Wortbildmarke BAdW

MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[37]Editorischer Bericht

I. Zur Entstehung

Max Webers Abhandlung „Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie“ wurde in drei Teilen 1903,1[37] Weber, Roscher und Knies 1, unten, S. 41–101. 19052 Weber, Roscher und Knies 2, unten, S. 240–327. und 19063 Weber, Roscher und Knies 3, unten, S. 328–379. in Gustav Schmollers „Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich“ publiziert. In einer Vorbemerkung bezeichnete Weber diese Abhandlung als „Fragment“ und merkte an: „Es war ursprünglich für die diesjährige Heidelberger Festschrift bestimmt, wurde aber nicht rechtzeitig fertig und paßte auch seinem jetzigen Charakter nach wenig an jene Stelle.“4 Weber, Roscher und Knies 1, unten, S. 41. Gemeint war die 1903 in zwei Bänden unter dem Titel „Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahrhundert“ publizierte „Festschrift der Universität zur Zentenarfeier ihrer Erneuerung durch Karl Friedrich“. In seiner Vorrede zu dieser Festschrift stellte der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, Fritz Schöll, fest: „Die Geschichte, die neben und zeitweise über der Philosophie die allgemeinste und eine für den Charakter der Hochschule mitbestimmende Wirkung hier ausgeübt hat, entbehrt ja glücklicherweise nicht des geeigneten Ausdruckes; auch die Nationalökonomie sollte einen solchen finden. Und da der hier wesentlich in Betracht kommenden wissenschaftlichen Persönlichkeit, Karl Knies, ein literarisches Porträt bereits von der Hand Gustav Schmollers gewidmet ist, erachtete Prof. Max Weber eine problemgeschichtliche Fassung der Arbeit für die einzig angemessene. In dieser Gestaltung wuchs aber die Arbeit nach der Ansicht ihres Verfassers aus dem Bereiche dieser Festschrift heraus; und da überdies äußere Zufälligkeiten ihre Fertigstellung über den festgesetzten Einlieferungstermin hinaus verzögerten, beabsichtigt er sie an anderer Stelle zu veröffentlichen.“5 Schöll, Vorrede (wie oben, S. 12, Anm. 81), S. XIV.

[38]Weber war im Dezember 1896 als Nachfolger von Knies an die Heidelberger Universität berufen und im Januar 1897 zum ordentlichen Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft ernannt worden.6[38] Zur Berufung Webers nach Heidelberg vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Adolf Hausrath vom 15. Okt. 1896, MWG II/3, S. 216 f., hier S. 216. Es lag also nahe, ihn um einen Beitrag über Knies zu bitten. Unbekannt ist, wer diese Bitte aussprach; möglicherweise war es Schöll, der Mitglied der Berufungskommission zur Besetzung des Lehrstuhls von Knies gewesen war.7 Vgl. ebd. Wann sie ausgesprochen wurde, läßt sich einer Aussage Marianne Webers entnehmen. Demnach erhielt Weber die Einladung im Oktober 1902.8 Marianne Weber zufolge erhielt Weber die Einladung „ein halbes Jahr“ nach seiner Florenz-Lektüre von Rickerts „Grenzen“, die sich auf April 1902 datieren läßt. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild, S. 272 f. Vgl. die Karten Max Webers an Marianne Weber vom 7., 10. und 11. April 1902, MWG II/3, S. 822, 825, 826 f. Sie erreichte ihn bei immer noch prekärer Gesundheit, die ihn seit Sommer 1898 schwer belastet und ihn weitgehend seiner Arbeitskraft beraubt hatte. Sie führte schließlich im Oktober 1903 zu seinem Rücktritt von der Professur.9 Zu seinen Entlassungsgesuchen vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an das Großherzogliche Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 7. Jan. 1900, ebd., S. 711–714, hier S. 711 f. Die von Schöll angesprochenen „äußere[n] Zufälligkeiten“, welche die Fertigstellung von Webers Beitrag verzögerten,10 Schöll, Vorrede (wie oben, S. 12, Anm. 81), S. XIV. dürften also auf Webers Krankheit zurückzuführen sein, wie auch Marianne Weber bestätigt.11 Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild, S. 272 ff.

Weber selbst erklärte gegenüber Schmoller, dem er seine Studie dann am 20. Februar 1903 zur Publikation in dessen „Jahrbuch“ anbot, daß sie nicht „zu dem festgesetzten Termin (Ostern)“ für die Festschrift fertig werde, weil er „monatelang pausieren mußte“.12 Vgl. Brief von Max Weber an Gustav Schmoller vom 20. Febr. 1903, MWG II/4, S. 43 f., hier S. 44. Zudem würde sie, „so wie sie sich gestaltet hat, schlecht in eine Festschrift“ passen.13 Ebd. Damit meinte er offenbar nicht nur jene „problemgeschichtliche Fassung“, von der Schöll sprach.14 Schöll, Vorrede (wie oben, S. 12, Anm. 81 ), S. XIV. Zwar liege ihr „Schwergewicht“ in „dem Versuche, die logischen Voraussetzungen, von denen Roscher u. Knies bewußt oder unbewußt ausgingen, klarzulegen“, doch enthalte sie „im wesentlichen“ auch „methodologische Untersuchungen an der Hand einiger moderner logischer Theorien“.15 Brief von Max Weber an Gustav Schmoller vom 20. Febr. 1903, MWG II/4, S. 43–44, hier S. 44. Weber wollte in der Studie also nicht nur die „methodologischen Ansichten von Knies“ mittels „einer vorherigen Darlegung des methodischen Standpunktes Roschers“ dar[39]stellen.16 [39] Weber, Roscher und Knies 1, unten, S. 42. Sie war auch systematisch angelegt. Nach eigenem Bekunden bestand „einer der Zwecke dieser Studie“ darin, die „Brauchbarkeit der Gedanken“ des „grundlegenden Werk[s] von H. Rickert (Die Grenzen der naturwissensch[aftlichen] Begriffsbildung)“ für die „Methodenlehre unserer Disziplin zu erproben“.17 Ebd., S. 49, 45.

Daß Weber die im Oktober 1902 eingegangene Verpflichtung aufgrund seines prekären gesundheitlichen Zustands „bald zur lastenden Qual“ wurde, hat Marianne Weber beschrieben.18 Weber, Marianne, Lebensbild, S. 273. Immerhin muß er noch im selben Jahr einen Text verfaßt haben, den sie abtippen konnte. Am 30. Dezember 1902 teilte sie ihrem in Nervi, einem Winterkurort nahe Genua, weilenden Gatten mit: „Dein Roscher wird ja [ein] enorm gelehrter und komprimierter philosophischer Extrakt. Du, an der einen Seite 11 habe ich heute 1½ Stunden abgeschrieben.“19 Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 30. Dez. 1902, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. Am 10. Januar 1903 heißt es dann: „Dein Roscher ist jetzt abgeschrieben.“20 Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 10. Jan. 1903, ebd. Dieser „Roscher“ ist möglicherweise noch nicht identisch mit dem Text, den Weber dann als ersten Teil der letztlich dreiteiligen Aufsatzfolge unter dem Titel „Roschers ‚historische Methode‘“ publizierte.21 Weber, Roscher und Knies 1, unten, S. 41. Laut Marianne Weber war erst im „Sommer 1903“ der „erste Teil des ‚Seufzeraufsatzes‘ (Roscher und Knies) abgeschlossen“.22 Weber, Marianne, Lebensbild, S. 291. Als Weber sich am 4. Januar 1903 bei seiner Frau für „die offenbar schrecklich zeitraubende Schreibarbeit an meinem ,Roscher‘“ bedankte,23 Karte von Max Weber an Marianne Weber vom 4. Jan. 1903, MWG II/4, S. 35 f., hier S. 35. dürfte er seine Arbeit schon weiter vorangebracht haben. Denn am 2. Januar 1903 teilte er mit: „Ich habe die letzten Tage mir den Kopf mit Lesen u. Arbeiten wieder etwas verdorben, bin aber doch auch weitergekommen u. hoffe, daß diese elende Stöpselei, die doch fast nur mit fremden Gedanken arbeitet, nun wenigstens überhaupt irgend wann fertig wird.“24 Karte von Max Weber an Marianne Weber vom 2. Jan. 1903, ebd., S. 31 f., hier S. 31. Tags darauf heißt es: „Ich hoffe wenigstens die Stoffeintheilung für den Rest dieser verfl. Arbeit mit nach Hause zu bringen.“25 Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 3. Jan. 1903, ebd., S. 33 f., hier S. 34. Diese Äußerung könnte sich allerdings auch auf den geplanten Teil über Knies beziehen. Aus Nervi sind Notizen überliefert, die neben einer Auseinandersetzung mit Rickert auch stichwortartige Aufzeichnungen über Knies enthalten. Diese Notizen werden im Anhang zu diesem Band abgedruckt.26 Vgl. unten, S. 623–668.

[40]Daß sich die Arbeit an der Abhandlung über die Altmeister des Faches jedenfalls bis in den Sommer 1903 hinzog, läßt sich noch durch andere Quellen stützen. In Webers Brief an Schmoller vom 20. Februar 1903 ist von der „Hälfte (ca. 60. Druckseiten)“ eines Textes die Rede, für dessen Titel er „Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie“ vorschlug; diese „Hälfte“ könne er „im Mai liefern u. den Rest im Laufe des Sommers“.27 [40] Brief von Max Weber an Gustav Schmoller vom 20. Febr. 1903, MWG II/4, S. 43 f., hier S. 44. Am 12. Juni 1903 schrieb er an Marianne Weber aus Scheveningen: „Wenn Dich mein Manuskript zu sehr strapaziert, so laß es doch lieber, wir kommen dann schon noch damit zu Rande.“28 Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 12. Juni 1903, ebd., S. 94 f., hier S. 95. Jedenfalls erfolgte dann die Publikation der Fortsetzung der Abhandlung nicht zeitnah, sondern erst 1905.

II. Zur Überlieferung und Edition

Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, wie er unter dem Titel „Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie. (Erster Artikel.)“, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 27. Jg., Heft 4, 1903, S. 1–41 [S. 1181–1221], erschienen ist (A).

Der zweite und dritte Artikel des Aufsatzes werden entsprechend ihres Publikationsdatums gesondert ediert.29 Unten, S. 240–327, und S. 328–379.

Die seitenweise Zählung der Fußnoten ist durch eine fortlaufende ersetzt. Fußnoten- und Seitenverweise innerhalb des Aufsatzes werden stillschweigend auf die MWG-Zählung umgestellt.