Wortbildmarke BAdW

MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[478][A 243]Kritische Bemerkungen
zu den vorstehenden „Kritischen Beiträgen“.a[478] In A folgt: Von Max Weber.

Ich bin meinen beiden Herren Mitherausgebern dankbar, daß sie dem Abdruck der vorstehenden Ausführungen zustimmten.1[478] Mitherausgeber des „Archivs“ waren Edgar Jaffé und Werner Sombart. Die Zustimmung dürfte mündlich erfolgt sein; sie ist weder von Jaffé noch von Sombart in der Verlagskorrespondenz (Nl. 488, SBPK zu Berlin: VA Mohr Siebeck) schriftlich überliefert. Zu Edgar Jaffés Korrespondenzen vgl. den Editorischen Bericht, oben, S. 466 f. Fischers „Kritische Beiträge“ (abgedruckt oben, S. 469–477) gehen im „Archiv“-Heft Webers Antikritik unmittelbar voran. Denn eine Kritik mag noch so mißverständlich sein – und ich glaube, daß die vorstehende dies ist –, sie zeigt dennoch immer, an welchen Punkten der kritisierten Erörterungen Mißverständnisse entstehen können, welchen der Autor, sei es nun mit oder ohne eigene Schuld, nicht genügend vorgebeugt hat.

Freilich: für nahezu alle der von meinem Herrn Kritiker gemachten Einwendungen muß ich irgend ein Verschulden meinerseits, für manche auch jede Möglichkeit eines Mißverständnisses für einen aufmerksamen Leser ablehnen. – Während ich (XX, S. 15)2 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 146 f. grade mit dem Gegensatz zwischen dem „Geiste“, der in den von meinem Kritiker zitierten Aussprüchen Jakob Fuggers einerseits, Franklins andererseits sich äußert,3 Vgl. Fischer, Kritische Beiträge, oben, S. 470 mit Anm. 3 und 4. operiere, läßt er mich jenen „Geist“ in beiden gleichmäßig finden1)[478][A 243] Und überdies nur in diesen beiden Aussprüchen. Man wird mir wohl zugestehen müssen, daß auf S. 18–35 a. a. O.5 Weber, ebd., oben, S. 151–177. noch einiges mehr zur (freilich trotz allem nur provisorischen) Erläuterung des Begriffes beigebracht ist. . Während ich Franklin (XX S. 26)4 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 164. als eines der verschiedenen Beispiele2) S[iehe] für den gerade umgekehrten Fall z. B. die Bemerkungen XX. S. 28.6 Weber, ebd., oben, S. 166 f. dafür brauche, daß das, was ich ad hoc „Geist des Kapitalismus“ getauft habe, nicht einfach an der Form des Wirtschaftsbetriebes hängt, läßt der Kritiker mich Franklins Gesinnung das eine Mal als vom kapitalistischen „Geist“ ver[479]schieden, das andere Mal mit ihm identisch behandeln.7[479] Vgl. Fischer, Kritische Beiträge, oben, S. 470 mit Anm. 5. Während ich es mich (XX S. 36)8 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 178–190, mit Fußnoten. ziemlich erhebliche Mühe habe kosten lassen, nachzuweisen, daß der allen protestantischen Völkern seit den Bibelübersetzungen gemeinsame, allen andern fehlende ethisch gefärbte Begriff des „Berufes“ (und also auch die entsprechende Wortbedeutung) in dem für meine Untersuchung entscheidenden Punkt eine Neuschöpfung der Reformation ist, meint mein Herr Kritiker, Luther werde sich bei dieser Neuschöpfung dem „im Volk geläufigen Ausdruck“ angeschlossen haben,9 Vgl. Fischer, Kritische Beiträge, oben, S. 471. – ohne natürlich versuchen zu können, für diese „Geläufigkeit“ irgend eine Tatsache anzuführen. Selbstredend können philologische Funde meine Ergebnisse [A 244]jederzeit berichtigen. Mit dem bloßen Behaupten des Gegenteils ist es aber doch gegenüber dem derzeitigen Stand des Materials nicht getan.

Während ich ferner selbst in ausführlicher Weise zu begründen versucht habe, daß und warum der „Berufs“-Gedanke in der Form der lutherischen Religiosität spezifisch verschieden blieb von derjenigen Ausprägung, welche jene Vorstellung innerhalb der „asketischen“ Formen des Protestantismus als integrierender Bestandteil des kapitalistischen „Geistes“ annahm, – hält mir mein Herr Kritiker dies mein eigenes Resultat, welches doch einen Grundgedanken meiner Aufsätze bildet, als Einwand gegen meine – wie er sich ausdrückt – „idealistische Geschichtsdeutung“,10 Vgl. Fischer, ebd., oben, S. 470 f. und 473, auch: Weber gebe eine „idealistische Erklärung“, S. 474. die den Kapitalismus aus Luther ableiten wolle, entgegen. Während ich (XX S. 54)11 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 215, dort auch die folgenden Zitate. nachdrücklich die Möglichkeit der „törichten“ These ablehne, daß die Reformation allein den kapitalistischen Geist „oder wohl gar“ den Kapitalismus selbst (als Wirtschaftssystem) geschaffen habe, da ja wichtige Formen kapitalistischen Geschäftsbetriebes erheblich älter als sie seien[,] – entgehe ich dennoch nicht dem Schicksal, diese letztere, gänzlich unbezweifelbare Tatsache, unter Berufung auf meinen Freund Sombart, von meinem Kritiker gegen mich [480]zitiert zu sehen.12[480] Vgl. Fischer, Kritische Beiträge, oben, S. 473. Fischer referiert Sombart, Der moderne Kapitalismus I. Und während ich in unzweideutigster Weise mich gegen die Benützung der von mir angenommenen historischen Zusammenhänge zur Konstruktion irgend einer „idealistischen“ (ich sagte XXI S. 110: „spiritualistischen“)13 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 424. Geschichtsdeutung verwahrt habe, wird mir eine solche von meinem Herrn Kritiker nicht nur in den eben angeführten Bemerkungen dennoch imputiert, sondern er wirft an anderer Stelle sogar die Frage auf, ob ich mir die Wandlung der täuferischen Ethik als einen „logischen Prozeß im Sinne Hegels“14 Fischer, Kritische Beiträge, S. 472, dort „logische Entwicklung etwa im Sinne Hegels“. vorstelle3)[480][A 244] Selbstredend ist, nach meinem eignen Ausdruck, die Umgestaltung der ursprünglichen teils eschatologischen, teils enthusiastischen, teils antipolitischen Ethik des Täufertums „Anpassung an die Welt“, genau wie beim Urchristentum.17 Von „Akkomodation einer ursprünglich weltflüchtigen Askese“ spricht Weber, Protestantische Ethik II, S. 361, Fn. 137, der Vergleich mit dem Urchristentum ebd., S. 351. Das ist längst be[481]kannt, und ich selbst bin darauf deutlich genug zu sprechen gekommen.22 Vgl. Webers Ausführungen über das „Einströmen des Täufertums in das normale weltliche Berufsleben“, Protestantische Ethik II, oben, S. 358 f., Zitat S. 358. Aber doch nicht: Anpassung an den Kapitalismus. Die entscheidende erste „Anpassung“ des Täufertums an die „Welt“ ging ja dem Schwerpunkt nach in Gebieten vor sich, welche, wie z. B. Friesland,23 Es ist unklar, ob Weber die niederländische Provinz Friesland oder die Grafschaft Ostfriesland meint. In Friesland jedenfalls reichten die Wurzeln der Mennonitengemeinden bis auf die Zeit um 1530 zurück. Seit 1550 flüchteten außerdem flämische Täufer nach Friesland. Nach der Einstellung ihrer Verfolgung, spätestens seit dem Toleranzedikt der Utrechter Union 1579, konnten die Mennoniten sich – trotz Verzweigungen – zu Gemeinden mit Ordnung und Versammlungshäusern zusammenschließen. Vgl. Cramer, Art. Mennoniten, S. 605 ff. Auch in Ostfriesland gab es Mennoniten (vgl. Müller, J. P., Die Mennoniten in Ostfriesland vom 16. bis 18. Jahrhundert […]. – Emden: W. Haynel 1887). an kapitalistischer Entwicklung tief unter der Umwelt standen. und hält mir als seine Auffassung wiederum Dinge entgegen, die ich selbst an der betreffenden Stelle (XXI S. 69)15 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 358 f. doch wohl für jedermann deutlich genug gesagt habe. Ich fühle mich nicht schuldig, wenn die dort (und öfter) von mir gegebene Erklärung für das Einmünden der täuferischen Lebensstimmung in die „Welt“, welche bekanntlich der Erfahrung bei anderen ihnen hierin ähnlichen Sekten, z. B. manchen russischen,16 Weber hat die „rationalistischen“, unabhängig von der Kirchenspaltung in Rußland (Raskol) entstandenen Sekten und nicht den eigentlichen Raskol im Blick. Vgl. Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland, MWG I/10, S. 164 f., Fn. 42: „Die Verwandtschaft der ökonomischen und politischen Ethik der russischen rationalistischen Sekten mit dem Puritanismus […] ist schon Leroy-Beaulieu und anderen nicht entgangen. Aber wenigstens bei dem zahlmäßigen bedeutendsten Teil, dem eigentlichen ,Raskol‘, stehen Dem tiefe Unterschiede in der Eigenart der ,innerweltlichen Askese‘ gegenüber.“ Leroy-Beaulieu hatte die diesseitigen Hoffnungen (auf Aufhebung der Fronden und Emanzipation der Bauern) mit den „Träumen“ der aufständischen Bauern und Täufer des 16. Jahrhunderts verglichen und für die weitere Entwicklung auf Analogien von russischem Raskol und englischen und amerikanischen Sekten verwiesen, darunter die Verlegung der Raskolniks auf den Handel, Sparsamkeit und Wohlstand. Vgl. Leroy-Beaulieu, Anatole, Das Reich der Zaren und die Russen. Autorisirte deutsche Ausg. von L. Pezold und Joh. Müller, Band III. – Sondershausen: Fr. Aug. Eupel (Otto Kirchhoff) 1890 (hinfort: Leroy-Beaulieu, Reich der Zaren III), S. 356 f. und 366–378. Vgl. dazu auch Weber, Bemerkungen, unten, S. 500 f., Fn. 1. die im übrigen unter gänzlich anderen öko[481]nomischen Bedingungen lebten, durchaus entspricht, ihm nicht einleuchtend erscheint4) Nur in einem Einzelpunkt hat wohl ein – freilich sehr leicht als solcher erkennbarer – Druckfehler wenigstens mitgespielt. S. 69 a. a. O.24 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 358. heißt es von den Wiedertäufern: [482]„Freilich kann die Wirkung dieses ,Harrens‘ in hysterische Zustände, Prophetie und … unter Umständen selbst in einen Ausbruch von enthusiastischem Reformeifer ausmünden, wie dies bei der in Münster vernichteten Richtung [A 245] der Fall war“. Aus „hysterische Zustände“ hat ein Druckfehler „hysterischen Zuständen“ gemacht. Daß es ein Druckfehler ist, ergibt allerdings m. E. der Sinn des Satzes selbst, und die weiterfolgenden Ausführungen erst recht, auf den ersten Blick: – was sollte man sich auch unter einem „Harren in hysterischen Zuständen“ denken, – welches, wie mir der Verf[asser] entgegenhält,28 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 472. im Gegensatz zur nüchternen Berufsarbeit stehe? .

[A 245]Ich glaube auch nicht dafür verantwortlich zu sein, wenn mein Herr Kritiker annimmt, ich hätte meine Aufsätze nur zur Erklärung der heute noch bemerkbaren Zusammenhänge konfessionellerb[481]A: konfessionellen Verhältnisse mit ökonomischen und sozialen Schichtungen geschrieben.18[481] Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 477. Ich habe (XX S. 23 und öfter)19 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 159 f. grade sehr nachdrücklich hervorgehoben, daß der heutige, auf mechanischer Grundlage ruhende Kapitalismus, welcher polnische Arbeiter nach Westfalen,20 Weber erwähnt den Arbeitsfleiß von Minderheiten in fremder Umgebung, Protestantische Ethik I, bes. S. 136 f. mit Fn. 16, allerdings ohne die hier angeführten Beispiele. – Polnische Arbeiter waren in Westfalen wegen Arbeitskräfteknappheit im Bergbau erwünscht (in Recklinghausen stammten z. B. 1905 42 % bzw. 44 % der im Bergbau Beschäftigten aus östlichen preußischen Provinzen, ähnlich verhielt es sich in Wattenscheid, in Gelsenkirchen waren es 50 % und in Herne 39 %; 1910: knapp 53 %). Vgl. Wachowiak, Stanislaus, Die Polen in Rheinland-Westfalen. – Borna-Leipzig: Robert Noske 1916 [Inaugural-Diss. München], S. 27 und 29. Kulis nach Kalifornien21 Kuli (Hindi), „Lastträger“; auch: ostasiatischer Tagelöhner. Hier Bezeichnung für chinesische Einwanderer, die seit der Entdeckung von Goldvorräten im 19. Jahrhundert nach Kalifornien kamen (despektierlich „Coolies“ genannt). Sie galten als sehr fleißig und wurden gegen geringen Verdienst auch zum Bau von Straßen und Eisenbahn eingesetzt. importiert, absolut anders zu [482]jenem Problem steht als der Kapitalismus der Frühzeit. Der Umstand, daß trotz alle dem selbst heute noch Unterschiede des ökonomischen Verhaltens der Konfessionen zu bemerken sind und gelegentlich öffentlich erörtert wurden, gab mir ausgesprochenermaßen (a. a. O. S. 24c[482]A: 25)25[482] Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 160 f. lediglich den Anknüpfungspunkt und den Anlaß, die Frage als berechtigt hinzustellen, wie sich wohl Konfession und wirtschaftliches Gebahren in der Frühzeit des Kapitalismus zu einander gestellt haben möchten.

Daß nun diese beiden Kulturcomponenten auch damals nicht in einem Verhältnis „gesetzlicher“ Abhängigkeit von einander standen, – dergestalt, daß wo x (asketischer Protestantismus) ist, auch schlechthin ausnahmslos y (kapitalistischer „Geist“) bestand, – dies ist bei der Art der ursächlichen Verkettung historisch komplexer Erscheinungen miteinander a priori selbstverständlich5) Man könnte mir als einzige unvorsichtige Formulierung die Bemerkung (XX S. 8)29 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 135, dort auch das folgende Zitat. entgegenhalten: daß der Calvinismus das Zusammentreffen intensiver Frömmigkeit mit kapitalistischem Erwerbssinn zeige, „wo immer er aufgetreten ist“. Ich hatte bei jenem Satze den Diaspora-Calvinismus im Auge, von dem auch Gothein an der von mir alsbald dazu zitierten Stelle spricht.30 Vgl. Weber, ebd., oben, S. 136 mit Fn. 14. . Die Bemerkungen meines Herrn Kritikers über die holländischen Kapitalisten26 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 476 f. aber treffen schon der Sache nach garnicht zu: der Vorgang des Aufkaufes von Rittergütern durch bestimmte Schichten des städtischen Patriziates war auch dort typisch (s. XXI, S. 103),27 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 414 (Fn. 73). und über die (im weiteren Verlauf der Untersuchung [483]noch näher zu besprechenden)31[483] Weber bezieht sich sehr wahrscheinlich auf die geplante Fortsetzung seiner Protestantismus-Aufsätze, vgl. die Einleitung, oben, S. 66 f., den Anhang zur Einleitung, oben, S. 90–96, und den Editorischen Bericht, oben, S. 464 f. mit Anm. 10. Im Sommer 1907 suchte Weber hierfür niederländische Bibliotheken auf. Determinanten der Entwicklung Hollands habe ich XX S. 26, XXI S. 95, 96d[483]A: 85, 86 einige (allerdings nur gänzlich provisorische) Bemerkungen gemacht,32 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 165 (mit Fn. 33), und dass. II, oben, S. 401–403 (mit Fußnoten). – die mir mein Herr Kritiker nun ebenfalls teilweise als Einwand entgegenhält.33 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 476 f. Über die Bedeutung bestimmter religiöser Gruppen für die Entwicklung des niederrheinischen Gebiets in der frühkapitalistischen Zeit6)[483] Denn für die jetzige gilt natürlich das, was ich über den heutigen Kapitalismus gesagt habe.39 Über den „heutigen Kapitalismus“ äußert sich Weber, ebd., bes. oben, S. 422 f. So namentlich für das heutige Belgien. Dagegen ist die allmähliche Ab[484]wanderung der (anfänglich, im 16. Jahrhundert, gerade zuerst in die belgischen Südgebiete eingedrungenen, aber dort in der Minorität befindlichen) Calvinisten nach Norden (Holland) sowohl politisch wie ökonomisch von [A 246]größter Tragweite gewesen,43 In den südlichen Niederlanden (später Belgien) sorgte Guy de Brès in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts für die Ausbreitung der Reformation nach Genfer Vorbild, besonders in den großen Städten (Lille, Tournai, Valencienne). Vgl. Müller, Kirchengeschichte II/1, S. 512. Nach dem endgültigen Scheitern des Aufstands gegen die Spanier, die 1585 Antwerpen eingenommen hatten, sollen zahlreiche protestantische Südniederländer in die nördlichen Provinzen abgewandert sein. Der ökonomische Schwerpunkt verlagerte sich von Antwerpen nach Amsterdam. Andere Protestanten gingen, wie auch schon in den Jahrzehnten zuvor, ins Ausland. wie aus jeder Geschichte des 30jährigen Krieges zu ersehen ist.44 Der Friede von Münster 1648 – Teil des Westfälischen Friedens, der den Dreißigjährigen Krieg beendete – besiegelte auch das Ende des Achtzigjährigen Kriegs zwi[485]schen Spanien und den Niederlanden. Die Souveränität der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande, die sich 1579 zur Utrechter Union zusammengeschlossen und 1581 von Spanien losgesagt hatten, und ihr Ausscheiden aus dem Heiligen Römischen Reich wurden reichsrechtlich anerkannt. Die seit 1585 rekatholisierten südlichen Niederlande blieben weiter unter spanischer Herrschaft. 34 Weber greift Fischers Notiz, ebd., S. 476, auf. wird wohl noch bei Fortsetzung meiner [A 246]Darstellung zu sprechen sein.35 Weber plante zu diesem Zeitpunkt noch eine Fortsetzung seiner Aufsätze; wie oben, Anm. 31. Im übrigen darf ich daran erinnern, daß „reformiert“ nicht einfach mit „calvinistisch“ identisch ist36 „Reformiert“ bezieht sich auf eine Konfessionsgemeinschaft oder -familie (staatskirchenrechtlich anerkannt im Westfälischen Frieden 1648) und bezeichnet einen bestimmten, auf die Schweizer Reformation zurückgehenden Typus. An dessen Bildung und Ausbreitung waren Calvin, der Calvinismus, aber auch andere Reformatoren wie Zwingli und die Züricher beteiligt (vgl. Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 242 mit Fn. 1). und daß auch der „Calvinismus“ erst in seiner – mit der genuinen Lehre Calvins, wie ich mehrfach betont habe,37 Vgl. etwa Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 272 f., oder S. 256 f. keineswegs identischen – Entwicklung zum asketischen Puritanismus in vollem Umfang die Züge aufweist, welche für die von mir erörterten Zusammenhänge in Betracht kommen. Ich verweise dabei nochmals nachdrücklich auf meine Ausführungen XXI S. 103, 104.38 Weber, ebd., oben, S. 414–416. Daß die bloße Tatsache der konfessionellen Zugehörigkeit eine bestimmte Entwicklung ökonomischer Art derart rein aus dem Boden stampfen könnte, daß baptistische Sibirier unvermeidlich zu Großhändlern, calvinistische [484]Bewohner der Sahara zu Fabrikanten würden, – diese Meinung wird man mir schließlich kaum imputieren wollen. Für ein Land mit den geographischen und kulturlichen Bedingungen Ungarns z. B. in der Zeit seiner kontinuierlichen Unterjochungen und Wiederbefreiungen von den Türken40[484] Nach der Niederlage der Ungarn in der Schlacht bei Mohács am 29. August 1526 gegen die nach Westen vordringenden Türken unter Süleyman I. kam der größte Teil des bis dahin unabhängigen Königreichs teils unter osmanische, teils unter habsburgische Herrschaft. Am selbständigsten konnte sich das Fürstentum Siebenbürgen im Osten entwickeln. Nach der Befreiung Ungarns von den Türken 1683 wurde Ungarn 1687 als Erbreich in das Habsburgerreich eingegliedert. – Die schon Anfang der 1520er Jahre in Oberungarn eingedrungene reformatorische Bewegung breitete sich auch in den Türkengebieten und in Siebenbürgen aus. Eine evangelische Kirche Augsburger Konfession und eine reformierte Kirche waren seit 1608 anerkannt. Die protestantische Mehrheit bildeten die Reformierten (1901 waren 6,7 % der Gesamtbevölkerung lutherisch und 12,7 % reformiert). Vgl. (Balogh, Franz) und Koloman Révész, Art. Ungarn, kirchlich-statistisch, in: RE3, 20. Band, 1908, S. 235–245. wäre die Annahme, der Calvinismus hätte hier kapitalistische Betriebsformen schaffen müssen, ähnlich seltsam, als die, seine Herrschaft hätte im Boden Hollands Kohlenflöze entstehen lassen müssen. Gewirkt hat er, beiläufig bemerkt, in der ihm spezifischen Art auch in Ungarn, nur auf anderem Gebiet, und übrigens habe ich (XX S. 4 Anm. 1 und 2)41 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 128 f. mit Fn. 7 und 8. nebenher auf Zahlen verwiesen, die zeigen, daß trotz allem auch dort jene charakteristischen Erscheinungen in der Berufswahl der Reformierten sich zu zeigen scheinen, von denen, als Anknüpfungspunkten, ich ausging. Über meine Ansichten bezüglich der Beziehungen zwischen religiösen und ökonomischen Bedingungen überhaupt glaube ich mich u. a. XXI S. 101 Anm. 6942 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 411 mit Fn. 69. bei aller [485]Kürze vorerst hinlänglich deutlich geäußert zu haben. Ich kann meinerseits nichts dafür, wenn derartige und zahlreiche ähnliche Äußerungen, insbesondere auch die Schlußbemerkungen des ganzen Aufsatzes,45 Vgl. Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 423–425. einfach nicht beachtet werden. –

Ich lehne also die Verantwortung für die Mißverständnisse, welche m. E. der vorstehenden „Kritik“ zugrunde liegen, ab, werde aber bei der aus verlagstechnischen Gründen doch nicht länger zu umgehenden Separatausgabe der Aufsätze46 Zur geplanten Separatausgabe vgl. die Einleitung mit Anhang, oben, S. 66 f. und 90–96, und den Editorischen Bericht, oben, S. 464 f. mit Anm. 10. nochmals versuchen, jede Wendung, die im Sinn einer von mir nie behaupteten Ableitung von Wirtschaftsformen aus religiösen Motiven auch nur verstanden werden könnte, zu beseitigen und womöglich noch deutlicher zu machen, daß es der Geist „methodischer“ Lebensführung ist, welcher aus der „Askese“ in ihrer protestantischen Umbildung „abgeleitet“ werden sollte, und welcher zu den Wirtschaftsformen nur in einem allerdings kulturgeschichtlich m. E. sehr wichtigen „Adäquanz“-Verhältnis steht. Für die Anregung dazu bin ich meinem Herrn Kritiker dankbar, obwohl eine sachlich fruchtbare Kritik auf diesem Gebiet unendlich verschlungener Kausalzusammenhänge nur bei Beherrschung des Quellenstoffes möglich gewesen wäre, die ihm abgeht7)[485] Eine solche Kritik erwarte ich, – was manchem vielleicht höchst „rückständig“ erscheint, – von theologischer Seite als der kompetentesten. .

Gar nichts kann ich dagegen, zu meinem Leidwesen, mit seinen positiven, [A 247]„psychologischen“, Erörterungen anfangen.47 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 474–476. Wenn ich (XXI, S. 45 Anm.)48 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 316 f., Fn. 79a. den heutigen gesicherten Begriffsvorrat der „Psychologie“ für unzulänglich erklärt habe, um für ein konkretes religionshistorisches Problem: die Bedeutung bestimmter Hysterisierungsvorgänge im alten Pietismus, mit Sicherheit verwertet zu [486]werden, so sprach ich dabei ersichtlich nicht von Versuchen, wie die, welche mein Herr Kritiker benutzt hat, sondern von den exakten Forschungen auf dem Gebiet der Hysterie. Nur von solchere[486] Zu erwarten wäre: solchen verspreche ich mir eventuell neue, für jenes Problem wertvolle Einsichten8)[486][A 247] Von hier aus könnte namentlich auch der Einfluß religiöser Institutionen und Anschauungen auf all das, was man heute mit dem nichtigen Begriff „Volkscharakter“ überdeckt,51 Vgl. auch Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 180 mit Anm. 8. Weber kritisiert den Begriff „Volksgeist“ (oder „Volkscharakter“) bereits im „Roscher-und-Knies“-Aufsatz: „Dieser Begriff ,Volksgeist‘ selbst wird dabei nicht als ein provisorisches Verhältnis […], sondern als ein einheitliches reales Wesen metaphysischen Charakters behandelt und nicht als Resultante unzähliger Kultureinwirkungen, sondern umgekehrt als der Realgrund aller einzelnen Kulturäußerungen des Volks angesehen, welche aus ihm emanieren.“ Zitat: Weber, Roscher und Knies I, S. 9 f. Die Kritik bezieht sich möglicherweise auf Friedrich Carl von Savigny und seine Schule. Zur „kritiklosen bloßen Beschreibung von ,Volkscharakteren‘“ äußert sich auch Weber, Objektivität, S. 43. aufgehellt werden. Auch darüber bei Gelegenheit der Separatausgabe.52 Zur geplanten Separatausgabe vgl. die Einleitung mit Anhang, oben, S. 66 f. und 90–96, und den Editorischen Bericht, oben, S. 464 f. mit Anm. 10. .49[486] Für „[e]rnster zu nehmende Ansätze zur Verwertung psychopathologischer Begriffe für die Deutung gewisser historischer Massenerscheinungen“ verweist Weber an der genannten Stelle (wie vorherige Anm.) auf Hellpach, Grundlinien, bes. 12. Kapitel, und ders., Nervosität und Kultur. Weber weigert sich allerdings (ebd.), etwa die religiösen Bewußtseinsinhalte des von ihm im Pietismus beobachteten Phänomens der Gefühlssteigerung mit Hilfe der Begriffe der fachwissenschaftlichen Psychologie zu beschreiben, um keinen „falschen Anschein erhöhter begrifflicher Exaktheit zu erzeugen“. – Weber, Roscher und Knies III, S. 87, Fn. 1, formuliert den Anspruch an eine Psychopathologie für sein Erkenntnisinteresse: Verlangt sei „[…] die Verknüpfung des einfühlend nacherlebten seelischen Zusammenhanges mit den aus der allgemeinen psychiatrischen ,Erfahrung‘ gewonnenen Begriffen“. Und er fährt, wiederum mit Bezug auf Hellpach, fort: „Sie sind ,Intuitionen‘ des dafür begabten Forschers ,über‘ das Objekt, aber inwieweit sie objektiv gelten, bleibt prinzipiell unkontrollierbar und daher ihr wissenschaftlicher Wert durchaus unsicher“ (ebd.) Wie unbrauchbar dagegen das, was mir in der vorstehenden Kritik als „Psychologie“ entgegengehalten wird,50 Vgl. Fischer, Kritische Beiträge, oben, S. 474–476. für die historische Erklärung von PhänomenenfA: Phänomen wie die, mit welchen [487]ich zu tun hatte,53 [487] Weber, Roscher und Knies III, S. 87 f., betont, der Historiker stütze sich bei kausalen Zurechnungen in der Regel auf die „vulgärpsychologische“ Erfahrung. Das reiche für seine Zwecke meist völlig aus. Dies heiße freilich nicht, daß ihm nicht auch fachpsychologische Erkenntnisse mitunter nützlich sein könnten, insbesondere dort, wo es um die Präzisierung von ,Regeln adäquater Verursachung‘ gehe: „Diese letzteren werden nur da, aber auch überall da, von Wert sein, wo die ,Alltagserfahrung‘ nicht ausreicht, denjenigen Grad relativer ,Bestimmtheit‘ der kausalen Zurechnung zu gewährleisten, welcher für die Deutung der Kulturerscheinungen im Interesse ihrer ,Eindeutigkeit‘ erforderlich ist. Der Erkenntniswert ihrer Ergebnisse wird aber eben deshalb regelmäßig um so größer sein, je weniger sie dem Streben nach einer den quantifizierenden Naturwissenschaften verwandten Formulierung und Systematik auf Kosten des Anschlusses an die unmittelbar verständliche ,Deutung‘ konkreter historischer Gebilde nachgeben, und je weniger sie infolgedessen von den allgemeinen Voraussetzungen in sich aufnehmen, welche naturwissenschaftliche Disziplinen für ihre Zwecke verwerten.“ (S. 88 f.) bleibt, zeigen m. E. grade die Darlegungen meines Herrn Kritikers. „Bringen wir“ g[487] Gedankenstrich fehlt in A; sinngemäß ergänzt. sagt er – „das Erwerben von Geld …, rein als Selbstzweck, auf einen psychologischen Ausdruck, so können wir es auffassen als die Freude des Individuums an seiner kraftvollen Betätigung“9)[487] Dazu wird wieder jener Ausspruch Fuggers zitiert,56 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 474. den ich, wie schon gesagt,57 Siehe oben, S. 478. in Gegensatz zu dem gestellt hatte, was ich „kapitalistischen Geist“ genannt hatte. Diese Bezeichnung ist mir natürlich für jede andere, geeignetere, feil. – Weiterhin wird auf den „kapitalistischen Geist“ in Florenz u.s.w. Bezug genommen,58 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 476. obwohl ich (XX, S. 32)59 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 172 f. die Unterschiede der mittelalterlichen Attitude zu dem, was ich nun einmal ad hoc „kapitalistischen Geist“ nenne, auseinandersetze. Ignoriert man diese spezifischen Unterschiede, dann hört freilich der Sinn des Begriffs auf. .54 Zitat: Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 474 („,Erwerben von Geld und immer mehr Geld, rein als Selbstzweck‘“, so formuliert Weber das „,summum bonum‘“ der „,Ethik‘“ Franklins; Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 149). Schon dieser allererste Schritt ins Gebiet dieser „Psychologie“ ist, historisch betrachtet, ein Fehltritt. Jene „Freude an der kraftvollen Betätigung“ mag ein zutreffendes Wort sein für eine Begleiterscheinung des Gelderwerbens bei vielen Typen moderner Geschäftsleute und ebenso in der Vergangenheit bei Typen wie Jakob Fugger und ähnlichen ökonomischenhA: ähnliche ökonomische „Übermenschen“, von denen ich auch meinerseits gesprochen habe,55 Zur Bezeichnung ökonomische „Übermenschen“ vgl. Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 362, Fn. 139, dazu dass. I, oben, S. 153 f. Zu Jakob Fugger ebd., oben, S. 146 f. – Typen, die es seit dem babylonischen Altertum überall [488]gegeben hat, wo man irgendwie Geld erwerben konnte10)[488] Ich habe davon meinerseits öfter, z. B. XXI S. 109,67 Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 423 (mit Fn. 85a). gehandelt. Es versteht sich, daß dieser Typus nicht nur in dieser amerikanischen Reinheit existiert, daß vielmehr heute etwas davon in breiten Schichten des Unternehmertums steckt. , die aber ja grade nicht charakteristisch sind für jenen Geist nüchterner Lebensmethodik, um dessen Analyse es sich für mich handelte. Die „kraftvolle Betätigung des Individuums“ und seine „Freude“ daran mag man bei den sogen. „Renaissance-Menschen“ studieren60[488] Zum allseitig gebildeten, schöpferischen Renaissance-Menschen vgl. etwa Jacob Burckhardt, Cultur der Renaissance I, S. 147–152 („Die Vollendung der Persönlichkeit“). – wenn man den gleichen Ausdruck auf asketisch nach Art der Mönche gezügelte Puritaner anwendet,61 Vgl. Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 292 f., 365 f. und S. 422. dann versteht man jedenfalls – wie bei so unpräzisen Abstraktionen nicht wunderbari[488]Lies: verwunderlich – beide Male Grundverschiedenes darunter. Die weiter folgenden Auseinandersetzungen über die Frage, unter welches Schema von psychologischen Erscheinungen jene „Freude“ falle,62 Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 474, dort auch die folgenden Zitate. ob eine bestimmte [A 248]Art von „Übertragung von Gefühlszuständen“ ein „allgemeines psychisches Geschehen“ sei und was daraus theoretisch folge, welche historischen Vorgänge infolge dessen „denkmöglich“ seien und welche nicht, wann die „hohe Schätzung des Geldes“ (die, wie ich nochmals betone,63 Zuletzt oben, S. 487 f. bekanntlich unter sich gänzlich heterogene „psychische“ Erscheinungen umfaßt, von Molières „Avare“64 Protagonist in Molières Komödie „L’Avare“ („Der Geizige“; uraufgeführt 1668) ist der habgierige, völlig gefühl- und rücksichtslose Geizhals Harpagon, der seine Geldkassette mehr als das Wohl seiner Kinder schätzt. bis zu Carnegie65 Andrew Carnegie wurde vom „Spuljungen“ in einer Weberei zu einem der reichsten amerikanischen Unternehmer der Eisen- und Stahlbranche. Nach seinem Rückzug aus dem Erwerbsleben 1901 gründete er verschiedene soziale, kulturelle und wissenschaftliche Stiftungen. einerseits, dem indischen Rajah66 Raja (Sanskrit, TI. rāja, „König“, „Fürst“), Herrschertitel in Indien. andrerseits, und die an sich mit der puritanischen Lebensmethodik einfach nichts zu schaffen hat)11)[A 248] S[iehe] XX S. 19 und die ganze letzte Partie des zweiten Aufsatzes.68 Weber, Protestantische Ethik I, oben, S. 153 f., und dass. II, oben, S. 408 ff. entstanden sein könne und wann nicht, daß, ferner, [489]das „Pflichtgefühl“ ein abstrakter Begriff sei und wie seine Entstehung zu denken sei, wie man speziell die Entstehung der Berufspflicht „ungezwungener“ (als ich) erklären könne u.s.w.,69[489] Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 475 f. – dies alles zeigt m. E. nur, daß generalisierende Doktrinen dieser Art den Erscheinungen der historischen Wirklichkeit eben weltenfern stehen. Auf welchen methodischen Grundirrtümern dies beruht, habe ich bei andern Gelegenheiten so oft erörtert,70 Vgl. v.a. Weber, Roscher und Knies III, S. 86–89. daß ich mir die Wiederholung hier ersparen darf.

Es wäre ja sicherlich wesentlich bequemer für die Auffindung des historischen kausalen Regressus, wenn wir das Entstehen bestimmter eigenartiger Lebensstilisierungen einfach aus Abstraktionen einer „Psychologie“ deduzieren könnten. Allein die historische Wirklichkeit läßt sich schlechterdings nicht kommandieren und fragt nichts darnach, ob es J[ohn] St[uart] Mill, H[erbert] Spencer12)[489] Die zitierten „Erklärungsweisen“72 Weber greift Fischers Terminologie auf, der in bezug auf Mill und Spencer von psychologischer „Erklärung“ der Entstehung des kapitalistischen Geistes spricht; vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 474. der beiden genannten bedeutenden Gelehrten sind spezifisch englisch und teilweise selbst Spätlinge jener Art der „natürlichen“ Lebensbetrachtung, die wir auch bei Franklin finden, – die aber das Gegenteil historischer Empirie darstellt. – Was an solchen Konstruktionen richtigj[489]A: richtig – bleibt, sind einige Trivialitäten aus der Alltagserfahrung, mit denen jeder Wirtschaftshistoriker auch ohne Kenntnis Mills und Spencers ständig operiert.73 Vgl. dazu oben, S. 485 f., Anm. 49. 71 Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 475 mit Anm. 10 und 11, stützt sich für seine psychologische Erklärung auf Mill und Spencer. Vgl. Mill, John Stuart, Das Nützlichkeits-Princip, in: Gesammelte Werke. Autorisirte Übersetzung […] von Th. Gomperz, 1. Band. – Leipzig: Fues’s Verlag (R. Reisland) 1869, S. 127–200 (hinfort: Mill, Nützlichkeits-Prinzip), hier S. 168 f., und Spencer, Herbert, System der synthetischen Philosophie, Band X: Die Principien der Ethik, I. Abth.: Die Thatsachen der Ethik. – Stuttgart: E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch) 1879, § 47, S. 137–142 (aus Kap. VII. Der psychologische Standpunkt, S. 112–144). oder auch meinem Herrn Kritiker für ihre psychologischen Schemata lästig ist, daß die Menschen jener Vergangenheit nun einmal sehr konkrete Vorstellungen von dem, was ihrer nach dem Tode harre, und von den Mitteln, ihre Chancen in dieser Hinsicht zu verbessern, besaßen, daß sie darnach ihr Handeln einrich[490]teten, und daß es für die Kulturentwicklung wichtig wurde, in welcher verschiedenen Art sie es einrichteten je nach den verschiedenen Ansichten über die Voraussetzungen, deren Erfüllung ihnen die Seligkeit garantierte, – so schwierig uns modernen Menschen es ist, uns in die qualvolle Macht jener metaphysischen Vorstellungen zu versetzen.74[490] Ähnlich Weber, Protestantische Ethik II, oben, S. 245, auch S. 424.

Mein Herr Kritiker gibt nach all seinen verschiedenen „psychologischen“ Überlegungen schließlich dennoch den offenkundigen Zusammenhang der Entwicklung kapitalistischen „Geistes“ in Frankreich mit dem Hugenottentum zu.75 Vgl. Fischer, Kritische Bemerkungen, oben, S. 477. Ich bin so unbescheiden, zu glauben, diesen, nach seiner Ansicht vorerst ganz unerklärlichen „Parallelismus“ 1) auch für eine Anzahl anderer Gebiete wahrscheinlich gemacht und 2) einen leidlichen plausiblen Versuch zu seiner Erklärung gegeben und durch eine Reihe immerhin beachtenswerter Tatsachen gestützt zu haben. Ob nun die Abstraktionenk[490]A: Abstraktion irgend einer „Psychologie“ zu den Tatsachen, die ich beigebracht habe, passen oder nicht, – das ist mir, offen gestanden, ziemlich gleichgültig: die [A 249]Theorie hat sich nach den Tatsachen zu richten, nicht umgekehrt. Mir ist jede Psychologie als Helferin hochwillkommen, deren Begriffe mir bei der Zurechnung konkreter historischer Erscheinungen zu ihren konkreten Ursachen irgendwie von Nutzen sindlA: ist. Für mein Problem aber kann ich aus dem, was ich an „psychologischer“ Literatur kenne, einschließlich der von meinem Herrn Kritiker zitierten Arbeiten,76 Gemeint sind die Arbeiten von Mill und Spencer, dazu oben, S. 489, Anm. 71. nichts von Belang zur Befriedigung meines kausalen Bedürfnisses entnehmen. Die exakte wissenschaftliche religionspathologische Arbeit aber steckt, soweit die in meinem Fall interessierenden Fragen in Betracht kommen, bekanntlich leider noch in den Anfängen.77 Damit dürfte Weber den Ansatz insbesondere von Willy Hellpach meinen (vgl. dazu oben, S. 486 mit Anm. 49), aber auch den von Hans W. Gruhle und bedingt auch den von Sigmund Freud. Vgl. dazu die Ausführungen in der Einleitung, oben, S. 73 f. mit Anm. 8.