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MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[120]Editorischer Bericht

I. Zur Entstehung

Im April 1904 erschien das erste Heft des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ als erstes Heft von Band 19 (der Neuen Folge 1. Band) des „Archivs für soziale Gesetzgebung und Statistik“ im Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) unter der Herausgeberschaft von Edgar Jaffé, Werner Sombart und Max Weber.1[120] Zu den Einzelheiten dieser Übernahme vgl. Hübinger, Gangolf und Lepsius, Μ. Rainer, Einleitung, in: MWG II/4, S. 1–25, hier S. 3–7, sowie die Editorische Vorbemerkung zum Brief von Max Weber an Edgar Jaffé vom 1. Juni 1903, in: MWG II/4, S. 68–70. Diesem Heft war außerhalb der regulären Seitenzählung ein „Geleitwort“ vorangestellt, das mit „Die Herausgeber“ unterzeichnet ist.2 Vgl. [Jaffé, Sombart, Weber,] Geleitwort, unten, S. 125–134.

Ein Manuskript zu diesem „Geleitwort“ ist nicht überliefert. Überliefert sind hingegen ein undatiertes, von Weber verfaßtes Manuskript ohne Titel3 Vgl. Weber, Entwurf zur Übernahme des Archivs, oben, S. 102–111. sowie ein gedruckter, auf Oktober 1903 datierter, von Sombart, Weber und Jaffé unterzeichneter Werbetext für einen Prospekt.4 Vgl. Jaffé, Sombart, Weber, Werbetext, oben, S. 112–119. Beide Texte haben das angestrebte Profil des neuen „Archivs“ zum Thema. Wie formale und inhaltliche Übereinstimmungen mit dem „Geleitwort“ nahelegen, haben sie als Vorlagen für dessen Formulierung gedient.

Im Briefwechsel zwischen Jaffé und Siebeck ist von dem oben genannten und einem weiteren Prospekt noch einige Male die Rede. Am 26. November 1903 kam Jaffé auf die Heftplanung zu sprechen: „Herr Professor Sombart wünscht im I. Heft des Archivs in seinem einleitenden Artikel eine Übersicht der zur Zeit bestehenden socialwissenschaftlichen Bibliographie zu geben“.5 Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 26. Nov. 1903, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 146. Tatsächlich wurde in diesem Heft ein Beitrag Sombarts mit dem Titel „Der bibliographische und literatur-kritische Apparat der Sozialwissenschaften“ [121]publiziert.6[121] Sombart, Werner, Der bibliographische und literatur-kritische Apparat der Sozialwissenschaften, in: AfSSp, Band 19, Heft 1, 1904, S. 224–250 (hinfort: Sombart, Apparat). Dieser Beitrag erschien allerdings nicht als einleitender Artikel, sondern in der Rubrik „Literatur-Übersichten“. Am 12. Dezember 1903 kam Jaffé auf den einleitenden Artikel zurück: „Prof. Sombart bereitet für das erste Heft eine Einleitung vor in der er das Wirkungsfeld des Archivs gegenüber den anderen Zeitschriften abgrenzen will“.7 Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 12. Dez. 1903, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 146. Sombarts „Einleitung“ war ebenfalls Thema der Korrespondenz zwischen Jaffé und Weber. Weber, der sich seit September 1903 auch mit der Einwerbung von Beiträgen, der Klärung von Rechtsfragen und der Bestimmung von Layout und Papier in die Arbeit am „Archiv“ eingebracht hatte,8 Vgl. Briefe von Max Weber an Edgar Jaffé vom 18. Sept., 12. Okt., 1. und 15. Dez. 1903, MWG II/4, S. 150 f., 167, 188 f.; an Lujo Brentano vom 4. und 10. Okt. 1903, ebd., S. 157–159, 162–164; an Ignaz Jastrow vom 4. und 10. Okt. 1903, ebd., S. 160 f., 165 f.; an Paul Siebeck vom 21. Okt. 1903, ebd., S. 179 f.; und an Stephan Bauer vom 9. Nov. 1903, ebd., S. 183. Vgl. auch Briefe von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 15., 20. Okt., 8. Nov., 1., 12. und 23. Dez. 1903, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 146; Briefe von Paul Siebeck an Edgar Jaffé vom 19. und 24. Dez. 1903, ebd.; sowie Briefe von Paul Siebeck an Max Weber vom 23. Okt. und 3. Nov. 1903, ebd. schrieb Jaffé am 6. Januar 1904: „Die Frage der ,Tendenz‘ des Archivs sollte m. E. aus den einleitenden Worten fortbleiben. Es läßt sich kurz etwas Adäquates darüber nicht sagen u. mein ganzer langer Artikel handelt ja davon.“9 Brief von Max Weber an Edgar Jaffé vom 6. Jan. 1904, MWG II/4, S. 195. Hiermit ist der wenig später so betitelte „Objektivitäts“-Aufsatz gemeint.10 Vgl. Weber, Objektivität, unten, S. 142 und 159, mit Bezug auf „Tendenz“. Die Mitteilung des Titels „Zur Objectivität der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis“ erfolgte am 8. Februar 1904 durch Jaffé an den Verlag, vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Objektivität, unten, S. 136 mit Anm. 13.

In Jaffés Brief an den Verlag vom 1. Februar 1904 fällt nun erstmals der Name „Geleitwort“: „als ,Geschäftspapiere‘ sende ich Ihnen heute eingeschrieben folgende weitere Manuscripte: Eberstadt (Schluss seiner Abhandlung), ferner Sombart, Tönnies und das ‚Geleitwort‘. Es steht dann nur ein kurzer Artikel von Sombart aus und ein langer von Prof. Weber, letzteren möchte ich, wenn es Ihnen recht ist, direct an Lippert schicken, um Zeit zu sparen.“11 Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 1. Febr. 1904, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 183. Mit Lippert ist die G. Plätz’sche Buchdruckerei Lippert & Co. in Naumburg gemeint. R. Wille, ein Verlagsmitarbeiter, bestätigte am 2. Februar 1904 den Empfang „der Manuscripte Eberstadt (Schluss), Sombart, Tönnies, Geleitwort“, die er „an Lippert & Co. weitergeleitet“ habe.12 Brief von R. Wille an Edgar Jaffé vom 2. Febr. 1904, ebd. Am 9. Februar 1904 [122]sandte Jaffé „das letzte M.S. an Lippert“, nämlich: „Sombart: ,Der bibliographische und literarisch-kritische Apparat der Sozialwissenschaften.‘“13[122] Brief von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 9. Febr. 1904, ebd. Am 12. Februar 1904 informierte er über die Reihenfolge der Texte: „1. Geleitwort, 2. Weber, 3. Sombart (Systematik der Wirtschaftskrisen), 4. Tönnies, 5. Bernstein, 6. Bonn (jedoch nur bis Seite 33), 7. Eberstadt, 8. Sombart (Der bibliographische Apparat), 9. Brentano“.14 Brief von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 12. Febr. 1904, ebd.

Offenbar war inzwischen aus der von Jaffé so genannten „Einleitung“ Sombarts das „Geleitwort“ der Herausgeber geworden. Einem Schreiben Jaffés vom 19. Februar 1904 ist dann zu entnehmen, daß er das „Imprimatur“ für das „Geleitwort“ erteilt und die Druckerei instruiert habe, es „mit separater, römischer Paginirung auf einen Extra halben Bogen als Versuch zu drucken“.15 Brief von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 19. Febr. 1904, ebd.; dort heißt es weiterhin: „Dies ist getan worden, weil das erste Heft sowieso schon den vorgeschriebenen Umfang überschreitet und so wenigstens diese 7 Seiten gewonnen werden. Die aus diesem Verfahren erwachsenen Extrakosten bin ich bereit zu tragen.“ Ferner sei die Reihenfolge der Artikel geändert worden, derart, daß „der Artikel von Sombart an die erste Stelle hinter das Geleitwort tritt und Weber darauf folgt“.16 Ebd. Vgl. auch die beiden Briefe von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 20. Febr. 1904, ebd. Dafür gebe es „innere Gründe“, die sehr wahrscheinlich mit einem Streit zwischen Sombart und Weber um den ersten Platz nach dem „Geleitwort“ zu tun haben.17 Vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Objektivität, unten, S. 137 ff. Am 20. Februar 1904 teilte Jaffé die definitive Reihenfolge der Artikel des ersten Hefts mit: „1) Geleitwort 2) Sombart – Wirtschaftskrisen 3) Weber[,] Rest unverändert[,] Weber + Sombart haben also die Plätze gewechselt.“18 Brief von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 20. Febr. 1904, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 183.

Am 22. Februar 1904 übersandte Jaffé „die druckfertige Revision des Geleitworts“.19 Brief von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 22. Febr. 1904, ebd. Am 23. Februar 1904 schrieb er dem Verlag: „Ferner möchte ich sehr gern in dem Ihnen gestern gesandten Text des Geleitwortes auf Seite 5 einen Satz streichen; falls dies noch möglich ist, bitte ich Sie die Streichung entsprechend der beiliegenden Vorlage zu bewirken.“20 Brief von Edgar Jaffé an J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vom 23. Febr. 1904, ebd. Jaffé fügte auch noch hinzu: „Separatabzüge des Geleitworts sind nicht in Auftrag gegeben und sind auch nicht erforderlich.“ Diese Vorlage ist nicht überliefert. Um welchen „Satz“ es sich handelt, wissen wir nicht. Jedenfalls betraf Jaffés Bitte offensichtlich nicht den Schlußsatz des „Geleitworts“, der durch den Tausch der Beiträge von Weber und Sombart eigentlich obso[123]let geworden war. Denn dieser findet sich auf S. VII und blieb auch trotz des Tausches zwischen Weber und Sombart unverändert stehen.21[123] Vgl. [Jaffé, Sombart, Weber,] Geleitwort, unten, S. 134.

Anfang April 1904 wurde das erste Heft von Band 19 des „Archivs“ ausgeliefert, dessen „Umfang“ Weber nicht zuletzt wegen der Länge seines eigenen Beitrags problematisierte, wobei er jedoch „das Papier vortrefflich und sehr schön“ fand.22 Brief von Max Weber an Paul Siebeck vom 12. April 1904, MWG II/4, S. 212 f., hier S. 212, Fn. 1.

Hinsichtlich der Urheberschaft des „Geleitworts“ sind von Jaffé keine Aussagen überliefert. Zwar sprach Weber von „meinem Einführungsartikel“; aber damit ist seine Abhandlung „Objektivität sozialwiss[enschaftlicher] Erkenntnis“ gemeint.23 Brief von Max Weber an Willy Hellpach vom 5. April 1905, ebd., S. 449–453, hier S. 450. Webers Wortwahl ist dennoch aufschlußreich. Erstens hatte Braun 1888 zum ersten Heft seines „Archiv[s] für soziale Gesetzgebung und Statistik“ einen Beitrag des Herausgebers mit dem Titel „Zur Einführung“ formuliert.24 Vgl. Braun, Heinrich, Zur Einführung, in: Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, Band 1, 1888, S. 1–6 (hinfort: Braun, Einführung). Zweitens reklamierte Sombart für das „Geleitwort“ just dieselbe Bezeichnung, als er Jahre später gegenüber Brauns Witwe Julie Braun-Vogelstein feststellte: „Was mein Urteil über die Gründung des ‚Archivs‘ und die Herausgebertätigkeit H[einrich] Br[auns] anbelangt, so finden Sie es niedergelegt in dem Einführungsaufsatze, mit dem ich die ‚Neue Folge‘ eingeleitet habe (Band XIX der ganzen Reihe). Der Aufsatz ist von mir verfaßt und von Max Weber nur in unwesentlichen Punkten ergänzt.“25 Brief von Werner Sombart an Julie Braun-Vogelstein vom 5. April 1927, Leo Baeck Institute, New York, Julie Braun-Vogelstein Collection, Part 1, Box 2, Folder 17. Damit ist offensichtlich das „Geleitwort“ gemeint. Tatsächlich weist allein schon der Titel „Geleitwort“ auf eine Federführung durch Sombart hin, denn mit einem „Geleitwort“ hatte er bereits 1902 seine zweibändige Studie „Der moderne Kapitalismus“ eröffnet.26 Vgl. Sombart, Moderner Kapitalismus I (wie oben, S. 14, Anm. 94), S. IX–XXXIV („Geleitwort“). Hinzu kommt, daß entgegen Webers Wunsch, die „Frage der ‚Tendenz‘ des Archivs“27 Karte von Max Weber an Edgar Jaffé vom 6. Jan. 1904, MWG II/4, S. 195. im „Geleitwort“ wegzulassen, diese dennoch auftaucht, wenn auch in subtiler Weise. Einerseits referiert der dreimal fallende Begriff „Tendenz“ auf das Braunsche „Archiv“; andererseits sollen die „Überzeugungen“ oder „Einsichten“, aus denen sich diese „Tendenz“ ergibt, „auch den neuen Herausgebern des ‚Archivs‘“ als „Grundanschauungen“ „gemeinsam“ sein.28 [Jaffé, Sombart, Weber,] Geleitwort, unten, S. 128 f. Sombarts Behauptung, daß Weber den Aufsatz „nur in unwesentlichen Punkten ergänzt“ habe, trifft allerdings ebensowenig zu wie Marianne Webers [124]Behauptung, das Geleitwort sei von Weber entworfen worden.29[124] Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild, S. 290. Möglicherweise führte Marianne Weber das „Geleitwort“ unmittelbar auf das Manuskript zurück, das ihr Weber diktiert hatte. Vgl. Editorischer Bericht zu Weber, Entwurf zur Übernahme des Archivs, oben, S. 102, 104. Dabei zitierte Marianne Weber wörtlich einen Satz aus dem Geleitwort, der die „allgemeine Kulturbedeutung der kapitalistischen Entwicklung“ und die enge Zusammenarbeit mit den Nachbardisziplinen betrifft.30 [Jaffé, Sombart, Weber,] Geleitwort, unten, S. 130. Tatsächlich enthält das Geleitwort Begriffe und Formulierungen, die sich sowohl Sombart als auch Weber zurechnen lassen. Zwischen beiden gab es auch ein hohes Maß an gemeinsamen Überzeugungen, ohne die eine gemeinsame Herausgeberschaft des „Archivs“ kaum möglich gewesen wäre.31 Vgl. Weber, Objektivität, unten, S. 142, Fn. 1.

II. Zur Überlieferung und Edition

Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der unter dem Titel „Geleitwort“ im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hg. von Werner Sombart, Max Weber und Edgar Jaffé, Band 19, Heft 1, 1904, S. I*–VII*, im April 1904 erschienen ist (A). Der Text ist mit „Die Herausgeber“ unterzeichnet und somit von Max Weber autorisiert. Die Seitenzählung wird – unter Weglassung der Asterisken – als A I etc. wiedergegeben.

Ein Wiederabdruck des Textes erfolgte in einem Prospekt des Verlages J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). Auf dem Titelblatt steht „Geleitwort“ mit der Fußzeile „1906. Nr. 121“. Der Text des „Geleitworts“ ist neu gesetzt, wovon eine Komprimierung auf sechs Seiten, Kursivierungen und typographische Abweichungen (z. B. „ss“ statt „ß“) zeugen. Im letzten Satz wurde an den Passus „Und indem wir die neue Folge des ‚Archivs‘ mit einem Aufsatz eines der Herausgeber eröffnen, der in ausführlicher Weise diese Probleme behandelt“, die Anmerkung: „Max Weber, Die ,Objectivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, (Band XIX).“ hinzugefügt. Dieser Wiederabdruck bleibt hier unberücksichtigt. Dem Text des „Geleitworts“ folgt dort eine halbseitige redaktionelle Notiz, die Inhaltsangaben der seither erschienenen Bände des „Archivs“ sowie einen Ausblick auf das nächste Heft enthält.