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MWG digital

Die digitale Max Weber-Gesamtausgabe.

[102]Editorischer Bericht

I. Zur Entstehung

Im Sommer 1903 erwarb Edgar Jaffé von Heinrich Braun das „Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik“. Als Mitherausgeber der in „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ umbenannten Zeitschrift, die im Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) erscheinen sollte, gewann er Werner Sombart und Max Weber.1[102] Zu den Einzelheiten dieser Übernahme vgl. Hübinger, Gangolf und Lepsius, Μ. Rainer, Einleitung, in: MWG II/4, S. 1–25, hier S. 3–7, sowie die Editorische Vorbemerkung zum Brief von Max Weber an Edgar Jaffé vom 1. Juni 1903, ebd., S. 68–70. Im Zusammenhang mit dieser Übernahme ist ein undatiertes Manuskript ohne Titel überliefert, das Max Weber seiner Frau Marianne Weber diktierte und dann handschriftlich korrigierte.2 Weber, Entwurf zur Übernahme des Archivs, unten, S. 105–111. Die Entstehung dieses Manuskripts, welches das angestrebte Profil der Zeitschrift zum Thema hat, liegt im Dunkeln. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß es im Rahmen einer von Jaffé initiierten Werbemaßnahme entstand, für die ein Prospekt gedruckt werden sollte.

Marianne Weber berichtete ihrem Mann am 27. August 1903 von Jaffés Vorhaben, einen „kleinen Prospekt“ auf der vom 14. bis 16. September 1903 in Hamburg stattfindenden Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik zu verteilen; diesen Prospekt hätte Jaffé „schon entworfen u. zur Begutachtung zunächst an Sombart gesandt“.3 Brief von Marianne Weber an Max Weber, undat. [27. Aug. 1903], in: Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. Darauf antwortete Weber am 29. August 1903: „Daß Jaffé einen Prospekt bei VfSP verteilen will, ist mir an sich nicht sehr sympathisch, es sieht doch sehr Colportage-artig aus u. ist Braun gegenüber unvorsichtig, so lange von diesem Chikanen drohen, – wir haben uns dann öffentlich festgelegt. –“4 Karte von Max Weber an Marianne Weber vom 29. Aug. 1903, MWG II/4, S. 139. Am 31. August 1903 teilte Jaffé Siebeck mit: „Über den Prospect hoffe ich in wenigen Tagen berichten zu können.“5 Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 31. Aug. 1903, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 146. Am 10. September 1903 ergänzte er: „Vor 10 Tagen bereits hatte ich den Entwurf des Vorprospects an Prof. Sombart zur Begutachtung nach Salzburg gesandt. [103]Bis jetzt ist aber noch keine Antwort eingelaufen und auch Prof. Weber meint, daß die Verteilung in Hamburg vielleicht von einigen der Herren falsch aufgefaßt werden könnte, so müssen wir wohl die Herausgabe des Prospects noch bis nach der Tagung des V.f.S.p. verschieben.“6[103] Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 10. Sept. 1903, ebd. Sombart beteiligte sich zwischen dem 7. und 12. September 1903 mit einem sechsstündigen Beitrag „Ueber den Geist im Wirtschaftsleben“ an einem Ferienkurs, den der Wiener Verein für wissenschaftliche Ferienkurse in Salzburg veranstaltete. Vgl. Ferienkurse in Salzburg, in: Heidelberger Zeitung, Jg. 45, Nr. 172 vom 27. Juli 1903, 2. Blatt, S. 2. Darauf antwortete Siebeck am 12. September 1903: „Was den Prospekt anbelangt, so ist es vielleicht besser, die Herren bekommen ihn erst, wann sie nach Hause zurückgekehrt sind. In Hamburg sind sie ja doch allerlei Abhaltungen und Ablenkungen unterworfen.“7 Brief von Paul Siebeck an Edgar Jaffé vom 12. Sept. 1903, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck), K. 146. In den nächsten Tagen waren Jaffé und Weber in dieser Sache tätig. Am 21. September 1903 teilte Jaffé Siebeck mit: „Was den Prospect anlangt, so haben wir zwei ausgearbeitet: Einen kurzen, der aus meiner Feder stammt und der sich für den, dem letzten Hefte des 18. Bandes beizulegenden buchhändlerischen Prospect eignen dürfte und einen ausführlichen von Prof. Weber, der am besten an die Spitze des ersten Heftes des 19. Bandes – also ein Text – passen würde. Sobald ich die Entwürfe von Prof. Sombart zurückerhalte, werde ich die Ihnen zur Begutachtung einsenden.“8 Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 21. Sept. 1903, ebd.

Die beiden in diesem Schreiben genannten „Entwürfe“ von Jaffé und Weber sind nicht überliefert. Überliefert ist das im Folgenden edierte Manuskript Webers, bei dem es sich um eine erste Version zu dem in Jaffés Schreiben erwähnten längeren „Entwurf“ für einen Werbetext handeln dürfte. Zusätzlich überliefert ist ein auf Oktober 1903 datierter und von Sombart, Weber und Jaffé unterzeichneter gedruckter Werbetext für einen Prospekt.9 Jaffé, Sombart, Weber, Werbetext, unten, S. 112–119. Da dieser und das unten edierte handschriftliche Manuskript formale und inhaltliche Ähnlichkeiten aufweisen, ist es wahrscheinlich, daß das Manuskript und der auf ihm basierende „Entwurf“ Webers in die Formulierung des von allen drei Herausgebern unterzeichneten Prospekttextes eingeflossen ist. Der Prospekt scheint nun seinerseits den Herausgebern als Vorlage bei der Formulierung ihres „Geleitworts“ gedient zu haben, das an der „Spitze“10 Die Formulierung „an die Spitze“ in Jaffés Brief vom 21. September 1903, vgl. dazu oben S. 103 mit Anm. 8. des ersten Heftes des 19. Bandes des „Archivs“ erschienen ist.11 [Jaffé, Sombart, Weber,] Geleitwort, unten, S. 120–134. Auch in Webers eigenem Beitrag zu diesem Heft, „Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis“, finden sich nahezu wortgleiche Formulierungen.12 Weber, Objektivität, unten, S. 135–234.

[104]II. Zur Überlieferung und Edition

Dem Abdruck liegt ein vierseitiges Manuskript zugrunde, das sich im Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat Bayerische Staatsbibliothek München, Ana 446 (A, A1, A2), befindet und dort als „Entwurf eines Textes zur Übernahme des ‚Archivs für soziale Gesetzgebung und Statistik‘ “ verzeichnet ist. Das Manuskript ist undatiert, ohne Überschrift und besteht aus zwei Bögen des Papiers „J. P. Sonntag Emmendingen Normal 3b“.13[104] Dieses Papier hat Weber u. a. auch zur Abfassung seiner Rechtssoziologie benutzt; vgl. den Editorischen Gesamtbericht in MWG I/22–3, S. 135–172, hier S. 146. Die erste Seite eines Bogens ist jeweils von der Hand Max Webers mit „1)“ und „2)“ paginiert.

Der Grundtext (A) ist offenbar von Max Weber diktiert und von der Hand Marianne Webers mit schwarzer Tinte auf der rechten Blattseite geschrieben,14 Marianne Weber unterstützte ihren Mann während seiner Rekonvaleszenz 1902/03 bei Schreibarbeiten. dazu war der erste Bogen hälftig, der zweite zu Zweidritteln vertikal geknickt. Anschließend wurde dieser Grundtext von Max Weber in zwei Durchgängen überarbeitet. Die zeitlich frühere Überarbeitung erfolgte mit schwarzer Tinte (A1), die spätere mit einem lilafarbenen Bleistift (A2). Der Gesamttext ist von Max Weber autorisiert.

Ediert wird der Text letzter Bearbeitung (A2), die Abweichungen zur ersten Überarbeitung A1 und der Grundfassung A werden im textkritischen Apparat ausgewiesen. Die Edition übernimmt die Originalpaginierung als A, A1, A2 1 bzw. 2 und ergänzt die Zählung der zweiten Bogenseiten als A, A1, A2 (1a) bzw. (2a). Die von der Bayerischen Staatsbibliothek verwendete Bezeichnung des Manuskripts wird als Überschrift übernommen, aber als nicht-autoreigen in eckige Klammern gestellt.