band 2, Halbband 1. – Berlin, Leipzig: Walter de Gruyter & Co. 1921, S. 542 f., Anm. 3, zu § 373.
a
gewährt Ansprüche gegen Dritte nicht. Es gab und gibt aberB: sie
t
Fälle, in welchen die Zwangsapparate der politischen Gewalt sich zur Verfügung halten, um einen direkten Zwang (z. B. beim „Zunftbann“ oder rechtlich geschützten „Monopol“) zugunsten des Besitzers und Erwerbers von Absatzchancen auszuüben. Es ist bekannt, wie Fichte im „Geschlossenen Handelsstaat“A: Übertragung der Kundschaft eines Geschäftsmannes. Es gab und gibt
95
das Spezifische der modernen Rechtsentwicklung gerade darin fand, [233]daß im Gegensatz dazu heute Fichte, Handelsstaat, hier Zweites Buch: Zeitgeschichte: Vom Zustande des Handelsverkehrs in den gegenwärtigen wirklichen Staaten, S. 478–505, bes. S. 483. Fichte beschreibt den Handelsverkehr der empirischen Staaten als „Anarchie des Handels“, beherrscht von der wirtschaftsliberalen Maxime der freien Konkurrenz von Waren und Dienstleistungen, die bei stetig wachsender Bevölkerung und entsprechend steigenden Bedürfnissen zur Quelle immer schärferer ökonomischer und sozialer Ungleichheiten werde. Dem setzt er einen wirtschaftlich autarken, monopolistisch regulierten und genossenschaftlich organisierten „Vernunftstaat“ entgegen, der Produktion und Verteilung der Güter seiner eigenen Regelung unterwirft und eine nach den relativen Bedürfnissen angemessene Versorgung den jeweiligen ,Standesgenossen‘ kraft seiner Zwangsgewalt garantiert (vgl. Erstes Buch: Philosophie, S. 429–477).
b
im Prinzip nur noch Ansprüche auf konkrete nutzbare Sachgüter oder Arbeitsleistungen Gegenstand des staatlichen Rechtsschutzes sind:[233] Fehlt in A.
96
die sog. „freie Konkurrenz“ drückt sich, rechtlich betrachtet, in der Tat eben hierin aus. Obwohl[233] Diesen Gegensatz von ökonomischem Liberalismus und wohlfahrtsstaatlicher Strategie der merkantilistischen Wirtschaftspolitik hatte Marianne Weber als den wirtschaftspolitischen Hauptgedanken von Fichtes „Geschlossenem Handelsstaat“ ausgeführt in ihrer Schrift: Fichte’s Sozialismus und sein Verhältnis zur Marxschen Doktrin (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, hg. von Carl Johannes Fuchs, Gerhart von Schulze-Gävernitz und Max Weber, Band 4, Heft 3), 2. Aufl. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 62–73, bes. S. 66 ff.
c
also hier die gegen Dritte nicht mehr rechtlich geschützte ChanceA: Und obwohl
d
trotzdem ökonomisches Verkehrsgut geblieben ist, hat die Versagung der Rechtsgarantie ersichtlich dennoch weittragende ökonomische Folgen. Prinzipiell aber – das ist begrifflich festzuhalten –A: das nicht mehr rechtlich geschützte Gut
e
bleibt für die soziologische und ökonomische Betrachtung ihr Eingreifen zunächst lediglich eine Steigerung der Sicherheit, mit welcher auf das Eintreten des ökonomisch relevanten Ereignisses gezählt werden kann.A: Immer aber
f
A: lediglich | Fortsetzung des Satzes im Typoskript, unten, S. 238.
[B 12][A 13a]Die
g
rechtliche Geordnetheit eines Sachverhalts, d. h. immer: das Vorhandensein einer menschlichen Instanz, wie immer geartet sie sei, welche im Fall des Eintritts der betreffenden Tatsache als (prinzipiell) in der Lage befindlich gilt,In B geht die Satzanweisung Max Webers voraus: Absatz
h
nach irgend welchen Normvorstellungen anzugeben: was nun „von Rechts wegen“ zu geschehen habe, ist aberA: prinzipiell in der Lage ist,
i
überhaupt nirgends bis in die letzten Konsequenzen durchgeführt. Und zwar sollFehlt in A.
j
nicht davon hier die Rede sein: daßA: ist
l
jede rationale Vergesellschaftung, und also auch: Ordnung, des Gemeinschafts- und EinverständnishandelnsIn B folgt: ⟨die rechtliche⟩
m
diesen selbst gegenüber das posterius zu sein pflegt, wie wir früher sahen.B: Gemeinschaftshandelns > Gemeinschafts- und Einverständnishandelns
1
Auch nicht davon, daß die Entwicklung des Gemeinschafts- und Einverständnishandelns Siehe oben, S. 230 f., 222 ff.
k
fortwährend einzelne ganz neue Sachlagen entstehen läßt, welche mit den als geltend anerkannten Normen und den üblichen logischen Mitteln der Jurisprudenz gar nicht [234]oder nur scheinbar und gewaltsam zu entscheiden sind (These der „freirechtlichen“ Bewegung).A: Rede, daß die Entwicklung des Gemeinschaftshandelns
2
Sondern davon, daß oft gerade „grundlegende“ Fragen einer sonst sehr stark[234] Gemeint ist die Lückenthese der freirechtlichen Bewegung. Zur „freirechtlichen Doktrin“ insgesamt vgl. unten, S. 623 f.
o
durchrationalisierten Rechtsordnung rechtlich überhauptB: voll > sehr stark
n
gar nicht geregelt zu sein pflegen.[234]A: Rechtsordnung rechtlich
3
Um zwei spezifische Typen dieses Sachverhalts In der Sache folgt Weber den Ausführungen Georg Jellineks, Allgemeine Staatslehre, Elftes Kapitel: Staat und Recht, hier S. 354–364. Jellinek kritisiert hier – worauf auch Weber in den nachfolgenden Beispielen abstellt – das Dogma von der Geschlossenheit des Rechtssystems im öffentlichen Recht, das sich vor allem durch die nicht justitiablen Handlungen der obersten Staatsorgane als Illusion erweise. Die darin begründete Problematik verfassungsrechtlich nicht vorgesehener Organhandlungen oder -streitigkeiten führt bei Jellinek zum Gedanken der rechtszerstörenden und rechtschaffenden Kraft faktischer Machtverhältnisse (vgl. ebd., 360 ff.).
p
durch Beispiele zu illustrieren, so ist z. B. 1)A: Typen
q
dieA: eins ; B: 1).
r
Frage: was „von Rechts wegenIn B folgt: ⟨schon früher einmal als Schulbeispiel [benutzte]⟩
s
“ zu geschehen habe, falls ein „konstitutioneller“ Monarch seine verantwortlichen Minister entläßt, aber es unterläßt, an ihrer Stelle irgend welche anderen zu ernennen, so daß alsoA, B: rechtswegen
t
niemand zur Gegenzeichnung seiner Akte vorhanden ist, nirgends wo in irgend [WuG1 381]einer „Verfassung“ der Welt rechtlich geregelt. Feststeht nur: daßFehlt in A.
b
dann gewisse Regierungsakte „gültig“ nicht möglich sind. Das Gleiche giltIn B folgt: ⟨in der ganzen Welt⟩
a
– in den meisten Verfassungen wenigstens – 2) fürA: ebensowenig irgend wo rechtlich geregelt wie
c
die Frage: was zu geschehen habe, wenn ein nur durch freiwillige Vereinbarung der betreffenden Faktoren festzustellendes „Staatsbudget“ nicht zustande kommt. Die erstere Frage erklärt JellinekA: zwei
4
mit Recht für praktisch „müßig“, – aber das uns hier Interessierende Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 13–19, hier S. 17, stellt den Grundsatz auf, „daß das politisch Unmögliche nicht Gegenstand ernsthafter juristischer Untersuchung sein kann. Müßig wäre z. B. eine Untersuchung der Frage, was Rechtens sei, wenn der deutsche Kaiser den Reichskanzler entläßt, ohne einen neuen zu ernennen […]. Alles Recht soll gelten, d. h. die Möglichkeit besitzen, in den Erscheinungen verwirklicht zu werden.“
d
muß gerade sein: warum sie denn eigentlich „müßig“ ist. Die zweite Art von „Verfassungslücke“A, B: interessierende
5
dagegen Das Problem der sog. „Verfassungslücken“ behandelt rechtsvergleichend und -historisch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 356–364; ders., Verfassungsänderung und Verfassungswandlung. Eine staatsrechtlich-politische Abhandlung. – Berlin: O. Häring 1906, S. 43–70, und speziell hinsichtlich des nicht rechtmäßig zustande gekommenen [235]Budgets bereits ders., Gesetz und Verordnung. Staatsrechtliche Untersuchungen auf rechtsgeschichtlicher und rechtsvergleichender Grundlage. – Freiburg i. Br.: J.C.B. Mohr 1887, S. 295–312 (hinfort: Jellinek, Gesetz). Das Buch über „Verfassungswandel“ hat Weber besonders geschätzt, wie sein Brief an Georg Jellinek vom 27. August 1906 dokumentiert (vgl. MWG II/5, S. 149–152).
e
[235]ist bekanntlich sehr praktisch geworden.Fehlt in A.
6
Man kann Weber spielt hier auf den preußischen Verfassungskonflikt 1862–1866 an, der die von König Wilhelm I. für die beabsichtigte Heeresreform geforderte Budgetbewilligung zum Gegenstand hatte. Nachdem die Krone die von der liberalen Mehrheit gestellten Bewilligungsbedingungen im preußischen Abgeordnetenhaus zurückgewiesen und dieses deshalb die Zustimmung verweigert hatte, schaltete der neue preußische Ministerpräsident, Otto von Bismarck, das Parlament kurzerhand aus und führte die Heeresreform trotz fehlenden Haushaltsgesetzes (Art. 99 Preußische Verfassungsurkunde) durch; vgl. hierzu: Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 3: Bismarck und das Reich, 3., wesentl. überarb. Aufl. – Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1963, S. 275–377. Rechtsdogmatisch hat Paul Laband das Verfassungsproblem im monarchischen Sinne mit Hilfe des „doppelten“ Gesetzesbegriffes gelöst. Das Budgetgesetz ist Gesetz nur im formellen, nicht im materiellen Sinn, enthält also keine objektiven Rechtssätze, weshalb eine Regierung, die Ausgaben ohne etatmäßige Deckung leistet, nicht rechtswidrig handelt; vgl. Laband, Paul, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, in: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, Bd. 4, 1870, S. 619–707; vorbereitend hierfür schon Gerbers Auffassung, wonach es bei Streitigkeiten „als ein Satz des deutschen Staatsrechts“ gelte, daß „die Vermuthung für das Recht des Monarchen ist“ (Gerber, Carl Friedrich Wilhelm von, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 3. Aufl. – Leipzig: Bernhard Tauchnitz 1880, S. 133; hinfort: Gerber, Grundzüge).
f
geradezu die These aufstellen: daß es für jede „Verfassung“ im soziologischen Sinn, d. h. für die Art der faktischen, die Möglichkeit, das Gemeinschaftshandeln durch Anordnungen zu beeinflussen, bestimmenden[235]A: geworden und man kann
g
Machtverteilung in einem Gemeinwesen,A: faktischen
7
charakteristisch ist, wo und welcher Art derartige, grade die Weber folgt insoweit dem empirischen Verfassungsverständnis Ferdinand Lassalles. In einem Vortrag „Über Verfassungswesen“, gehalten in einem Berliner Bürger-Bezirks-Verein. – Berlin: G. Jansen 1862, S. 31 f., sagt dieser: „Verfassungsfragen sind ursprünglich nicht Rechtsfragen; die wirkliche Verfassung eines Landes existirt nur in den reellen, thatsächlichen Machtverhältnissen, die in einem Lande bestehen; geschriebene Verfassungen sind nur dann von Wert und Dauer, wenn sie der genaue Ausdruck der wirklichen in der Gesellschaft bestehenden Machtverhältnisse sind […].“
h
Grundfragen betreffende, „Lücken“ seine „Verfassung“ im juristischen Sinne des Worts auf[B 13][A 13b]weist. SolcheFehlt in A.
i
Lücken des zweiten Typus werden daherA: Denn solche
k
zuweilen bei der rationalen Satzung einer Verfassung durch Vereinbarung oder Oktroyierung durchaus absichtsvoll bestehen gelassen. Deshalb natürlich,Fehlt in A.
l
weil der oder dieA: nämlich,
m
im Einzelfall bei [236]der Schaffung der Verfassung ausschlaggebenden Interessenten die Erwartung hegen, daß gegebenenfalls er oder sieB: (oder die)
n
dasjenige Maß von Macht besitzen werden, um das, rechtlich angesehen, alsdann der gesatzten[236]B: (oder sie)
o
„Ordnung“ entbehrende, dennoch aber unvermeidlich weiter ablaufende Gemeinschaftshandeln nach ihrem Willen zu lenken, im Beispiel also: budgetlos zu regieren.Fehlt in A.
8
Lücken des ersten oben illustrierten Typus aber pflegt man um deswillen nicht auszufüllen, weil die begründete Überzeugung besteht:[236] So hatte bereits Jellinek, Gesetz (wie oben, S. 235, Anm. 5), bes. S. 300, 306, festgestellt, daß in staats- bzw. verfassungsrechtlich ungeklärten Krisensituationen wie einem Budgetkonflikt die tatsächliche politische Machtlage zwischen den obersten Staatsorganen (Parlament und Regierung) entscheide.
p
das eigene Interesse des oder derA: man die feste Überzeugung hat,
q
Betreffenden, im Beispiel also: des Monarchen, werde jederzeit ausreichen, sein Handeln so zu bestimmen, daß der rechtlich mögliche „absurde“ Tatbestand des Fehlens verantwortlicher Minister thatsächlich eben nie eintreten werde. Es gilt trotz jener „Lücke“ einverständnismäßig zweifellos alsFehlt in A.
r
eine „Pflicht“ des Monarchen, Minister zu ernennen.A: absurde Tatbestand nie eintritt. Es gibt zweifellos
s
Und zwar als eine „indirekt garantierte“In A folgt: Ob man sie als rechtliche oder konventionelle ansieht, gilt uns hier gleich.
a
Rechtspflicht. Denn es giebt Rechtsfolgen: die Unmöglichkeit, gewisse Akte „gültig“ zu vollziehen, also dafür die Chance der Garantie des Zwangsapparats zu erlangen, welche die Consequenz davon sind.B: „indirekte“ > „indirekt garantierte“
t
Aber im Übrigen ist nicht geregelt,Fehlt in A.
b
weder rechtlich noch konventionell,A: Nicht geregelt,
c
was geschehen soll, um die Staatsverwaltung fortzuführen,A: konventionell ist aber,
d
wenn er dieser Pflicht nicht nachlebt, und da der Fall noch niemals eingetreten ist, so fehlt auch eine „Sitte“, welche Quelle einer Entscheidung werden könnte. Dies zeigt wiederum besonders deutlich, daß Recht,Fehlt in A.
e
Konvention und Sitte keineswegs die einzigen Mächte sind, auf welche man als Garanten eines von einem anderen erwarteten, von ihm zugesagten oder sonst für ihn als pflichtmäßig geltendenA: uns erneut, daß Recht
f
Verhaltens zählt und zählen kann, sondern daneben vor Allem:A: erwarteten
g
das eigene Interesse des anderen an dem Fortlaufen eines bestimmten Einverständnishandelns als solchem.A: daneben:
h
Die Sicherheit[,] mit der [237]man darauf rechnet: daß der Monarch jene als geltend vorausgesetzte Pflicht erfüllen werde, ist gewiß größer, aber doch nur graduell größer, als die Sicherheit, mit welcher in unsrem früheren BeispielA: Gemeinschaftshandelns.
i
der eine Tauschpartner bei einem gänzlich jeder Normierung und Zwangsgarantie[237]A: oder daß anderenfalls irgend wie sonst der Ablauf des Gemeinschaftshandelns garantiert werde, ist sehr stark, aber doch nur graduell verschieden von der Sicherheit, mit welcher
j
entbehrenden Verkehr auf ein seinen Intentionen entsprechendes Verhalten des andern zählt und, [A 13c][B 13a]beiFehlt in A.
k
fortgesetztem Verkehr, auch ohne alle Rechtsgarantie gewöhnlich zählen kann. Worauf es hier ankam, war nur die Feststellung: daß die rechtliche und ebenso die konventionelle Ordnung eines Einverständnis- oder GesellschaftshandelnsBlatt A 13c/B 13a ist nur zur Hälfte beschrieben.
l
prinzipiell und unter Umständen ganz bewußt nur Fragmente desselben erfaßt. Die Orientierung des Gemeinschaftshandelns an einer Ordnung ist zwar konstitutiv für jede Vergesellschaftung, aber der Zwangsapparat ist es nicht für die Gesammtheit alles perennierenden und anstaltsmäßigA: Gemeinschaftshandelns
n
geordneten Verbandshandelns.B: anstaltsmäßige
m
Träte der absurde Fall des Beispieles Nr. 1 ein, so würde er sicherlich sofort die juristische Spekulation in Bewegung setzen und vielleicht eine konventionelle oder auch rechtliche Regelung eintreten. Aber inzwischen hätte irgend ein, je nach der Lage vielleicht sehr verschiedenes Gemeinschafts-A: nicht für alles Gemeinschaftshandeln,
ma
auch nicht für alles perennierende und anstaltsmäßige geordnete Gemeinschaftshandeln. Und für das Gemeinschaftshandeln ist konstitutiv, daß es so abläuft, als ob eine Ordnung, an der es sich orientiere, bestände, nicht aber das reale Vorhandensein einer solchen.B: ⟨Einverständnishandeln⟩ ⟨Verbandshandeln⟩ ⟨Einverständnishandeln⟩
p
oder Einverständnis- oder GesellschaftshandelnBindestrich fehlt in B.
o
den konkreten Fall bereits praktisch erledigt.A: Gemeinschaftshandeln
oa
In B folgt: ⟨oder Einverständnishandeln⟩
9
Die normative Regelung ist eine wichtige, aber nur eine causale Komponente des Einver[238]ständnishandelns, nicht aber – wie Stammler möchte –[237] Vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 359: „Die Möglichkeit […] gänzlich außerhalb des Rechtsgebietes stehender Vorgänge kann daher niemals durch Gesetze gänzlich ausgeschlossen werden, und selbst bei einer reich entwickelten Rechtsordnung können ,Verfassungslücken‘ vorkommen, die gegebenenfalls durch die faktischen Machtverhältnisse ausgefüllt werden. Die Jurisprudenz mag dann später nachhinken und mit Hilfe dialektischer Kunststückchen die vollendete Tatsache als rechtmäßig nachweisen, sie vollzieht damit doch nur den Versuch einer Rationalisierung von Fakten […]“; vgl. auch ebd., S. 362.
q
dessen universelle „Form“A: Komponente des Gemeinschaftshandelns, nicht aber
i
.i(ab S. 222: 1. Es ist sogar )-i In B steht am Rand die Satzanweisung Max Webers: Petit (doppelt unterstrichen).
10
[238] So Stammler, Wirtschaft und Recht, speziell: Zweites Buch, Zweiter Abschnitt: Die Form des sozialen Lebens, S. 112–130.
[B -][A 14]3. Bedeutung und GrenzenbB: § [Spatium] Grenzen > § [Spatium] Grenzen der Bedeutung > 3. Bedeutung und Grenzen des Rechtszwangs für die Wirtschafta[238] Fehlt in A.
B: § [Spatium] Grenzen > § [Spatium] Grenzen der Bedeutung > 3. Bedeutung und Grenzen
[238] Fehlt in A.
Die
c
Rechtsgarantien und also diejenigen Normvorstellungen, auf denen sie als Motiv ihrer Schaffung, Auslegung, Anwendung beruhen oder mitberuhen, kommen für eine nach empirischen Regelmäßigkeiten und Typen forschende Disziplin, wie die Soziologie es ist, in Betracht sowohl als Folge, wie, vor Allem[,]In A geht der Satzanschluß an den Typoskripttext, oben, S. 233, textkritische Anm. f, voraus: eine Steigerung der Sicherheit mit welcher auf das Eintreten des ökonomisch relevanten Ereignisses gezählt werden kann.
ca
In B steht am Rand die gestrichene Satzanweisung Max Webers: Petit
d
als Ursache oder [WuG1 382]Mitursache von Regelmäßigkeiten,A: Regeln und Typen forschende Disziplin in Betracht
e
sowohl des soziologisch direkt relevanten Handelns von Menschen wie, dadurch hervorgerufen,Fehlt in A.
f
der soziologisch indirekt relevanten Naturgeschehnisse. Faktische Regelmäßigkeiten des Verhaltens („Sitte“) können, sahen wir,A: wie
11
Quelle der Entstehung von Regeln für das Verhalten („Convention“, „Recht“) werden. Ebenso aber umgekehrt. Siehe oben, S. 213 f., 222 ff.
g
Nicht nur solche Regelmäßigkeiten werden durch die (conventionellen oder)Fehlt in A.
h
Rechtsnormen erzeugt oder miterzeugt, welche direkt den Inhalt ihrer Anordnungen ausmachen, sondern auch andere. Daß z. B.Fehlt in A.
i
ein Beamter täglich regelmäßig auf seinem Büro erscheint, ist direkt Folge der Anordnung einer praktisch als „geltend“ behandelten rechtlichen Norm. Daß dagegen der „Reisende“ einer Fabrik sich jährlich regelmäßig zur Entgegennahme von Aufträgen bei den „Detaillisten“Fehlt in A.
j
einstellt, ist nur indirekt, durch die faktische Zulassung der Konkurrenz um die KundschaftA: Folge direkter Anordnung einer Norm. Daß der Bäcker und Fleischer sich täglich regelmäßig zur Ablieferung von Waren und Entgegennahme von Aufträgen bei uns
l
[239]und die durchB: Kundschaft,
m
diese Zulassung mitbedingte Nötigung dazu, von[239]B: dadurch
k
Rechtsnormen mitbestimmt. Daß weniger Kinder zu sterben pflegen, wenn das Fernbleiben der stillenden Mütter von der Arbeit als conventionelle oder rechtliche „Norm“ gilt, ist gewiß Folge des Geltens jener Norm, und wenn sie eine gesatzte Rechtsnorm ist, auch einer der rationalenA: Kundschaft, durch
n
Zwecke von deren Schöpfern.A: Norm gilt, ist nicht nur die Folge davon, sondern bei der Rechtsnorm auch einer der
12
Aber „anordnen“ können sie natürlich[239] Weber zielt hier – wie aus: Weber, Nachtrag, S. 378, ersichtlich – auf eine entsprechende Norm des Preußischen Allgemeinen Landrechts. Der Abschnitt über Rechte und Pflichten der Eltern (Zweiter Teil, Zweiter Titel, Zweiter Abschnitt) enthält im § 67 die Bestimmung: „Eine gesunde Mutter ist ihr Kind selbst zu säugen verpflichtet.“
o
nur dieses Fernbleiben, nicht jenes Wenigersterben. Und auch für das direkt befohlene oder verboteneFehlt in A.
p
Handeln ist die praktische Wirksamkeit der Geltung einer Zwangsnorm natürlich problematisch: ihre Befolgung ist nur ihre „adäquate“A: Auch für das
13
, nicht ihre ausnahmslose Folge. Starke Interessen können vielmehr Weber hat die logische Kategorie der „adäquaten Verursachung“ erörtert in: Weber, Kritische Studien, bes. S. 185–207. Dabei verweist er nachdrücklich auf die Arbeiten des Physiologen und Kriminologen Johannes von Kries (ebd., S. 188, Fn. 29, und S. 204, Fn. 37).
q
dazu führen, daß trotz des Zwangsapparats nicht nur vereinzelt, sondern überwiegend und dauernd der durch diesen „geltenden“ Rechtsnorm ungestraft zuwidergehandelt wird.A: problematisch. Mächtige Interessen können
r
Die garantierende Zwangsgewalt pflegt, wenn ein Zustand dieser [B -][A 15]Art konstant geworden ist und die Beteiligten infolgedessen die Überzeugung von der Normgemäßheit ihres Tuns[,] statt des durch die prätendierend geltende Rechtsregel geforderten,A: der – soweit die Bereithaltung des Zwangs in Frage kommt – trotzdem geltenden Rechtsnorm zuwidergehandelt wird. Ist dem so, dann wollen wir den empirischen Bestand jener Norm als ein prätendiertes Gelten bezeichnen, dabei immer der gänzlichen Flüssigkeit der Übergänge eingedenken,
s
gewonnen haben, schließlich diese letztere nicht mehr zu erzwingen, und der Rechtsdogmatiker spricht dann von „Derogation durch Gewohnheitsrecht“.A: Tuns, nicht der prätendierenden Rechtsregel,
14
In der Rechtsquellenlehre meint „Derogation“ (von lat. derogare: absprechen, abschaffen) die Verdrängung des geltenden Gesetzes- oder Gewohnheitsrechts durch eine dauerhaft widerständige Rechtspraxis (Übung) und damit verbundene allgemeine Rechtsüberzeugung.
Allein auch
t
ein Zustand chronischen Conflikts zwischen neben einander „geltenden“ Rechtsnormen, die der Zwangsapparat der [240]politischen Gewalt garantiert, und conventionellen Regeln ist – wie auf dem Gebiet des Zweikampfs als einer conventionellen Umbildungt-t(bis S. 241: haben werden.) Fehlt in A.
a
der Privatrache[240]B: eines Restes
aa
> einer conventionellen UmbildungAlternative Lesung: Rechts
15
– möglich und bereits früher besprochen[240] Der „Zweikampf“ entwickelte sich aus der urwüchsigen Blutrache zur vertragsartig regulierten Fehde und zum mittelalterlichen gerichtlichen Zweikampf. Im Zuge des frühneuzeitlichen Strafrechts wurde er als legitimes Mittel der Streitentscheidung verdrängt und in der Folgezeit den Konventionen eines ständischen Ehrenkodex unterstellt; vgl. dazu: Binding, Zweikampf (wie oben, S. 204, Anm. 34), und Belows Beiträge zur Kontroverse um den germanischen Ursprung des Duells: v.a. Below, Georg von, Das Duell und der germanische Ehrbegriff. – Kassel: Max Brunnemann 1896, sowie: ders., Der Ursprung des Duells, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Neue Folge, Jg. 2, 1897/98, S. 321–351.
16
worden[.] Und während es allerdings nichts Seltenes ist, daß Rechtsnormen rational gesatzt werden, um bestehende „Sitten“ und Conventionen zu ändern, ist dennoch der normale Sachverhalt Siehe oben, S. 204 ff.
b
der: daß die Rechtsordnung nicht etwaB: dem Schwerpunkt nach doch der Sachverhalt > dennoch der normale Sachverhalt
c
infolge des Bestehens der Zwangsgarantie in der Realität empirisch „gilt“, sondern deshalb, weil ihre GeltungB: keineswegs in erster Linie > nicht etwa
d
als „Sitte“ eingelebt und „eingeübt“ ist und die Convention die flagrante Abweichung von demB: Befolgung > Geltung
e
ihr entsprechenden Verhalten meist mißbilligt. Für den Rechtsdogmatiker ist die (ideelle) Geltung der Rechtsnorm das begriffliche prius; ein Verhalten,In B folgt: ⟨eingelebten,⟩
f
welches rechtlich nicht direktB: Handeln > Verhalten
g
normiert ist, ist ihm rechtlich „erlaubt“ und also insofern von der Rechtsordnung (ideell) dennoch mitbetroffen. Für den Soziologen ist umgekehrt die rechtliche, und insbesondre die rational gesatzte, RegelungB: (ideell) > direkt
h
eines Verhaltens empirisch nur eine Componente in der Motivation des GemeinschaftshandelnsB: Normierung > Regelung
i
und zwar eine historisch meist spät auftretende und sehr verschieden stark wirkende. Die überall im Dunkel liegenden Anfänge faktischer Regelmäßigkeiten und „Sitten“B: Handelns > Gemeinschaftshandelns
j
des Gemeinschaftshandelns betrachtet er[,] wie wir sahen,B: ersten Anfänge > Anfänge faktischer Regelmäßigkeiten und „Sitten“
17
als entstanden durch die auf Trieben und Instinkten ruhende Einübung eines den gegebenen Lebensnotwendigkeiten „angepaßten“ Sich[241]verhaltens Siehe oben, S. 210 ff.
k
, welches zunächst jedenfalls nicht durch eine gesatzte Ordnung bedingt war und auch nicht durch eine solche verändert wurde. Das zunehmende Eingreifen gesatzter Ordnungen aber ist für unsere Betrachtung nur ein besonders charakteristischer Bestandteil jenes Rationalisierungs- und Vergesellschaftungsprozesses, dessen fortschreitendes Umsichgreifen in allem GemeinschaftshandelnB: von Handeln > eines Sichverhaltens > eines den gegebenen Lebensnotwendigkeiten „angepaßten“ Sichverhaltens
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wir auf allen Gebieten als wesentlichste Triebkraft der Entwicklung zu verfolgen haben werden.[241] Weber variiert hier die in: Weber, Kategorien, S. 292, formulierte These einer „Rationalisierung der Ordnungen“.
t
[241] t(ab S. 239: Allein auch)–t Fehlt in A.
[WuG1 383]Zusammenfassend ist über die hier allein zu erörternden allgemeinsten Beziehungen von Recht und Wirtschaft zu sagen:
1. Das Recht (immer im soziologischen Sinn) garantiert keineswegs nur ökonomische, sondern die allerverschiedensten Interessen, von den normalerweise elementarsten:
l
Schutz rein persönlicher Sicherheit bis zu rein ideellen Gütern wie der eigenen „Ehre“ und derjenigen göttlicher Mächte. Es garantiert vor allem auch politische, kirchliche, familiäre oder andere AutoritätsstellungenA: elementarsten seiner Inhalte: dem
n
und überhaupt soziale Vorzugslagen aller Art, welche zwar in den mannigfachsten Beziehungen ökonomisch bedingt und relevant sein mögen, aber selbst nichts ÖkonomischesB: Autoritätsstellungen,
o
und auch nichts notwendig oder vorwiegend aus ökonomischen Gründen Begehrtes sind.B: ökonomisches
p
B: sind,
m
A: Autoritäten, welche zwar in den mannigfachsten Beziehungen ökonomisch bedingt und relevant, aber selbst nichts ökonomisches und nicht notwendig oder vorwiegend aus ökonomischen Gründen begehrt sind, und überhaupt soziale Vorzugsstellungen aller Art.
2. Eine „Rechtsordnung“ kann unter Umständen
q
unverändert bestehen bleiben, obwohl die Wirtschaftsbeziehungen sich radikal ändern. Theoretisch [–] und in der Theorie operiert man zweckmäßigA: Die gesamte Rechtsordnung kann
r
mit extremen Beispielen – könnte ohne die Änderung auch nur eines einzigen Paragraphen unserer Gesetze eine „sozialistische“ Produktionsordnung durchgeführt werden, wenn man einen successiven Erwerb der Produktionsmittel durch die politische Gewalt im Wege freier Verträge sich durchgeführt denkt, – ein gewiß höchst unwahrscheinlicher, aber (was theoretisch genügt) kei[242]neswegsA: Theoretisch und in der Theorie operieren wir
s
sinnloser Gedanke. Die Rechtsordnung würde dann mit ihrem Zwangsapparat nach wie vor bereit stehen müssen für den Fall, daß zur Erzwingung der für die privatwirtschaftliche Produktionsordnung charakteristischenA: höchst unwahrscheinlicher, aber durchaus nicht
t
Verpflichtungen ihre Hilfe angerufen würde. Nur würde dieser Fall tatsächlich nie[242]A: privatwirtschaftlicher
a
eintreten. A: nicht
[B -][A 16]3. Die rechtliche Ordnung eines Thatbestandes kann vom Standpunkt der
b
juristischen Denkkategorieen aus betrachtet fundamental verschieden sein, ohne daß die Wirtschaftsbeziehungen dadurch in irgend erheblichem Maß berührt werden, wenn nämlichA: Rechtsordnung kann sich vorn Standpunkt der jeweils üblichen
c
nur in den ökonomisch der Regel nachFehlt in A.
d
relevanten Punkten der praktische Effekt für die Interessenten der gleiche ist. Das ist, obwohl an irgend einem Punkte wohl jede Verschiedenheit der Rechtsconstruktion irgend welche ökonomischen Folgen zeitigen kann[,]Fehlt in A.
e
in sehr weitem Maße möglich und auch der Fall. Je nachdem etwa eine „Bergwerkspacht“ juristisch als „Pacht“ oder als „Kauf“A: ist
g
zu construieren wäre, hätte manIn B folgt: juristisch
h
in Rom ein gänzlich verschiedenes KlageschemaB: der Prätor > man
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verwenden müssen. Aber der praktische Effekt des Unterschiedes für die Wirtschaftsordnung wäre sicher sehr gering gewesen.[242] Das römische Formularverfahren sähe einerseits für den Fall des Kaufes das Klageschema der emptio venditio andererseits im Falle der Pacht das der locatio conductio vor.
f
Fehlt in A.
4. Natürlich
i
steht die Rechtsgarantie in weitestem Umfang direkt im Dienst ökonomischer Interessen. Und soweit dies scheinbar oder wirklich nicht direkt der Fall ist, gehören ökonomische Interessen zu den allermächtigsten Beeinflussungsfaktoren der Rechtsbildung, da jede eine Rechtsordnung garantierende Gewalt irgendwie vom Einverständnishandeln der zugehörigenA: Andererseits
j
sozialen Gruppen in ihrer Existenz getragen wird und die soziale Gruppenbildung in hohem Maße durch Konstellationen materieller Interessen mitbedingt ist.A: von
k
In A folgt: Andererseits entfaltet eine sehr große, wohl die überwiegende Zahl aller Unterschiede von Rechtsanordnungen und üblichen Konstruktionsweisen derselben durch die Rechtsdogmatik an irgend einem Punkte ökonomische Wirkungen. | In B steht auf Höhe dieser Zeilen der Vermerk Max Webers: ⟨hier einfügen: | (folgende Seite!)⟩ Restblatt abgeschnitten.
[243][B -][A 17]5. Das Maß von Erfolgen, welches durch die hinter der Rechtsordnung stehende
l
Eventualität des Zwanges erzielt werden kann, speziell auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Handelns, ist außer durch andere Umstände auch durch dessen Eigenart[243]A: den hinter der Rechtsordnung stehenden
m
begrenzt. Zwar ist es bloßer Wortstreit, wenn man versichert: das Recht könne überhaupt „Zwang“ zu einem bestimmten wirtschaftlichenA: die Natur und jeweilige Eigenart der Wirtschaft
n
Handeln nicht ausüben,Fehlt in A.
20
weil für alle seine Zwangsmittel der Satz bestehe:[243] Die vis absoluta läßt dem Zwangsunterworfenen keinen eigenen Willen. Insofern kann der Zwang nicht zu einem „wirtschaftlichen Handeln“ motivieren, sondern nur zum Unterlassen. So jedenfalls Binding, Rechtszwang (wie oben, S. 195, Anm. 10), S. 489 ff.
o
coactus tarnen voluit.A: gelte:
21
Denn das gilt für ausnahmslos allen Zwang, welcher den zu Zwingenden nicht lediglich wie ein totes Naturobjekt behandelt. Auch Die Rechtsregel: „Coactus volui“ (Ich wollte, wenn auch gezwungen), ist abgeleitet von Paul. D. 4,2,21,5: „Si metu coactus adii hereditatem, puto me heredem effici, quia quamvis si liberum esset noluissem, tamen coactus volui: sed per praetorem restituendus sum, ut abstinendi mihi potestas tribuatur.“ Also: auch eine unter Zwang vorgenommene Rechtshandlung (hier der Erbschaftsantritt) ist als wirksame Willenserklärung aufzufassen, jedoch kann ihre Geltung bestritten werden.
p
die drastischsten Zwangs- und Strafmittel versagen, wo die Beteiligten sich ihnen schlechterdings nicht fügen. Dies heißt aberA: Alle anderen, auch
q
innerhalb eines weiten Bereichs immer: wo sie nicht zu dieserA: fügen und das heißt
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Fügsamkeit „erzogen“ sind.A: zur
s
Die Erziehung zur Fügsamkeit in das jeweils geltende Recht ist im Allgemeinen mit steigender BefriedungIn A folgt: Solche Erziehung aber vermag die Zwangsgewalt der Rechtsordnung durch die mannigfachsten Mittel ebenso zu üben, wie andere Gewalten, etwa die Kirche und Schule sie in ihren Dienst stellen.
t
stark gestiegen. Also müßte, scheint es, auch die Erzwingbarkeit des Wirtschaftshandelns prinzipiell gestiegen sein.A: Die Fügsamkeit in das jeweils geltende Recht ist mit steigender Befriedung – zu deren wichtigsten Instrumenten es ja gehört –
a
Trotzdem aber ist gleichzeitig die Macht des Rechts über die Wirtschaft in vieler Hinsicht nicht stärker, sondern schwächer geworden, als sie es unter anderen Verhält[WuG1 384]nissen war. Preistaxen z. B. sind zwar stets in ihrer Wirksamkeit prekärFehlt in A.
b
gewesen, sie haben aber unter den heutigen Bedingungen im ganzen noch weit weniger Chancen des Erfolgs als jemals früher. Der Grad der Möglichkeit, das wirtschaftliche Verhalten der Menschen zu beeinflussen, ist alsoA: prekäre
c
nicht einfach Funktion der generellen Füg[244]samkeit gegenüber dem Rechtszwang. Die Schranken des faktischen Erfolgs des Rechtszwangs auf dem Gebiet der Wirtschaft ergeben sich vielmehr teils ausIn A folgt: jedenfalls
d
den Schranken des ökonomischen Könnens der Betroffenen: nicht nur der Gütervorrat selbst ist jeweils beschränkt, sondern auch seine jeweils möglichen Verwendungsarten sind begrenzt durch die eingeübten Arten der Verwendung und des Verkehrs der Wirtschaften untereinander, welche sich heteronomen Ordnungen, wenn überhaupt, dann nur nach schwierigen Neuorientierungen aller[244]A: liegen teils in
e
ökonomischen Dispositionen und meist mit Verlusten, jedenfalls also unter Reibungen fügen können,A: der ganzen
f
welche um so stärker werden, je entwickelter und universeller eine spezifische Form des Einverständnishandelns:A: fügen,
g
die Marktverflechtung der Einzelwirtschaften, und also ihre Abhängigkeit von fremdem Handeln ist.Fehlt in A.
h
Zum anderen Teil liegen sie auf dem Gebiet des relativen Stärkeverhältnisses zwischen den privaten ökonomischen und den [B -][A 18]anA: Einzelwirtschaften ist.
i
der Befolgung der Rechtsvorschriften engagierten Interessen. Die Neigung, ökonomische Chancen preiszugeben, nur um legal zu handeln, ist naturgemäß gering,Blatt A 18/B - ist nur zu drei Vierteln beschrieben.
j
wo nicht eine sehr lebendigeA: ist,
k
Konvention die Umgehung des formalen Rechtes stark mißbilligt,A: starke
l
und das wird, wenn die von einer gesetzlichen Neuerung benachteiligten Interessen sehr verbreitet sind, nicht leicht der Fall sein,A: mißbilligt –
m
Umgehungen eines Gesetzes sind gerade auf ökonomischem Gebiet oft leicht verhehlbar. Ganz besonders unzugänglich aberA: sein, – sind naturgemäß gering und
n
sind erfahrungsgemäß dem Einfluß des Rechts die direkt aus den letzten Quellen ökonomischen Handelns fließenden Wirkungen: dieFehlt in A.
o
ökonomischen Güterwertschätzungen, und damit die Preisbildung. Besonders dann[,] wenn ihre DeterminantenA: direkten Wirkungen der letzten Quellen ökonomischen Handelns: der
p
in Produktion und Konsum nichtA: Preisbildung, sofern sie sich nicht in ihren Determinanten
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innerhalb eines vollkommen übersehbaren und direkt beherrschbaren Kreises von Einverständnishandelnden liegen. FernerFehlt in A.
r
aber ist die rationale Kenntnis der Markt- und Interessenlage generell naturgemäß weit größer bei den am Marktverkehr mit ihren eigenen ökonomischen Interessen kontinuierlich Beteiligten, als bei den nur ideell interessierten Schöpfern und ausführenden Organen von Rechtsvorschrif[245]ten. In einer auf universeller Marktverschlungenheit ruhenden Wirtschaft entziehen sich namentlich die möglichen und ungewollten Nebenerfolge einer RechtsvorschriftA: vollzieht. Endlich
t
weitgehend der Voraussicht der Schöpfer der letzteren[,] weil sie ja in der Hand der privaten Interessenten liegen.B: Rechtsvorschrift,
s
Grade sie können aber den beabsichtigten Zweck der Vorschrift im Erfolg bis zur Umkehrung ins gerade Gegenteil entstellen, wie dies oft geschehen ist. Wie weit diesen Schwierigkeiten gegenüber in der Realität jeweils die faktische Macht des Rechts in bezug[245]A: Rechtsvorschrift, weil sie ja in der Hand der privaten Interessenten liegen, weitgehender Voraussicht der Schöpfer der letzteren.
u
auf die Wirtschaft reicht, ist nicht generell, sondern nur für die einzelnen Fälle zu ermitteln und also bei den Einzelproblemen der Sozialökonomik zu erörtern. Generell läßt sich nur sagen, daß, rein theoretisch betrachtet, die vollkommene Monopolisierung und also Übersichtlichkeit eines Markts auch die Beherrschung des betreffenden Ausschnitts der Wirtschaft durch Rechtszwang normalerweise technisch erleichtert. Wenn sie trotzdem faktisch dessen Chancen keineswegs immer erhöht, so liegt dies regelmäßig an dem Partikularismus des Rechts infolge des Bestehens concurrierender politischer Verbände – wovon noch zu reden sein wirdA, B: inbezug
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– und daneben an der Macht der durch die Monopolisten beherrschbaren privaten Interessen, welche sich seiner Anwendung widersetzen.[245] Sachentsprechende Ausführungen siehe unten, S. 361 ff.; außerdem Weber, Gemeinschaften, MWG I/22-1, S. 106 f.
a
Fehlt in A.
[B 17][A 19]6. Die „staatliche“ Garantie der Rechte
23
ist rein theoretisch betrachtet Vgl. die Ausführungen oben, S. 198 f.
b
für keine grundlegende ökonomische ErscheinungA: 5. Die staatliche Garantie der Rechte ist
c
unentbehrlich. Besitzesschutz leistet auch die Sippenhülfe. Den Schutz der Schuldverpflichtungen haben zuweilen religiöse Gemeinschaften (durch Androhung von Kirchenbann)In A folgt: absolut
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wirksamer als politische dargeboten.Fehlt in A.
e
Und auch „Geld“ hat es, in fast allen seinen Formen, ohne staatliche Garantie seiner Annahme als Zahlungsmittel gegeben. Auch „chartales“,A: geboten.
f
[WuG1 385]d. h. nicht durch den Stoffgehalt, sondern durch die Zeichnung von Stücken des Zahlungsmittels geschaffenes Geld ist ohne sie denkbar.Alle Anführungszeichen in A.
24
Und gelegentlich [246]kommt trotz staatlichen Rechtsschutzes chartales Geld nicht staatlichen Ursprungs vor: die Weber bezieht sich auf die von Georg Friedrich Knapp so genannte „Staatliche [246]Theorie des Geldes“, nach der die Bedeutung prinzipiell jedes „Geldes“ in dessen qua Rechtsordnung proklamierter, nominaler und nicht nur deklarierter Geltung, seiner „Chartalverfassung“, liegt; vgl. Knapp, Georg Friedrich, Staatliche Theorie des Geldes, 2., durchges. und verm. Aufl. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1918, S. 21–37 (hinfort: Knapp, Staatliche Theorie). Gezeichnete Stücke mit proklamatorischer Geltung sind „chartale Zahlungsmittel“, und nur diese sind „Geld“ im Sinne der „Staatlichen Theorie“. Ebd., S. 31, heißt es: „Für den genaueren Beobachter ist Geld im Sinne der Neuzeit erst dann vorhanden, wenn die morphischen Zahlungsmittel proklamatorisch gelten. Dann aber haben die Zahlungsmittel chartale Verfassung. […] Geld bedeutet stets chartales Zahlungsmittel […] Die Definition des Geldes ist: chartales Zahlungsmittel.“ Ähnlich die Formulierung in: Knapp, Georg Friedrich, Die rechtshistorischen Grundlagen des Geldwesens, in: (Schmollers) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jg. 30, 1906, S. 45–60, hier S. 55 (hinfort: Knapp, Grundlagen). Der Ausdruck „chartales Geld“ kennzeichnet Webers in diesem Punkt kritischen Anschluß an Knapps Terminologie. So moniert er das ungeklärte Verhältnis von juristischer bzw. ökonomischer Betrachtungsweise in der „Staatlichen Theorie“: Nur für den juristischen Begriff werde die Werteinheit des Geldes staatlich „geschaffen“, nicht für den älteren ökonomischen (Brief Max Webers an Georg Friedrich Knapp vom 22. Juli 1906, MWG II/5, S. 115–117, hier S. 116), und resümiert: „[…] die Gedanken Ihres Buches werden sich m. E. siegreich durchsetzen; nur wird man vielleicht bestreiten, daß die ,staatliche‘ Theorie des Geldes die ganze Theorie des Geldes sei“ (ebd., S. 117).
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„Münze“ im Sinn eines durch die politische Gewalt mit Zwangskurs für Schulden versehenen Zahlungsmittels fehlt der altbabylonischen Zeit;[246]A: vor. Die
h
aber es scheinen sich Kontrakte zu finden, wonach z. B. Fünftelschekelstücke mit dem Stempel einer bestimmten „Firma“ (wie wir sagen würden) zur Zahlung zu verwenden sind;A: Zeit:
i
A: sind:
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die „proklamatorisch“ Weber führt das Beispiel der altbabylonischen Geschäftsurkunden bereits in dem Brief an Georg Friedrich Knapp vom 22. Juli 1906 für seine These nicht-staatlichen Geldes auf kontraktlicher Grundlage ins Feld (vgl. MWG II/5, S. 116). Er bezieht sich dabei vermutlich auf die sogenannten kappadokischen Urkunden aus der mittelassyrischen Zeit (ca. 1300 v. Chr.); vgl. den Nachweis in: MWG II/5, S. 116, Anm. 6.
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in Aussicht gestellte staatliche Garantie also fehlt, auch die gewählte „Werteinheit“ ist nicht staatlichen, sondern kontraktlichen Ursprungs, – Weber gebraucht hier die von Knapp, Staatliche Theorie (wie oben, S. 245, Anm. 24), S. 17 ff., 25, eingeführte Terminologie. Knapp, Grundlagen (ebd.), S. 47, führt aus: „Die Rechtsordnung gibt an, wieviel Werteinheiten jedes Geldstück gilt. […] die Geltung ist also eine aus der Rechtsordnung entspringende Einrichtung; sie beruht auf einem Befehl des Staates; sie ist prokiamatorisch.“
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dennoch aber ist das Zahlungsmittel von „chartaler“ Qualität und steht die staatliche Zwangsgarantie wenigstensGedankenstrich fehlt in A.
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hinter der getroffenen konkreten Vereinbarung. Rein „begrifflich“ notwendig ist der [247]„Staat“ für die Wirtschaft alsoFehlt in A.
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nirgends. Aber allerdings ist speziell eine Wirtschaftsordnung moderner Art ohne eine Rechtsordnung von sehr besonderenA: Vereinbarung. Begrifflich notwendig ist der Staat
n
Eigenschaften, wie sie praktisch nur als „staatliche“ Ordnung möglich ist, zweifellos nicht durchführbar.[247]B: besonderen, ⟨später zu erörternden,⟩
o
Die heutige Wirtschaft beruhtA: nur als staatliche Ordnung möglich ist, praktisch nicht durchführbar. – Restblatt abgeschnitten.
q
auf durch Contrakte erworbenen Chancen[.] SoIn B folgt: ⟨durchweg⟩
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weit auch das eigene Interesse an der „Vertragslegalität“In B folgt: ⟨außerordentlich⟩
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und die gemeinsamen Interessen der Besitzenden am gegenseitigen Besitzschutz reichen[247] Vgl. oben, S. 228 f., und für die Terminologie: Weber, Kategorien, S. 270, 280, 281 f.
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und so stark Convention und Sitte den Einzelnen im gleichen Sinne auch heute noch bestimmenB: reichen, reicht
t
, so hat doch der Einfluß dieser Mächte infolge der Erschütterung der Tradition – einerseits der traditionsgeordneten Verhältnisse und andrerseits des Glaubens an ihre HeiligkeitB: beeinflussen > bestimmen
a
[–] auch außerordentlich an Bedeutung eingebüßt, sind dieB: Heiligkeit ⟨auch ⟩ auf der andren Seite
b
Interessen der Klassen so scharf wie je von einander geschieden, verlangt die moderne Verkehrsgeschwindigkeit ein prompt und sicher funktionierendes, das heißt: ein durch die stärkste Zwangsgewalt garantiertes Recht und hat, vor Allem, die moderne WirtschaftIn B folgt: ⟨Klassengegensätze ⟨schärfer⟩ so scharf⟩
c
kraft ihrer Eigenart die andren Verbände, welche Träger von Recht und also Rechtsgarantie waren, vernichtet. Dies ist das Werk der Marktentwicklung. Die universelle Herrschaft der Marktvergesellschaftung verlangt einerseits ein nach rationalen Regeln kalkulierbares Funktionieren des Rechts. Und andrerseits begünstigt die Marktverbreiterung, die wir als charakteristische Tendenz jener kennen lernen werdenB: Verkehrsentwicklung > Wirtschaft
d
,B: feststellten > kennen lernen werden
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kraft der ihr immanenten Consequenzen die Monopolisierung und Reglementierung aller „legitimen“ Zwangsgewalt durch eine universalistische Siehe die fragmentarischen Ausführungen zur Marktgemeinschaft in Weber, Gemeinschaften, MWG I/22-1, S. 193–199, sowie unten, S. 367 f. und 424 ff.
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Zwangsanstalt, durch die ZersetzungB: einheitliche > universalistische
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aller partikulären,B: Depossedierung > Zersetzung
g
meist auf ökonomischen MonopolenIn B folgt: ⟨stets – wie wir noch sehen werden –⟩
h
ruhenden ständischen und andren Zwangsgebilde. –B: wenigen Marktmonopolen > ökonomischen Monopolen
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Fehlt in A.